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Jahresende 2020: Ahnenforschung Claer, Teil 12

Auch in diesem Jahr bin ich leider kaum zum „Ahnenforschen“ gekommen. Dennoch ist mir – fast ohne eigenes Zutun – doch wieder so viel relevantes Material zugeflogen, dass es erneut für eine hoffentlich kurzweilige Zusammenstellung gereicht hat.

1. Unsere blaublütigen (zumindest) Namensvettern und –kusinen

Die „Von-Frage“, also eine etwaige Verbindung unserer Familie zu gleichnamigen Adelsfamilien, hatte in meinen „Forschungen“ der letzten Jahre eigentlich keine Rolle mehr gespielt. Zur Erinnerung: Zwar hat es nach meinen Erkenntnissen gleich zwei zumindest teilweise und vorübergehend (auch) in Ostpreußen oder Umgebung ansässige namensgleiche adelige Familien gegeben: die v. Claers und die v. Clairs, wobei erstere vom stolzen anglonormannischen Geschlecht der de Clares abstammen und letztere sich vom vermutlich von Friedrich dem Großen für seine Verdienste geadelten hugenottischen Ingenieurkapitän Gottlieb August le Clair (1730/31-1778/79) aus Berlin ableiten (siehe meine früheren Berichte). Aber bis auf vage Überlieferungen und Mutmaßungen konnte ich keinerlei Hinweise auf eine Verbindung zwischen diesen Familien und „unseren“ Claers finden. (Abgesehen von der sehr spekulativen Möglichkeit einer Verwandtschaft über den Erbauer des Königsberger Doms Johannes Clare (1265-1344).) Vielmehr hatte ich den Eindruck gewonnen, dass solche Gerüchte aus dem Wunschdenken bestimmter Familienmitglieder heraus, auch bedingt durch die räumliche Nähe zu den „Blaublütigen“ entstanden sein könnten.

Aber vielleicht war es ja etwas voreilig von mir, mit der „Von-Frage“ bereits abzuschließen. Im Januar meldete sich eine Frau Heidi S. bei mir, die sich als Tochter einer geborenen v. Claer und als Enkeltochter Alexander v. Claers (1862-1946), des Verfassers der Familienchronik v. Claer (1929-32, neu aufgelegt 1979), zu erkennen gab. (Es sind also wohlgemerkt die v. Claers mit den anglonormannischen Wurzeln!) Bemerkenswerterweise vertrat sie die Auffassung, das „von“ sei ja den nichtadeligen Claers womöglich nur aberkannt worden, und trotzdem könne da eine Verwandtschaft sein. Zugleich räumte sie aber auch ein, dass manche Angehörigen ihrer Familie „die Nase ziemlich hoch“ trügen, wohingegen ihr selbst als lediglich Halbadeliger („Violettblütiger“) das „von“ oder nicht „von“ weitgehend egal sei.

a) Familienfotos

Ein erster Ansatz könnte die Suche nach optischen Ähnlichkeiten mithilfe der nebenstehenden Familienfotos sein, die Frau S. mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. In der unteren Reihe sind ihre Großeltern Alexander v. Claer und Erna v. Claer abgelichtet, jeweils darüber in der mittleren und oberen Reihe befinden sich deren Eltern Otto v. Claer und Anna v. Claer (geb. Spitz) sowie Eberhard v. Claer und Jeanne de Bus. Auffällig ist, dass offenbar Großvater und Großmutter von Frau S. mütterlicherseits beide der Familie v. Claer entstammen, es also eine Heirat von Cousin und Cousine gewesen sein muss. Das sich

anschließende große Porträt zeigt den besagten Alexander v. Claer im Alter von ca. 50 Jahren, darunter noch einmal seine deutlich jüngere Frau Erna v. Claer. Allerdings springen mir, um es vorsichtig zu sagen, äußerliche Übereinstimmungen zwischen den v. Claers und Angehörigen unserer Familie nicht unbedingt ins Auge…

b) Die v. Claers im deutschen Osten

Wie steht es aber mit Bezügen der v. Claers zu Ostpreußen, wo „unser“ Familienzweig ja, soweit ersichtlich, zwischen 1712 und 1945 angesiedelt war (von der Einwanderung in die „Schweizer Kolonie“ bis zur Flucht vor der Roten Armee, siehe meine früheren Berichte)? Immerhin kam Alexander v. Claer, der Verfasser der Familienchronik und Großvater von Frau S., im Jahr 1862 in Danzig zur Welt, was ja schon relativ in der Nähe ist. Ergänzend führt Frau S. noch an, dass er auch zeitweise in Breslau aufgewachsen ist (bevor er später nach Berlin zog). Nun, zu jener Zeit waren vermutlich auch schon Teile „unserer“ Claers nach Schlesien ausgewandert. Zwar noch nicht der Vorfahre von Andreas Z., der Jäger Otto Wilhelm Claer (1859-1937), der erst 1890 in Leutmannsdorf/Schlesien geheiratet hat. (Er war der Sohn des Jägers Wilhelm Friedrich Claer (1824-1889), des älteren Bruders meines Ururgroßvaters Franz Claer (1841-1906)). Aber zuvor bereits der 1759 geborene Jäger Clair in Möllendorf/Schlesien, der 1819 im Alter von 60 Jahren auf spektakuläre Weise ein Wildschwein erlegte, siehe meine früheren Berichte. Doch ergeben sich auch hieraus allein noch keinerlei Anhaltspunkte für eine etwaige Verbindung zwischen adeligen und nichtadeligen Claers.

Wie aber kam es überhaupt dazu, dass es den Urgroßvater von Frau S., General Otto v. Claer – einen prominenten preußischer Generalleutnant mit eigenem Wikipedia-Eintrag (https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Claer) in die deutschen Ostgebiete verschlug?
Hierzu Frau S: „Also in unserer Familienchronik steht, nachdem Otto von Claer 1849 mit anderen Bonner Studenten seine langjährige Dienstpflicht bei den 4. Dragonern in Deutz ableistete, wurde dieses Regiment aus politischen Gründen in das ferne Schlesien versetzt. Nach einem Marsche von 6 Wochen in Winterkühle quer durch Deutschland erreichte die Truppe ihre Standorte im Liegnitzer Kreise. Später kam er nach seiner Heirat mit Marie von Spitz nach Danzig.“
 
Dann gab es auch noch einen Alexander v. Claer, der laut Kartei Quassowski in Ostpreußen auf dem Rittergut Posorken in Erscheinung getreten ist (ca. erste Hälfte des 20. Jh.), siehe meinen früheren Bericht. Dies war aber nach Auskunft von Frau S. nicht ihr Großvater, sondern „der jüngere Bruder seiner Frau Erna von Claer, der auch früh gestorben ist. Ich glaube, er war keine 40 Jahre alt.“

Generell ist es nicht ganz einfach, bei den häufig mehrfach auftauchenden Vornamen der adeligen Claers den Überblick zu behalten. Hinzuweisen ist noch auf einen Eduard v. Claer, der 1923 in Königsberg (!) geboren und im Krieg schwer verletzt wurde, später dann im Nachkriegs(west)deutschland als CDU-Politiker hervorgetreten ist, u.a. als Ratsherr der Stadt Oldenburg und Landtagsabgeordneter in Niedersachsen. Interessanterweise war er sogar Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen des Bundes der Vertriebenen. Auch über ihn gibt es einen Wikipedia-Eintrag, (https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_von_Claer_(Politiker)), der u.a. davon berichtet, dass Eduard v. Claer die Volksschule und später das Gymnasium bzw. die Oberschule in Königsberg, Manenburg, Stolp und Kolberg besuchte. „Die häufigen Schulwechsel waren durch die Versetzungen seines Vaters, dem späteren Generalleutnant Bernhard von Claer (1888–1953) begründet.“ Frau S. teilte mir mit, von diesem Eduard v. Claer aus Oldenburg oft als Kind Besuch erhalten zu haben. Darüber hinaus hat es noch mehrere weitere Träger dieses Namens in ihrer Familie gegeben. Über einen eigenen Wikipdia-Eintrag verfügt noch der General im ersten Weltkrieg Eberhard v. Claer (1856-1945), nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Urgroßvater von Frau S. (siehe oben) und auch nicht mit einem gleichnamigen Bruder ihrer Mutter, der bereits mit 21 Jahren im 2. Weltkrieg gefallen ist.
Festzuhalten bleibt jedoch, dass obwohl mehrere v. Claers in deutschen Ostgebieten und sogar in Ostpreußen präsent waren, keine Hinweise auf eine Verbindung zu „unseren“ nichtadeligen Claers ersichtlich sind.

Nur am Rande sei hier noch bemerkt, dass man beim Lesen der genannten Wikipedia-Einträge den Eindruck gewinnt, dass fast alle männlichen v. Claers Jura studiert haben, was in unserer Familie, soweit ich sehe, erst ein einziges Mal vorgekommen ist…

c) Schreibfreude

Aber offenbar besteht doch noch eine über die Namensgleichheit hinausgehende Gemeinsamkeit zwischen den Familien, sofern uns schlichten Nichtadeligen hier dieses unbescheidene Wort erlaubt ist, und das ist die auffällige Häufung von schreibfreudigen und -begabten Personen. Schon mehrfach habe ich in meinen „Forschungsberichten“ darauf hingewiesen, dass beinahe alle Claers gut schreiben konnten, und habe dies mit vielen Beispielen belegt. Ein besonders eifriger und guter Schreiber ist aber auch Alexander v. Claer (1862-1946) gewesen, der Großvater von Frau S., der neben der Familienchronik v. Claer (die ich vor langen Jahren vollständig gelesen habe, siehe meine früheren Berichte) noch mehrere weitere Bücher verfasst hat. Er war u.a. Militärattaché in China (dazu gleich mehr im anschließenden Kapitel) und in seinen Ämtern auch noch in viele andere Länder gereist. Frau S. berichtet, dass er ein sehr interessanter Mann gewesen sei und über seine Zeit in Russland ebenso ein ganzes Buch geschrieben habe wie über seine Reise nach und in China, außerdem einen Reisebericht über seinen Ritt von Bukarest nach Berlin und ein Buch über seine Reise auf die Krim, in den Kaukasus und nach Konstantinopel. Ferner schrieb er über seine Kindheit  in Danzig.
Darüber hinaus findet sich unter dem Link https://www.bundesarchiv.de/nachlassdatenbank/viewresult.php?sid=5fa1fa115fe617a000667
der Hinweis, dass sich im Bundesarchiv in Freiburg als schriftlicher Nachlass des Alexander v. Claer dessen „Aufzeichnungen über seine Tätigkeit als Militärattaché in Seoul und den russisch-japanischen Krieg sowie Aufzeichnungen über seine Tätigkeit als Chef des Stabes beim Generalgouvernement in Belgien unter Generalfeldmarschall von der Goltz 1914“ befinden.

2. Meldereiter und Attaché – die (von) Claers in China um 1900

a) Mein Urgroßvater Georg Claer – Meldereiter in China

Über meinen Urgroßvater Georg Claer (1877-1930) weiß ich leider fast nichts. Nicht einmal die Ursache und die Umstände seines frühen Todes im Alter von erst 52 Jahren konnte ich in Erfahrung bringen. Sicher ist nur: Er war Postangestellter, soviel lässt sich den Stammbäumen meines Großvaters und den von ihm ausgefüllten Fragebögen der „Reichsstelle für Sippenforschung“ entnehmen. Und er hatte zwei Brüder, Otto und Richard, die – wie ich später herausgefunden habe – ebenfalls bei der Post waren, wie auch schon sein Vater Franz Claer (1841-1906), mein Ururgroßvater. An die Frau meines Urgroßvaters, meine Urgroßmutter Wilhelmine Claer, geborene Petschinski (1876-1940), hatte immerhin mein Vater Joachim Claer (1933-2016) noch lebendige Erinnerungen, die sich aber darauf beschränkten, dass sie zu ihm und seiner Schwester Renate immer auf Ostpreußisch „Me-ine kle-inen Wiermerchen“ (hochdeutsch: meine kleinen Würmchen) gesagt habe. Und mein Vater erinnerte sich noch daran, wie er und seine Schwester Renate im Garten spielten – sie müssen damals sieben und acht Jahre alt gewesen sein – und ihr Vater, mein Großvater Gerhard Claer (1905-1974), sie mit ernstem Gesicht zu sich rief und zu ihnen sprach: „Ich muss euch etwas sagen. Die Oma ist vorhin gestorben.“ Deren Mann, meinen Urgroßvater, hatten mein Vater und meine Tante nie kennengelernt, da er schon drei bzw. vier Jahre vor ihrer Geburt verstorben war.

Eine Sache aber gab es, die eigentlich immer stolz erwähnt wurde, sobald von meinem Urgroßvater die Rede war: Er war Meldereiter in China! Und als Beweis wurde dieses kleine Bild mit der Jahreszahl 1900 gezeigt:

Weitere Informationen haben wir nicht. Wie war er dort hingekommen? Hatte er sich freiwillig gemeldet? Es liegt nahe, dass sein dortiger Aufenthalt ausgerechnet zu jener Zeit etwas mit der Niederschlagung des Boxeraufstands im Jahr 1900 zu tun hatte.

Auf dem Bild sieht man ihn hoch zu Pferde in Uniform und mit Pickelhaube. Daneben steht ein anders uniformierter Mann. Vielleicht ein Chinese? Nein, von der Figur und vom Gesicht her ebenfalls ein Europäer, meint meine aus Korea stammende Frau. Aber die Uniform?

Unter https://st.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=65214 findet sich ein Foto aus dem Jahr 1907 mit dem Titel „Deutsche Truppen in China – Sonntagswache“. (Rechte: Haus der Geschichte, Wittenberg.) Und die Bildunterzeile erklärt:„Die sechs Deutschen posieren in ihren Uniformen und mit Pickelhaube gemeinsam mit ihren chinesischen Kameraden.“ Für mich sieht es schon so aus, dass der neben dem Pferd meines Urgroßvaters stehende Mann auf unserem Bild die gleiche Uniform trägt wie die chinesischen Soldaten auf dem anderen Bild…

Aber wie war das überhaupt mit dem Boxeraufstand und dem Einsatz der deutschen Soldaten? Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Boxerkrieg) gibt Auskunft:

„Unter dem Boxerkrieg oder auch Boxeraufstand … versteht man eine chinesische Bewegung gegen den europäischen, US-amerikanischen und japanischen Imperialismus.

Im Frühjahr und Sommer 1900 führten die Attacken der sogenannten Boxerbewegung gegen Ausländer und chinesische Christen einen Krieg zwischen China und den Vereinigten acht Staaten (bestehend aus dem Deutschen Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland und den USA) herbei, der mit einer Niederlage der Chinesen und dem Abschluss des sogenannten „Boxerprotokolls“ im September 1901 endete.

Ein erster alliierter Gegenschlag (ohne deutsche Beteiligung) im Juni 1900 war  unter dem englischen Admiral Seymour gescheitert, woraufhin dieser Verstärkung u.a. auch durch deutsche Truppen gefordert haben soll („The Germans to  he Front!“, siehe untenstehendes Bild, Quelle: Wikipedia s.o.)“

Daraufhin „stellten sechs europäische Staaten sowie die USA und Japan ein Expeditionskorps für eine Intervention in China zusammen. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte unverzüglich auf den Vorschlag einer gemeinsamen Militäraktion europäischer Staaten reagiert, weil sich in diesem Rahmen die verstärkte Rolle des Deutschen Reiches in der Weltpolitik demonstrieren ließ. Zu seiner Genugtuung konnte er erreichen, dass dem ehemaligen deutschen Generalstabschef Feldmarschall Alfred Graf von Waldersee der Oberbefehl über dieses gemeinsame Expeditionsheer übertragen wurde. Bei der Verabschiedung eines Teils der deutschen Truppen am 27. Juli in Bremerhaven hielt Wilhelm II. seine berüchtigte Hunnenrede („Pardon wird nicht gegeben, … dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!“)“
Doch dauerte eine Reise von Bremerhaven nach China zu jener Zeit mit dem Schiff begreiflicherweise noch ziemlich lange…

„Die aus Europa eingeschifften Truppen kamen allerdings zu spät, um noch am Entsatz Tianjins und Pekings teilzunehmen. Die etwa 20.000 Mann starke alliierte Truppe, die am 4. August in Tianjin abmarschierte, bestand in erster Linie aus britisch-indischen, russischen, japanischen und US-Truppen (letztere waren von den Philippinen nach China verlegt worden); Deutsche, Franzosen, Österreicher und Italiener beteiligten sich nur mit einigen Abteilungen Marineinfanterie.“

„Eine Urkunde anlässlich der China-Expedition der 6. Kompanie des 3. ostasiatischen Infanterie-Regiments gibt einen anschaulichen Überblick über den zeitlichen Verlauf der Expedition. Abfahrt mit dem Dampfer „Rhein und Palatia“ in Bremerhaven am 2. August 1900. Fahrt nach China über Gibraltar, Port Said (Sueskanal), Aden, Colombo, Singapur. Dann die Orte in China: Peitang am 20. September 1900; Yung-Shing-Shien am 15. Dezember 1900; Chou-Chouang 24. Dezember 1900; Kwang-Tshang am 20. Februar 1901; Tshang-Tshöng-Puss am 8. März 1901; Huolu am 24. April 1901. Außerdem gab es Militäreinsätze in Taku, Tangku, Tianjin, Pautingfu, Ansu, Tien-Shien, Tsho-Tshou, Jau-Shane. Die Rückkehr erfolgte nach Bremerhaven am 9. August 1901.“

Mein Urgroßvater könnte also dabei gewesen sein. Ob er auch so penibel über seine Aufenthaltsorte Buch geführt hat wie später sein Sohn, mein Großvater Gerhard Claer, im zweiten Weltkrieg? (Siehe meinen vorjährigen Bericht.) Zumindest ist offenbar nichts davon erhalten geblieben… Vor einigen Jahren wurde berichtet, dass deutsche Soldaten in China zu dieser Zeit auch an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein sollen. Hoffentlich nicht auch mein Urgroßvater…

b) Alexander v. Claer – Militärattaché in Korea und China

Doch war mein Urgroßvater nicht der einzige Claer, den es zu jener Zeit in den fernen Osten verschlagen hatte. In standesgemäß weit gehobenerer Stellung wirkte dort auch der bereits im ersten Kapital ausführlich porträtierte Alexander von Claer (1862-1946), nämlich als Militärattaché in Seoul und Peking. Atta-was?, wird nun vielleicht mancher fragen.

Hier (https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rattach%C3%A9) verrät uns Wikipedia, was sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt:

„Ein Militärattaché (Sammelbegriff für Verteidigungsattaché, Heeresattaché, Luftwaffenattaché und Marineattaché) ist ein Offizier, der an eine Auslandsvertretung entsandt ist, Diplomatenstatus besitzt und für militärische Belange zuständig ist.“

Und was sind seine Aufgaben und Tätigkeiten?
„So wie andere Entsandte in einer Botschaft die Leiter ihrer jeweiligen Ressorts (soweit vorhanden), repräsentiert der Militärattaché in erster Linie dessen Verteidigungsminister im Gastland. Dabei ist er zugleich erster Berater des Botschafters bei allen Belangen der Militär- und Verteidigungspolitik des Gastlandes, des Entwicklungsstandes der Streitkräfte, der Rüstungsindustrie sowie mit diesen Gebieten verbundenen Themen. Er führt Analysen und Lagebeurteilungen durch, nimmt an Konferenzen und Truppenbesichtigungen teil und ist Ansprechpartner für die eigenen Streitkräfte vor Ort. … An vielen Botschaften sind die Militärattachés für mehrere Länder in Haupt- und Nebenakkreditierung zuständig.“
Aber gibt es solche Militärattachés auch noch heute? Ja, natürlich. „Zurzeit sind in rund 130 Ländern deutsche Militärattachés akkreditiert.“

Und es folgt u.a. eine Liste der Militärattachés des Deutschen Reiches in ausgewählten Ländern (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Milit%C3%A4rattach%C3%A9s_des_Deutschen_Reiches):
Korea ist nicht in ihr enthalten, wohl aber China. Und dort findet sich für das Jahr 1904 der Eintrag: Alexander Karl August von Claer (1825–1897). Sofort fällt auf, dass diese Jahreszahlen nicht mit den uns bekannten Lebensdaten des Alexander Karl August Claer übereinstimmen, denn diese lauten 1862-1946. Sollte also doch ein exakt gleichnamiger anderer v. Claer dort aufgeführt sein? Aber dann hätte dieser – gemäß den Angaben – seine Position im weit fortgeschrittenen Alter von 79 Jahren bekleidet haben müssen. Und das zur damaligen Zeit… Für wahrscheinlicher halte ich es, dass den Wikipedia-Autoren hier ein Fehler unterlaufen ist, und es sich doch um den uns bekannten Alexander v. Claer handelt.
Wie dieser im Jahre 1906 in Peking gewohnt hat, zeigen diese auf Ebay zum Kauf angebotenen Fotos mit der Beschriftung „Claersches Haus“. Im Begleittext des Anbieters, eines Antiquitätenhändlers, ist ausdrücklich vom Militärattaché Alexander v. Claer in Beijing (Peking) die Rede, nebst der Jahreszahl 1906.

Den Hinweis auf diese bei Ebay angebotenen Fotos verdanke ich übrigens Herrn Sandro Parotta, dem jetzigen Burgherrn der Burg Lede, die sich von 1869 bis 1904 im Besitz der Familie de Claer (seit 1882 v. Claer) befunden hat. (Nähere Informationen hierzu unter http://www.parrotta.de/gallery/QuellenBurgLede.htm).

Herr Parotta hatte bei mir angefragt, ob ich ihm noch mit näheren Informationen zur Geschichte seiner Burg weiterhelfen könnte, aber das vermochte ich leider ebenso wenig wie Frau S.
Ausweislich meiner Google-Recherche wird der Militärattaché in China, Alexander v. Claer, darüber hinaus zweimal im Buch „Bismarcks Missionare. Deutsche Militärinstrukteure in China 1884-1890 “ (2002) von Elisabeth Kaske erwähnt, die seit April 2017 als Professorin für Gesellschaft und Kultur des modernen China an der Universität Leipzig fungiert.
Zuerst auf S.245: „Als die deutsche Regierung im Jahr 1902 überlegte, ob es opportun sein, wieder Instrukteure nach China zu schicken, war der neue Militärattaché Alexander von Claer ein großer Befürworter. Der ehemalige Instrukteur, jetzt Kaiserlicher Geschäftsträger, von der Goltz jedoch lehnte ein solches Unterfangen ab. Selbst bei sorgfältigster Auswahl der Offiziere könne ein Erfolg nicht verbürgt werden. Die Möglichkeit, eine kriegstüchtige chinesische Armee zu schaffen, würde von vielen Kennern bezweifelt, und Goltz teilte diese Ansicht. Offiziere würden also in den Dienst einer von vornherein als aussichtslos zu betrachtenden Sache gestellt…“ (Fußnote enthält Quellennachweis: BArch Berlin R9208/501, S. 89-94: Militärattaché an Preußisches Kriegsministerium; Nr. 47, 27.12.1903.)

Und dann auf S. 253: „ Als deutsche Behörden 1903 über den Sinn deutscher Militärinstrukteure in China debattierten, erklärte der Militärattaché von Claer drei Jahre nach dem Untergang der Militärschule Tianjin: , Wie nachhaltig trotzdem die Wirkung der deutschen Militärinstrukteure war, geht aus dem Verständnis für das deutsche Heer, mitunter auch der Kenntnis der deutschen Sprache hervor, welche man bei chinesischen Militärs finden kann. Mehrfach hatte ich Gelegenheit zu hören, mit welcher Achtung Schüler der ehemaligen Militärschule Tianjin von ihren deutschen Lehrern sprechen, und zwar in flüssigem Deutsch.“ Die Vorstellung, dass Deutschland das führende Land im Bereich der Armeeorganisation war, hatte sich so sehr in den Köpfen der chinesischen Bevölkerung festgesetzt, dass noch im Jahre 1904, als die chinesischen Armeereformen bereits weitgehend mit japanischen Instrukteuren durchgeführt wurden, die populäre in der Umgangssprache geschriebene Pekinger Zeitung Jinghua Ribao den Kindern das Wort Deutschland beibrachte mit der Erklärung, dies sei das Land mit der besten Armee…“

Und in dieser hochangesehenen Armee – und hier schließt sich der Kreis – hat mein Urgroßvater immerhin als Meldereiter gedient…

Bestimmt wäre es interessant, auch im Hinblick auf meine koreanische Frau, in den Aufzeichnungen des Alexander v. Claer über seine Jahre in Fernost zu lesen. Insofern könnte der nächste Schritt sein, eine Anfrage an das oben genannte Bundesarchiv in Freiburg zu richten…

3. Erich Claer: Nachträge aus den Kondolenzbriefen

Und nun springen wir ins Jahr 1950. Am 15.Dezember, also vor genau 70 Jahren und zwei Wochen, ist im Alter von gerade einmal 49 Jahren (so alt, wie ich jetzt bin) Erich Claer gestorben, der Vater des Skandal-Schriftstellers Hans Henning “Moppel“ Claer und seiner Schwester, meiner heute 80-jährigen Tante dritten Grades Lorelies Claer-Fischer. Vor einem Jahr enthielt mein Forschungsbericht ein Kapitel mit Auszügen aus den Kondolenzbriefen für ihn, die mir Tante Lorelies freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte. Nun folgen noch einmal vier weitere Briefe dieser Art, z.T. gekürzt und von Tante Lorelies aus ihren nur schwer lesbaren Handschriften transkribiert sowie jeweils kurz kommentiert. „Auffallend ist, dass auch hier immer die Größe und Stärke meines Vaters und seine Hilfsbereitschaft hervorgehoben worden sind“, schrieb sie mir noch. Und ergänzte im Hinblick auf Heiner Claer (1942-2013), den jüngsten ihrer drei Brüder: „Letzteres Verhalten hatte am ehesten Heiner, der konnte es gar nicht lassen, Probleme für andere Leute zu lösen.“
 

a) Die Magd Anna
Anna war Magd bei unseren Großeltern mütterlicherseits Adolf und Hedwig Keller in Osterode/Ostpr. Sie hat als einzige deren (und weiterer Personen) Erschießung durch die Russen am 29.1.1945 er- und überlebt. Emma Claer, geb. Sakrzewski ist im Winter 1944 auf dem Weg nach Königsberg verschollen. Sie wollte zu ihrer Tochter Hildegard, die nach dem Einmarsch in russ. Kriegsgefangenschaft kam.

„Wahldorf, 26.12.50
Ihr lieben Alle,
da Anna die traurige Nachricht erhalten hat, so möchte sie doch gern auch wissen, wie der Tod so plötzlich kam, denn sie macht sich nun auch Gedanken über den Tod Ihres lieben Gatten. Und ob die liebe Frau Claer ein Bild von ihrem Mann habe, denn Anna möchte doch gern eins haben. Nun viele Grüße auch an Familie Pramann, nun noch eine Frage: Anna möchte wissen, „wo dem Herrn Claer seine Mutter ist ?“
Nun mit vielen Grüßen Ihre Anna“


b) Ernst Rathgen, Schwager von Hildegard Claer (Schwester von Erich Claer)

„23.12.50 Hamburg
Liebe Hanni Claer !
Als ich von Hermann (Hildegards Ehemann) die Nachricht bekam über den schweren Verlust, den Sie durch Ihres Mannes Tod erlitten haben, war ich tief erschüttert. Ich spreche Ihnen mein tiefempfundenes Beileid aus…… Inzwischen hat sich viel ereignet und es ist gut, daß wir vorher nicht wissen, was sich noch ereignen wird. Auch ich habe im Sommer 46 eine schwere Zeit durchmachen müssen in Königsberg. Damals erfuhr ich aus Ihrem Brief an Hildegard, daß meine Frau und Schwester verstorben waren. Ich fühle mit Ihnen und mögen Sie die Kraft haben über den schweren Verlust hinwegzukommen…..Ihr Ernst Rathgen“

c) Gertrud Sanden, Frau von Hermann Sanden, dem Bruder von Erich Claers Mutter Emma

„Stuttgart, 20.1.51
Mein liebes Hannchen und Kinder!
Ihr werdet schon recht böse sein, dass wir nichts von uns hören ließen, aber glaube mir liebes Kind, der Schrecken ist mir so in die Glieder gefahren, daß ich oft nicht in der Lage war zu schreiben. Die Nachricht vom Tode des lieben Paten von meinem Erich hat uns beide entsetzlich getroffen. Erich trug den Brief in der Tasche und gab ihn mir am Heiligen Abend. Ich konnte gar nicht fassen, dass unser lieber, guter Erich nicht mehr sein soll.
Dieser gute Mensch, der der uns so oft im Leben Helfer und Vermittler war, und an den man sich gerne gewandt hat, der soll nun nicht mehr sein ?…..
denn mein liebes Kind, ich kann dir am besten nachfühlen, nachdem ich unseren beiden Männern nachtrauern muss, die Ungewissheit kostet oft unsere Gesundheit, aber ein Mutterherz kommt nicht zur Ruhe……nun schreibe uns doch bitte, was Erich zugestoßen ist.
Ich glaube fast, daß es die Folgen von Sibirien waren oder ist ihm ein Unglücksfall zugestoßen ?….
Bei uns hat sich auch im Laufe des alten Jahres so manches geändert. Erich hat seine Stelle gewechselt, er ist auf Empfehlung zur Bank gekommen. Das Gehalt ist allerdings noch klein, aber dadurch, dass ich noch arbeite, schlagen wir uns treu und redlich …..durch
Erichs Arbeitsplatz sind wir nun auch zur neuen Wohnung gekommen. Im Neubau eine 2-Zimmerwohnung mit eigener Küche und Du kannst dir sicher vorstellen, wie glücklich ich bin. Denn in der alten Wohnung waren 5 Parteien in einer Küche. Jetzt bin ich meiner eigenen Wohnung mein eigener Herr! Allerdings mußten wir DM 600 Baukostenzuschuß hinterlegen, die die Bank ihm vorgeschossen hat und nun monatlich DM 50 vom Gehalt abzieht…..
…sei Du nun mit deinen Kindern herzlich gegrüßt von Deiner Tante Gertrud

Meine liebe Tante ! Auch ich möchte Dir auf diesem Wege mein herzliches Beileid aussprechen. Kann es bis heute nicht fassen, dass ich meinen lieben guten Patenonkel Erich gar nicht mehr sehen soll……Euer Erich“

Gertrud Sanden, vormals Sakrzwewski. Ehemann Hermann, Supernazi, hat den Namen „germanisieren lassen“. Er war Bürgermeister von Gröben und wurde, als die Polen Ostpreußen bekamen, von diesen ans Scheunentor genagelt. Er war immer aufs Gröbste mit seinen poln. Arbeitern umgegangen. Erich Sanden (vormals Sakrzewski ) war der Patensohn von Erich Claer. Sein Vater Hermann war der Bruder von Erich Claers Mutter Emma Sakrzweski, verh. Claer.

d) Erich Claers Sekretärin

Kondolenzbrief von Papas Sekretärin. Wegen der 2 Währungen, in denen für ihn gesammelt wurde. Das ist auch Geschichte. Die Fa. Meyer lag in der Ackerstraße in Wedding, an der Grenze zu Ostberlin. 1950 konnte man ja noch hier wie dort arbeiten.

„Berlin, 22.12.1950
Liebe Frau Claer,
aus meinem heutigen Besuch ist nun leider nichts geworden. Hoffentlich sind Sie mir nicht böse, ich von mir aus bedaure es außerordentlich. Ich hätte mich doch so gern einmal mit Ihnen unterhalten. Doch, Frau Claer, aufgehoben ist nicht aufgeschoben. Ich mache jetzt die ganze Importabteilung allein und bin auch schon fast so durchgedreht wie ihr Gatte. Es ist doch ein bissel zu viel für eine Person. Nun aber zu meinem eigentlichen Grund des Besuches.
Ich habe von der Belegschaft für die Beerdigung Ihres Gatten Kranzspenden bekommen. Es kam doch immerhin eine schöne Summe zusammen. Wir hielten es nun für richtiger, nicht die ganze Summe für den Kranz auszugeben, sondern Ihnen zuteil kommen zu lassen, da Sie das Geld doch erstmal nötiger gebrauchen können. Wir haben also nur ein Teil des Betrages für den Kranz angewandt. Ich glaube, das ist auch im Sinne Ihres Gatten so recht gehandelt. Ich wollte Ihnen den Betrag gern persönlich überreichen, nun geht es nicht. Darum heute dieser kleine Schrieb. Ich füge das Geld – 150.—DM West und 10.50 DM Ost (bringt Dieter morgen mit).
Es hilft Ihnen vielleicht im Moment etwas weiter. Ich besuche Sie bestimmt einmal, ich sage Ihnen durch Dieter noch Bescheid.
Ich wünsche Ihnen nun recht guten Verlauf der Festtage……………..nun bringt der Weihnachtsmann auch für Ihre Kinder eine Kleinigkeit“

4. Gerhard und Emmy Claer: Die doppelte Fluchtgeschichte

Es folgt nun – wie vor einem Jahr angekündigt – die doppelte Fluchtgeschichte meiner Großeltern Gerhard Claer (1905-1974) und Emmy Claer, geb. Klatt (1906-1960).

a) Flucht Nr. 1: Von Ostpreußen nach Mecklenburg

Über die Flucht meiner Großeltern (und ihrer damals zehn-, elf- und knapp einjährigen Kinder: meiner Tante Renate, meines Vaters Joachim und meines Onkels Gerd) aus Ostpreußen im Jahr 1944 habe ich bereits vor einigen Jahren an Tante Lorelies wie folgt geschrieben:

„Doch, meine Familie bzw. die Familie meines Vaters ist aus Ostpreußen nach Mecklenburg geflüchtet, nur schon einige Monate vor Ende des Krieges. Mir wurde diese Geschichte oft erzählt. Mein Opa Gerhard, der Cousin Deines Vaters, hat von der Front einen Brief nach Hause geschickt, in dem er (um die Zensur auszutricksen) schrieb: “Es geht mir gut wie unserem Hasso. Ich rate euch dringend, Tante Erna zu besuchen!” Und damit war gemeint, er hatte ein elendes Hundeleben (Hasso galt damals als typischer Hundename, dabei hatten sie aber gar keinen Hund dieses Namens), und Tante Erna war die Schwester meiner Oma, die in Brüel in Mecklenburg wohnte, wohin sie geheiratet hatte. Es war also das Signal: Haut bloß schnell ab Richtung Westen! Und es wurde von meiner Oma verstanden, und sie machte sich mit den drei Kindern (meinem Vater Joachim, seiner Schwester Renate und dem gerade neugeborenen Gerd) mit dem Zug und nur dem nötigsten Handgepäck auf zu Tante Erna nach Brüel. Das muss irgendwann 1944 gewesen sein, jedenfalls viele Monate vor dem Kriegsende. Sonst ist zu dieser Zeit noch kein Mensch geflüchtet. Sie haben praktisch alle Sachen in Neidenburg zurückgelassen. Mein Vater hat am meisten den Verlust seiner schönen Spielzeug-Soldatenburg betrauert…“
 
Tante Lorelies schrieb mir zurück: „Es gab ja das Verbot, Ostpreußen zu verlassen… Also hatte dein Großvater wirklich einen guten Riecher bzw. mehr Insiderwissen. Wenn man angab, einen dringenden Verwandtenbesuch machen zu müssen,  gab es noch Reisebewilligungen.“

Und so fand meine Großmutter mit ihren drei Kindern also 1944 Aufnahme in der großen Villa, die Tante Erna S. (geb. Klatt) in Brüel/Mecklenburg (nahe meiner Geburtsstadt Wismar) mit ihren drei Kindern Alex (später nach Griechenland ausgewandert), Marita und Christa bewohnte. Deren Familienvater, Onkel Hans S., war wie mein Großvater als Soldat im Krieg. Allerdings ist Onkel Hans (von Beruf Arzt) nach Kriegsende nie wieder in seine prächtige Villa (die ja nun im Osten lag) und zu seiner Familie zurückgekehrt. Vielmehr soll er mit einer jungen Tschechin durchgebrannt sein, und niemand habe je wieder etwas von ihm gehört. So erzählte es mir mein Vater, als ich ihn irgendwann einmal fragte, was eigentlich später aus Onkel Hans geworden sei… Mein Großvater Gerhard hingegen ist einige Zeit nach Kriegsende völlig ausgemergelt aus russischer Gefangenschaft zu seiner Familie nach Brüel zurückgekehrt, siehe meinen vorjährigen Bericht. Die schöne große Villa hatte da allerdings schon die sowjetische Militäradministration beschlagnahmt. Die Familien – meine Großeltern mit ihren drei Kindern sowie Tante Erna mit ihren drei Kindern – lebten nun äußerst beengt (wie fast alle anderen auch) in einer kleinen Wohnung in Brüel. Auch Tante Erna ist mit ihren drei Kindern – noch vor meinen Großeltern – in den Westen geflohen, und zwar nach Celle in Niedersachsen. In meiner Kindheit in Wismar besaß ich ein besonderes Matchboxauto aus dem Westen, das nicht von der Firma Matchbox hergestellt worden war, sondern von einer anderen Firma. Dieses Auto wurde „Tante Erna-Auto“ genannt, weil es mir Tante Erna einmal im West-Paket geschickt hatte. Allerdings habe ich Tante Erna niemals kennengelernt. Sie ist wohl irgendwann in den Siebziger- oder Achtzigerjahren gestorben.

Trotz der beengten Verhältnisse in Brüel hat mein Vater dort, wie er berichtet hat, eine durchaus schöne Kindheit gehabt. Besonders gut hat er sich mit seinem jüngeren Vetter Alex verstanden. Die beiden waren unzertrennlich. Später hat uns dann Onkel Alex mit seiner Familie von Griechenland aus noch mehrmals in Wismar besucht. Nach dem Mauerfall, aber noch vor der deutschen Wiedervereinigung flogen meine Eltern mit mir im April 1990 für eine Woche zu Onkel Alex nach Kreta, wo ich zum ersten Mal Auberginen und Tintenfisch gegessen habe…

b) Flucht Nr. 2: Von Mecklenburg ins Rheinland

Die Fluchtgeschichte Nr. 2 meiner Großeltern hat mein Großvater dann selbst geschrieben, nämlich in Form einer dreiseitigen „Fluchtbegründung“ als Anlage zum Antrag auf Ausstellung eines Flüchtlingsausweises, verfasst am 31. August 1956:

Ergänzend hierzu hat auch meine Großmutter ihrerseits eine Fluchtbegründung verfasst, die allerdings weitaus knapper ausgefallen ist:

Schließlich war mein Großvater nach dem frühen Krebstod meiner Großmutter 1960 seiner früheren Arbeitskollegin aus Brüel, der einige Jahre jüngeren Emma Schneiter, die seinerzeit noch vor ihm in den Westen geflüchtet war, bei ihrem Antrag auf Anerkennung als Ostzonenflüchtling mit einer ausführlichen Erklärung behilflich, in der er u.a. schildert, auf welche Weise er sie schon damals unterstützt hat. Wenige Monate später, 1962, wurde sie seine zweite Frau. Eine Liebesgeschichte, die für sich selbst spricht…

Später, nach dem Tod meines Großvaters (1974) hat uns meine Stiefoma Emma Claer in den Achtzigerjahren in Wismar besucht und u.a. im Garten mit mir Fußball gespielt. Und sie hat uns immer zahlreiche Westpakete geschickt, in denen sie sogar Fußballbilder für mich im doppelten Boden versteckt hatte.

5. Marcel Orry Claer: Der Fotograf aus Essen

Schon in meinen früheren Forschungsberichten ist mitunter von der künstlerischen Veranlagung so mancher Claers die Rede gewesen. So hat sich bei mir vor längeren Jahren bereits einmal ein Kölner Fotograf namens Michael Clair mit ostpreußischen Wurzeln gemeldet und mir seinen Stammbaum zur Verfügung gestellt. (Leider hat sich die Verwandtschaft mit ihm als so weitläufig erwiesen, dass wir die Verbindung zwischen seinem und unserem Stammbaum bisher noch nicht herstellen konnten.) Nun bin ich über Google erneut auf einen möglicherweise aus unserer Familie stammenden Fotografen gestoßen: auf den 32-jährigen Marcel Orry Claer, geboren in Unna, derzeit ansässig in Essen. Denkbar wäre, dass er der Fuhrmann-Linie entstammt, also ein Abkömmling des Fuhrmanns Franz Richard Claer (geb. 1872 in Geidlauken) ist, den es der Liebe wegen von Ostpreußen nach Stolberg im Rheinland verschlug, siehe meine früheren Berichte.

Unter den folgenden Links lassen sich seine Arbeiten betrachten:

https://orryginal-fotografie.de/ueber-mich

https://www.fotografensuche.de/fotograf-essen/orryginal-marcel-orry-claer-f9457

https://www.facebook.com/OrryginalFotografie/

Als Fotograf ist Marcel Orry Claer laut Angaben auf seiner Homepage Autodidakt und hauptberuflich als IT-Berater im Außendienst tätig. Sein künstlerischer Schwerpunkt liegt in der Porträtfotografie junger Damen. Seine durchweg ansprechenden Aufnahmen lassen zwar eine deutliche Tendenz zur Erotik erkennen, jedoch in einer noch sehr dezenten Variante. Im Unterschied zu den Büchern und Filmen unseres wohl noch immer prominentesten Familienmitglieds, um das es zum wiederholten Male im letzten Kapitel meiner diesjährigen Ausarbeitung gehen soll.

6. „Moppel“ Claer: Nachruhm in Feuilleton und Fernsehen

Gleich zweimal ist im vergangenen Jahr im großen Stil an meinen Onkel dritten Grades, den Boxer, Schriftsteller und Schauspieler Hans Henning „Moppel“ Claer (1931-2002) erinnert worden.

a) Feuilleton der Süddeutschen Zeitung

Zum einen erschien im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung am 15.6.2020 (online bereits am 14.6.2020) unter dem Titel „Der Bär flattert nicht mehr“ ein Nachruf von Willi Winkler auf den Verleger Jörg Schröder (1938-2020), in dessen März-Verlag auch „Moppel“ Claers Bücher erschienen sind. Darin ist von den „seinerzeit sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gepriesenen Büchern von Hans Henning Claer“ die Rede, wenn diese auch zutreffender Weise unter „Lektüre zur linken Hand“ eingeordnet werden. Besonders ehrenvoll bleibt dennoch die Erwähnung im selben Absatz mit Karl Heinz Bohrer und Marcel Reich-Ranicki.

b) Fernsehen und Blog-Rezension

Noch mehr Aufmerksamkeit erhielt „Moppel“ Claer vom Fernsehsender Tele 5, der die Verfilmung seines Bestseller-Buches „Lass jucken, Kumpel“ (an der er selbst als Schauspieler mitwirkte) aus dem Jahr 1972 am 28. August 2020 in der Reihe „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ ausstrahlte. Die Krönung ist aber wohl die folgende ausführliche Rezension/Vorankündigung dieses Films im renommierten Blog ruhrbarone.de, in der „Lass jucken, Kumpel“ als „ernst gemeinter Roman“ bezeichnet wird. Man kann es schon sensationell finden, welche Beachtung Film und Buch heute noch finden…

https://www.ruhrbarone.de/foerdertuerme-und-mehr-die-traurige-erotik-der-kumpel/188589

„Fördertürme und mehr: Die traurige Erotik der Kumpel
In Kultur | Am 27. August 2020 | Von Mario Thurnes

Tele 5 zeigt am 28. August in der SchleFaZ-Reihe “Laß jucken, Kumpel”. Was heute die wenigsten wissen: Das Sex-Filmchen basiert auf einem ernst gemeinten Roman, der im renommierten, linken März Verlag erschien – und heute ein Dokument ist, etwa über den Umgang mit dem Thema Pädophilie.
Positives vorweg: Mit der Repertoire-Reihe leistet Rowohlt in Zeiten der Cancel Culture einen wertvollen Beitrag Kulturgut zu erhalten, das auf dem Markt keine Chance mehr hätte – meist zurecht – aber als Dokument über vergangenen Zeitgeist durchaus wichtig ist. Außerdem gibt es in der Veröffentlichung des Romans “Laß jucken Kumpel” wenigstens eine spannende Seite.
Es ist Seite vier, auf der eine zeitgenössische Besprechung aus der Frankfurter Rundschau abgedruckt ist. Im Erscheinungsjahr des Romans, 1971, war die FR zusammen mit Konkret noch das Massenblatt der Linken. In der Besprechung wendet sie sich an den “bürgerlichen Leser”, der aus der Lektüre eine Erkenntnis mitnehmen könne: “Sex ist Flucht aus der Arbeit… Unschwer könnte man auch sagen, daß ihrer Tätigkeit weitgehend entfremdete Menschen da auf ihrer Suche nach sich selbst sind.”
Entfremdete Menschen auf der Suche nach sich selbst. Dazu ein Autor, der eine bewegte Biographie vorzeigen kann: Hans Henning Claer, der in Berlin Boxer und Polizist war, dann ins Ruhrgebiet zog, um Bergmann zu werden, und der sich letztlich der Bewegung der Arbeiterautoren anschloss und Romane wie “Laß jucken Kumpel!” oder “Das Bullenkloster” veröffentlichte. Das könnten Zutaten für einen bedeutenden Roman sein.

Der Roman funktioniert nicht
Doch dem ist nicht so. “Laß jucken Kumpel” funktioniert nicht. Vermutlich damals schon nicht – heute erst recht nicht. Die Figuren sind hölzern. Beim Lesen ertappt man sich manchmal bei der Frage, wer denn gerade wer ist, so wenig unterscheiden sie sich in ihrem Charakter. Und sie erleben keine Entwicklung. Die 188 Seiten werden so schnell zur Qual.
An keiner Stelle fühlt sich der Leser in der Lektüre wohl. Das liegt nicht daran, dass Claer so heiße Eisen anfassen würde. Seine Sozialkritik ist zwar pflichtgemäß eingestreut. Der Arbeiterstandpunkt war in den 70ern, was heute der Klimawandel ist. Wer im Zeitgeist liegen will, muss ihn halt mal erwähnt haben. Das klingt dann so albern wie: “Wenn alles kaputt ist und jeder denkt, er lebt nicht mehr lange, dann wird ganz doll geliebt.” Oder: “Nun wurde heute das Soll erfüllt; denn es gab genug treue Kumpel, die auch feiertags die Kohle herausholten.”
Auch im eigentlichen “Thema Nummer eins” des Romans versagt Claer. Er schafft es 188 Seiten über Sex zu schreiben, ohne auch nur einmal erotisch prickelnd zu werden. Das liegt an seiner plumpen Wortwahl:  “Stöhnen – Zischen – Schmatzen – Bumsen!”. Sowie an empathielosen Figuren, die nacheinander die Spielarten der Sexualität kennenlernen beziehungsweise abarbeiten, die 1971 noch als Tabu galten und die Sexpapst Oswalt Kolle seinerzeit in einer Kolumne in der “Neuen Revue” vorstellte.

An Kolle abgearbeitet
An Kolle arbeitet sich Claer regelrecht ab. Inhaltlich findet er nichts, was an dessen Aufklärungsarbeit auszusetzen wäre. Aber er lässt die Figuren Kolle immer wieder dissen. Und er gibt einer Figur dessen Namen – einem alten, impotenten, religiösen Eiferer.
A propos flache Witze mit der Namenswahl: Der fiese, notgeile Obersteiger heißt Adolf Eichel. Der übergriffige, notgeile Frauenarzt Dr. Eichler. Kurze Pause. Genug gelacht? Ok, noch ne kleine Pause. Der abgearbeitete Rentner heißt Otto Schmielewski. Burner. Immerhin ist Schmielewski eine der wenigen Figuren in dem Roman, die nicht notgeil sind.
Der Film “Laß jucken, Kumpel” ist ein dummer Sexstreifen, der in schmierige Kinos gehört oder ins Spätprogramm von quotenschwachen Privatsendern – und der im Zeitalter von XHamster oder YouPorn nahezu grotesk wirkt. Erstaunlicherweise wird der Film der Vorlage dennoch gerecht.
Also beides einfach vergessen? Im Prinzip ja, wäre da nicht noch was. Zum einen die von der FR geweckte Erwartungshaltung und nach der Lektüre dann doch eine Erkenntnis: Wenn deutsche Linke versuchen, sich Arbeiter vorzustellen, bleiben sie von diesen immer meilenweit entfernt. Zum anderen ist da der Aspekt der Pädophilie.

Peinlicher Umgang mit Pädophilie
Pädophilie war ein Thema der zweiten Hälfte der Bonner Republik und wirkte bis tief in die Berliner Jahre hinein: Die Tendenz der Linken von Teilen der 68ern bis zu Teilen der Grünen, Sex mit Jugendlichen gesellschaftlich etablieren zu wollen, war ein großes Thema im Wahlkampf 2013. Das andere linke Massenblatt der frühen 70er Jahre, Konkret machte in den späten 60ern mit dem Tabu gerne Auflage. Und Claer gibt der Pädophilie auch in “Laß jucken Kumpel” breiten Platz.
Oft anhand der Figur der 15-jährigen Ute. Wenn er ein Pettingerlebnis von ihr beschreibt, lässt er es nicht an Alt-Männer-Erotik fehlen: “Der Samen des Mannes spritzte auf den zarten Venushügel der Kindfrau.” Noch peinlicher wird es, wenn Claer versucht, sich vor ihrem ersten Vaginalsex in ihre Psyche zu versetzen: “Ich bin ein moderner Teenager! Ich möchte es haben, ja-ja-ja!”
Wo das hin führt? Ja, eben zu nichts. Claer schreibt keinen Roman, sondern einen Porno. Und da entwickeln sich Figuren nicht mehr, nachdem die Frage geklärt wäre, warum hier Stroh liegt. Offen bleibt nur eine spannende Frage: Wer ist mehr zu bedauern? Der, der in diesem Buch eine traurige Vorlage für Selbstliebe gefunden hat? Oder der, der hier ernsthaft das Gefühl hatte, der Klassenstandpunkt werde angemessen berücksichtigt?

Tele 5 zeigt am Freitag, 28. August, gegen 22.30 Uhr “Lass jucken, Kumpel” als Teil der Reihe “SchleFaZ”.

Schluss und Ausblick
Wie es in einem der zitierten Kondolenzbriefe so ironisch treffend heißt: Aufgehoben ist nicht aufgeschoben. Es wird die Zeit kommen, in der ich auch wieder mehr „Ahnenforschung im engeren Sinne“ betreiben werde. Vielleicht ja schon im kommenden Jahr.

Jahresende 2019: Ahnenforschung Claer, Teil 11

Leider bin ich auch im zurückliegenden Jahr nicht viel zum „Ahnenforschen“ gekommen. Irgendwie war ich wohl immer abgelenkt… Doch nehme ich den nun nicht mehr zu ändernden Mangel an recherchiertem Material zum Anlass, diesen „Forschungsbericht“ viel mehr als die bisherigen auf jene „Ahnen“ zu konzentrieren, an die es noch sehr lebendige Erinnerungen gibt oder noch bis vor wenigen Jahren gegeben hat. Diesmal dreht sich also alles um meinen Großvater Gerhard Claer (1905-1974), meinen Vater Joachim Claer (1933-2016) und meinen Großonkel zweiten Grades Erich Claer (1901-1950). Und diese drei Claers haben schließlich noch eine Menge Interessantes und Verwertbares hinterlassen, was nun zu seinem Recht kommen soll. Am Ende steht dann – vielleicht besonders spannend – ein optischer Vergleich im Hinblick auf äußerliche Ähnlichkeiten zwischen drei doch eigentlich recht weit voneinander entfernten Familienzweigen… Auch diesmal danke ich herzlich meiner 79-jährigen Tante dritten Grades Lorelies Claer-Fischer für ihre Unterstützung beim Entziffern der alten Schriften.

1. Mein Großvater Gerhard Claer (1905-1974)
Meinen Großvater Gerhard habe ich leider nicht mehr bewusst kennenlernen können. Zwar hatten er und meine Stief-Oma (meine leibliche Oma war bereits 1960 an Krebs verstorben) uns einmal 1974 vom Rheinland aus, wo sie seit 1956 nach ihrer Flucht aus der DDR wohnten, in Wismar besucht, als ich drei Jahre alt war, aber daran kann ich mich bedauerlicherweise nicht mehr erinnern. Es hieß immer, mein Opa sei ein ausgesprochener Spaßvogel gewesen, sogar noch weitaus mehr als mein Vater (das meinte zumindest eine seiner Cousinen). Überliefert ist insbesondere der Spruch meines Großvaters bei den Mahlzeiten, man dürfe „niemals mehr essen, als mit aller Gewalt reingeht“. Nach dem Tod meiner Eltern und meines Onkels 2016 (und teilweise auch schon vorher) habe ich eine Menge an Unterlagen und Dokumenten über das Leben meines Großvaters erhalten. Aus diesem Fundus kann ich nun schöpfen.

a) Handgeschriebener Lebenslauf

Einen ersten Überblick über sein Leben kann sein handgeschriebener Lebenslauf aus dem Jahr 1958, zwei Jahre nach der abenteuerlichen Flucht meiner Großeltern in den Westen, geben:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

b) Mein Opa als Sportskanone
Über sein ganzes Leben soll mein Großvater dem Sport sehr zugetan gewesen sein. Er war Fußballspieler in der ersten Männermannschaft des Männerturnvereins (MTV; eine solche Ausgrenzung von Frauen schon im Namen wäre heute sicherlich nicht mehr möglich!) Neidenburg. Später, nach der Flucht aus Ostpreußen in die Sowjetzone/DDR soll er, so berichtete es mir mein Vater, auch in Brüel/Mecklenburg regelmäßig Spiele der örtlichen unterklassigen Fußballmannschaft als Zuschauer besucht haben. Zumindest ein wenig scheint mir doch die Sportlichkeit in unserer Familie zu liegen, denn der erste erlernte Beruf meines Vaters Joachim war Sportlehrer, und sein Cousin zweiten Grades, Hans-Henning „Moppel“ Claer, mein Onkel dritten Grades, war sogar Berliner Polizeimeister im Boxen und als solcher überregional sehr populär. (Nur ich selbst habe leider nicht allzu viel davon mitbekommen, aber ich bemühe mich zumindest, meinen Mangel an Talent durch ausdauernden Trainingsfleiß beim Frühsport zu kompensieren.) Hier nun also ein frühes, fast hundert Jahre altes Zeugnis der Sportlichkeit meines Großvaters Gerhard, seine Leistungsnachweise zum Erwerb des „Deutschen Turn- und Sportabzeichens“ in Bronze aus den Jahren 1925/26:

Gerhard Claer (1905-1974) im Alter von ca. zwanzig Jahren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Eintragungen in Sütterlinschrift lauten wie folgt:
– Zu Gruppe 1:
„…300 m in stehendem Wasser in 7 Minuten 39 Sek. Zurücklegte“

(In stehendem Wasser soll wohl bedeuten: im See und nicht im Fluss.)

– Zu Gruppe 2:
„…4,84 m weit sprang“

– Zu Gruppe 3 :
„…100 m in 13,2 Sekunden überwältigte“

– Zu Gruppe 4:
„…im Steinstoßen, 3,60 links und rechts 4,57 m, zusammen 8,17 m erreichte“

Zu dieser eher unbekannten Sportart heißt es bei Wikipedia: „Das Steinstoßen ist eine Sportart, die zum Rasenkraftsport gehört. … Steinstoßen kann im Bereich Kraft als Disziplin für das Deutsche Sportabzeichen gewählt werden. Dabei wird im Gegensatz zur sonst üblichen Wertung die beste Weite von jeweils drei Stößen mit dem rechten und linken Arm zu einer Gesamtweite addiert.

– Zu Gruppe 5:
„… 10 000 m in 46  Minuten 35,2 Sekunden zurücklegte“

 

b) Soldat im Weltkrieg
Mein Großvater war, wie mir oft berichtet wurde, auch künstlerisch sehr begabt, konnte gut zeichnen, vor allem Karikaturen (was zwar mein Vater noch von ihm geerbt hat, ich dann aber leider gar nicht mehr), war musikalisch und konnte natürlich – wie alle Claers – besonders gut schreiben. Und dann hatte er – wovon ich offensichtlich etwas mitbekommen habe – auch einen besonderen Sinn für Ordnung, Genauigkeit, Dokumentation und Statistik. Während seiner Teilnahme am Zweiten Weltkrieg hat er penibel auf einem kleinen Stück Papier alle seine Aufenthaltsorte mit dem jeweiligen Datum vermerkt:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Ende stand seine Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, dokumentiert in diesem Entlassungsschein:

 

 

 

 

 

 

 

Es wurde mir berichtet, er sei extrem abgemagert aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und sei dann nach und nach vor allem mit Haferflocken wieder aufgepäppelt worden.

 

 

 

 

 

Dementsprechend heißt es in einer ärztlichen Bescheinigung aus dieser Zeit (siehe Abbildung):

„Brüel, den 2.11.46
Ärztliche Bescheinigung
G. Claer, Breite Str. 10 ist aus der Gefangenschaft zurückgekehrt und befindet sich in einem sehr schlechten Ernährungszustand.
Er leidet außerdem an Dystrophie in hohem Grade sowie Herzmuskelschwäche und bedarf einer Ernährungszulage, wenn möglich.
gez. Dr. Butnuth, Arzt

Brüel, den 16.10.46
Ärztliche Bescheinigung

Der Gerhard Claer, Breite Str.10 ist aus russ. Gefangenschaft zurückgekehrt und leidet an Dystrophie und Herzmuskelschwäche.
Er ist  nicht arbeitseinsatzfähig.
gez. wie oben

Brüel, den 4.12.46

Der Gerhard Claer aus Brüel, Breite Str.10 ist Heimkehrer und ist 41 Jahre alt. Er leidet an Dystrophie u. Herzmuskelschwäche und ist bis auf weiteres erwerbsbeschränkt 80%.
gez. Dr. Butnuth
Bezirksarzt“

Aber was verbirgt sich hinter dem Krankheitsbild Dystrophie? Wikipedia erklärt hierzu: „Unter einer Dystrophie – von altgr. dys „schlecht“ (hier „Fehl-“) und trophein („ernähren“, „wachsen“; „Fehlernährung“, „Fehlwachstum“) – werden in der Medizin degenerative Besonderheiten verstanden, bei denen es durch Entwicklungsstörungen einzelner Gewebe, Zellen, Körperteile, Organe oder auch des gesamten Organismus zu entsprechenden Degenerationen (Fehlwüchsen) kommt.
Ursächlich können Dystrophien vielfältig begründet sein, z. B. durch genetische beziehungsweise chromosomale Abweichungen, Erkrankungen, Traumata oder durch einen Mangel an Nährstoffen, häufig aufgrund von Mangel- oder Fehlernährung. … Medizingeschichtlich bedeutsam wurde die Diagnose „Dystrophie“ bei der Deutung der Belastungen der Kriegsheimkehrer, insbesondere von denen aus längerer Gefangenschaft. Internisten und Psychiater machten die Folgen des Hungers und der Fehlernährung für die schleppende Regeneration der Heimkehrer verantwortlich. Dystrophie wird in den Lagerjournalen der Speziallager des NKWD in der sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1950 als die wesentliche Todesursache für die über 42.000 Todesopfer aufgeführt.[2] Kurt Gauger verfasste 1952 ein Buch mit dem Titel Die Dystrophie als psychosomatisches Krankheitsbild und schien damit eine Formel zum Verständnis der sozialen Anpassungsschwierigkeiten erkrankter Personen, in seinem Fall speziell von Kriegsheimkehrern, gefunden zu haben.

Die Journalistin Sabine Bode stellte in ihrem Bestseller Die vergessene Generation – Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen die These auf, dass die „Zahl der Patienten, die unter den Folgen von Krieg und Gefangenschaft litten, so groß“ war, „dass sie die Proportionen dessen sprengte, was man guten Gewissens als ‚anlagebedingt‘ in den Krankenakten festhalten konnte.“ Zudem dürfe „man davon ausgehen, dass sich bei den Ärzten eine gewisse Hemmung zeigte, allzu viele Leidensgenossen als ‚labile Charaktere‘ abzustempeln.“ Zur „Lösung des Problems“ hätten sich die „sichtlich überforderten deutschen Nachkriegspsychiater“ das Krankheitsbild „Dystrophie“ einfallen lassen. Und Bode fährt fort:
„Der Begriff umschrieb ein ganzes Feld an physischen Schädigungen und psychischen Beeinträchtigungen, die man auf eine vorangegangene schwere Mangelernährung zurückführte. Heute ist leicht zu erkennen, dass es sich dabei um eine aus der Not geborene Erfindung handelte. Dystrophie-Patienten litten unter anderem an Depressionen, Konzentrationsschwäche, an unkontrollierbaren Wutausbrüchen, oder sie fühlten sich permanent verfolgt, von Feinden umzingelt. Man könnte auch sagen: Für viele Männer ging nach der Heimkehr der Krieg immer weiter …“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Dystrophie)

Über die zweifache Fluchtgeschichte meiner Großeltern – zuerst aus Ostpreußen und dann aus Mecklenburg – habe ich jedoch, wie ich jetzt sehe, so viel umfangreiches Material, dass ich darüber erst im nächsten Forschungsbericht Auskunft geben kann, zumal die zweite Fluchtgeschichte offenbar auch noch mit einer sich anbahnenden Liebesgeschichte verknüpft zu sein scheint: Meine spätere Stief-Oma war die Arbeitskollegin meines Großvaters in Brüel/Mecklenburg…

 

2. Mein Vater Joachim Claer (1933-2016)
Mein Vater Joachim wurde, wozu sein vielfach variierbarer Vorname natürlich einlud, von seinen zahlreichen Freunden und Bekannten auf mindestens siebenfach unterschiedliche Weise gerufen: Meine Mutter und sein Bruder nannten ihn Achim, seine Eltern Joa, manche Freunde Jochen oder auch Jöchi, andere Jo oder auch Joe. Nur ganz wenige sagten Joachim zu ihm. Er besaß einen milden Charakter und ein freundliches und fröhliches Wesen, war gesellig und überall beliebt. Wie schon sein Vater, mein Großvater Gerhard, hatte er eine ausgeprägte künstlerische Ader, die er aber beruflich – er war zunächst Sportlehrer und später Facharzt für Orthopädie – nicht ausleben konnte. Dies tat er dafür auf verschiedene Weise im privaten Rahmen. Hier einige Kostproben:

a) Die Reise nach Karl-Marx-Stadt. Ein gereimter Foto-Bericht (1970)
Zum 60. Geburtstag meines Großvaters mütterlicherseits, Erich Nützmann, bastelte mein Vater, und hier war er ganz in seinem Element, ein kleines Foto-Album, in welchem alle Bilder mit gereimten Sprüchen versehen waren. Inhaltlich ging es um eine Reise im Trabant meiner Eltern von ihrem Wohnort Wismar aus über die mecklenburgische Kleinstadt Gnoien, den Wohnsitz meiner Großeltern und die Heimatstadt meiner Mutter Ilse, bis nach Karl-Marx-Stadt, das heutige Chemnitz, wo die Schwester meines Vaters, meine Tante Renate, und ihre Familie zu Hause waren. Das Besondere war, dass meine Großeltern aus Gnoien von meinen Eltern mit nach Sachsen genommen wurden und alle gemeinsam dort allerhand Sehenswürdigkeiten besichtigten. Das alles geschah anderthalb Jahre vor meiner Geburt im Dezember 1971. Aus heutiger Sicht mag ein eigenes Fotoalbum nur für eine kleine Inlands-Reise vielleicht überdimensioniert anmuten. Aber für meine Großeltern war es, soweit mir bekannt ist, wohl beinahe das einzige Mal, dass sie sich so weit von ihrer Heimatregion entfernten, abgesehen von der Kriegsteilnahme meines Großvaters, die ihn u.a. bis nach Südfrankreich – wo er es am schönsten fand – und in sowjetische Kriegsgefangenschaft in der Ukraine führte…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der unter Bild 8 beim Scannen halb abgeschnittene Spruch lautet vollständig: “Ilse hat schon keine Ruhe / Denn im Fenster stehen … Schuhe!” Das Bekleidungsangebot in den Geschäften der Innenstadt von Karl-Marx-Stadt war im Jahr 1970 (noch vor Honeckers Machtübernahme) offenbar gar nicht so schlecht, in jedem Falle aber besser als in einer kleinen Stadt wie Wismar, wie die enthusiastische Reaktion meiner Mutter darauf beweist…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

b) Kasperle-Theater in Wismar
Offenbar erstmals zu meinem dritten Geburtstag Ende 1974 führte mein Vater, der eigens dafür eine kleine Theaterbühne gebastelt hatte – er war auch handwerklich geschickt – für mich und meine Geburtstagsgäste ein selbstgetextetes Kasper-Theaterstück auf. Er spielte und sprach alle Figuren mit unterschiedlichen Stimmen und sorgte auch selbst für musikalische Untermalung. Das Stück war so konzipiert, dass es für alle uns damals verfügbaren Handpuppen eine Rolle gab: für Kasper, Großmutter, Krokodil, Teufel, Pittiplatsch (Figur aus dem DDR-Kinderfernsehen) und ein dunkelhäutiges Püppchen namens Eva. Die Schlange muss mein Vater irgendwie selbst gebastelt haben. Natürlich ist „Kasper fährt nach Afrika“ nur vor dem Hintergrund der damals stark eingeschränkten Reisefreiheit in der DDR zu verstehen…

Und hier ist das Manuskript des Stückes in der Schreibmaschinen-Version: (Eine handgeschriebene Version ist ebenfalls noch erhalten.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Wirkung auf die kindlichen Zuschauer illustriert dieses Bild aus unserem Foto-Album:

Im Jahr darauf zu meinem vierten Geburtstag hat mein Vater noch ein weiteres Stück aufgeführt: „Kasper im wilden Westen“. Er hatte hierzu aus Kaspers gelber Zipfelmütze mit etwas bemalter Pappe einen Cowboy-Hut gebastelt. Auch dieses Manuskript sollte noch vorhanden sein. Ich werde es im nächsten Jahr posten, wenn ich es bis dahin gefunden habe.

Darüber hinaus war mein Vater auch ein großartiger Briefeschreiber. Aber dieses Fass werde ich jetzt nicht auch noch aufmachen, zumindest noch nicht…

 

 

 

 

3. Die Kondolenzbriefe für meinen Großonkel zweiten Grades Erich Claer (1901-1950)

Mein Großonkel zweiten Grades Erich Claer, der Cousin meines Großvaters Gerhard Claer, zählte zweifellos zu den in vieler Hinsicht ambitioniertesten Mitgliedern unserer Familie. Umso tragischer war sein früher Tod – siehe meine früheren Forschungsberichte – im Alter von erst 49 Jahren, nur drei Jahre nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Berlin. Seine Tochter, meine Tante dritten Grades Lorelies Claer-Fischer, stellte mir dankenswerterweise die nach seinem Tod bei ihrer Mutter eingegangenen Kondolenzbriefe zur Verfügung, welche zeigen, dass der Verstorbene auch Spuren im Finanz- und Wirtschaftsleben der damaligen Zeit hinterlassen hat.

Insgesamt bewertet Tante Lorelies diese Briefe als „ historisch sehr interessant: fünf Jahre nach dem Krieg, eine junge Witwe mit vier Kindern, die Not schreit aus allen Löchern und es war immer noch ein Suchen und Finden von Freunden und Familien … die Sorgen der Nachkriegszeit – Arbeit, Wohnung, Trennung, Suche nach Familie und Freunden…
Besonders fällt mir auf, wie emotional die Menschen noch miteinander umgingen und wieviel Mühe in so einem handgeschriebenen Brief liegt. … Ja und dann sind die Flüchtlinge wirklich überall in Deutschland gelandet, kein Wunder, dass so viele Freundschaften auseinander brachen, wenn nicht mal Geld für eine Busfahrkarte da war. Einige Briefe musste ich aussortieren, weil sie in Sütterlin und auf schlechtem Papier, auf dem die Tinte zerlief, unlesbar waren.“

Todesanzeige im Tagesspiegel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zunächst sind zwei Postkarten erhalten, die Erich Claer aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft schrieb:

 

 

 

 

 

 

 

Aus ihnen geht hervor, dass Erich Claers Ehefrau Hanni Claer geb. Keller mit ihren vier Kindern nach ihrer Flucht aus Ostpreußen im Frühling 1946 noch nicht bei den Verwandten in Berlin angelangt war und ihr Aufenthaltsort niemandem bekannt war. (Sie befanden sich zu dieser Zeit auf einem Bauernhof in Polen.) Erst ein Jahr später schreibt Erich Claer an seine nunmehr in Berlin angelangte Familie, wohnhaft nun wieder in der Presselstraße in Steglitz, dass mit seiner baldigen Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft zu rechnen sei.     Bemerkenswert ist, dass er seine Frau bereits zu diesem Zeitpunkt um entsprechende Benachrichtigung von Bekannten bittet, die ihm die schnelle Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit ermöglichen sollen. Dabei dürfte sein gesundheitlicher Zustand am Ende der Kriegsgefangenschaft kaum besser gewesen sein als der seines Cousins, meines Großvaters Gerhard, siehe oben…

Dreieinhalb Jahre später verstarb er an den Folgen einer Lungenentzündung. Und sein Tod rief große Anteilnahme nicht nur bei Verwandten und Freunden hervor, sondern auch bei diversen aktuellen und früheren beruflichen Kontaktpersonen. Hier eine kleine Auswahl:

 

 

 

 

 

Für seinen Schwager ist es unfassbar, dass „Erich, dieser große und kräftige Mann, nicht mehr sein könnte“. Auch eine alte Bekannte kann es sich nicht vorstellen, „dass der große, starke Claer nicht mehr ist.“ (In „meinem“ Familienzweig der Claers dagegen war niemand sonderlich groß oder stark…)

 

 

 

 

 

 

Die deutsche Treuhandgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, sein Arbeitgeber von 1937 bis Kriegsende, rühmt die „frische Lebensart und Arbeitsweise“ des Verstorbenen und betrauert ihn als „charakterfesten, liebenswürdigen Menschen“.

 

 

 

Der Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Arbeit, würdigt seinen wertvollen Mitarbeiter „in den Lehrabschlussprüfungskommissionen und im Fachbeirat“.

 

 

 

Ein Kollege mit dem schönen Namen Ernst Kokoschinski – die Herkunft des Ausdrucks „Mein lieber Kokoschinski!“ gilt bis heute als ungewiss – von seinem letzten Arbeitgeber, der Hermann Meyer & Co AG, versichert, sie würden dort „unseren guten Erich nicht vergessen“, mit dem er, Ernst Kokoschinski, „jahrelang durch dick und dünn gegangen“ sei.

 

 

 

 

 

 

 

Ein Rechtsanwalt Dr. Korsch – Fachanwalt für Steuerrecht – betont, dass er Erich Claer „immer ganz besonders in seiner frischen und gewinnenden Art geschätzt“ habe – und überweist eine Unterstützung von 100,- DM an seine Witwe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und schließlich schreibt ein Bankdirektor im Ruhestand namens Hugo Joachim einen bewegenden Brief an die Direktion der Hermann Meyer & Co. AG und würdigt darin Erich Claer als langjährigen Freund seiner Familie.

Familienmitglieder mit einer solchen Reputation haben wir seither nicht mehr gehabt…

 

4. Der hochwohlgeborene Bürgermeister
Noch angesehener waren wohl nur die von Claers… In meinen früheren Forschungsberichten ist schon vielfach von der stolzen rheinischen Adelsfamlie von Claer die Rede gewesen, die von Rollo dem Wikinger und Wilhelm dem Eroberer abstammt. Nach allem, was wir wissen, lässt sich keine nähere Verbindung zu unserer Familie nachweisen. Wenn ich dennoch noch einmal kurz auf die rheinischen von Claers zurückkomme, dann nur deshalb, weil es so amüsant ist, was ich hier gefunden habe: das Anschreiben eines frischgegründeten Turnvereins aus dem Juni 1902 an den Bürgermeister der kleinen Stadt Morsbach im Rheinland, einen Herrn von Claer.
(http://sv-morsbach.de/verein/historie.html):

„Morsbach, den 30. Juni 1902
An Herrn Bürgermeister von Claer, Hochwohlgeboren
Morsbach
Die unterzeichneten Vorstandsmitglieder des Morsbacher Turnvereins beehren sich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst mit zu teilen, dass unterm 14ten Juni ds. Jahres ein Turnverein hierselbst gegründet worden ist. Anbei senden wir Ihnen die Statuten und bitten Ew. Hochwohlgeboren um Genehmigung derselben.
Gleichzeitig teilen wir Ihnen mit, dass Ew. Hochwohlgeboren in der Hauptversammlung vom 29. Juni der Ehrenvorsitz vom Verein einstimmig übertragen worden ist, und würde es uns zur größten Freude gereichen, wenn Hochderselbe den Ehrenvorsitz annehmen würde.
Mit ergebenstem Turnergruß: Gut Heil!
Der Vorstand :
Franz Kaldeuer, I. Vorsitzender
Eduard Ehlich, II. Vorsitzender
H. Wingendorf, I. Schriftwart
Friedrich Sauer, I. Turnwart
August Schmidt, II. Turnwart
Adolf Schmidt, Kassenwart“

 

5. Ein Koffer aus Erfurt – vom Sattlermeister Friedrich Claer

In meinem Forschungsbericht 2015 schrieb ich über die Thüringer Claers, für deren etwaige Verwandtschaft mit „unseren“ ostpreußischen es immerhin einige vage Indizien gibt (siehe ebd.):

„Dafür lassen sich weitere Spuren späterer Claers in Thüringen finden: So entdeckte ich einen Koffer- und Lederwaren-Original Katalog, wohl aus 1930er Jahren stammend, von Friedrich Claer, Koffer- und Lederwaren Erfurt.“
(http://www.zvab.com/buch-suchen/autor/friedrich-claer-koffer–und-lederwaren-erfurt-hrsg)

 

Es war naheliegend, in diesem Erfurter Sattlermeister Friedrich Claer einen Nachkommen des Erfurter Sattlermeisters Friedrich Wilhelm Heinrich Claer (1825-1882) zu sehen, der wiederum ein Sohn des überregional agierenden Fuhrunternehmers Christoph Friedrich Claer (geb. 1802) war, der als Chausseewächter in Frienstedt bei Erfurt relativ klein angefangen hatte. Dessen Vater wiederum war ein Johann Friedrich Claer, der 1802 in Siersleben geheiratet hatte und dessen Herkunft sich im Dunkeln verliert (laut Heiratseintrag: Wollin oder Wettin; ist auch von Schriftexperten nicht eindeutig zu entziffern).

Nun ist tatsächlich bei Ebay (und Ebay-Kleinanzeigen) ein echter Koffer aus der Herstellung von Friedrich Claer aus Erfurt aufgetaucht. Der Anbieter aus Dortmund schreibt dazu bei Ebay: „Der Überseekoffer wurde von Friedrich Claer in Erfurt hergestellt. Er war Sattlermeister. Im Koffer befindet sich noch der Original-Einsatz aus Stoff und Holz gefertigt. Nach mehr als 100 Jahren muss man außen ein paar Abstriche machen. Natürlich kann ein Fachmann den Koffer wieder etwas aufhübschen. Die Fa. Claer ist nach meinen Recherchen nach dem 1.Weltkrieg nicht mehr vorhanden. Die Größe: 81x52x34 cm. NUR ABHOLUNG“

Der Preis für das gute Stück liegt bei 150 Euro (Ebay) bzw. 250 Euro VB (Ebay-Kleinanzeigen). https://www.ebay.de/itm/292506803804
https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anzeige/ueberseekoffer-vor-dem-ersten-weltkrieg-hergestellt/977389586-246-1108

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aber wie kann es sein, dass der Katalog als „30er Jahre“ geschätzt wurde, aber die Sattler-Firma Friedrich Claer nach den Recherchen des Anbieters nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr vorhanden war? Aufschluss gibt ein Adressbuch mit Straßenverzeichnis der Stadt Erfurt aus dem Jahr 1948

(http://www.familie-thurm.de/images/dokumente/adressErfurt/Seite_0130.jpg), in dem der Name Claer genau zweimal vorkommt, nämlich:

– Claer, Wilh., Sattlermeister und

– Claer, Friedrich, Leder und Galanterie

Jeweils wohnhaft in der Schmidtstedter Straße 50. Wie sich dem ergänzenden Straßenverzeichnis mit Namensliste der Bewohner entnehmen lässt, hatte Friedrich Claer („Leder und Galanterie“) sogar ein Telefon (!) mit der Nummer 20243.

Aber was bedeutet „Leder und Galanterie“? Bei Wikipedia heißt es „Galanterie: Galanteriewaren, von französisch galanterie, „Liebenswürdigkeit“, ist eine veraltete Bezeichnung für modische Accessiores. Zu den Galanteriewaren zählen Modeschmuck (Bijouterie; dieses Wort kennt vielleicht mancher aus „Deutschland ein Wintermärchen“ von Heinrich Heine) und kleinere modische Gebrauchsgegenstände wie Parfümfläschchen (Ölflakons) – sie wurden früher manchmal an einem Kettchen getragen –, Puderdosen, auffällige Knöpfe, Armbänder, Schnallen, Tücher, Schals, Bänder, Fächer usw.(https://de.wikipedia.org/wiki/Galanteriewaren)

 

Galanteriewarenladen um 1901

Somit hat sich die Geschäftstradition der Erfurter Claers also über anderthalb Jahrhunderte noch bis in die Nachkriegszeit gehalten, um dann aber letztlich doch mitsamt allen Namensträgern zu verschwinden.

 

 

 

 

6. Familiäre Ähnlichkeiten
Und schließlich soll es noch um familiäre Ähnlichkeiten gehen. Neben der von uns immer wieder festgestellten Schreibfreude und -begabung bis hinein in viele Nebenzweige unseres „Familienverbandes“ sowie der auffälligen Häufung einer grundlegenden Lustigkeit und Witzigkeit (wenn auch bei manchen nur in jüngeren Jahren) gibt es offenbar auch einen äußerlichen, für unsere Familie charakteristischen Typus, der hier anhand einiger Fotos aufgezeigt werden soll. Natürlich sieht längst nicht jeder von uns Claers so aus, ich selbst z.B. nicht, da ich eher nach Meiner Mutter komme, mein Vater ebenfalls nicht unbedingt, aber zumindest diese vier Herren weisen trotz ihrer nur sehr weitläufigen Verwandtschaft eine erstaunliche Ähnlichkeit miteinander auf:

Georg Claer (1877-1930)

Albert Claer (geb. 1923)

Hans-Henning “Moppel” Claer (1931-2002)

Gerd Claer (1943-2016)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier noch zur besseren Übersicht über die bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse ein stark vereinfachter Stammbaum mit Kennzeichnung der Ähnlichkeits- und Forschungskollektive:

Stammbaum (stark vereinfacht)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schluss und Ausblick
Soviel also für dieses Mal. Auch künftig werde ich versuchen, weiter dabei zu bleiben und von Zeit zu Zeit etwas über unsere Namensgeschichte und die Geschichte unserer Vorfahren zu recherchieren. Und schließlich will ja auch noch die doppelte Fluchtgeschichte meiner Großeltern erzählt und mein Vater als Briefeschreiber gewürdigt werden…

Berlin, Dezember 2019

Jahresende 2018: Ahnenforschung Claer, Teil 10

Eigentlich hatte ich gedacht, in diesem Jahr 2018 wieder mehr als zuletzt zum „Ahnenforschen“ kommen zu können, aber eine überraschende berufliche Veränderung ließ mir dazu weniger Zeit und Kraft als erhofft. Daher gibt es diesmal also leider nur einen ähnlich schlanken „Forschungsbericht“ wie im Vorjahr, der zwar keine großartigen neuen Erkenntnisse, aber immerhin ein paar interessante Entdeckungen am Rande enthält. Großer Dank gebührt meiner Tante dritten Grades Lorelies Claer-Fischer, der Schwester des legendären Boxers und Skandal-Schriftstellers Hans Henning „Moppel“ Claer, die mir freundlicherweise erlaubt hat, in diesem Bericht aus ihren E-Mails der letzten Jahre an mich einige alte Familiengeschichten zu zitieren und die dazu passenden Fotos zu veröffentlichen. Man könnte sogar sagen, dass dies meinen diesjährigen Forschungsbericht gerettet hat…

1. Der Wahlplakat-Grafiker aus Berlin

Gleich im Januar 2018 erreichte mich eine Anfrage des Rechtshistorikers Prof. Dr. Jörg-Detlef Kühne von der Leibniz-Universität Hannover. Im Rahmen einer verfassungsgeschichtlichen Studie suchte er nach näheren Informationen über den Berliner Grafiker Hans Klaer, der 1924 ein vielbeachtetes Wahlplakat zur Wahl der Weimarer Nationalversammlung angefertigt hatte.

„Plakat 1 der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) zeigt den deutschen Michel mit einer schwarz-weiß-roten Schlafmütze vor einem Burgturm, auf dem, weithin sichtbar, die schwarz-rot-goldene Reichsflagge weht. Der Turm erinnert an das Hambacher Fest auf der Maxburg 1832, ein Ereignis, das im 19. Jahrhundert neben den Farben Schwarz-Rot-Gold die deutsche Nationalbewegung symbolisierte. Die Sonnenmetaphorik kündet von der Zukunft. Der deutsche Michel läuft Gefahr, sie zu verschlafen.“
(http://www.dhm.de/archiv/ausstellungen/grundrechte/katalog/30-31.pdf)

“Willst Du noch immer diese Schlafmütze aufbehalten? Abbildung: Turm mit schwarz-rot-goldener Fahne vor aufgehender Sonne – davor Deutscher Michel mit rotverbundenen Augen (Grafik) Kommentar: Reichstagswahl 1924 Plakatart: Motiv-/Textplakat Künstler_Grafiker: H. Klaer-G. Drucker_Druckart_Druckort: Offsetdruck Hermann Baswitz, Berlin Objekt-Signatur: 10-043 : 10 Bestand: Plakatsammlung Weimarer Republik/NS-Zeit (10-043) GliederungBestand10-18: Zentrum Lizenz: KAS/ACDP 10-043: 10 CC-BY-SA 3.0 DE”
(http://www.demokratisch-links.de/2012/01)

Die Deutsche Demokratische Partei (DDP), das waren in der ersten deutschen Demokratie die Linksliberalen. Sie gehörten aus heutiger Sicht also ganz eindeutig zu „den Guten“. Wir haben hier also einen Namensträger, auf den wir durchaus stolz sein können…

Ferner berichtete mir Prof. Kühne, dass „sich inzwischen ein passender Hans Klär, Zeichner, Schöneberg, Gutzkowstr. 6 IV in den Berliner Adressbüchern von 1919-1925 finden ließ, der vorher und später – bis 1933 – auch als Tischlermeister verzeichnet ist.“ Und er fügt hinzu: „Angesichts der durch bundesweite Telefonbucheinträge belegbaren relativen Seltenheit des Namens und Ihrer ins Netz gestellten Aufstellung halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sich hinter dem am Ende des vorgen. Kürzels gebrachten “G.” die Abkürzung für Gumbinnen verbirgt.“

Hier musste ich Prof. Kühne allerdings enttäuschen, denn die Überlieferung hinsichtlich Gumbinnens ist in unserer Familie zu vage und der Zeitraum der dortigen Ansiedlung von Namensträgern zu kurz, um eine Bezugnahme des Hans Klaer darauf für möglich zu halten. Auch konnte ich keine Hinweise auf eine Verbindung zwischen Hans Klaer und unserem Familienzweig finden. Dafür musste ich aber sofort an Monika Klaer aus Teltow und ihren Mann Joachim denken (siehe meine früheren Berichte), und dies erwies sich als Volltreffer.

„Der Cousin von Joachims Großvater war Kunsttischler hier in Berlin (verstorben 1915). Der Vater dieses Mannes war Tischler. Er muss noch drei Söhne gehabt haben… Diese drei Brüder werden erwähnt in den Jahren  1920 – 1940. Ich habe mal herausbekommen, dass sie die Tischlerei an einem ganz besonderen Ort mitten in Berlin hatten, ein Museum ist heute noch direkt daneben.“ Und später ergänzte sie noch nach einem Blick in die Familienchronik: „Im Text aus dem Jahre 1920 heißt es ‚Wir lernten auch die aus zweiter Ehe hervorgegangenen in Berlin wohnenden Brüder Karl, Ernst und Max Klaer mit ihren Familien kennen.‘ Natürlich kann Hans ein Sohn von den oben benannten Brüdern sein. … In den Adressbüchern kommt Hans 1920 als Tischler vor mit der gleichen Adresse und 1925 dann als  Hans Klär, Zeichner, Schöneberg, Gutzkowstr. 6 IV.“

Nur haben diese Klaers mit K, soweit wir wissen, keine Beziehung zu „unseren“ ostpreußischen Claers/Clairs/Klaers, sondern lassen sich vielmehr bis ins 18. Jahrhundert in der Gegend von Magdeburg zurückverfolgen. Doch womöglich gibt es ja eine noch frühere Verbindung…

2. Der Hauptmann von Gumbinnen – jetzt auch mit Bild!

Eine weitere hochinteressante Nachricht erhielt ich im März 2018 von einem Herrn Gordon v. J., einem Nachkommen des in meinen früheren Berichten ausführlich behandelten Wilhelm Theodor von Clair (1. Dezember 1767- 15. März 1831), des „Hauptmanns von Gumbinnen“.

„Über seine Tochter Ottilie Henriette Auguste von Clair (* 07. Oktober 1807 in Gumbinnen; † 28. Oktober 1875 in Langfuhr), welche laut Ihrer Quelle aber bereits kurz nach der Geburt verstorben sein soll, bin ich mit ihm verwandt. Die von Ihnen ebenfalls gefundene Luise Wilhelmine Mathilde († 1830), verheiratet mit einem von Aweyde, ist nach meinen Informationen auch eine Tochter Wilhelm Theodors. Ferner habe ich noch folgende Informationen über den Lebenslauf von Wilhelm Theodor:
· August 1781 Gefreiter Korporal im Garnison-Regiment Nr. 2 (der alten Stammliste)
· 01. November 1785 Fähnrich beim Garnison Regiment Nr. 2 (der alten Stammliste)
· 01. Mai 1787 zum Infanterie Regiment Nr. 11 (der alten Stammliste)
· 01. Oktober 1788 Sekondelieutnant
· 1794/95 Teilnahme am Feldzug in Polen
· 17. September 1797 Stabskapitän im Infanterie Regiment Nr. 58 (der alten Stammliste)
· 23. Oktober 1800 zum Infanterie Regiment Nr. 21 (der alten Stammliste)
· 15. Juli 1802 verheiratet mit Henriette Leopoldine Reichardt in (Preußen) Gumbinnen.
geboren 04. April 1783 (in Preußen ?)
· 1804 Beurteilung: “Ein ganz vorzüglicher, kluger Offizier, durch Eifer, Betragen, Talente und militärische Kenntnisse ausgezeichnet. Er zeichnet überaus schön. Kann einst viel leisten.”
· 23. Mai 1805 Kompagniechef
· 1806 Teilnahme am Feldzug
o 14. Oktober bei Auerstädt verwundet
o bei Übergabe von Magdeburg in französische Gefangenschaft geraten
· 31. Januar 1808 zum 3. Ostpreußischen Infanterie Regiment
· 02. August 1809 mit schlichtem Abschied entlassen auf Grund kriegsgerichtlichen Erkenntnissen
· 15. März 1831 gestorben (Voss.Ztg.70) in Gumbinnen
Diese Informationen und weitere Abschriften von Briefen des Wilhelm Theodors liegen mir als Schreibmaschinendurchschlag vor, mit dem Vermerk, dass sich die Originale bei Frau Janert befinden. Dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich um seine Tochter Wilhelmine Henriette Leopoldine Bertha († 1864), welche, wie sie bereits herausgefunden haben, einen Dr. Janert geheiratet hat.
Wie genau diese Informationen in den Besitz meiner Familie gekommen sind, ist mir nicht bekannt. Zu weiteren Nachfahren der von Clairs habe ich keinen Kontakt.“

Und als besonderes Bonbon befand sich im Anhang der Mail noch ein Bild des Wilhelm Theodor von Clair:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Die Filmschauspielerin aus „Schwarze Nylons – heiße Nächte“

Schon vor einigen Jahren bin ich bei einer Recherche im Netz auf eine Schauspielerin namens Renate Claer gestoßen, die ca. in den 1950er Jahren in einigen Filmen mitgewirkt hat. Ich befragte damals meinen Vater, ob er von einer Filmkarriere seiner Schwester Renate Scheibner, geb. Claer, also meiner Tante Renate (1932-1986) aus Karl-Marx-Stadt wisse. Er schloss dies kategorisch aus. Nun habe ich bei Ebay ein handsigniertes Foto dieser Schauspielerin gefunden. Sie ist definitiv nicht meine Tante Renate.

 

https://picclick.de/Renate-Claer-Kolibri-Autogrammkarte-Original-Signiert-BC-272382223279.html

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Art des Autogramms: Original handsigniert (kein Druck oder ähnliches)“

 

 

Aufschlussreich ist aber die Rückseite der Autogrammkarte. Dort findet sich der Hinweis, dass das umseitige Foto aus dem Film „Schwarze Nylons – heiße Nächte“ stammt. Sollte also neben meinem bereits erwähnten Onkel dritten Grades „Moppel“ Claer (u.a. „Lass jucken, Kumpel“) noch ein weiteres Mitglied unseres erweiterten Familienkreises in anrüchigen Filmen mitgewirkt haben?

Der besagte Film aus dem Jahr 1958 hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Nylons_%E2%80%93_Hei%C3%9Fe_N%C3%A4chte
Jedoch wird darin das Lexikon des internationalen Films mit der Einschätzung zitiert: „Kriminalabenteuer in «verruchtem» Milieu – biederer, als der spekulative Titel vermuten läßt.“ Nun gut, die frivolen Filme der späten Fünfzigerjahre sind sicherlich nicht mit jenen aus den Siebzigerjahren zu vergleichen. Noch dazu ist Renate Claer in der Namensliste der in diesem Film auftretenden Schauspieler im Wikipedia-Eintrag gar nicht enthalten. Vermutlich spielte sie also nur eine kleine Nebenrolle.

 

Darüber hinaus lässt sich über Google noch eine Illustrierte aus dem Jahr 1958 finden, in der die Schauspielerin Renate Claer mit zwei Kolleginnen als Cover-Girl posiert:

https://www.zvab.com/servlet/SearchResults?bsi=30&hl=on&kn=abze&sortby=20&prevpage=3

 

 

 

 

Außerdem bin ich nach meiner Erinnerung früher einmal im Netz darauf gestoßen, dass die Schauspielerin Renate Claer aus der Schweiz stammt, doch kann ich diese Quelle jetzt leider nicht mehr finden. Dies wäre aber auch der einzige (unbestimmte) Hinweis auf eine Verbindung zu unserer Familie, da diese wahrscheinlich von Einwanderern aus St. Imier (Berner Land) in die Schweizer Kolonie nach Gumbinnen/Ostpreußen um 1712 abstammt (siehe meine früheren Texte). Vielleicht ist die Schweizer Schauspielerin Renate Claer ja eine Nachkommin der um 1712 in der Schweiz zurückgebliebenen Verwandten der Auswanderer in den Raum Gumbinnen um David und Jakob Clerc (Clair)…

4. Der einzige noch erhaltene Brief meines Großvaters

In meiner Korrespondenz mit Tante Lorelies hatte sich – wie schon früher erwähnt – aus der vergleichenden Betrachtung unserer Familienzweige als herausstechende Gemeinsamkeit aller Claers neben den großen Nasen und einer gewissen Witzigkeit und Lustigkeit auch noch ein auffällig guter Schreibstil ergeben.

Besonders meine gerade schon genannte Tante Renate war als Schülerin für ihre exzellenten Deutsch-Aufsätze und überhaupt für ihr hervorragendes Ausdrucksvermögen bekannt. Dies berichtete mir – ohne dass ich danach gefragt hätte – vor einigen Jahren auf einer Geburtstagsfeier meiner inzwischen verstorbenen Eltern auch ihr ehemaliger Lehrer, ein alter Herr von inzwischen über 90 Jahren. Eine seiner Kolleginnen hatte meinen Vater, wie dieser uns später häufig erzählt hat, seinerzeit auf der Oberschule nach einem gelungenen Deutschaufsatz mit den (unzutreffenden) Worten abgebürstet: „Claer, das haben Sie doch von Ihrer Schwester abgeschrieben!“ Ebenfalls einen guten, wenn auch mitunter etwas unkonventionellen Schreibstil pflegte Tante Renates und meines Vaters Cousin zweiten Grades, der schon mehrfach erwähnte Hans Henning „Moppel“ Claer, der ja nach manchen Umwegen, siehe meine früheren Texte, sogar zum Berufsschriftsteller avancierte.

Doch auch mein Großvater Gerhard Claer (1905-1974) konnte sehr gut schreiben, wie die folgende Kostprobe beweist, die ich hier nur deshalb veröffentliche, weil mittlerweile niemand mehr am Leben ist, der etwas dagegen haben könnte. Es handelt sich um den leider einzigen noch erhaltenen Brief meines Großvaters aus dem Rheinland an meine Eltern nach Rostock. Der Brief ist fast 50 Jahre alt, vom 26. Oktober 1969.

Zu dieser Zeit lebte mein Opa schon mit seiner zweiten Frau zusammen (meine Oma war bereits in den 50er Jahren – nach der Flucht aus der DDR – an Krebs gestorben). Diese Stief-Oma hat uns später, nach dem Tod meines Opas 1974, auch einmal in Wismar besucht und uns ansonsten immer viele West-Pakete geschickt. Wie auch mein Onkel Gerd, der jüngere Bruder meines Vaters, der im Brief ausführlich als junger Mann erwähnt wird.

Bald nach Erhalt dieses Briefes sind meine Eltern von Rostock nach Wismar gezogen, wo ich dann zwei Jahre später geboren wurde. Dieser Brief meines Großvaters ist deshalb der einzige, der heute noch existiert, weil mein Vater alle anderen vor seiner Republikflucht Ende 1986 vernichtet hat. Wahrscheinlich hatte mein Opa oft geschrieben, dass meine Eltern doch in den Westen kommen sollten. Und mein Vater fürchtete, dass die Organe der DDR meiner Mutter und mir, die ja zunächst im Osten zurückbleiben mussten, daraus wegen Mitwisserschaft an seiner Republikflucht „einen Strick drehen“ könnten.

Hier also der Brief meines Großvaters:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5. Stammbaum, Fotos und Geschichten von Tante Lorelies

a) Stammbaum

Hier nun der Stammbaum von Tante Lorelies:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Vergleich hier auch noch einmal der einst von meinem Großvater Gerhard erstellte Stammbaum. Wie früher schon mehrfach angesprochen hat sich dort offenbar ein Fehler eingeschlichen: Im unteren Blatt links oben muss es statt „Franz Claer“ heißen: „Otto Claer“. Otto Claer, der Großvater von Tante Lorelies und „Moppel“ Claer, war der ältere Bruder meines Urgroßvaters Georg Claer. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Richard und ihrem Vater Franz waren sie die „Claers von der Post“, siehe hierzu ausführlich meine früheren Texte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

b) Fotos

aa) Erich Claer und seine Schwestern

Von Tante Lorelies erhielt ich die folgenden Fotos ihres Vaters Erich und ihrer Tanten (dessen Schwestern) Margarete und Hildegard. Die drei Geschwister waren Cousin und Cousinen meines Großvaters Gerhard.

 

 

 

 

 

 

 

 

Erich Claer (1901-1950)

 

 

 

 

 

 

 

Margarete Doeppner, geb. Claer (1904-1932/33)

 

 

 

 

 

 

 

 

Hildegard Rathgen, geb. Claer (1904-ca.1960) mit Tochter Ingeborg (geb. 1949)

 

bb) „Moppel“ Claer und seine Geschwister

Weiterhin bekam ich von Tante Lorelies Fotos von ihr und ihren drei Brüdern Hans Henning, Dieter und Heiner.

 

 

 

 

 

 

 

 

Hans Henning „Moppel“ Claer (1931-2002) mit seiner Mutter Hanni Claer, geb. Keller (1910-1992)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieter Claer (1933-2005) mit Ende 50

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lorelies Claer-Fischer (geb. 1940)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heiner Claer (1942-2013) mit 58 Jahren

 

cc) Mein Großvater Gerhard und seine Kinder

Zum direkten Vergleich zwecks Feststellung etwaiger Ähnlichkeiten hier auch Fotos meines Großvaters Gerhard und seiner drei Kinder Renate, Joachim (mein Vater) und Gerd.

 

 

 

 

 

 

Mein Großvater Gerhard Claer (1905-1974) mit seinem jüngsten Sohn (meinem Onkel) Gerd Claer (1943-2016)

 

 

 

 

 

 

Mein Onkel Gerd Claer (1943-2016) und mein Vater Joachim Claer (1933-2016)

 

 

 

 

 

 

 

 

Meine Tante Renate Scheibner, geb. Claer (1932-1986)

 

c) Geschichten

aa) Über Familienangehörige

Tante Lorelies schrieb über Ihren Vater Erich sowie ihre Tanten Margarete und Hildegard:

„Also: alle liebten Erich. Wenn er irgendwo auftauchte, hingen alle an seinen Lippen, nicht nur die Frauen. Er unterhielt alle mit Geschichten, Charme und guter Laune …Über die Schreibbegabung kann ich nicht so viel sagen. Wir haben ja keine Briefe aus der Vorkriegszeit. Grete ist 1942 gestorben, Hilde wohnte in FfM, wir in Berlin, man telefonierte wohl eher. Von ihr weiß ich, dass sie Sekretärin war, meine Mutter sagte, dass beide Mädels sehr intelligent waren. Vom Papa weiß ich nichts, aber wenn er schrieb, wie er reden konnte…
Ich hatte wohl früh eine gewisse Begabung zum Formulieren, denn meine Mutter bat mich immer die Glückwunsch- und Kondolenzbriefe zu schreiben, ich bekam dann eine Mark. Ab meinem 10. Lebensjahr nach dem Tod meines Vaters! Bis dahin hatte er das wohl übernommen. Von meiner Schulzeit weiß ich wenig. Aber meine Aufsätze waren auch gut. Mit 17 Jahren wollte ich ein Buch schreiben, daraus wurde nichts, weil mir die Phantasie fehlte. Dieter hat viel aus Canada geschrieben, aber ich weiß nicht, wie sein Stil war, er verlor auch nach und nach das Denken in der deutschen Sprache.“

„Zu Tante Grete: sie war mit einem Herrn Doeppner verheiratet und ist 1942 bei der Geburt des 3. Kindes gestorben. Das weiß ich so genau, weil mein Bruder Heiner im gleichen Jahr geboren wurde und als Oma Emma meine Mutter im Krankenhaus besuchte, sagte sie: …” und meine arme Grete mußte sterben…”. Meine Mutter war ganz fertig.“

„Mein Vater ist in Königsberg aufgewachsen, hat eine Banklehre gemacht und 1930 Hanni Keller aus Osterode, eine entfernte Verwandte, geheiratet. Er hatte inzwischen eine Stelle bei der Deutschen Bank in Berlin und beiden nahmen  ihren Wohnsitz in Steglitz. Moppel wurde 1931 dort geboren. Dieter 1933 in Ratibor, weil Erich zwei Jahre in die Provinz versetzt wurde. Ich wurde 1940 dann wieder in Berlin geboren, Erich war inzwischen bei der Deutschen Treuhand. Heiner 1942 in Osterode. 1940 wurde Moppel wie alle Schüler des Heesegymnsiums nach Rastenburg evakuiert, meine Mutter ging deshalb mit uns allen nach Gröben, um ihm näher zu sein. Allerdings kam er vor Heimweh schier um, sodass sie ihn nach Osterode umschulen ließ.“

bb) Fluchtgeschichte

Und schließlich noch der Bericht von Tante Lorelies über die Flucht aus Ostpreußen:

„Nochmal zur Flucht: es gab ja das Verbot, Ostpreußen zu verlassen. Meiner Mutter, die mit ihren 4 Kindern festsaß, sagte mein Vater, dass sie aber unbedingt gehen soll, wenn die Landjahrmädels gehen (sie wohnten alle in der Nähe in einem Haus, ich ging dort auch kurz in  den Kindergarten). Er konnte es sich nicht vorstellen, dass Hitler seine deutschen Mädels den Russen in die Hände fallen ließ. Aber genau so kam es ja.
Anlässlich eines Besuchs bei ihren Eltern in Osterode, traf sich meine Mutter mit einer Freundin in einem Restaurant zur Beratung. Dabei hörte sie, wie sich zwei Herren am Nebentisch (sie schätzte sie als Gutsbesitzer ein) leise unterhielten und sagten: …BBC ….wir gehen morgen…”
Daraufhin packte sie sofort den Treck und am nächsten Tag, dem 28. Januar, zogen wir von Gröben nach Osterode und verabschiedeten uns von meinen Großeltern, die sich die Flucht nicht mehr zutrauten (mein Großvater war krank) und meinten, dass ihnen alten Leuten der Russe schon nichts tun werde.
Am nächsten Tag war der Russe da und meine Großeltern und einige Nachbarn wurden im Schlafzimmer, wo sie sich alle beim Kranken aufhielten, von einem russischen 17jährigen betrunkenen Soldaten mit dem Ausruf  “du kapitalisti” erschossen. Eine Magd, die im Nebenzimmer war, hat alles erzählt. Der Soldat bekam dann auch ein Verfahren wegen Kriegsrechtsverletzung. Meine Mutter hat es nie verwunden, dass ihre Eltern nicht erfahren konnten, dass sie und die Kinder die Flucht überlebt hatten.
Wir zogen dann unter  Kriegsgrollen Richtung Dirschau, weil mein Vater dort zu einem Offizierslehrgang war (im Januar 1945 !! Von dort kam er dann in russische Kriegsgefangenschaft, wurde 1947 wegen Unterernährung entlassen und ist 1950 an den Folgen gestorben). Meiner Mutter gelang es tatsächlich, ihn zu sprechen. Er riet ihr, nicht den Seeweg zu nehmen, sondern über Land zu gehen, das ging bis Stolp und da hatte uns der Russe dann. Wir hingen mit anderen Flüchtlingen auf einem pommerschen Bauernhof fest, bis uns im Oktober der Pole mit Fußtritten herauswarf und wieder Züge fuhren…“

Und die Fluchtgeschichte(n) meines Familienzweiges erzähle ich beim nächsten Mal…

Ausblick

Soviel also für diesmal. Im kommenden Jahr gibt es hoffentlich wieder mehr Material und vielleicht sogar neue Erkenntnisse.

Berlin, Dezember 2018

Januar 2016: Ahnenforschung Nützmann

„Unsere“ Linie Nützmann

1. Phillip von Nutz (ca.1697-1813) – Gutsbesitzer Rittergut Kaeseke bei Demmin, gestorben in Demmin + ??? angeblich Adelstitel aus wirtschaftlicher Not verkauft (nach Plünderung seines Gutes durch schwedische Soldaten), Namensänderung in Nutzmann
2. Hinrich Nutzmann (??-??) + ??? geheiratet 10.10.1748 in Sanitz, späterer Wohnort: Teutendorf
3. Johann Jacob Nutzmann (1753 oder 1755 – ??) – Schäfer, geb. in Vietow bei Tessin, Schäfer in Grammow bei Tessin + Fredericke Sophie ?
4. Joachim Nutzmann (??-??) – Schäfermeister in Gr. Butzin + Friederike Sprinkmann
5. Christian Johann Christoph Nutzmann (1834-1896), Schäfermeister (Gr. Butzin, Gr. Lunow) + Helene Dorothea Caroline Schult (??-1912)
6. Heinrich Friedrich Christian Nützmann (1873-1926) – Schäfermeister in Groß Lunow + Anna Friederika Marie Ottilie Riedler (1888-1971)
7. Erich Fritz Ludwig Nützmann (1910-1985) – Stellmacher/Tischler in Gnoien + Hedwig Klara Sophie Erna Karla Marie Boldt (1911-1982)
8. Dr. Ilse Claer, geb. Nützmann (1933-2016) – Ärztin u.a. in Rostock, Wismar…

(Unsicher ist insbesondere die Verbindung zwischen Nr. 3 und Nr.4. Die Namen Nutzmann und Nützmann wurden weitgehend synonym verwendet.)

familienwappen_nuetzmann_hausmarke

 

 

 

 

 

 

 

 

Familienwappen Nützmann

 

Die Nützmanns

Die Nützmanns

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Herr Philipp von Nutz

Diesen Brief fand ich in einer der einschlägigen Datenbanken. Er ist offensichtlich die Hauptquelle der Legende des Herrn Phillip von Nutz:

This is a letter which I aquired through family members that was appearently written in 1894 by Charles (AKA Carl in German) Heinderich August Nuetzmann while he was living in Bible Grove, Illinois. Charles name was Carl H. A. Nutzmann in Prussia but seemingly changed it after moving to the United States. The following is a translated copy of information sent by Carl Nuetzmann to his brother, August Nuetzmann. It was written in German script. Indications are that he also sent a copy of this to other brothers and possibly to relatives still in Germany.  Bible Grove, Clay County, Illinois February 1894. Where did the first Nutzmann originate? The first Nutzmann was an honored estate holder, a Herr Von. He was born the end of l600 or the beginning of 1700. His name was Phillip Von Nutz. He lived on the nobleman estate property “Kasike” by Dennin in Pomerania. He reached a very advanced age of 116 years, and had 9 sons. It is not known if he had daughters. He was married three times in his lifetime. The last time he was 70 years old. And with his last wife he had children even in his advanced years. The man had to experience dreadful war times. Through that he was heavily in debt. The fruits of the fields were given over to the soldiers and everything was trampled or destroyed. He was a poor man after the enemy left. Nothing was left his but his family and his title (Adel? which means nobleman). His property the debts absorbed. In early times there existed the right to sell a title. Today that is no longer possible. He finally sold his title so that he could manage and with that he managed fairly well. He was from then on a burgerlicher (an Ordinary Citizen?) and had to change his name. He held on to Nutz and then mann followed and called himself from then on Phillip Nutzmann. That was the first Nutzmann. Since he had given up his Adel (nobleman), he wanted his sons to learn a handcraft. ….. ……… His son born to him in his very advanced age lives today. He is now a very old man. He learned in his youth weaving in a small factory in Treplow on the Tolesea in Vorpommern. His business didn’t do too well. He had to give it up. He fared better and took a position with city Management in Treplow, a position he held for many years. He had to give that up because he was blinded by ……? He is at present in Berlin in an eye clinic and will have eye surgery if he isn’t too old. He had a son who was an officer and in 1870 had to go to France and was never heard from again. The old father was very upset by that. He has a daughter, the youngest child, lives in America in Chicago, She is 49 and married the second time. Her name is Wilhelmina Nuetzmann. Her present husband is Voigt and works in a bakery 2929 Wentworth Ave., Chicago, Illinois. During the world’s Fair I was a guest with them for 4 days. They are Methodists and I became acquainted with them through ay sister-in-law. I was invited because we were related. This woman told me what up to that time I hadn’t heard. She said that Phillip Von Nutz or Phillip Nutzmann as he later named himself was her grandfather. I said that could not be as it was too long ago. “Yes” said she, “Notice my grandfather, Phillip Von Nutz was such older than 100, in fact he because 116 years old. He died after the war with France 1813 and my father is nearly 100 and I am about 50, my father said he was the youngest son and I am my father’s youngest daughter and this is possible.” One of her father’s brothers was head forester (Oberforster). The oldest son was also Phillip Von Nutz. He went from home over the Pene near Demmin in Schwandish (Swedish) Pommern and from there across the ocean, some thought to Sweden, some think he drowned. His parents never heard from him. This son who left his parents home must certainly have been our great-great grandfather who arrived in Rappin on the Island of Rugen. All circumstances point to it. I will now tell what our father, some 35 years in the Smithy in Kluis on the Island of Rugen by the work, told me and again wrote. He said the first Nutzman came from Pommern over the Pene near the city Demmin. He ran away from home. It was during the war. Many soldiers were taken for money. Those they couldn’t get for money they made drunk and shanghaied or took them from their beds at night, dressed them in uniforms and carried them away. If they ran away they were declared deserters and shot. Our great-great-grandfather was strong and would have been a good soldier. There were plans to take him at night but friends warned his. He went the same day over the Pene out of the Prussian area and into the Swendesch Pommern and there he was free. He went and came over the great sea, namely the Ost Sea (East Sea). He came to the Island Rugen in Rappin and received work with a preacher as a servant or farmhand. He soon became coachman. He was at that time 18 or 19 years old and from coachman he became landlord (innkeeper?) in Rugen and was called manager of establishment. The preachers of that time had much land and needed a manager to oversee the management of cultivation of the land. The son of this one took over his position when he died. First he was coachman then manager. This man had two sons. It was understood that the oldest son should have his father’s position. He had it already as far as coachman. Then he became bad feet and as a result had to learn the tailoring handcraft. By the tailoring he eased his feet. The preacher liked him and did not like to have him leave so he sent him to the Seminar so that he could learn to take the position in Rappin. His youngest brother learned the smithy business. He had 3 sons and a daughter. Her name was Sophia. She carried a shoemaker in Rappin. She had no Children. The names of the 3 sons are Carl, Fritz, and Christoph. Christoph was 14 years old when his father died. Christoph is ay father. He married Christiana Sophia Marie Nee Bollow. Out of this marriage were children Carl, Malte, Wilhelm, August, and Albert. My father was born July 21, 1816 in Karnitz in Kahsemvitz near Rugen. My Bother was born July 19, 1813 in Kleinhaugen near Monchzul on the Island Rugen. She died when I was 14 in Kluis near Gingst on Rugen Sept. 28, 1855. My father married the second with Johana Kluhs. The marriage was richly blessed with children and they live in West Prussia. I wandered out after I had served with the Pommern soldier Battalion Austria and fought the war in 1866. In 1867 I came to this land July 27. From N.Y. I went to Chicago and then to Altamont and from there to Bible Grove, Clay County, ill, where I live today with my wife and children. I was born October 19, 1841 in Kluis on the Island Rugen in Pommerania in Germany. Carl Nutzmann An added postscript Carl Von Nutz was my great great grandfather. Greetings and warnings from Father Christoph Nutzmann and all Nutzmann sons who came to America. There was a bit more but it didn’t see clear.

1. Carl Heinderich August, 19 October 1841, died Jen. 2, 1907
2. Malte Carl Friederich, 15 September 1845, died Apr. 22, 1905
3. Wilhelm Carl Malte, 2 May 1848
4. August Gottlieb Julius, 11 July 1849, died Dec. 30, 1934
5. Albert Carl Wilhelm, 21 April 1853, died Oct. 28, 1889 Children of second marriage
6. Fritz Ferdinand Heindrich, 25 October 1856
7. Christoph Malte Hermann, 29 November 1857
8. Johanna Whilhelmmiene Henriette, 20 January 1860
9. Maria Auguste Cristianne, 17 August 1861
10. Marta Johanna Maria, 19 April 1864
11. Wilhelm Johan, 21 July 1865
12. Heindrich Carl Friedrich, 6 May 1867
13. Auguste Marta Caroline, 3 January 1869

These 4 names were on the back, no dates: Wilhem, Otto, Anna, Hermann.

 

Die Nützmanns in Indonesien
Der engagierte Ahnenforscher Roy Huijer aus den Niederlanden schreibt:
„Karl JOHANN Friedrich NÜTZMANN geboren 4 februari 1861 Carlsruhe Mecklenburg-Schwerin und Familie lebten in Padang Sumatra Indonesien anno 1900. Auf der rechten Seite mein Großvater Ernst Paul Friedrich NÜTZMANN.“

Familie Nützmann in Indonesien klein

 

 

 

 

 

 

 

Familie Nützmann in Indonesien

Ernst Paul Friedrich Nützmann (1907-1944)

 

Ernst Paul Friedrich Nützmann (1907-1944)

Opa NÜTZMANN

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stammbaum klein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie sind diese Nützmanns mit uns verwandt?
Johann Jacob Nützmann, geb. 1755 (laut Angabe in einer Datenbank in Vittow/Germany, womit wahrscheinlich Vietow bei Tessin gemeint ist), Schäfer in Grammow bei Tessin, war vermutlich der erste Schäfer unter den Nützmanns. Erst im Alter von 69 Jahren wurde er in Vietow bei Tessin Vater von Johann Christian Theodor Nützmann (geb. 1824), dessen Sohn Karl Johann Friedrich Nützmann (geb. 1861 in Carlsruhe/Meckl.) nach Indonesien auswanderte. Es ist anzunehmen, wenn auch nicht sicher, dass auch „unser“ Schäfermeister Joachim Nutzmann aus Groß Butzin, der Vater „unseres“ Schäfermeisters Christian Nützmann (1834-1896), ein Nachkomme von jenem ersten Schäfer Johann Jacob Nützmann (geb. 1755) ist. Sollte dies so sein, dann wäre der Indonesien-Auswanderer Karl Johann Friedrich Nützmann (geb. 1861) ein Cousin „unseres“ Schäfers Christian Nützmann (1834-1869) und ein Onkel „unseres“ Schäfers Heinrich Nützmann (1873-1926) aus Groß Lunow.

 

Die Nutzmanns und Nuetzmanns in Amerika
Nur weit entfernt mit uns verwandt sind hingegen die zahlreichen Nutzmanns und Nuetzmanns in den USA, die über mehrere Generationen bis zu jeweils 18 Kinder hatten. (Im Unterschied zur sehr hohen Kindersterblichkeit in Mitteleuropa während des 18. Und 19. Jh. haben in den USA seinerzeit offensichtlich fast alle ihre Kindheit überlebt.) Am ehesten noch könnte es sich bei Christian Nutzmann (geb. 1851 in Rostock und gestorben 1911 in  Bertrand, Phelps County, Nebrask) und seinen Nachkommen um relativ nahe Verwandte handeln.

Juli 2015: Ahnenfoschung, Teil 7

Gesammelte Erkenntnisse zur Historie unseres Namens aus den letzten 12 Monaten

Nach längerer Pause ist es nun wieder dringend geboten, den aktuellen Stand unserer Forschungen schriftlich festzuhalten, da sich inzwischen eine solche Menge an neuen Erkenntnissen angesammelt hat, dass ich ansonsten befürchten müsste, die Thematik könnte mir über den Kopf wachsen. Zwar kann vom „großen Durchbruch“ auch weiterhin keine Rede sein, doch gibt es immerhin einige vielversprechende neue Spuren und Ansätze. Insbesondere konnten in den vergangenen Monaten mehrere erstmalige Kontakte zu mutmaßlichen entfernten Verwandten oder zumindest Namensträgern unsere Forschungen beflügeln.

Ausgangspunkt sind aber zunächst auch diesmal wieder die Claers in Ludwigswalde. Wir hatten bei Durchsicht der Ludwigswalder Geburtseinträge keinen Eintrag zur Geburt meines Ururururgroßvaters in der Namenslinie, des Unterförsters Friedrich Wilhelm Claer d.Ä. (Lebensdaten laut einer Angabe in der Mundia-Datenbank 1770-21.12.1815) gefunden. Er und seine Frau Susanne Hoemke (inzwischen glauben wir aber eher, dass es in den Einträgen Gesine Hoemke heißen soll) waren in Ludwigswalde 1799 Eltern meines Urururgroßvaters Christian Friedrich Clair und 1803 dessen Bruders Johann Wilhelm Claer geworden. Ferner gab es in Ludwigswalde noch einen Unterförster (so muss es wohl heißen, damals lasen wir …bergförster) Johann Friedrich Clair. Er und seine Frau Susanna Dorothea Liedmann wurden 1797 Eltern eines Friedrich Wilhelm Claer d.J. Darüber hinaus hatten wir bei den Geburten noch weitere Einträge des Namens Claer/Klair/Cleer gefunden bei allerdings z.T. beträchtlicher Unsicherheit, ob wir richtig gelesen haben: einen Johann Christian Klaer 1794 auf Quatier vom Depots Batallion; einen Christian Clair 1788 als Taufpate; einen Gottfried Klair, Musquetier vom Regiment 1749 und 1752; einen Johann Schmied Cleer, Schulze in Altenburg 1739 sowie einen Mil. (Soldaten?) Minhart Claer 1736. Ferner konnten wir feststellen, dass Susanna Dorothea Liedmann, die Ehefrau des Unterförsters Johann Friedrich Clair, zuvor mit dem Unterförster Johann Kopfhammer verheiratet war und in dieser Zeit 1788 und 1793 Mutter zweier Kinder wurde. Hinzu kam der etwas rätselhafte Umstand, dass in der Mundia-Datenbank als Ehefrau „unseres“ Unterförsters Friedrich Wilhelm Claer und Mutter des Sohnes Johann Wilhelm Claer im Jahre 1803 nicht Susanne/Gesine Hoemke angegeben war (wie es gemäß den Geburtseinträgen in den Taufbüchern richtig gewesen wäre), sondern Susanna Dorothea Kopfhammer.

Wir erwarteten also mit Spannung die Auswertung der Taufen 1665-1700, der Heiraten 1682-1814 und der Toten 1682-1813. Allerdings brachten uns die Taufen 1665-1700 keinerlei Funde.

1. Die Ludwigswalder Heirats- und Sterbeeintragungen

In den Heirats- und Sterbeeintragungen fanden wir:

– S. 216-rechts-01 (1796):
Ludwigswalde. Friedrich Wilhelm Claer königl. Unterförster mit Wittwe Susanna Dorothea Kopfhammelin 25. ten Sept: copuliert 30 H (Heller?) zur Schulstraße bezahlt. aber Zwilinge (?) gebucht (?) vom Amte Karschau vom (am?) 14 ten Sept. beigebracht 30/32

S.216 li-01 (1796) klein

216_rechts_01

 

– S. 209_links_01 und rechts ganz unten (1782):
Johann Heinrich Kopfhammel (Unterförster) mit Jungfer Susanna Dorothea Liedmanin am 19. Jan. (Heiratseintrag)

– S.198 li 02 (1754):
Am 24. Januar ist gut ??? ?? An (?) Christoff Nin. (?) Claer, Schultz in Altenberg, mit Jungfer Dagmar Dybben (Delten?) für Hrn. (?) Schultz
Casse ist gezahlt 30 gu (Gulden?)
(Quelle ist insgesamt sehr schwer zu lesen und Inhalt daher recht unsicher.)

198_links_02

198_links_02

 

 

 

 

– S.304 (1797):
Ludwigswalde 8. Joh. Friedrich Claer königl. Unterförsters Söhnlein (?) Friedrich Wilhelm begraben am 26. Febr

S.304 li 01 (1797) groß klein

 

 

– S.238 (1715):
Dom. XVII. ? 13 8 h ließ Hanß Claire sein Töchterlein mit Gesang und Klanck begraben.
(Hier ist vor allem fraglich, ob es Claire heißt, der Rest ist gut lesbar. Der erste Buchstabe könnte eher ein T sein, aber danach folgt keinesfalls ein h…)

S. 238 (1715) Hans Claire sein Töchterlein klein

Das sind leider nur recht bescheidene Funde, die uns noch dazu z.T. beträchtlich verunsichern. Enttäuschend ist zunächst, dass die Heiratseinträge in unseren Fällen keine Angaben über die Herkunft der Eheleute enthalten. Das wurde, wie ich feststellen musste, im Laufe der Jahre recht unterschiedlich gehandhabt, mitunter finden sich sogar recht umfangreiche Informationen über die Heiratenden, nur leider nicht in den für uns relevanten Einträgen.

Immerhin wissen wir jetzt, dass Susanna Dorothea Liedmann, die spätere Frau des Unterförsters Johann Friedrich Claer und Mutter des jüngeren Friedrich Wilhelm Claer, ihren ersten Ehemann, den Unterförster Johann Kopfhammer, mit dem sie 1788 und 1793 zwei Kinder bekam, bereits im Jahr 1782 geheiratet hat. Ferner wissen wir nun, dass der junge Friedrich Wilhelm, der Sohn des Johann Friedrich Claer und der Susanna Dorothea Liedmann 1797 bereits 14 Tage nach seiner Geburt am 8.Februar 1797 wieder verstorben ist, wie es ja damals häufiger vorkam.
Doch stürzt uns der Heiratseintrag von 1796 in erhebliche Verwirrung, wonach „unser“ Friedrich Wilhelm Claer, der königliche Unterförster, die Witwe Susanna Dorothea Liedmann geheiratet haben soll. Dass Susanna Dorothea Liedmanns erster Mann, der Unterförster Kopfhammer, gestorben sein musste, hatten wir uns ohnehin schon gedacht. Aber nur ein Jahr später, 1797, bekam Susanna Dorothea Liedmann ein Kind mit ihrem Ehemann Johann Friedrich Claer, während „unser“ Friedrich Wilhelm Claer drei Jahre später, 1799, mit seiner Frau Susanne/Gesine Hoemke eine Familie gründete. Wie konnte also Susanna Dorothea Liedmann 1796 „unseren“ Friedrich Wilhelm Claer geheiratet haben und nicht, wie es zu erwarten gewesen wäre, seinen mutmaßlichen Bruder Johann Friedrich Claer? Naheliegend wäre es, hier einen Fehler in der Eintragung zu vermuten. Der Pfarrer könnte die beiden Unterförster Claer schlicht miteinander verwechselt haben. Damals sollen die Eintragungen in vielen Kirchenbüchern nur gesammelt ein oder zweimal jährlich aus dem Gedächtnis des Pfarrers erfolgt sein. Das würde alles erklären, und doch bleibt der irritierende Umstand, dass – wie bereits erwähnt – in der Mundia-Datenbank als Ehefrau „unseres“ Unterförsters Friedrich Wilhelm Claer und Mutter des Sohnes Johann Wilhelm Claer im Jahre 1803 nicht Susanne/Gesine Hoemke angegeben war, sondern Susanna Dorothea Kopfhammer…

Darüber hinaus gibt es im Hochzeitseintrag des Friedrich Wilhelm Claer und der Witwe Susanna Dorothea Liedmann noch einige rätselhafte Zusätze. Deutlich erkennen können wir von diesen lediglich den Ortsnamen Karschau. Das Amt Karschau (dem Amt Kobbelbude mit Ludwigswalde benachbart) war eines der kgl. preuß. Dömänenämter in Ostpreußen. Beide Ämter gehörten zum Brandenburgischen Kreis in Ostpreußen.
(http://books.google.de/books?id=Mww_AAAAcAAJ&pg=PA16&dq=amt+karschau&hl=de&sa=X&ei=QCZqVN3nGsX-ygOM5YL4CQ&ved=0CCUQ6AEwAw#v=onepage&q=amt%20karschau&f=false)

Es gab drei Landesherren in Preußen: die Städte (die Kämmereigüter), den Adel (die Rittergüter) und den König (die Domänen-Ämter). (http://wiki-de.genealogy.net/Ostpreu%C3%9Fische_%C3%84mter)

Die königlichen Förster (und als solche wurden sowohl „unser“ Friedrich Wilhelm als auch sein mutmaßlicher Bruder Johann Friedrich bezeichnet) unterstanden also den Domänen-Ämtern. Insofern könnte der Hinweis auf das Domänenamt Karschau also noch von Bedeutung für uns sein. Vielleicht verrät er etwas über die Herkunft der beiden Ludwigswalder Unterförster Claer. Wir werden diese Spur weiter verfolgen.

Weiterhin haben wir einen Hochzeitseintrag aus dem Jahr 1754 gefunden, wonach – wenn wir richtig gelesen haben – ein Christoff Claer, Schulze (also Bürgermeister) in Altenberg (dem Nachbarort von Ludwigswalde), eine Jungfer Dagmar Dybben geheiratet hat. Dies würde immerhin zu unserem früheren Fund passen, wonach der Schmied Johann Cleer 1739 Schulze in Altenberg war und einen Sohn namens Johann Christoph bekam. Allerdings wäre dieser (Johann) Christoph Claer 1754 erst 15 Jahre alt gewesen, und so erscheint es doch recht zweifelhaft, ob er – wenn er es denn gewesen ist – in diesem jungen Alter schon heiraten, geschweige denn bereits Schulze gewesen sein konnte…

Bleibt schließlich noch der unsichere Fund aus dem Jahr 1715, wonach ein Hanß Claire sein Töchterlein mit Gesang und Klanck in Ludwigswalde begraben ließ. Hanß mit “ß” kommt auch in anderen Einträgen vor, war also nicht ungewöhnlich. Die Formel am Ende “mit Gesang und Klank/Klanck” (was sicherlich Klang bedeuten soll) findet sich auch in fast allen anderen Einträgen dieser frühen Jahre. Wenn dieser Hanß denn wirklich ein Claer gewesen sein sollte, dann wäre er wohl wenige Jahre nach der Einwanderung von David und Jakob Clerc/Clere/Clair aus St. Imier nach Matzutkemen (1712) in Ludwigswalde aufgetaucht. Es sollen ja große Teile der Schweizer Kolonie schon in frühen Jahren in andere Gegenden Ostpreußens abgewandert sein. Christian Clerc wurde etwas später, 1719, auf der Durchreise in Stolp/Pommern registriert…

Nach allem bleiben jedoch viele Fragen offen. Nicht nur von den Förstern Claer, sondern auch von ihren Frauen finden sich keine Geburtseinträge in Ludwigswalde. Da, wo es Taufeinträge von Claers gibt, fehlen mehrmals im Vorfeld zu erwartenden Heiratseinträge und umgekehrt. Sterbeeinträge haben wir nur von Kleinkindern gefunden. Folglich gab es über die Jahre wohl kaum Claers, die fest in Ludwigswalde verwurzelt waren.

Im übrigen ist auffällig, dass in den Einträgen der Ludwigswalder Kirchenbücher eine ganze Reihe von Militärs auftauchen, teilweise mit Hinweis auf bestimmte Regimenter, denen sie zugehörig waren.

Dennoch ist festzuhalten, dass es – zumindest in Ludwigswalde – keinerlei Funde aus der Zeit vor der Einwanderung der Clercs / Clairs aus der französischen Schweiz (1712) gibt, was dafür spricht, in unseren Vorfahren die Nachkommen der Schweizer Einwanderer zu sehen, ohne dass damit die Theorie von der Verbindung zur adligen hugenottischen Familie des Hauptmanns von Gumbinnen oder jene von der anglonormannischen Herkunft über den Baumeister des Königsberger Doms, den Bischof vom Samland Johannes Clare (geb. 1344), völlig vom Tisch wären.

2. Die Clercs / Clairs in der Schweizer Kolonie (1710)

Grund genug, sich näher mit der sog. Schweizer Kolonie im Raum Gumbinnen (1710 ff.) zu beschäftigen, die sogar sehr gut erforscht ist.

a) Große Hilfe durch Fritz Schütz

Gleich einen Volltreffer landete ich mit dem Standardwerk von Fritz Schütz, „Französische Familiennamen in Ostpreußen aus der Zeit der Schweizerkolonie, ihre Herkunft, Schreibweise, Änderung“ (Ostpreußischer Heimatverlag, Gumbinnen 1933), das ich mir in einer Bibliothek mittels Fernleihe bestellte. Aus dem darin enthaltenen Namensverzeichnis:

S.0+1

 

 

 

 

 

„Die mit *bezeichneten Familiennamen kommen heute noch in Ostpreußen vor. … Die Schreibweise der Namen ist die der Kirchenbücher“

– Clair *, Herkunft: aus St. Imier, Distr. De Courtelary, Schweiz; Schreibweise der Kirchenbücher: Clere, Clari; heute bestehende Änderung: Claer, Klaer, Klär.

– de Clair*, Herkunft: unbekannt.

S.14+15 klein

 

Also zumindest der Heimatforscher Fritz Schütz führt die ostpreußischen Claers eindeutig auf die Einwanderer aus St. Imier zurück.

In der Einleitung seines Buches heißt es:

„Mit den Jahren 1708 bis 1710 verwüstete die aus Polen gekommene Pest ganz Ostpreußen, besonders hatte das damalige Amt Insterburg darunter zu leiden. Mißwachs, Hungersnot, drückende Lasten trugen dazu bei, dass die ländliche Bevölkerung, soweit sie noch dazu imstande war, ihre Besitzungen stehen und liegen ließ. In den Ämtern Insterburg, Ragnit, Tilsit und Memel standen allein 8411 Bauernhöfe ohne Bewohner, ausgestorben oder verlassen. König Friedrich I. erließ seine Einladungsaufrufe zur Neubesiedlung des „deputierten“ Landes im ganzen Deutschen Reich und in der Schweiz. Die Folge war ein außergewöhnlich großer Zuzug zunächst aus Ostpreußen selbst, dann auch aus Litauen und Polen, so dass schon 1711 wieder über 4000 Besitzungen in festen Händen waren. Dann kamen in größeren und kleinen Zügen Neusiedler aus der deutschen und französischen Schweiz, aus Hessen-Nassau, der Mark Brandenburg, Württemberg, Pfalz, Elsaß, Lothringen, Flandern, aus Nordfrankreich, um hier eine neue Heimat zu suchen und zu finden. Mit der Oberleitung dieses Siedlungsgeschäftes war der Burggraf Alexander zu Dohna betraut, der die Abwicklung in äußerst geschickter Weise vornahm. Dieser, selbst geborener Schweizer, hatte wiederum seinerseits in dem Königsberger Refugié Lacarrière einen außerordentlich geeigneten Helfer. Inzwischen hatte der König Friedrich Wilhelm I. die Regierung angetreten und in großzügigster Weise, verbunden mit der ihm angeborenen Sparsamkeit, das Kolonisationswerk seines Vaters übernommen und weitergeführt. Die Neusiedler wurden in der Hauptsache in der Umgebung von Judtschen und Gumbinnen angesetzt. Die Verwaltung befand sich in Judtschen, hier fanden die nicht ganz einfachen Fragen ihre Erledigung. Es ist zu bedenken, dass ein großer Teil der Siedler nur französisch sprach, bei den übrigen waren alle deutschen Dialekte vertreten. Noch 1739 war beim Besuch Friedrichs des Großen in vielen Dörfern die französische Sprache vorherrschend. Das Bedürfnis des Zusammenhaltens aus Familien-, wirtschaftlichen und sprachlichen Gründen entwickelte sich naturgemäß sehr stark, dazu kam noch, dass die Kolonisten als Reformierte in der streng lutherischen Umgebung keinen leichten Stand hatten. Die wirtschaftliche Bevorzugung der Schweizer gegenüber den Alteingesessenen rief auch unter den anderen Kolonisten beträchtliche Reibereien hervor, die aber durch den „Kolonistenvater“ Graf Alexander zu Dohna unter manchen Schwierigkeiten geschlichtet wurden. Jedenfalls erhielt im Laufe der Zeit auch ein Teil der übrigen Kolonisten die gleichen Rechte. Sie wurden unter dem Sammelnamen „Schweizerkolonie“ verwaltungstechnisch unter einen Hut gebracht.
Um einen anscheinend unausrottbaren Irrtum zu beseitigen, sei also nochmals betont, dass zur „Schweizerkolonie“ nicht nur echte Schweizer, sondern auch andere Kolonisten zu zählen sind.
Die kirchliche Versorgung erfolgte in folgender Weise: zunächst wurde die Deutsch-Schweizerische Kirchengemeinde in Sadweitschen einem deutschen Prediger, sodann die Französisch-Schweizerische Kirchengemeinde 1713 in Judtschen mit einem französischen Prediger (Kirchenbau 1727), dann die Französisch-Schweizerische Kirchengemeinde in Gumbinnen 1731 – in Vereinigung mit der aufgelösten Gemeinde in Sadweitschen – (Kirchenbau 1739) mit einem französischen Geistlichen.

+Karte

Über diese Kolonisation v o r der Einwanderung der Salzburger ist leider kein ausführliches Geschichtswerk vorhanden, sie ist recht stiefmütterlich behandelt, obgleich sie mindestens von derselben kulturellen Bedeutung ist wie die Einwanderung der Salzburger. Zahlenmäßig ist sie größer, in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung von allergrößter Bedeutung. Neueinführungen und Verbesserungen in Industrie, Handel und Landwirtschaft: Wollweberei, Seidenweberei, Färberei, Gerberei, Hutfabrikation, Tabakbau, Hopfenbau, vereinzelt Weinbau, verbesserter Pflug. Uhrmacher, Kupferschmiede, Handschuhmacher, Strumpfwirker fanden ein ausgedehntes Feld für ihr teilweise nicht vertretenes Handwerk.
Als Folge dieser Einwanderung: Neugründung vieler Schulen, Erhebung von 6 Dörfern zu Städten (1724). Über die Gründe dieser Einwanderung: Während bei den Salzburgern, die als größte geschlossene Volkseinheit 1732 einwanderten, religiöse Verfolgung vorlag, sind die Gründe bei obigen Neusiedlern rein wirtschaftlicher Art, nur für die Nassauer treffen religiöse Schwierigkeiten zu. Die religiöse Frage spielt überhaupt bei der gesamten Siedlungsgeschichte lange nicht die Rolle, die man ihr zuzuerteilen geneigt ist. Friedrich Wilhelm I., selbst reformiert, zieht die lutherischen Salzburger ins Land mit dem gleichen Wohlwollen wie die reformierten Schweizer-Kolonisten. Es muss einmal klar ausgesprochen werden, dass bei der Siedlungspolitik die W i r t s c h a f t s p o l i t i k die größere Rolle gespielt hat. Friedrich Wilhelm I. war unzweifelhaft ein tief religiöser Herrscher, er war aber auch ein großer Rechenmeister. Das Land Ostpreußen wurde unter seiner Führung die ertragreichste Provinz Preußens:
,Aber das Land wird bebauet sein und ist dazu guth, wenn die Kinder erwachsen und mein Sohn Krieg bekommt, dass ihm an Menschen nit fehlet. Das ist auch ein Reichtum, Menschen halte vor den größten Reichtum.`
Die vorliegende Arbeit ist auf nicht ganz einfachem Wege zustandegekommen. Zunächst mussten die Kirchenbücher der oben genannten 3 Schweizerkirchen auf etwa 40000 Niederschriften gezettelt und nach Familien zusammengestellt werden. War es doch nur so möglich, die manchmal erstaunlich verschiedenen Schreibweisen der Familiennamen festzustellen, aus denen wiederum Schlüsse auf die Gestaltung der heutigen Namensführung gezogen werden können.
Die Kirchenbücher, teilweise in französischer Sprache geführt, sind nicht immer gut erhalten, auch ergeben sich Schwierigkeiten sprachlicher Art, da der französische Prediger nicht deutsch und der deutsche nicht französisch verstand. Es entstanden Wortungeheuer, die dem Benutzer doch Schwierigkeiten bereiten. …
Die Kenntnis der richtigen französischen Schreibweise mag bei vielen Kolonisten bald geschwunden sein, denn nur so ist die vielfache Rückgestaltung späterer Zeiten zu erklären. …
Ob diese Kolonisten den Hugenotten zugezählt werden können, läst sich im Rahmen dieses Büchelchens nicht durchweg beantworten. Es sei versuchsweise gesagt: Zu den Hugenotten gehören die aus Frankreich gekommenen Siedler, ferner vereinzelte der aus der Schweiz stammenden und aus Süddeutschland gekommenen. Nicht zu ihnen gehören diejenigen aus alteingesessenen Schweizer-Familien, die ja als Reformierte keinen Grund gehabt hätten, aus einem reformierten Lande auszuziehen. Bestimmte Richtlinien aufzustellen ist an und für sich gewagt, hier muss eben die Einzelfamilienforschung einsetzen, die feststellen soll, ob die betreffende Familie ursprünglich in Frankreich ansässig war und infolge der Französischen Religionskriege auswanderte. …
Möge diese Arbeit ihren Zweck erfüllen: Sie soll … auch hinweisen auf die große, einzig dastehende kolonisatorische Tat preußischer Könige vor über 200 Jahren. Aus der Verschmelzung deutscher und fremder Stämme ist in dieser kurzen Zeit ein Volk hervorgegangen, das sich an deutscher Gesinnung, deutscher Tatkraft nicht überbieten lässt: es entstand der ostpreußische Mensch. Denn jeder Ostpreuße, der auf den Pfaden der Familienforschung dem Auf und Ab seines Geschlechtes nachgeht, trifft irgendwann und irgendwo auf jene Kolonisten, die damals Ostpreußen mit neuem Leben erfüllt haben. ,In jedem Ostpreußen fließt ein Tropfen Kolonistenblut.‘

Gumbinnen, im Jahr des Aufstiegs 1933. Fritz Schütz“

Im letzten Absatz ist der Verfasser erkennbar darum bemüht, das Multi-Kulti der ostpreußischen Einwanderungsgesellschaft irgendwie auf die völkische Linie der neuen Machthaber zu bringen…

Kleiner Exkurs: Sehr detailliert und mit umfangreichem Zahlenwerk versehen ist die Darstellung des ostpreußischen Völkergemischs, aus dem sich im 18. Jh. der „Neustamm der Preußen“ gebildet hat, auf der Internetseite des Klaus-Peter Jurkat, Bergisch Gladbach. (http://www.prussen.org/besiedelung-bevoelkerungsentwicklung-ostpreussen.htm)

Ihm zufolge sah die Bevölkerungsstruktur Ostpreußens Ende 1711 wie folgt aus:
28.594 Litauer
89.549 Masuren
130.794 Deutsche etc.
191.063 Prußen
440.000 Einwohner

Die Prußen waren so etwas wie die ostpreußische Urbevölkerung. Sie hatten eine noch bis ins 17. Jahrhundert hinein dominante, später aber ausgestorbene westbaltische Sprache, die große Ähnlichkeit mit der ursprünglichen indoeuropäischen Sprache gehabt haben soll. Der „breite Tonfall“ der deutschen Dialekte Ostpreußens geht laut Reinhard Schmoeckel auf altpreußischen Einfluss zurück. Ende des Exkurses.

Ebenfalls aus der Feder jenes Fritz Schütz fand ich online einen weiteren Text über die Schweizerkolonie, in dem u.a. davon berichtet wird, dass der große Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) in jenen Jahren zeitweise in Judtschen gelebt hat.

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Fritz Schütz, Ein Beitrag zur Heimatgeschichte – Die kirchliche Versorgung der Schweizerkolonie, in: Preußisch-Litauische Zeitung, Nr. 45, 120. Jg., Gumbinnen Sonntag, den 22.2.1931:


Die Reformierte Kirche in Judtschen
Schon 1710 fanden sich in der Judtscher Gegend die ersten Schweizer ein, so dass sich schon 1714 die Einstellung eines französischen Geistlichen, des David Clarene notwendig machte. Dieser Prediger verstand kein Wort deutsch, so dass sich sehr bald Konflikte mit den inzwischen in größerer Menge angezogener deutschen Kolonisten, die wiederum kein Französisch verstanden, erhoben. Dies führte zu scharfen Beschwerden, die damit endeten, dass Prediger Clarene 1729 durch den deutschen Prediger Daniel Andersch ersetzt wurde, der wiederum kein Französisch verstand. Außerdem zeigte er den französischen Kolonisten etwas die kalte Schulter, “er sei als deutscher Prediger berufen und die Franzosen möchte sich der deutschen Sprache befleißigen.” Dies zog ihm einen ziemlichen Verweis zu, und es ist festzustellen, dass sich die Sprachkenntnisse des Predigers Andersch und somit sein Verhältnis zur Gemeinde wesentlich gebessert haben. Der Prediger Clarene hat die Eintragungen der deutschen Familien- und Ortsnamen in grausamer Weise verstümmelt, manchmal bis zur Unverständlichkeit, ebenso war es mit den Eintragungen der französischen Orts- und Familiennamen durch Pfarrer Andersch. Die Kirchenbücher der Gemeinde Judtschen sind vollständig erhalten und dadurch äußerst wertvoll, dass nicht nur der Herkunftsort des Eingewanderten selbst, sondern auch noch seine Eltern angegeben sind. Auch steht bei den meisten die Angabe des Berufes. Besonders wertvoll sind sie noch dadurch, dass die beiden größten Geister der damaligen Zeit als Taufzeugen eingetragen sind, und zwar der König Friedrich der Große und Immanuel Kant. Immanuel Kant soll mehrere Jahre bei Herrn Prediger Andersch Hauslehrer gewesen sein, er selbst sagt in seinen Schriften nichts davon. Er ist zweimal als Taufzeuge eingetragen; eine Eintragung möge hier abgedruckt werden: Am 27. Oktober 1748 lässt taufen der Schulmeister Jacob Challet aus Judtschen sein Söhnlein mit dem Namen Samuel. Die Mutter heißt Catharina Blattin (Belat). Die Taufzeugen sind gewesen Immanuel Kant, Studiosus Philosophiä, und die Frau Prediger Andersch in Judtschen. Ob Immanuel Kant noch verwandtschaftliche Bande an die Judtscher Gegend geknüpft haben, ist nicht ohne weiteres festzustellen. Jedenfalls findet sich im Taufregister eine Anne Ephrasine Kantin, 1731, die einen Johann Caspar Gehler, a.a.O. Kehler, heiratet und im Taufregister 1732 dieselbe nochmals, mit dem Zusatz “aus Stallupönen”, der Vater derselben ein David Kant. Noch nicht ganz durchgeführte Nachforschungen freundlichst behilflicher Seite haben bis jetzt ergeben, dass in Stallupönen im Jahre 1703 ein David Kandt, Schotte und Paudelkrämer gelebt hat. Da Kant seinen Ursprung auf Schottland zurückführte, ist eine Verwandtschaft nicht ausgeschlossen. Ob Immanuel Kant die Zeit seines Aufenthaltes in Judtschen (ca. 3 Jahre) benutzt hat, auch einmal die benachbarte Stadt aufzusuchen und mit seinem Geist zu durchdringen, wird bestritten, gemeint ist, damit natürlich nicht Gumbinnen, sondern die andere Nachbarstadt.(http://www.judtschen.de/Fritz-Schuetz.html)

b) Weitere Internetquellen zur Schweizerkolonie

In einer anderen Internetquelle heißt es über die Schweizerkolonie ergänzend:

Die Einwanderung der Schweizer

von Otto Gebauer (Quelle: Gumbinnen, Dr. Grenz)

Die ersten Schweizer kamen 1709 nach Ostpreußen; in den folgenden Jahren nahm die Einwanderung erheblich zu. Der größte Teil der Schweizer Kolonisten wurde im Kreise Gumbinnen angesiedelt. Sie sind es gewesen, die als erste Kolonie die Befreiung vom Scharwerk erkämpft und damit zur sozialen Hebung des Bauernstandes wesentlich beigetragen haben. Im Jahre 1714 entstand die deutsch-schweizerische Gemeinde Sadweitschen. Die Gottesdienste wurden in der ersten Zeit in einer Scheune abgehalten.

1739 wurde in Gumbinnen die reformierte Kirche gebaut, und die kirchliche Betreuung der reformierten Gemeinden erfolgte nun von Gumbinnen aus.

1716 wurde eine französisch-schweizerische Gemeinde in Judtschen gegründet. Der Gottesdienst wurde in deutscher und französischer Sprache abgehalten. Die deutschen Schweizer fanden sich durch ihre deutsche Muttersprache leichter mit der neuen Umgebung ab als die französischen Schweizer, die schon durch die Sprache eine schwierigere Verständigung hatten. Aus diesem Missverhältnis der Sprachen und dem Umstand, dass die Pfarrer einesteils nicht französisch oder auch nicht deutsch sprechen und schreiben konnten, entstand schon bald ein großes Durcheinander in der Schreibweise der französischen Familiennamen. Diese Familien werden oft den französischen Hugenotten zugezählt. Sie haben aber mit den Hugenotten nichts zu tun. Sie kamen nicht aus Gründen religiöser Bedrängnis, sondern aus solchen rein wirtschaftlicher Natur.

Die reformierten Schweizer kamen aus der reformierten Schweiz, die reformierten Franzosen (Franzosen, Wallonen, Waldenser) hatten keine Not, ihre seitherige Wahlheimat, die Pfalz, Mark Brandenburg, Magdeburg usw. zu verlassen, es bedrängte sie dort niemand. Sie trieb lediglich der Wunsch, dem Rufe des Königs folgend, sich in Ostpreußen zumeist unter günstigen Bedingungen ein sicheres Auskommen zu schaffen. War doch Ostpreußen nach den Einladungsschreiben das „Land, in dem alles gedieh außer Wein”. Es handelte sich also um Kolonisten aus dem Berner Jura, ferner aus dem damals zu Preußen gehörigen und preußisch verwalteten Fürstentum Neuchatel. Weiter handelte es sich um Siedler aus den nordfranzösischen Provinzen, um Wallonen, die teils aus Wallonien direkt oder aus der Mark Brandenburg als Zwischenstation kamen, oder um Waldenser aus den norditalienisch-französischen Gebirgstälern und den württembergischen Waldenser-Dörfern. Nur die wenigen wirklichen Franzosen nach 1710 aus Süddeutschland waren Hugenottenabkömmlinge. Die schweizerischen Herkunftsgebiete waren damals teilweise reichlich übervölkert, so dass einzelne Städte den Abwanderern sogar Zehrgelder mitgaben.

Im Kreise Gumbinnen bildeten die deutschen und französischen Gemeinden erst um 1807 eine Einheit. Die Erinnerung an die französischen Schweizer lebt in den vielen französischen Namen fort, die wir bei unseren Gumbinner Landsleuten feststellen.“
(http://www.kreisgumbinnen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=96:schweizer&catid=35&Itemid=89&showall=1&limitstart=)

Darüber hinaus lässt sich im Internet auch noch dieser, mit Zahlenwerk auf dem aktuellen Stand der Forschungen versehene, Text zur Schweizerkolonie finden:

„Die Hugenotten: Geschichte, Glaube und Wirkung
von Eberhard Gresch, 2005

Friedrich Wilhelm I. bemühte sich, die 1709/10 durch die Pest stark dezimierte Bevölkerung des nordöstlichen Ostpreußen wieder zu vergrößern. Am 20.09.1711 wurde ein Einladungspatent erlassen. So kamen im Zuge einer Sekundärwanderung von 1710 bis 1720 auch etwa 350 Hugenotten (-Nachfahren) in das Gebiet um Gumbinnen. Es waren nach 1685 in die Uckermark eingewanderte, mit ihrer Ansiedlung aber unzufriedene französische Ackerbauern; aber auch Pfälzer, d.h. von der Herkunft her überwiegend Wallonen. Sie gesellten sich zu knapp 5.000 weiteren reformierten Neusiedlern aus der französischen und deutschen Schweiz, aus nassauischen Grafschaften östlich des Niederrheins und aus anderen Gebieten innerhalb und außerhalb des Reiches, die zumeist aus wirtschaftlich-sozialen Gründen kamen. Verwaltungstechnisch bildeten sie gemeinsam die Schweizer Kolonie.

Sie unterstand nicht der Amtsgewalt der Provinzialregierung, sondern hatte eine eigene Verwaltung. Ihr wurden geringere Abgaben, Befreiung von der Leibeigenschaft, freie Ausübung ihrer Religion und Errichtung reformierter Kirchen zugesagt und Prediger gestellt. 1711-1722 war ein Hugenotte „Schweizerinspektor“. Der Hauptstrom der Kolonisten kam 1712 an. Sie wurden auf 68 Dörfer im Umkreis von etwa 15 km von Gumbinnen verteilt. … Bald nach der Ankunft der Kolonisten setzte ein reges Abwandern in andere Gebiete des nordöstlichen Ostpreußens ein, wo sie wesentlich an der Gründung weiterer RKG (reformierter Kirchgemeinden) beteiligt waren. Seit 1730 wurde die Eigenverwaltung der Kolonie stark eingeschränkt. … Heute ist ein großer Teil der Dörfer der damaligen Schweizer Kolonie ausgelöscht, bei anderen sind nur noch wenige Gebäude vorhanden.
Das Dorf Judschen, 10 km westlich von Gumbinnen, erhielt 1927 als Zentrum Französisch-Reformierter ein eigenes Kirchgebäude (um 1985 abgerissen).

Literatur:
Machholz, Ernst  – Reformierte in Masuren, Lötzen 1907
Ders. – Materialien zur Geschichte der Reformierten in Altpreußen und im Ermlande. 300 Jahre preußischer Kirchengeschichte, Lötzen 1912
Schütz, Fritz – Französische Familiennamen in Ostpreußen aus der Zeit der Schweizerkolonie, ihre Herkunft, Schreibweise, Änderung. Gumbinnen 1933“

(http://books.google.de/books?id=sjPXy5b7g24C&pg=PA105&lpg=PA105&dq=schweizer+kolonie+gumbinnen&source=bl&ots=riMwf-lqc3&sig=NXD4IEV64SwHT4fCkQ5DEJM6cks&hl=de&sa=X&ei=b9A6VPa6OYrMyAOmloLwCw&ved=0CDAQ6AEwAg#v=onepage&q=schweizer%20kolonie%20gumbinnen&f=false)

Und schließlich finden sich auf einer privaten Internetseite (http://www.gossing-family.de/page2.html) auch noch die folgenden Informationen über die Schweizerkolonie:

Das Leben der Schweizer in Ostpreußen


Es setzte bald eine Fluktuation ein, ja es gab auch Abwanderungen nach Litauen, Polen oder gar Rückwanderungen in die Schweiz.
Auffällig war, dass die eingewanderten Familien fast nur untereinander heirateten, wie die Taufregister aus Judtschen bezeugen. So sind in der Zeit von 1714 bis 1727 von 180 Trauungen 150 der Ehepartner beide aus der selben landsmanschaftlichen Gruppen. Von den drei reformierten Gemeinden Insterburg, Judtschen und Gumbinnen betrug die zahlenmäßige Stärke der „französischen Kolonie“ 1781 Personen, im Jahre 1745 nur für Gumbinnen und Judtschen noch 1019 Personen. Im Jahr 1736 stammten in den „Listen der französ. Kolonie in Litauen“ (LFL) von 431 erfaßten Familien, 28% aus dem Kanton Neuchâtel, 35% aus dem Prévoté Moutier-Grandval, 11% aus der Seigneurie d’Erguel, 5% aus anderen Teilen der Schweiz und 20% waren Rèfugiés (Pfälzer, Uckermärker, Rysselaers, Waldenser)

Verbindung zur alten Heimat
Die Verbindungen der Schweizer in Ostpreußen zu ihrer Heimat sind nie ganz abgerissen. So sind etliche Reisen, siehe auch die von Abraham Gossin u. a. 1711/12, bekannt. Auch in schriftlicher Form wurde die Verbindung gehalten. So sind viele der Eintragungen in den Kirchenbüchern z. B. von Grandval, die der Pastor Jean-Philippe Gobat zusammengetragen hat, aus Ostpreußen stammende Informationen über Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle.
Darüberhinaus war ein sehr wichtiger Grund das Schweizer Heimatrecht. Danach ist jeder Schweizer in erster Linie Bürger seiner Heimatgemeinde und danach seines Kantons und der Eidgenossenschaft. Dieses Heimatrecht blieb ihm erhalten, auch wenn er die Schweiz verließ. Auch seine in der Fremde geborenen Kinder hatten dieses Recht inne, wenn dies der Heimatgemeinde gemeldet und sie dort registriert wurden. Manche sind auch wegen anderer Gründe wie Erbangelegenheiten, Beurkundungen oder sonstiger Art wegen dort gewesen. Aber auch Rückwanderungen hat es gegeben, so dass jüngere, bereits in Ostpreußen geborene Schweizer zurückgekehrt sind und ihre Eltern und Geschwister dort ließen. Aber auch Ältere, nach etlichen Jahren in Ostpreußen, sind aus Gründen der Unzufriedenheit mit den Umständen wieder in die Schweiz zurückgekehrt.
Die Gründe für die Auswanderungen im 17. und 18.Jahrhundert waren die noch weit ins 19. Jahrhundert hineinreichenden schlechten Lebensbedingungen der Landbevölkerung. Diese wurden im Wesentlichen durch einen Mangel bzw. ungünstige Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und durch eine zunehmende Überbevölkerung verursacht. Daher handelt es sich bei den Auswanderern dieser Zeit meist um Personen der ärmeren Schichten wie Heimarbeiter, Tagelöhner oder Kleinbauern. Auch die Realteilung von Höfen, innere und größere wirtschaftliche Auseinandersetzungen wie Missernten oder Viehsterben waren Ursachen, wie auch nichtschweizerische Krisen oder Kriege. So wanderten Mitte des 17. Jahrhunderts über 4000 Züricher in die vom Dreißigjährigen Krieg entvölkerten Gebiete im Südwesten des heutigen Deutschland. Ab dem 18. Jahrhundert verschlechterte sich die sozial-wirtschaftliche Lage auch in der Schweiz durch steigende Bevölkerungszahlen, Realteilung, geringe Zunahme der landwirtschaftlichen Erträge und Verharren in alten gewerblichen Strukturen. Die erste Schweizer Kolonie im 17. Jahrhundert an der Wolga wurde unter Katharina II. in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch eine neue Auswanderungswelle von Schweizern vergrößert. Im 18. Jahrhundert lockten die großen Weiten Nordamerikas. Durch bessere Reisewege dorthin steigerte sich der Anteil auf die Hälfte aller schweizerischen Auswanderer. Dem folgten im Beginn des 19. Jahrhunderts erste Ausreisen nach Südamerika.
Es gab schon vor 1710 Auswanderungen nach Brandenburg-Preußen. Während der Regierung von Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (der Große Kurfürst) warb dieser Kolonisten zur Wiederbesiedlung der wüst liegenden Stellen in der Mark an, weitere Schweizer aus Bern zur Kultivierung des Golmer Bruchs bei Potsdam. Dies wiederholte sein Sohn Friedrich III. (später König Friedrich I. in Preußen) mehrfach, um fähige Bauern oder Handwerker ins Land zu bekommen. Aber auch Soldaten der Schweiz erbat der Kurfürst 1691 aus den evangelischen Kantonen. Diese sollten seine „Schweizer Garde“ sein. Das wurde seitens der Schweiz genehmigt. Diese königliche Leibgarde bestand bis zu seinem Tod 1713.
Das Hauptaugenmerk war aber die Anwerbung von Bauern. Diese verlief nicht kontinuierlich, sondern in Wellenbewegungen. Wenn immer der Strom der Einwanderer nachließ, setzte die Werbung durch so genannte „Patente“ ein. Eine Masseneinwanderung von Schweizern nach Preußen im Jahr 1712 setzte nach einem Patent vom September 1711 ein. Auch unter dessen Sohn, Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) fand weiterhin die Anwerbung der Schweizer statt.“

Weiterhin führt diese Internetseite auch noch ein vielsagendes Zitat des „Kolonistenvaters“, des Grafen v. Dohna an. Er sah
„…die Schweitzerische Nation, alß die Eintzige, die einen Überfluß an Volck hat, und die sich nicht zu opponieren pfleget, wann man Ihre Einwohner an sich zu ziehen suchet…“. (A .von  Dohna, Schlobitten, 5.4.1713).
Angesichts dieser Berichte über die häufigen Reisen zwischen Ostpreußen und der französischen Schweiz in beiden Richtungen lässt sich möglicherweise auch unser „Christian Clerc, der nach Preußen gehet“, wie es 1719 in Stolp, Pommern notiert wurde, besser einordnen. Er könnte zu den anderen Clercs in Matzutkehmen, zu David und Jacob Clerc gehört haben. Vielleicht ist er damals von der Schweiz aus aufgebrochen, um sich seinen Verwandten in Ostpreußen anzuschließen. Oder er hatte bereits zu den Einwanderern nach Ostpreußen um 1712 gehört und stattete der Schweiz 1919 nur einen kurzen Besuch ab, von dem er über Stolp in Pommern zurückkehrte. Vielleicht hatte er Erbangelegenheiten zu regeln oder sonstige Behördengänge in der alten Heimat vorzunehmen.

c) Die Clercs (Clairs) in Matzutkehmen, Judtschen und Gumbinnen

Die von Fritz Schütz vorgenommene und für uns bedeutsame namentliche Gleichsetzung von „Clerc“ und „Clair“ findet ihre Bestätigung auch im Namensverzeichnis des Heiratsregisters von Judtschen auf der einschlägigen Internetseite:

– Clerc (Clair) B 29, S. 7 li., 1718 Nr. 57
– Clerc (Clair) B 29, S. 14 li., 1724 Nr. 129

(http://www.judtschen.de/Heiratsregister%201714%20-%201820.pdf)

Wir haben es hier offensichtlich mit der von Dierk Loyal erwähnten Heirat des „Stammvaters“ David Clerc 1718 sowie mit der Wiederverheiratung seiner Wittwe 1724 jeweils in Judtschen zu tun.

Bei Dierk Loyal hieß es:

„Stammvater der Familie Clerc war David Clerc, der aus St. Imier stammte. Er wanderte 1712 ein und siedelte sich in Matzutkehmen an. Er heiratet in Judtschen 1718. Bereits 1724 heiratet die Witwe erneut. Kinder sind leider nicht bekannt. Dann gab es noch einen Jacob Clerc, der ebenfalls in Matzutkehmen lebte. Kinder sind ebenfalls nicht bekannt. Ich vermute, dass bereits in dieser frühen Zeit die Familienmitglieder aus dem Kreis Gumbinnen abwanderten. Zumindest war Jacob Losgänger und besaß daher kein eigenes Land.“

Noch konkreter wird es im Familienbericht der „Familiendatenbank NLF“ (http://www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=NLF&lang=de&modus=&ID=I323945&nachname=GANGUIN)

Dort finden wir u.a.:
David Clerc
– Familien: 1. Ehefrau: Maguerite Guiot (Keine Kinder gefunden!), 2. Ehefrau: Barbe Morel (Keine Kinder gefunden!)
– Eltern: —
– Geschwister: —
Quellen: N 0303, Holger Bremer: Familie Bremer und andere

Laut der Namensliste von Fritz Schütz kam Davids erste Frau Maguerite Guiot aus Boudevillier, Neuchatel, und Davids zweite Frau Barbe Morel im Jahr 1712 aus Corcelles, Neuchatel oder aus Cormondreche, Neuchatel.

Aus dem Familienbericht der „Familiendatenbank NLF“ ergibt sich außerdem, dass Davids erste Frau Maguerite Guiot (aus Boudevillier, Neuchatel) vor ihrer Ehe mit David Clerc bereits mit einem – später verstorbenen – Joseph Vaucher verheiratet war (leider fehlen hier Zeitangaben), der laut Namensliste von Fritz Schütz seinerseits aus Corcelles, Neuchatel stammte (so wie Davids zweite Frau Barbe Morel). Weiter ergibt sich, dass die Eltern eben jener Barbe Morel, Davids zweiter Frau, ein Samuel Morel und eine Anne Marie Pury (laut Fritz Schütz ebenfalls aus Cormondreche, Neuchatel) waren. Ferner hatte Barbe Morel noch eine Schwester: Salomé Morel. Und schließlich war auch Barbe Morel ein weiteres Mal verheiratet: mit einem Jonas Munier. Laut Fritz Schütz stammten die Muniers (später eingedeutscht zu Müller) aus vielen unterschiedlichen Schweizer Kantonen.

Aber es gibt noch einen weiteren Fund im Familienbericht der „Familiendatenbank NLF“:

Magdeleine Clerc
– verheiratet mit Jean Ganguin
– Kinder: Jacob Ganguin, Abraham Ganguin, Marie Magdeleine Ganguin, Jean Ganguin (1722-1786), David Ganguin (1728-1788)
Quellen: N 0303, Holger Bremer: Familie Bremer und andere

Und über einen der Söhne, nämlich Jean Ganguin d.J., gibt es aus selbiger Quelle weitere Informationen: Er lebte vom 29.11.1722 – 1786, war 1747 wohnhaft in Matzutkehmen, zwischen 1749 und 1753 in Gumbinnen. Er war verheiratet mit einer Catherine Perrelet (geb. 9.6.1732), die Ehe wurde am 5.10.1747 in Gumbinnen geschlossen, da war die Braut übrigens gerade erst 15 Jahre alt! Kinder aus dieser Verbindung sind Abraham Ganguin (geb. 1749) und Marguerite Ganguin (geb. 1750). Laut der Namensliste von Fritz Schütz kommen die Ganguins aus Corgemont, Distr. de Cortelary, Schweiz, aus Escheret, Distr. de Moutier, Schweiz, und aus Chaidon, Princ. De Porrentruy, Schweiz.

Insbesondere aufgrund der Übereinstimmung der Wohnorte des jüngeren Jean Ganguin und des David Clerc, jeweils Matzutkehmen, lässt sich schlussfolgern, dass die Mutter des jüngeren und Ehefrau des älteren Jean Ganguin, Magdeleine Clerc, eine Verwandte des David Clerc gewesen sein dürfte, womöglich seine Schwester. Auch aufgrund der Namen der Kinder des Jean Ganguin und der Magdeleine Clerc, nämlich Jacob, Abraham, Marie Magdeleine, Jean und David, lassen sich Vermutungen anstellen. Wie schon vielfach erwähnt war es seinerzeit sehr verbreitet, die Kinder entweder direkt nach den Eltern oder aber nach Onkeln oder Tanten zu benennen. Da es, wie wir wissen, auch einen Jacob Clerc in Matzutkehmen gab, könnte dieser demnach ein Onkel der Kinder und ein Bruder der Mutter gewesen sein, gleiches gilt für David Clerc; kurz: David Clerc, Jacob Clerc und Magdeleine Clerc könnten Geschwister gewesen sein. Und es könnte womöglich auch noch weitere Geschwister namens Abraham und Marie gegeben haben, sofern diese nicht Geschwister auf der väterlichen Seite oder sonstige Verwandte des älteren Jean Ganguin gewesen sind.

Nur am Rande sei bemerkt, dass zumindest der junge Jean Ganguin, immerhin der Sohn der Magdeleine Clerc und vermutlich ein Neffe des David und Jacob Clerc, nachweislich zu eben jener Zeit im Dorf Judtschen lebte (1747/48), in welcher der junge Philosoph Immanuel Kant im Alter von 23-24 Jahren dort als Hauslehrer des Pfarrers ansässig war. Sie werden sich mit Sicherheit gekannt haben, zumal sie vom Alter her nicht weit auseinander lagen: Jean Ganguin d.J. war Jahrgang 1722, Immanuel Kant war Jahrgang 1724. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass damals noch weitere Clercs/Clairs die persönliche Bekanntschaft des großen Philosophen gemacht haben.

(P.S. Der letzte kleine Absatz ist leider nicht ganz richtig, fällt mir beim nochmaligen Korrekturlesen auf. Hier war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Der junge Jean Ganguin, Sohn der Magdeleine Clerc, lebte zu dieser Zeit nicht in Judtschen, sondern im ca. 15 km östlich gelegenen Gumbinnen, siehe oben. Ob er oder andere Clercs dem jungen Immanuel Kant seinerzeit begegnet sind, ist fraglich, wenn auch nicht völlig auszuschließen.)

Doch bringen uns diese Erkenntnisse leider noch nicht entscheidend weiter. Wichtig wäre es jetzt, eine Verbindung zu den Ludwigswalder Claers zu finden. Offensichtlich haben die Familien aus der französischen Schweiz in der Schweizerkolonie zunächst fast ausschließlich untereinander geheiratet. Nun wäre es natürlich interessant, ob sich die teilweise französisch klingenden Namen der Ehefrauen der Ludwigswalder Claers auch in der Schweizerkolonie finden lassen: Wir haben hier insbesondere die Damen Wilhelmine Henriette Warnien (1807-1871, Ehefrau des Oberförsters Johann Wilhelm Claer) und Julia Ruollin (1752 Ehefrau des Soldaten Gottfried Klair). Doch lassen sich beide Namen nicht in der Namensliste der Schweizerkolonie von Fritz Schütz finden.

d) Herkunftsort St. Imier

Saint_ImierDer kleine Schweizer Ort Saint-Imier (dt. Sankt Immer) im Berner Land, von dem aus die Clercs in die ostpreußische Schweizerkolonie eingewandert sind, ist heute laut Wikipedia „mit 4949 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2013) die zweitgrößte Gemeinde des Berner Juras. Von den Bewohnern sind heute 84.2 % französischsprachig, 6.6 % deutschsprachig und 3.8 % italienischsprachig (Stand 2000). Die Bevölkerungszahl von Saint-Imier erreichte bereits um 1890 mit rund 7600 Einwohnern ihren Höchststand.
Von 1797 bis 1815 gehörte die Gemeinde zu Frankreich und war anfangs Teil des Département du Mont-Terrible, das 1800 mit dem Département Haut-Rhin verbunden wurde. Durch den Entscheid des Wiener Kongresses kam Saint-Imier 1815 an den Kanton Bern, der es dem Bezirk Courtelary zuteilte.

Saint-Imier_01_10

 

 

 

 

 

3. Die Claers in Thüringen bzw. Mitteldeutschland

Wenden wir uns nun einem anderen Bereich in unserem Puzzle zu, den Claers in Thüringen bzw. Mitteldeutschland. Hier war der letzte Stand, dass ich in der Online-Datenbank Mundia auf einen Chausseewächter Friedrich Claer in Frienstedt (Vorort von Erfurt), geb. um 1800, mit dem Sohn Friedrich Wilhelm Heinrich Claer (geb. 1825) gestoßen war, weiterhin im Bürgerbuch Erfurt auf einen Fuhrmann Christian Friedrich Claer, geb. 1802 in Siersleben, und drei Damen namens Claer sowie außerdem auf einen Förster Friedrich Claer in Krakendorf/Thüringen (nahe Weimar). Zwischenzeitlich hatte ich geglaubt, dass „unser“ Friedrich Claer (geb. 1799 in Ludwigswalde) sich vorübergehend in Thüringen aufgehalten habe, doch verwarf ich diesen Gedanken angesichts der großen Entfernungen letztendlich doch wieder. Dennoch blieb angesichts der auffälligen namentlichen Parallelen zwischen „unseren“ ostpreußischen und den Thüringer Claers der Verdacht auf eine Verbindung weiterhin bestehen.

Vor knapp einem Jahr kontaktierte ich Frau Kerstin W., welche die Daten des Frienstedter Chausseewächters Friedrich Claer in die Mundia-Datenbank gestellt hatte. Kerstin W. erwies sich als dessen direkte Nachkommin und war inzwischen mit ihren Forschungen schon deutlich weiter gekommen.

a) Stand der Recherche:

– Eleonore Marie Claer   x  21.05.1861   Erfurt  (Kirchengemeinde?)
– Friedrich Wilhelm Heinrich Claer, Sattlermeisetr u. Bg. in Erfurt
x   23.07.1825   Erfurt  (Kirchengemeinde?)
+     vor 1882  (Erfurt)
oo   um 1850- 80 (Erfurt) Barbara Rosine Mohnhaupt
(sie  x  16.02.1826  Erfurt)
– Christoph Friedrich Claer, Fuhrmann in Erfurt, Bg. ebda.
x   16.11.1802   Siersleben (b. Hettstedt)  gest.  20.11.  ebda.
+               (Erfurt)
oo  um 1822/24   (Erfurt)    Anna Maria Ruge  (sie x  1.01.1799  Erfurt)
– Johann Friedrich Claer
x
+
oo 1802     (Siersleben)   Sophie Charlotte Frantz (unsicher!)

1802   Feldscher in der preuß. Armee (1802 in Siersleben/ Gft. Mansfeld/ Preußen)

Daraus ergibt sich: Der Frienstedter Chausseewächter Friedrich Claer aus dem Mundia-Eintrag ist identisch sowohl mit dem Fuhrmann Christian Friedrich Claer aus dem Erfurter Bürgerbuch (Christian statt Christoph war wohl ein Schreibfehler) als auch mit dem Christoph Friedrich Claer (Klär) aus dem Sierslebener Kirchenbuch. Das heißt also: (Christoph) Friedrich Claer wurde am 16.11.1802 in Siersleben als Sohn des Feldschers (Militärarztes) Johann Friedrich Claer geboren, war in seinen jungen Jahren zunächst Chausseewächter in Frienstedt (Erfurt), hat als solcher in Erfurt eine Familie gegründet und war später Fuhrunternehmer mit Sitz in Erfurt. Als solcher taucht er u.a. auf in der Allgemeinen Enzyklopädie der Kaufleute und Fabrikanten so wie der Geschäftsleute überhaupt, 3. Aufl. Leipzig 1838 http://books.google.de/books?id=XIBQAAAAYAAJ&pg=PA167&lpg=PA167&dq=fuhrmann+f.+claer+erfurt&source=bl&ots=FyHVnl-cng&sig=8Pr19a0B0L8yj4sGhAvnxN-grnM&hl=de&sa=X&ei=Eps_VMfPKsGBywOkjILgCw&ved=0CCUQ6AEwAA#v=onepage&q=fuhrmann%20f.%20claer%20erfurt&f=false .

Hierzu passt auch, dass im Erfurter Bürgerbuch von 1882 eine Christine Claer, geb. Scherlitz als Ökonomenwitwe ausgewiesen wurde.

Im Sommer 2013 schrieb ich:

„Ferner ist zu erwähnen, dass sich im Adressbuch von Erfurt (etwa 25 km entfernt vom besagten Krakendorf) aus dem Jahr 1882 der Eintrag findet:
– Claer Dorothea Margarethe geb. Fischer, Wittwe, Weißfrauengasse 1
– Rosine geb. Mohnhaupt, Wwe., Schmidtstädterstraße 50
– Christine geb. Scherlitz, verw. Oekonom, Fleischgasse 9
Also gleich drei verwitwete Damen mit dem Namen Claer…“

Ein Ökonom war damals nicht nur ein Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch ein größerer Unternehmer wie z.B. ein überregional agierender Fuhrunternehmer. Es gibt Hinweise darauf, dass der Erfurter (Christoph) Friedrich Claer tatsächlich eine nicht unbedeutende Marktstellung innehatte. So heißt es in einem Bericht über das Transportwesen jener Zeit (Hervorhebung von mir):

„Auch das Eisenacher (Krause, Dänert, Bruder etc.), das Erfurter (Clär, Gebr. Müller, Helbig etc.) und das Ober-Weimarische Fuhrwerk (Reichard) kam weit herum.“

(http://de.wikisource.org/wiki/Bilder_von_der_deutschen_Landstra%C3%9Fe_1._Der_Fuhrmann_von_dazumal)

Christine Claer, geb. Scherlitz, war also offensichtlich die zweite Frau des Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer. (Barbara) Rosine war, wie wir wissen, die Ehefrau des Sattlers Friedrich Wilhelm Heinrich Claer, geb. 1825, des Sohnes des Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer. Die dritte Witwe Dorothea Margarethe Claer, geb. Fischer, können wir noch nicht zuordnen.

Ebenfalls fehlt weiterhin die Zuordnung des Krakendorfer Försters Friedrich Claer.

Dafür lassen sich weitere Spuren späterer Claers in Thüringen finden:
So entdeckte ich im Internet einen Koffer- und Lederwaren – Original Katalog, wohl aus 1930er Jahren Stammend, von Friedrich Claer, Koffer- und Lederwaren Erfurt.

Katalog Friedrich Claer Koffer und Lederwaren Erfurt ca. 1930

(http://www.zvab.com/buch-suchen/autor/friedrich-claer-koffer–und-lederwaren-erfurt-hrsg)

Weiterhin fand ich unter den „Pfarrstellen in Nordhausen“ einen Hans Hermann Gustav Klär (1920 – 1931).
(http://www.geschichtsportal-nordhausen.de/index.php?id=nordhaeuser-pfarrstellen)

 

b) Das Urteil des Genealogen

Glücklicherweise hat sich auch der mit Kerstin W. befreundete Genealoge Thomas E. den Sierslebener Geburtseintrag des Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer sowie den Traueintrag seiner Eltern angesehen. Ich erhielt von ihm direkt seine Einschätzung.

Den Geburtseintrag las er zunächst wie folgt:

„22. Xtoph (steht für Christoph) Friedrich  nat. d. 16. Nov. f…6 mat. baptd. 20. ej….darunter in Latein die Eltern Joh. Friedrich Claer (Clär?), Feldscher  und Sophie Charlotte geb. Froeßen – Froselen
Paten
Johann Gottfried Schmerberg Gastwirt
Johann Gottfried Wölfer,
Mst. Johann Friedrich Schötke , Müller und – Vorsteher in Heyfritz
Mstr. Johann Gottfried Schaach
Johann Martin Kohner Roßschmied
Fisiliers (Soldat)
Frau Juliane Schäfer .. „

Johann Friedrich Claer 1802 Siersleben P1510438
Und er fügte hinzu:

„Siersleben gehörte zur Gft. Mansfeld preuß. Anteils. Die Musterlisten der preuß. Armee sind seit 1945 leider Kriegsverlust. Bislang unbekannt ist, welches Regiment in Siersleben in Garnison lag. Da Erfurt ab 1815 zu Preußen gehörte (preuß. Prov. Sachsen) und auch vor 1807 bereits einmal preußisch besetzt wurde (1802- 1806) liegt es nahe, hier einen Zusammenhang für die Ortsveränderung Siersleben/ Erfurt zu sehen. Was noch zu beweisen sein wird. Insbesondere interessieren primär ergänzende Angaben und Informationen zur
Herkunft und Abstammung des genannten preuß. Feldschers Johann Friedrich Claer.“

Später korrigierte er seine Einschätzung aber teilweise:

„In dem Taufeintrag aus 1802 …wird der Vater Johann Friedrich Clär als Feldjäger und nicht etwa als Feldscher bezeichnet. Und bei dem Feldjäger sind wir nahe bei am Förster. Sich meist im Dienst als Jäger bei ortsansässigen Adelsfamilien befindlich versahen solche adligen (“hochherrschaftlichen”) Jäger i.d.R. zugleich den Dienst als Förster. Diese Konstellation begegnete mir oft. Es ist wie heute. Wer waren die großen Wald- und Grundstücksbesitzer? Adlige, reiche Stadtbürger (und in der Frühen Neuzeit Patrizier), der Landesherr, die Kirche. Die Dienstanstellungen erfolgten in aller Regel für drei Jahre (meist von Michaelis bis Michaelis) und wurden dann per Handschlag erneuert (damals galt noch “ein Mann ein Wort”) oder aber der Jäger/Förster verdingte sich neu, suchte eine neue Stellung. Insofern wiesen gerade die Träger dieses Sonderberufes eine für diese Zeit außergewöhnlich hohe Mobilität auf!“

Den Traueintrag las er wie folgt:

„Siersleben … Dom. XXI p. Tr. procl. et copul. so allhier d. 9. …
Sponsg. Jgs. Joh. Friedrich Klär, Feldjäger (Feldhüther?). H. (Herrn) Xian (Christian)
Friedrich Klärs, Hoch … (unleserl.) …. …
ehel. jüngster Sohn
Sponsa  Jf. Xarlotte Sophie Frantzin (?), H. Xtoff Got(t)lieb
Frantzens , Zoll- und Grenzwächters, ehel. älteste Tochter

Das Wort nach:  Hoch …    könnte im Zusammenhang  ‘Hochherrschaftlicher’ heißen, jedoch ist die zweite Silbe verwischt oder überschrieben.

Der nach diesem unleserl. Wort folgende Begriff (wohl Beruf oder Stand) könnte Jäger oder Förster heißen, jedoch ist eben das nicht herauslesbar.

Die evtl. Ortsbezeichnung (so es sich denn um eine solche handelt) ist meines Erachtens nicht Wettin. Werde mir den Eintrag aber in den nächsten Tagen noch einmal zu Gemüte führen.

Bislang habe ich noch nie ein solch schlechtes Schriftbild vom Anf. d. 19. Jh. vor mir gehabt.

Traueintrag

 

Christoph Friedrich Klär (Claer) wurde am 16.11.1802  geboren und am 20.11. getauft. Insofern liegt hier eine Notheirat infolge vorgerückter Schwangerschaft vor. Normalerweise wurde in derlei Fällen so verfahren, dass, da eine voreheliche Schwangerschaft vorlag, die Brautleute auswärts (meist in einer benachbarten Kirchengemeinde) heirateten. Und darüber hinaus war für die Trauung nicht der Ortspfarrer, sondern das zuständige Konsistorium für die Amtshandlung der Trauung verantwortlich.

Da die Amtskirche über alle Lebensfragen wachte und die Oberaufsicht inne hatte, wurde auch streng das Ehereglement überwacht.

In allen Fällen vorehelicher Schwangerschaften, bei Verwandtenheiraten sowie bei gemischtkonfessionellen Trauungen (etwa kath. Braut und ev. Bräutigam) war die Trauung vor dem zuständigem Konsistorium zwingend vorgeschrieben. D.h. der Ortspfarrer hatte seiner vorgesetzten Kirchenbehörde (dem Sup. bzw. Oberpfarrer) den Vorgang zu melden und anzuzeigen. Er selbst durfte die Amtshandlung/ die Trauung nicht vornehmen. Diese Konsisorialtrauungen sind in eigenen Aktenstücken vermerkt und erfaßt. Parallel erfolgte i.d.R. jedoch der Eintrag auch im Trauregister der Heimatgemeinde(n) der Brautleute.

Diese eigenständigen Konsistorialregister/ Konsistorial- Trauregister sind oft erhalten; i.d.R. sind sie aber nicht in kirchl. Archiven als vielmehr in staatl. Archiven überliefert (in den Überlieferungsbeständen der jeweiligen polit. Terr.; dort meist unter “Kirchensachen” oder “Konsistorialbestand”.
Die Bezeichnungen der Akten wechseln und sind durchaus nicht einheitlich. In manchen Fällen findet man die Konsistorialakten jedoch auch in überlieferten kirchl. Archiven. Für Erfurt und das Erfurter Gebiet beispielsweise liegen die Bestände des Konsistoriums meines Wissens im Archiv des Ev. Ministeriums, nicht etwa im Stadtarchiv. Im Einzelfall ist das stets zu überprüfen. In der Dresdner Konsistorialkartei findest Du aber keine Konsistorialtrauungen.

Im vorliegenden Fall ist die besondere Zeit zu berücksichtigen. Wir befinden uns mitten in der napoleon. Epoche. Napoleon nahm umfangreiche und weitgehende terr. Veränderungen vor. Stichwort Rheinbund (das “Dritte Deutschland”), Annexion der linksrhein. Reichsgebiete, 1803  Reichsdeputationshauptschluß, 1806  Auflösung des Heiligen Röm. Reichs Deutscher Nation, 1806  Bildung des Königreichs Sachsen, 1807  Kgr. Westphalen usw. usf.), Sachsen wurde 1806 Königreich, verlor jedoch im Westen erhebliche Gebiete an das napoleon. Kgr. Westphalen (Hauptstadt: Cassel !) usw. usf. In dieser Zeit des polit. Durcheinanders und Umbruchs wurde in der Tendenz auch der bis dahin überragende Einfluß der Amtskirche zielgerichtet zurück gedrängt, die Kirche quasi marginalisiert.

Soviel noch an zusätzlichen Gedanken zu zeitlichen Konstellation. Ob Siersleben hart an der preußisch- sächs. Grenze (Grenze Kgr. Preußen / Kurfürstentum Sachsen) (eigtl. handelte es sich um eine Staatsgrenze zweier selbständiger deutscher Territorialstaaten quer durch die Alt- Gft. Mansfeld) gelegen tatsächlich Stationierungsort bzw. Garnison preuß. Truppen war, wage ich zu bezweifeln.
Aus militärtaktischen Gründen disloziierten die polit. Terr. der damaligen Zeit ihre Truppenkontingente in der Tendenz eher nicht an den Außengrenzen.“

In späteren Mails ergänzte er:

„Den Traueintrag 1802 habe ich mir nun noch einmal angesehen (wie gesagt, mehrmaliges Wiederlesen hilft in derlei Fällen meistens weiter).

Das fragliche Wort nach Hoch … heißt wahrscheinlich Storker. Storker war ein (Augen-)Arzt oder eben ein handwerklich ausgebildeter (niederer) Arzt.
Bleibt noch der Ort Wittiz u klären. Ein Wittiz gab es im Böhmischen. Dann hätte der KB- Scheiber (oder Pfarrer) jedoch wahrscheinlich “in Böhmen” oder “aus Böhmen” vermerkt.
Das ist also noch zu klären. Jetzt macht aber auch wieder der “Feldscher” Sinn.
Möglicherweise heißt es statt Feldjäger also doch: Feldscher.

Zwar las ich auch Wittiz. Aber sicher bin ich nicht. Dieses Wittiz kann (theoretisch) auch nur ein adliges Gut, eine Waldförsterei oder ein inzwischen eingeganges Vorwerk gewesen sein. Im Gesamtzusammenhang würde das sogar Sinn machen. In der Vergangenheit habe ich bereits einige solcher früher einzeln in der Landschaft stehende landadlige Güter identifizieren können, die i.d.R. in keinem, auch keinen historischen, Ortsverzeichnissen auftauchen. Dies nur als zusätzlicher Hinweis.

Der Storger wird eigtl. so geschrieben. Falls meine Vermutung zutrifft, wäre die Schreibweise
Storker aber mit Dialektverfälschung erklärbar. Eventuell. Und es handelte sich auch nicht um einen Augenarzt sondern ein Storger war ein Zahnarzt im engeren Sinn und Wundarzt im
allgemeinen damaligen Sprachgebrauch (mit tendenzieller Negativbewertung; ein Storger also ein ziemlich lausiger Handwerksarzt. Das Hoch …  könnte i.G. dazu aber auch bedeuten Hochgeehrter oder Hochgebildeter o.ä.
Ggf. ist hier Witznitz (bei Borna) gemeint.
Das wäre zu prüfen. Witznitz war ein Dorf mit patrimonialer Grundherrschaft im Amt Borna.“

Das letzte, was ich von Kerstin W. zu diesen Fragen hörte, war, dass andere Sachverständige überwiegend „Feldjäger“ (statt Feldscher) lasen und der Herkunftsort möglicherweise ein Wittiz bei Kamenz in Ostsachsen sei. (Das hielt auch der Genealoge Thomas E. für denkbar.) Dieses liegt wiederum in unmittelbarer Nähe zu Schlesien, nicht weit von Mellendorf, Kreis Sagan, das früher auch als Möllendorf bezeichnet wurde.

An dieser Stelle ist an den Jäger Clair von Möllendorf (geb. 1759) zu erinnern, der auf spektakuläre Weise (siehe meine Aufzeichnungen von 2013) 61-jährig im Jahre 1820 ein Wildschwein im direkten Kampf bezwang.

Der Genealoge Thomas E. äußerte sich zu Mellendorf wie folgt:

„Mellendorf gehörte bis 1932 (1932:  preuß. Kreisreform) zum Krs. Sagan und in diesem zum Bez. Priebus (heute Przewoz). Der Kreis Sagan wurde 1932 aufgelöst, der Saganer Westkreis
mit Priebuser Bezirk fiel an den Landkreis Rothenburg/ OL (OL steht für oberlausitz:  1815 fiel der nördliche Teil der bis dahin sächs. Oberlausitz an Preußen!), der Restkreis Sagan bildete mit anderen Gebietsbestandteilen den nunmehrgen Landkreis Sprottau (jedoch mit Sagan als Kreisstadt!).

Mellendorf  (früher auch: Möllendorf) gliederte sich in der Tat in Ober- und Unter-.
Ein anderes Möllendorf kann ich nicht nachweisen. Sagan war eines der Mediat- Füstentümer (seit 1742 zu Preußen); “Schlesien” (bis 1742 österr. bzw. habsburgisch) an sich existierte so nicht; erst Preußen unterwarf die einzelenen Herzog- und Fürstentümer einer modernen Landesverwaltung; rechtlich bestanden diese Einzelterr. jedoch bis 1918 weiter.“

c) Verbindung nach Ostpreußen?

Bleibt noch die (für uns entscheidende) Frage einer möglichen Verbindung zu “unseren” ostpreußischen Claers. Natürlich dachte ich beim Vater des 1802 nach Notheirat in Siersleben geborenen Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer, dem Feldjäger oder Feldscher Johann Friedrich Claer, sogleich an „unseren“ namensgleichen ostpreußischen Unterförster Johann Friedrich Klaer aus Ludwigswalde, der am 19.2.1797 Vater eines (weiteren) Friedrich Wilhelm Klaer geworden ist (welcher bereits nach wenigen Tagen verstarb). Vermutlich war Johann Friedrich der Bruder meines Ururururgroßvaters Friedrich Wilhelm Clair. Johann Friedrich Klaer hatte wahrscheinlich (wenn es nicht doch sein mutmaßlicher Bruder Friedrich Wilhelm war) am 25.9.1796, also wenige Monate vor der Geburt des jungen Friedrich Wilhelm, die Försterwitwe Susanna Dorothea Kopfhammer geb. Liedmann geheiratet (und möglicherweise erst dadurch die Försterstelle bekommen). Nach 1797 ist Johann Friedrich Klaer in den Ludwigswalder Kirchenbüchern nicht mehr in Erscheinung getreten.
Nun ließe sich spekulieren, ob Johann Friedrich nach einigen Jahren aus irgendwelchen Gründen Ostpreußen verlassen haben könnte. Sein Sohn war 1797 ohnehin kurz nach der Geburt verstorben… Vielleicht ist er mit seiner illegalen Geliebten Sophie Franz „durchgebrannt“, bis er nach langer Flucht dort, wo ihn keiner kannte, schließlich war er ein erfahrener Jäger, eine neue Stellung als Feldjäger fand, woraufhin es 1802 zur Nothochzeit in Siersleben kam. Allerdings hätte sein Herkunftsort Wittiz dann in Ostpreußen gelegen haben müssen, worauf es keine Hinweise gibt.

Der Genealoge Thomas E. beurteilte meine Spekulation über eine bestehende Verbindung zwischen den mitteldeutschen und ostpreußischen Claers allerdings skeptisch:

„Mit einer vermuteten Herkunft der mitteldeutschen Claer/ Clär/ Klär aus Ostpreußen wäre ich vorsichtig. Das ist rel. unwahrscheinlich. Die preuß. Armee rekrutierte ihre Soldaten (die Mannschaften) aus den einzelnen Militärkantonen zugewiesenen Militärkantonen. Die Identifikation der Militärangehörigen mit ihrer Heimatregion war sehr hoch und ein Ostpreuße wäre wohl kaum ins preußische Mansfeld gegangen.“

Gleichwohl brachte ich noch einmal meine Argumente in Stellung:

„Es stimmt natürlich, die große Entfernung ist ein starkes Argument gegen die Annahme einer solchen Verbindung. Aber wir haben auch mehrere (für sich jeweils schwächere) Argumente dafür:

1. den identischen Namen
2. den fast identischen Beruf – Ich habe bisher bei allen meinen Recherchen Jäger/Förster Claer ausschließlich in Ostpreußen, Schlesien (mit Verbindung nach Ostpreußen: die Vorfahren von Andreas Z. sind von Ostpreußen nach Schlesien abgewandert) und nur zweimal in Mitteldeutschland gefunden: nämlich zum einen unseren Feldjäger mit Hochzeit in Siersleben und zum anderen den ominösen “Friedrich Clair, Unterförster zu Krakendorf” im heutigen Landkreis Weimar. Es könnte der Sierslebener Johann Friedrich gewesen sein, der später womöglich nach Krakendorf weitergezogen ist.
3. die Namensgebungen seiner Nachkommen: sein Sohn Christoph Friedrich (im Erfurter Bürgerbuch später eingetragen als Christian Friedrich!, sein Enkel Friedrich Wilhelm – Namen, die auch die ostpreußischen Claers trugen. Aber diese Namen trugen damals überall sehr viele…
4. der Vater Christian Friedrich. Auch unter den ostpreußischen Förstern Claer könnte es noch einen älteren Christian Friedrich gegeben haben. (Unter dem Namen „unseres“ Christian Friedrich steht im Geburtseintrag 1799 das Wort Filius.)“

Also, vielleicht war er’s ja doch…

 

4. Die Claers in Geierswalde, Döhringen und Saalfeld

Zurück nach Ostpreußen. Einen überraschenden Fund machte ich, als ich auf die Seite des Vereins für Familienforschung in West- und Ostpreußen gelangte. (http://www.vffow-buchverkauf.de/onlinedb/datenbanken.php) Dort befinden sich mehrere Datenbanken, in denen ich auch eine ganze Reihe von Claers fand.

Zunächst wurde ich gleich vierfach fündig hinsichtlich der Claers von der Post:

Ernst Vogelsang    Personenkundliche Auszüge ostpreußischer Postpersonalien

Zeile Nr.    : 12274
Claer
Postsekretär in Königsberg
40jähr. Dienstjubiläum
Jubiläum

DVZ 27 / 5.7.1930     Originalabschrift anzeigen

 

Zeile Nr.    : 12691
Claer
Postsekretär in Königsberg
gestorben
gestorben

DVZ 5 / 4.2.1933     Originalabschrift anzeigen

 

Zeile Nr.    : 18667
Claer
Postassistent in Neidenburg
gestorben
gestorben

DVZ 24 / 14.6.1930     Originalabschrift anzeigen

 

Zeile Nr.    : 18720
Richard Claer
Postbetriebswart in Neidenburg
ausgezeichnet mit Treuedienst-Ehrenzeichen Gold
ausgezeichnet

DDP 45 / 9.11.1940     Originalabschrift anzeigen

Claer von der Post Nr. 1 und 2 ist also der  Postsekretär Claer in Königsberg, der am 12. Juli 1930 sein 40-jähriges Dienstjubiläum beging und am 4.2.1933 verstarb. Er muss der Ehemann der Königsberger Postsekretärswitwe Emma Claer sein, deren Adressbucheintrag aus dem Jahr 1935 (Lutherstraße 4) wir bereits früher im Internet entdeckt hatten. Wir vermuteten in ihm den älteren Bruder meines Urgroßvaters Georg Claer (1877-1930), des Neidenburger Briefträgers und Meldereiters in China beim Boxeraufstand um 1900. Bisher glaubten wir, der Name dieses älteren Bruders sei Franz d.J. gewesen, denn so steht es im Stammbaum, den mein Großvater Gerhard Claer angefertigt hat. Hierzu weiter unten gleich mehr.

Claer von der Post Nr. 3, der Postassistent in Neidenburg, ist zweifellos mein Urgroßvater Georg, der laut Stammbaum am 2.5. 1930 gestorben ist. Die Todesanzeige in den Post-Veröffentlichungen erfolgte dann offenbar etwas zeitversetzt am 14.6.1930.

Claer von der Post Nr. 3 ist mein Neidenburger Urgroßonkel Richard von der Post, ein weiterer Bruder meines Urgroßvaters Georg und der Dritte im Bunde der drei Claer-Brüder, die in Diensten der Post standen. Nun wissen wir immerhin, dass er als Postbetriebswart tätig war und 1940 mit dem Treuedienst-Ehrenzeichen Gold ausgezeichnet wurde.

Noch mehr Volltreffer warteten im Namensindex der Standesamtsregister des Kreises Allenstein.

Bernhard Ostrzinski
und viele fleißige Erfasser    Namensindex der Standesamtsregister des Archiv in Allenstein
Abschriften von Geburts-, Sterbe- und Heiratsurkunden

Claer     Bruno     Saalfeld, Stadt     (Zalewie)     ∗     1907 / 24     anzeigen
Claer     Emma Hedwig     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1903 / 7     anzeigen
Claer     Emma Hedwig Martha     Geierswalde     (Gierzwałd)     †     1903 / 15     anzeigen
Claer     Otto Albert     Döhringen     (Durag)     ∞     1899 / 7     anzeigen
Claer     Otto Georg Max     Geierswalde     (Gierzwałd)     †     1903 / 16     anzeigen
Claer     Otto Max Richard     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1903 / 6     anzeigen
Clär     Erich Otto Georg     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1901 / 3     anzeigen
Clär     Margarete Amanda     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1904 / 44

Beginnen wir chronologisch mit dem Heiratseintrag vom 15.6.1899 in Döhringen (Kreis Allenstein):

Döhringen, 15.6.1899: Landbriefträger Otto Albert Claer (geb. 13. November 1872  Usdan, Kreis Neidenburg, wohnhaft in Grieshonen, Kreis Allenstein, Sohn des früheren Schneidermeisters und jetzigen Landbriefträgers Franz Claer und seiner Ehefrau Henriette, geb. Stryjewski, wohnhaft zu Koschlau, Lagerhof, heiratet Emma Sakrzewski, geb. am 29.1.1881 in Groß-Groeben Dorf, ohne Beruf, wohnhaft in Groß-Groeben Dorf, Tochter des Albert August Sakrzewski und dessen Ehefrau Auguste, geb. Rauter, Groß-Groeben Dorf. Trauzeugen: Gastwirt Friedrich Marks, 53, Groß-Groeben Gut, Wirt Samuel Tilinski, 40.

Heiratsregister2

Das Ehepaar ließ sich offenbar später in Geierswalde (Kreis Allenstein) nieder, denn dort wurden vier Geburts- und zwei Todeseinträge seine Kinder betreffend vorgenommen:
– 1901  Geburt Erich Otto Georg Clär (geschrieben mit ä, die eigenhändige Unterschrift des Vaters Otto Albert lautete aber Claer mit ae)
– 1903 Geburt der Zwillinge Emma Hedwig Claer und Otto Max Richard Claer
– 1903 Tod der Emma Hedwig Martha Claer und des Otto Georg Max Claer. Auch wenn die Namen nicht vollständig übereinstimmen, handelt es sich doch offensichtlich um die gerade geborenen Zwillinge, da auf deren Geburtsdatum verwiesen wird.
– 1904: Geburt der Margarete Amanda Clär (wieder mit ä geschrieben, eigenhändige Unterschrift des Vaters Otto Albert wieder Claer mit ae)

Zwar wussten wir bislang noch nichts von einem Otto Albert Claer, doch muss es sich bei ihm um den älteren Bruder meines Urgroßvaters Georg handeln, der im Stammbaum als Franz Claer d.J. bezeichnet ist. Dafür sprechen alle Begleitumstände, insbesondere der Name seiner Frau Emma und die Namen seiner Kinder Erich und Margarete, die auch alle so im Stammbaum auftauchen. (Die als Säuglinge verstorbenen Zwillinge erscheinen dort natürlich nicht.) Hinzu kommt, dass „Moppel Claer“, der Sohn des Erich Claer, des Kaufmanns in Berlin, in seiner Autobiographie häufig seinen Großonkel Max Sakreschewski erwähnte, der ein Bruder seiner Oma Emma gewesen sei. Es passt also alles zusammen. Offensichtlich hat er als Landbriefträger in Döhringen und Geierswalde begonnen und später als Postsekretär in Königsberg Karriere gemacht. Meinem Großvater Gerhard muss demnach, obwohl er den Ruf hatte, immer sehr genau und pingelig zu sein, bei der Abfassung unseres Stammbaums ein Fehler unterlaufen sein. Statt Franz Claer d.J. muss es also dort heißen: Otto Albert Claer.

Außerdem wissen wir jetzt, dass mein Ururgroßvater Franz Claer, der erste Claer von der Post, nicht nur als Postschaffner, sondern auch als Landbriefträger tätig war und ursprünglich gelernter Schneidermeister war, bevor er zur Post wechselte.

Und schließlich gibt es noch den Geburtseintrag aus Saalfeld (Kreis Mohrung), 18.3.1907: Der Schornsteinfegergeselle Otto Franz Claer und seine Frau Marta Claer, geb. Krajewski, wohnhaft Genter Str. 61, bekommen den Sohn Bruno Claer.

Geburt Bruno2

Von diesen Claers haben wir auch noch nie etwas gehört. Sicherlich sind auch sie Verwandte, wobei es kurios anmutet, dass der Schornsteinfegergeselle in Saalfeld ebenfalls mit erstem Vornamen Otto heißt, genau wie der vermutlich ähnlich alte junge Landbriefträger in Döhringen und Geierswalde. Sollten ihre Eltern nichts voneinander gewusst haben, als sie ihren Kindern nahezu identische Vornamen gaben, obwohl sie doch eng miteinander verwandt sein mussten? Da es seinerzeit offensichtlich sehr in Mode war, die zweiten und dritten Vornamen der Kinder nach Onkeln und Tanten zu vergeben, dürfte mein Urgroßvater Franz Claer, der Postschaffner, Landbriefträger und frühere Schneidermeister, vermutlich der Onkel des Schornsteinfegergesellen Otto Franz gewesen sein. Daraus ergibt sich, dass Franz Claer (1841-1906) wohl noch mehr Brüder hatte als den uns bislang bekannten älteren Bruder Wilhelm Friedrich (geb. 1824 in Corjeiten), den Jäger, dessen Sohn übrigens Otto Wilhelm hieß, also auch wieder Otto. Wir kommen gleich noch auf ihn zurück.

 

 

5. Der Förster von Argenbruch

Jener älteste Sohn meines Urururgroßvaters, des königlich-preußischen Revierförsters (Christian) Friedrich Claer und meiner Urururgroßmutter Justine Knebe, der 1824 in Corjeiten geborene Wilhelm Friedrich Claer, setzte – anders als seine Brüder, insbesondere als mein Ururgroßvater Franz Claer, der sich wie gesagt als erster Claer bei der Post verdingte – die Försterdynastie der Familie in dritter Generation fort. Unserem entfernten Verwandten Andreas Z., der ein direkter Nachkomme des Wilhelm Friedrich ist, gelang es, noch nähere Informationen über dessen Wirken in Argenbruch nahe der Stadt Tilsit beschaffen.

Gemäß der Auskunft von der zuständigen Familienforscherin der Kreisgemeinschaft Niederungen tat Wilhelm Friedrich Claer (1824-1889) seinen Dienst in der Försterei Argenbruch. Argenbruch lag nicht weit von Argenthal und Ackmonienen entfernt. Die folgende Karte aus einem Schulatlas aus der Zeit vor 1938 enthält noch die alten Ortsnamen:

Dörfer an der Arge

Und weiter berichtet die Familienforscherin:
„Die Försterei Argenbruch gehörte zunächst zum Forstamt Schnecken, seit 1869 zum Forstamt Hohensprindt-Wilhelmsbruch. 1932 kam sie vom Forstamt Wilhelmsbruch wieder zurück zum Forstamt Schnecken. … Die älteste Angabe zur Försterei Argenbruch stammt von 1851, als dort ein Herr FLORIAN Dienst tat. Seit 1857 war der Förster CLAER für die Försterei Argenbruch/Forstamt Schnecken zuständig. 1869 war Förster CLAER immer noch in Argenbruch tätig, jetzt Forstamt Hohensprindt/Wilhelmsbruch. 1871 wurde er vom Förster ROHRMOSER abgelöst. So hat er wohl von 1857 bis 1871 in der Försterei Argenbruch gewirkt.
Leider fand ich nirgends einen Hinweis, ob es in Argenbruch überhaupt ein Forstgebäude gab; vielleicht wohnte er mit seiner Familie im nahegelegenen Argenthal, wenn dort der Sohn (Otto Wilhelm Claer im Jahre 1859; Hinzufügung von mir) geboren wurde. Ich habe auch keinerlei Foto eines Forstgebäudes entdecken können. Bilder des Forstamts Schnecken und des Forstamts Wilhelmsbruch gibt es natürlich. …
Argenthal und Ackmonienen gehörten im Gegensatz zur Försterei Argenbruch zum ev. Kirchspiel Groß Friedrichsdorf.“

Um das Jahr 1890 herum ist dieser Zweig der Claers nach Schlesien abgewandert. Und das sollte nicht die einzige Abwanderung von Claers aus Ostpreußen in jener Zeit gewesen sein.

6. Der rheinische Familienzweig

Zu meiner großen Überraschung erhielt ich vor einigen Monaten Post von einem Manfred Claer aus der Nähe von München. Er entstammt einer seit weit über hundert Jahren im Rheinland, dort insbesondere in Stolberg, ansässigen Familie Claer mit Wurzeln in Ostpreußen. (Ich hatte bisher angenommen, die Stolberger Linie, die mir bei meinen Recherchen im Internet schon häufiger begegnet ist, habe nichts mit den ostpreußischen Claers zu tun. Aber so kann man sich täuschen!)
Konkret lebte der Großvater des Manfred Claer (und seiner fünf Geschwister) namens Arnold Claer von 1900 bis 1956 in Stolberg/Rhld. und war der Sohn des Fuhrmanns und späteren Dienstknechts Franz Richard Claer (geb. 16.3.1872 in Geidlauken, Kreis Labiau), den es Ende des 19. Jh. auf einer seiner dienstlichen Fahrten ins Rheinland verschlug, wo er der Liebe wegen hängenblieb, zum Katholizismus konvertierte und eine Maria Josepha Münstermann (geb. 1877 in Langerwehe/Rhld.) ehelichte. Geidlauken im Kreis Labiau also – das Revier des gerade oben erwähnten Försters Wilhelm Friedrich Claer (1824-1899) in Argenbruch lag etwa 40 km von der Kreisstadt Labiau am Kurischen Haff entfernt.

Darüber hinaus findet sich in der Heiratsurkunde des Fuhrmanns Franz Richard Claer von 1897 noch der Zusatz: „Sohn des Müllers August Hermann Claer und dessen Ehefrau Henrietta Wilhelmina Mettschull, ersterer wohnhaft zu Wehloch, letztere verstorben und zuletzt wohnhaft in Geidlauken.“

Da kein Ort namens Wehloch nachweisbar ist, kann ein Schreibfehler der rheinischen Standesbeamten angenommen werden. Wahrscheinlich ist das ostpreußische Städtchen Wehlau gemeint, das uns ebenfalls gut bekannt ist, da mein Ururgroßvater Franz Claer von der Post 1841 in Eichenberg, Kreis Wehlau, geboren wurde.

Mir kam der Name August Hermann Claer gleich bekannt vor… Im Jahr 2013 (siehe: Ahnenforschung, Teil 5 auf dieser Internetseite) hatte ich geschrieben:

„Ich fand folgenden Eintrag in der „Kleine(n) Jäger/Försterdatei“ von
mitglied.multimania.de/kbbinder/kartei/foerster.xls‎:

Zufallsfunde von Jägern und Förster vor 1850 Stand Apr. 2013 Erstellt von kbbinder@gmx.de

Name Vorname Status   in Quelle Auftreten Verehelicht Bemerkung

Clair Friedrich Jä verml. Metgethen KB Juditten *1833 Knaebe Justine 20.1. Hermann Aug. geb.
Clair Friedrich Jä verml. Metgethen KB Juditten *1834 Pa bei Littmann oo Schwill

Ich würde es so verstehen, dass am 20.1.1833 ein Hermann August Clair als Sohn von Friedrich Clair, Jäger vermutlich in Metgethen, und Justine Knaebe geboren wurde. Außerdem fungierte Friedrich 1834 als Hochzeitspate des Paares Littmann/Schwill.“

Zwar ist die Namensreihenfolge hier andersherum – Hermann Aug. statt August Hermann –, aber ansonsten würde alles passen: Manfreds Ururgroßvater Hermann Aug. / August Hermann könnte demnach ein älterer Bruder meines Ururgroßvaters, des Postschaffners Franz Claer (1841-1906) gewesen sein. Unser – wenn es denn so wäre – gemeinsamer Urururgroßvater Christian Friedrich (genannt: Friedrich) Clair/Claer (geb. 1799 in Ludwigswalde) hatte wohl noch mehrere Kinder, so dass nicht alle Söhne Förster werden konnten… Auch würde es ins Bild passen, dass Manfreds Urgroßvater Franz Richard (der Fuhrmann) den Namen seines mutmaßlichen Onkels Franz (also meines Ururgroßvaters) trug.

Und dann brachte Manfred noch einen Aspekt ins Spiel, den ich inzwischen schon fast abgeschrieben hatte, das angebliche frühere „von“:

„Verblüfft war ich aber über die Aussage, dass es mal ein „von“ in der Familie gegeben haben soll, denn die selbe Aussage gibt es auch in unserer Familie und stammt wohl von Franz Richard Claer an meinen Großvater Arnold, dort ging es wohl um ein Rittergut.“

Und später konkretisierte er die Angabe wie folgt:

„Ja, die “von Claer “-Sache…..so wurde es mir von meinem Vater erzählt, der es wohl von seinem hatte. Ein Rittergut und zwei Söhne und einer ist gegangen. Da ja alle Claer nach meinem Grossvater in Ostpreussen waren, muss es wohl dort gewesen sein.“

Sollte es doch eine Verbindung zum Hauptmann von Gumbinnen, Wilhelm Theodor v. Clair, und dessen Vater, dem Ingenieurkapitän Gottlieb August de/le Clair gegeben haben?! Oder womöglich sogar zu den rheinischen de Claers?!

Noch kurz zur zweiten Angabe der oben angeführten Zufallsfunde: (Christian) Friedrich war Taufpate bei der Hochzeit Littmann/Schwill. Littmann könnte durchaus mit Liedmann identisch sein. Und Liedmann ist der Geburtsname der im 1. Kapitel dieses Textes oft erwähnten Susanna Dorothea, die zunächst mit dem Förster Kopfhammer, nach dessen Tod wahrscheinlich mit Johann Friedrich (wenn nicht doch mit Friedrich Wilhelm) verheiratet war, gemeinsam mit Johann Friedrich einen Sohn hatte (der als Säugling verstarb), aber in der Datenbank doch wieder als Ehefrau des Friedrich Wilhelm erwähnt wurde… Susanna Dorothea dürfte also (Christian) Friedrichs Tante, wenn nicht sogar Stiefmutter gewesen sein. Und womöglich war der heiratende Littmann, für den (Christian) Friedrich als Taufparte mitwirkte, ja ein Bruder oder sonstiger Verwandter der Susanna Dorothea.

Hängen geblieben bin ich aber diesmal bei der Quellenangabe „KB Juditten“. Schon vor vier Jahren hatte ich geschrieben:

„An dieser Stelle ist ergänzend auf die handschriftlichen Aufzeichnungen meines Großvaters Gerhard Claer hinzuweisen, wonach im Kirchenregister der ev. Kirche Judithen bei Neidenburg, Jahrgang 1828, Seite 451 Nr. 61 einige Male Clair mit „ai“ erscheint, nämlich: „Heinrich Clair, Förster; Otto C., Gendarm u.s.w., Franz u.s.w. Postbeamter// Geschwister Amelie (?) geb. Clair“. Er geht offenbar von einer Verwandtschaft aus und wertet die dem Französischen näher stehende Schreibweise als Indiz für die ursprünglich französische Herkunft der Familie.“

Wie ich nun festgestellt habe, gibt es aber gar kein Judithen bei Neidenburg. Es gibt nur ein Juditten mit tt, das ein westlicher Vorort von Königsberg ist. Mein Großvater Gerhard muss also dieses gemeint haben. Und das bedeutet: Sowohl Herrmann August / August Herrmann, der spätere Müller, als auch der Förster Heinrich Clair und der Gendarm Otto Clair sowie ein Postbeamter Franz Clair (Ist das bereits „unser“ Franz, geb. 1844, oder womöglich noch ein namensgebender Onkel?) lebten in oder nahe Juditten, wo (Christian) Friedrich Förster war, bevor er 1844 kurz vor der Geburt meines Ururgroßvaters Franz die Försterstelle in Eichenberg, Kreis Wehlau antrat. Entweder sind alle Genannten Söhne von (Christian) Friedrich (dann hätte er fünf Söhne gehabt: den Förster Wilhelm Friedrich, den Förster Heinrich, den Gendarm Otto, den Müller Herrmann August / August Herrmann und den Postangestellten Franz) oder es gab noch andere Claers in Juditten, die (Christian) Friedrich vielleicht die Försterstelle in Methgeten bei Juditten verschafft haben. In jedem Falle sollte es sich lohnen, einen Blick in die Kirchenbücher von Juditten zu werfen. Sie liegen im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg und reichen bei den Taufen bis 1681 zurück. Ich werde das bald in Angriff nehmen.

7. Die Forschungen des Manfred Claer

Auch unser mutmaßlicher entfernter Verwandter Manfred Claer hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Forschungen unternommen, die er mir dankenswerter Weise in vollem Umfang zur Verfügung gestellt hat. Im Folgenden werde ich hauptsächlich jene Erkenntnisse anführen, die über unsere bisherigen hinausgehen:

a) Das sagen die Genealogen

Die Genealogin Marianne S. schrieb an Manfred u.a.:

„Der Name Claer wird auch Clair geschrieben, manchmal auch Klär oder Klaer. Claers sind französische Schweizer, die als Siedler nach Ostpreußen (Litauen) nach 1710 eingewandert sind. Der Name Mettschul (so hieß die Ehefrau des Müllers Aug. Herrmann; Hinzufügung von mir) – litauischer Name, auch Mettschulat oder Mettschuleit genannt.“

Und weiter zitiert sie aus Kenkel – „Französische Schweizer und Refugies als Siedler im nördlichen Ostpreußen (Litauen) 1710-1750“:

Clero – Clair(d), Clerde, Clari – aus St. Imier Distr. De Courtelary, Schweiz
1. David * 1712, 1. oo Judt. 26.6.1718 Barbe Morel(l), Witwe des Jonas Munier aus Candre (Kanton Basel), 2. Oo Judt. 24.2.1724 Marguerite Guiot(l), Witwe des Joseph Vaucher. 1713 in Stehlkehmen 1 Hufe, 1724 Matzutkehmen, Losgänger
2. Jacob, oo Anna Marie Huguenin. Losgänger in Matzutkehmen, tot 1730. Tochter: Elisabeth, oo in Gumbinnen 11.11.1734 Jean(l) Hugault, Vater in Gumbinnen, er manufacturier in Gumbinnen
3. Abraham, nur bekannt durch Unterschrift 1729 Pieragienen?
4. Christian, 30.8.1719 in Stolp auf dem Weg nach Preußen

Clerc – (Clair) Magdaleine, oo Jean Ganguin, 1742 Tod, im Jahr 1728: Kinder: Abraham 4 J, Jacob 5 J, Jean * 29.11.1722 (6 J), David 7 J.

Ferner zitiert die Genealogin aus dem Amts-Blatt der Kgl. Preuß. Regierung (1811-1870) von Moeller (Hamburg 1992):
Claer, Wilhelm, Kriegsreserve-Corpsjäger, als Forstschutzgehilfe in der Oberförsterei Dingken angenommen (1847)
Clär, Förster in Argenbruch, Forstrevier Schecken, Försterstelle Rahnkalwen, Forstrevier Astrawischken, verliehen (1869)

Außerdem zitiert sie aus den Aufzeichnungen von Walter Grunert:
Claire, Marie Magdalene, verstorben vor 1736, oo Jean Ganguin, der 1714 nach Matzutkehmen kam auf eigene und ½ Hufe noch 1729 besaß.
Clair – 1713 in Stehlischken

Und schließlich führt sie aus zum Namen Metschulat:
1. Im Kreis Wehlau kommen Metschuleit i. Akt. D. Dom.-A Taplacken v. 1714 schon als Schatull- od. Freibauern vor.
2. Metschulat August, verstorben Insterburg 13.6.1941 (77 J) Müllermeister, Kinder: August und Hans, Gustel, oo Hans Schuman, Gustav, Hermann, Ernst
(Quelle: Die Kartei Quassowski, Buchstabe M von Zipplies

Aus diesen Angaben ergibt sich, dass auch David Clercs Ehefrau Barbe Morel (ebenso wie Davids andere Ehefrau Marguerite Guiot) bereits vor ihrer Ehe mit David verwitwet war. (Die allgemeine Sterblichkeit in den Jahren nach der großen Pest wird groß gewesen sein…) Auch wissen wir jetzt die genauen Zeitpunkte von Davids Eheschließungen. Allerdings war David nach den Datenbankeinträgen aus dem Internet zuerst mit Maguerite Guiot und anschließend mit Barbe Morel verheiratet. Laut der von Manfred beauftragten Genealogin war es genau umgekehrt. Noch wieder anders klingt es bei Dierk Loyal: (David Clerc) „heiratet in Judtschen 1718. Bereits 1724 heiratet die Witwe erneut.“ Richtig hätte es wohl heißen müssen: Bereits 1724 heiratete David Clerc erneut eine Witwe. Festzuhalten ist demnach, dass David wohl zweimal in Judtschen heiratete, 1718 und 1724, und zwar die Witwen Barbe Morel und Marguerite Guiot (die Reihenfolge ist unklar). Das heißt aber entgegen unserer bisherigen Annahme auch: David Clerc war nach 1724 noch am Leben.

Von Jacob Clercs Ehe mit Anna Marie Huguenin und ihrer Tochter Elisabeth wussten wir bislang ebenfalls nichts. Die Familie Huguenin stammte nach Fritz Schütz aus Le Locle, Neuchatel und aus Renan, Distr. De Cortelary, Schweiz. Es war wohl eine besondere Familie. Bei Fritz Schütz heißt es: „Neuenburger Familie. Seit dem 14. Jh. in Le Locle bekannt. Wappen der Huguenin von Le Locle: in Blau eine goldene Lilie, überhöht von einer silbernen Taube und umgeben von zwei goldenen Lorbeerzweigen.“
Auch den nur durch Unterschrift in Pieragienen bekannte Abraham Clerc/Clair kannten wir bisher nicht. Aber – siehe oben im 2. Kapitel – die vier Kinder von Magdaleine Ganguin, geb. Clerc/Clair heißen Abraham, Jacob, Jean und David. Es liegt also nahe, dass David Clerc, Jacob Clerc, Abraham Clerc und (Marie) Magdaleine Clerc alle Geschwister waren und wohl gemeinsam aus St. Imier in die Schweizerkolonie eingewandert sind.

Interessant sind weiterhin die Informationen, dass David Clerc 1713 in Stehlkehmen 1 Hufe Land besaß, 1724 in Matzutkehmen aber nichts mehr, und dass es den Namen Clair 1713 auch in Stehlischken gab. Dieser Ort (der heutige Name ist Sadowskoje) liegt etwas nordöstlich von Matzutkehmen und war später eine Station auf der Eisenbahnstrecke Tilsit- Stallupönen.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Tilsit%E2%80%93Stallup%C3%B6nen) Stehlischken gehörte zum Kirchspiel Kattenau, Kreis Stallupönen. Allerdings sollen durch ein Feuer in der Kirche von Kattenau im Jahre 1805 alle Kirchenbrücher der noch früheren Jahre vernichtet worden sein, so dass man hier wohl keine weiteren Funde mehr erwarten kann.

Gleichfalls von Interesse ist für uns der Umstand, dass der Kriegsreserve-Corpsjäger Wilhelm Claer 1847 als Forstschutzgehilfe in der Oberförsterei Dingken angenommen wurde. Vermutlich war es der 1824 in Corjeiten geborene spätere Jäger Wilhelm Friedrich Claer, der seine ersten beruflichen Schritte beim Militär unternahm. (So wie es ja auch sein Onkel, der Oberjäger Johann Wilhelm Claer getan hatte, der 1838 mit einem Forstversorgungsschein versehen auf der Försterstelle zu Klein-Fließ, Oberförsterei Leipen, definitiv bestätigt wurde; siehe meine Aufzeichnungen von 2012). Der Forstschutzgehilfe Wilhelm (Friedrich) Claer dürfte identisch sein mit dem Förster Clär in Argenbruch, der 1869 auf die Försterstelle Rahnkalwen, Forstrevier Astrawischken, verliehen wurde. Das wird aber nur vorübergehend gewesen sein, denn – siehe oben – er war in Argenbruch noch bis 1871 im Amte.

Zuerst dachte ich, dass auch der „ehem. Unteroffizier Wilhelm Klair“ vom ehemaligen 3ten kurmärkischen Landwehr Kavallerie-Regiment, den ich im Amtsblatt der Regierung in Potsdam 1838 gefunden habe, mit dem Förster von Argenbruch identisch sein könnte, was jedoch aufgrund dessen Geburtsdatums 1824 ausscheidet. Mit 14 Jahren kann man noch kein ehemaliger Unteroffizier sein, es muss sich also um einen anderen Klair vom Militär gehandelt haben…

https://books.google.de/books?id=oys_AAAAcAAJ&pg=PA309&lpg=PA309&dq=johann+friedrich+klair&source=bl&ots=3X_uUpsxMI&sig=IEMPsH4cQ80Ku9HMBRKTXEL_zTI&hl=de&sa=X&ei=tPvTVLLiM-6S7AazuIDIBw&ved=0CFkQ6AEwCQ#v=onepage&q=johann%20friedrich%20klair&f=false

Die Informationen über die Familie Metschul lassen es schließlich denkbar erscheinen, dass der Müller Herrmann August / August Herrmann Claer (vermutlich geb. 1833) seine Mühle über die Schwiegereltern bekommen hat, denn ein Metschulat war Müller (allerdings fast hundert Jahre später).

b) Die „von“-Frage

Ein besonderer Höhepunkt in Manfred Claers Forschungen sind schließlich noch zwei persönliche Briefe an ihn vom 26. und 31. Juli 2001 des Bundesbankdirektors a. D. Wichard v. Claer, der aus jener rheinischen Adelsfamilie stammt, von der in meinen früheren Texten bereits ausführlich die Rede war. Manfred hatte sich originellerweise in der v. Claer-Kirche in Königswinter, welche der Adelsfamilie gehört, mit seiner Frau trauen lassen. Der irritierte Bankdirektor forderte ihn höflich, aber bestimmt dazu auf, seine etwaige Verwandtschaft mit den v. Claers offenzulegen. Im zweiten Brief an Manfred legte er seine Auffassung dar, wonach in der Ahnentafel des Bartholomäus (II) de Claer sämtliche Nachkommen der Königswinterer Claers aufgeführt seien. Alle lebenden Claers aus ihrer Familie stammten demnach von Franz Bernhard (I) – 1785-1853 – ab. Aus den vorangegangenen vier Generationen gebe es keine anderen Namensträger mit männlichen Nachkommen. Eine Verwandtschaft mit anderen Familien zufällig gleichen Namens scheide damit aus. Wenn Manfreds Großvater „aus Ostpreußen vom Lande“ stamme, so müsse es sich um eine andere Familie Claer handeln, denn seine Familie habe nie Grundbesitz in Ostpreußen gehabt. Auch die frühere andere Schreibweise des Names der ostpreußischen Claers spreche gegen eine Verwandtschaft, denn die Schreibweise des Namens sei in seiner Familie schon seit dem 18. Jahrhundert unverändert. Vorher sei sie, wie damals üblich, variabel gewesen. Im übrigen gebe es in Deutschland etwa 20 nicht zu seiner Familie zählende Träger des Namens Claer, die ein Telefon besitzen. Das habe sein Schwiegersohn kürzlich im Internet festgestellt, denn er, Wichard v. Claer, besitze keinen Computer.

Somit können wir uns noch einmal der „von“-Frage zuwenden: Während es in Manfreds Familie, die auf den Müller Herrmann August / August Herrmann Claer zurückgeht, eine offenbar sehr konkrete Überlieferung gibt, steht in unserer Familie dahinter jedenfalls ein dickes Fragezeichen (siehe meine früheren Aufzeichnungen). Dennoch ist es natürlich nicht auszuschließen, dass doch etwas dran sein könnte…

Wir haben ja inzwischen schon recht konkrete Informationen über die v. Claers und v. Clairs in Ostpreußen: Aus der rheinischen Adelsfamilie war erst ab Mitte des 19. Jh. ein Offizier dort ansässig. Hinzu kommt noch die Aussage des Bundesbankdirektors Wichard v. Claer in seinem Schreiben, dass seine Familie keinen Grundbesitz in Ostpreußen hatte. Das passt jedenfalls nicht mit dem Gut und den zwei Söhnen und dem Erbe zusammen. Also die rheinische Adelsfamilie ist raus, denke ich.

Dann gab es aber noch den Hauptmann von Gumbinnen, Wilhelm Theodor v. Clair (1767-1831) und seine Eltern, den Ingenieurkapitän Gottlieb August v. Clair / de Clair / le Clair /v. le Clair (1731-1779) und Anna Rosine v. Dobrokowska. Wilhelm Theodor hat um 1800 in Gumbinnen gelebt. Wir wissen aber bisher nicht, ob er oder sein Vater auch schon früher in Ostpreußen gelebt haben. Soweit ich sehe, hieß der Ingenieurkapitän aber ursprünglich le Clair und wurde erst später von Friedrich dem Großen geadelt (wohl für seine Verdienste bei der Urbarmachung von Ländereien im Osten und die Übersetzung eines Buches über die Kriegskunst Ludwigs XIV. aus dem Französischen). Das heißt, dass diese v. Clairs wohl eher nicht von den Schweizer Clairs in Ostpreußen abstammen, sondern von den hugenottischen Le Clairs / Le Clercs, die es z.B. in Berlin gab.

Unsere Vorfahren konnten wir bisher bis zum Unterförster Friedrich Wilhelm Clair in Ludwigswalde (1770-1815) zurückverfolgen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder stammen unsere Vorfahren von den Schweizer Einwanderern ab (David Clerc/Clair u.s.w. aus St. Imier 1712 ff.) und die Verbindung zu den v. Clairs ist nur eine Legende. So etwas kann bei den langen Zeiträumen schnell entstehen. Jemand sagt, es könnte vielleicht so gewesen sein und der nächste sagt schon, es war so… Die räumliche Nähe zur fast gleichnamigen Adelsfamilie könnte dazu eingeladen haben, solche Legende entstehen zu lassen. Oder es ist wirklich etwas dran: Dann wäre vielleicht unser Unterförster Friedrich Wilhelm (1770-1815) ein rebellischer Sohn vom Ingenieurkapitän Gottlieb August (1731-1779) gewesen, der sich mit der Familie überworfen und das Gut verlassen hat. Und Wilhelm Theodor (1767-1831) war sein älterer Bruder, der das Erbe angetreten hat. Vielleicht war Friedrich Wilhelm ja auch ein illegitimer Sohn mit einer Hausangestellten o.ä.

Das Problem ist allerdings, dass es in Ludwigswalde neben unserem Friedrich Wilhelm auch noch den Unterförster Johann Friedrich Clair gab. Dann hätten gleich zwei Brüder das Gut verlassen haben müssen… Wobei man jetzt natürlich wieder über eine dramatische Flucht des Johann Friedrich nach Siersleben spekulieren könnte (siehe oben)… Doch es gab ja, wie wir gefunden haben, in Ludwigswalde in früheren Jahren noch weitere Clairs / Klairs, wenn auch nicht viele. Der älteste (wenn auch fragliche) Eintrag eines Clairs in Ludwigswalde ist Hanß Claire 1715. Das ist kurz nach der Einwanderung der Schweizer 1712. Also alles in allem halte ich derzeit noch die Abstammung von den Schweizern für wahrscheinlicher, aber eine Abstammung von den v. Clairs ist durchaus noch im Rennen. Ich werde weiter intensiv auch nach Infos über den Ingenieurkapitän und den Hauptmann von Gumbinnen suchen. Dann wissen wir vielleicht irgendwann mehr.

8. Weitere de Claires/ Clairs und Klärs in Berlin und Brandenburg

Nicht unterschätzen darf man, wie viele Claers es noch in unterschiedlichen Schreibweisen gibt. Vor einigen Monaten wurde ich erstmals von Klaers mit K kontaktiert, konkret von einer Frau Monika Klaer aus Teltow bei Berlin. Ihr Mann ist gemäß der mündlichen Überlieferung in seiner Familie von hugenottischer Abstammung. Sein ältester bekannter namenstragender Ahne ist ein Johann Klär, geboren 1770, verstorben in Klein Rodensleben, geheiratet hat er seine Frau Dorothee Koch 1796 in Stemmern (südlich von Magdeburg).

Ich schrieb in meinen früheren Aufzeichnungen:

„Doch gab es eine Reihe von Clairs in Magdeburg, wo es sich um Nachkommen des Blaise Clair, ursprünglich Sergeant bei den alliierten Truppen in Piemont (Italien), handelte. Alle seine Kinder hießen dann Le Clair.“

Möglicherweise gibt es hier eine Verbindung…

Die Schreibweise der besagten hugenottischen Familie soll abwechselnd Klaer oder Klär gewesen sein. Seit dem 19. Jahrhundert haben Teile der Familie zeitweise oder dauerhaft in Berlin gelebt. Es gibt ein Ahnenhaus der Familie in Zehlendorf, gebaut von Fritz Klaer 1910. Dieser war ein Cousin des Großvaters von Monika Klaers Ehemann und ein sehr bekannter Kunsttischler, der u.a. im Königlichen Schloss zu Berlin tätig war, das ja nun wieder aufgebaut wird. Um 1920 haben die Brüder Karl, Ernst und Max Klaer mit ihren Familien in Berlin gelebt. Häufig ausgeübte Berufe unter den Vorfahren von Monika Klaers Mann in der Namenslinie waren Cantor und Lehrer, jedoch gab es keine Förster. Eine Verbindung dieser preußischen Klaers zu unserer Familie erscheint eher unwahrscheinlich, aber wir werden es im Auge behalten…

Und schließlich bin ich noch auf eine weitere preußische hugenottische Familie de Claire / Claire / Clair / Klair / Klaer / Klär gestoßen, aus sicherer Quelle, die ich aber nicht nennen darf, da die Nachkommen Wert auf Diskretion legen. Zur Zeit des Großen Kurfürsten von Brandenburg, des Gründers von Preußen 1699, wanderte eine Familie de Claire nach Brandenburg ein. Erster vollständig namentlich bekannter Namensträger ist ein René de Claire, geboren 1680 in Brandenburg, gestorben dort 1739. Mit seiner Frau Marie-Jeanne Remis war sein erster Sohn Ernest de Claire, Lieutenant des Königs von Preußen, geb. 1712 in Brandenburg, gestorben dort 1789. Dessen Frau war eine Louise Collel (1713-1772). Deren zweiter gemeinsamer Sohn war ein Friedrich-Wilhelm Claire, Handelskaufmann, geboren 1739 in Brandenburg, gestorben 1810 in Küstrin, verheiratet mit einer Sophie Perchaise (1748-1820).

Hier sind gleich zwei Aspekte interessant. Zum einen ist von einer Generation auf die nächste das „de“ im Namen verlorengegangen. Könnte dies etwas damit zu tun haben, dass Friedrich-Wilhelm „nur“ der zweitälteste Sohn war? Zum anderen stellt sich die Frage nach einer Verbindung zu den v. Clairs in Berlin im 19. Jahrhundert, siehe oben. Vor allem sei hier an den Ingenieur-Capitain Friedrich Wilhelm von Le Clair erinnert, der am 19.11.1776 in Potsdam ein Schreiben Friedrich des Großen erhalten hat (siehe meine früheren Aufzeichnungen). Könnten der Handelskaufmann Friedrich-Wilhelm Claire (immerhin der Sohn eines Lieutenants des Preußischen Königs namens Ernest de Claire) sowie der Ingenieur-Capitain Friedrich Wilhelm von Le Clair, dem der König einen Brief schreibt, miteinander identisch sein? Die Entfernung zwischen Brandenburg und Potsdam sollte überbrückbar gewesen sein…

Friedrich-Wilhelm Claire und Sophie Perchaise hatten als zweiten Sohn einen Johann-Ernest Clair, wiederum Handelskaufmann, geboren 1776 in Küstrin, gestorben 1840 in Fürstenberg. Verheiratet war dieser mit einer Antoinette Katharina Liasere (1779-1852).

Festung_Kuestrin_1921

Küstrin in der Neumark (bei deren Urbarmachung im übrigen der Ingenieur-Capitän Gottlieb August le Clair eine wichtige Rolle spielte, siehe meine früheren Aufzeichnungen) liegt geographisch immerhin nicht ganz so weit von Ostpreußen entfernt wie Berlin. Und rein theoretisch könnte natürlich unser Ludwigswalder Unterförster Friedrich Wilhelm Clair (1770-1815) ein älterer Bruder des Küstriner Johann-Ernest Clair gewesen sein (der ja ausdrücklich als zweiter Sohn des Friedrich-Wilhelm Claire bezeichnet wird), zumal der älteste Sohn damals oft den Vornamen des Vaters erhielt. Und womöglich lag ja in Küstrin das besagte Rittergut, von dem sich „unser“ Friedrich Wilhelm nach einem Streit mit seinem Vater in Richtung Ostpreußen aus dem Staub gemacht haben könnte… Doch das bleibt vorläufig noch wilde Spekulation, es fehlen dafür einfach die Anhaltspunkte.

Johann-Ernest Clair und seine Frau Antoinette Katharina Liasere hatten als dritten Sohn einen Friedrich Josef Klair, Botschaftssekretär, geboren 1809 in Fürstenberg, gestorben 1867 in Berlin. Verheiratet war dieser mit einer Agathe Marie Adolfin (1816-1871). Deren gemeinsamer dritter Sohn war ein Ernst Friedrich Karl Klaer, Fuhrunternehmer, geboren 1841 in Fürstenberg, gestorben 1900 in Berlin. (Übrigens wurde dieser zehn Jahre nach Manfred Claers Ururgroßvater, dem Fuhrunternehmer August Hermann /Herrmann August Claer geboren, der vermutlich 1831 zur Welt kam…) Die Ehefrau des Ernst Friedrich Karl Klaer war eine Marie Agnes Pauline Damm (1854-1892). Deren zweiter gemeinsamer Sohn war ein Karl Friedrich Klär, Kaufmann, geboren 1876 in Berlin, gestorben 1939 in Berlin. Dessen Ehefrau hieß Emma Martha Ramin (1878-1949). Der erste gemeinsame Sohn der beiden war schließlich ein Ernst Karl Alexander Klaer, Beamter des Reiches, geboren 1902 in Berlin, gestorben 1950 (Todeserklärung in der Sowjetunion). Dessen Frau war eine Luise Ogossell, geb. 1906. Hier brechen wir aus Diskretionsgründen ab.

Auffällig an dieser fürwahr beeindruckenden adelig-großbürgerlichen Familiengeschichte ist insbesondere, dass die genannten Ehefrauen fast ausschließlich französisch klingende Geburtsnamenamen trugen, d.h. über Generationen haben die preußischen Hugenotten nur „unter sich“ geheiratet. Für die Schweizerkolonie in Ostpreußen galt das offenbar nur in den Anfangsgenerationen. Schon die Ludwigswalder Förster, woher sie auch immer stammen mochten, hatten Ehefrauen mit überwiegend deutschen Geburtsnamen, später auch mit polnischen Geburtsnamen.

 

9. Sonstiges und Ausblick

Hier endet nun unser diesjähriger Abriss zur Namensgeschichte. Der primäre Ansatz unserer weiteren Forschungen werden die Kirchenbücher von Juditten im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg sein. Ich habe mir bereits einen Termin zur dortigen Recherche besorgt. Abschließend noch ein Hinweis zum dort von meinem Großvater Gerhard ausgemachten Gendarmen Otto Clair. Bei Wikipedia heißt es: „Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Polizeidienst fast ausnahmslos ehemalige Soldaten beschäftigt. Die Berliner Schutzmannschaft akzeptierte seit 1852 nur solche Bewerber, die freiwillig neun Jahre (statt der üblichen zwei bis drei Jahre Aktivdienst im Rahmen der Wehrpflicht) gedient hatten, davon mindestens fünf Jahre als Unteroffizier. Ähnliches galt in den meisten deutschen Ländern.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Sergeant) Also nicht nur die Jäger, sondern auch die Gendarmen hatten regelmäßig eine berufliche Vergangenheit beim Militär, wo ja viele Hugenotten bzw. ganz allgemein Französisischstämmige beschäftigt waren. Wir werden hierauf unser besonderes Augenmerk richten.

August 2013: Ahnenforschung, Teil 5

Ahnenforschung über die Familie Claer, Neuigkeiten Sommer 2013

In den letzten Monaten hat es wieder eine ganze Menge neuer Funde und Erkenntnisse gegeben. Zwar warten wir noch immer auf den „großen Durchbruch“, die Entdeckung einer Verbindung zwischen den ostpreußischen Jägern und der hugenottischen Offiziersfamilie, doch sind auch die hier zusammengetragenen Neuigkeiten, so denke ich,  ihrerseits durchaus spektakulär. Große Erwartungen hatte ich in die Microfilm-Kopien der Kirchenbücher aus Ludwigswalde von vor 1800 gesetzt, die Andreas Z. von der Mormonischen Kirche aus den USA nach Görlitz bestellt hat, aber leider ließ, wie ich gehört habe, der gesundheitliche Zustand seiner 90-jährigen Großmutter Marianne E. (deren Mutter Emma Marie eine geborene Claer war) eine Auswertung der in Sütterlin-Schrift gemachten Eintragungen bislang nicht zu. Hier werden wir noch etwas Geduld aufbringen müssen.

1. Friedrich Claer und sein Vater
Ausgangspunkt ist auch diesmal unser bisher frühester gesicherter Vorfahre, der Jäger Friedrich Claer, mein Urururgroßvater, der 1824 in Corjeiten/Ostpreußen im Alter von 25 Jahren mit seiner Braut Justine Knaebe (geboren 1805 in Jouglauken) eine Familie gründete. Aus dem amtlichen Hochzeitseintrag, der vier Wochen nach dem Geburtseintrag des ältesten Sohns Friedrich Wilhelm Claer d.J. erfolgte, geht hervor, dass Friedrich Claer aus Ludwigswalde/Ostpreußen stammte. Es ist ferner noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass sich im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem zudem die Geburtsurkunde des bereits erwähnten Johan (hier mit einem „n“ geschrieben) Wilhelm Claer fand, geb. 10.6.1803, getauft am 15.6.1803, jeweils in Ludwigswalde. Als Vater ist angegeben: Unterförster Friedrich Wilhelm Claer; Mutter ist Susanna Claer, geborene Hoemke. Wir vermuteten daraufhin, dass Friedrich und Johan Wilhelm Brüder seien und Friedrich Wilhelm d.Ä. somit unser direkter Vorfahre, hatten dafür aber keinen Beweis.
Inzwischen konnten wir Einsicht in den gescannten Traueintrag von Friedrich Claer und Justine Knaebe nehmen. Unsere Entzifferung der handgeschriebenen Sütterlin-Schrift ergab:

14. Der königl. Revierjäger Friedrich Clair zu Ludwigswalde. des verstorbenen Unterförsters Friedrich Clair zu Ludwigswalde ältester Sohn. 25., Ja, Nein, Justina Knaebe, des verstorbenen Jägers Johann (n mit Strich drüber bedeutet Doppel-n!) Knaebe in Jouglauken jüngste Tochter., 21. Ja

–  Junggeselle  Joh. Wilhelm Knaebe in Corjeiten, des verstorbenen Jägers Johann Knaebe in Jouglauken ältester Sohn, Jungfer Laufe …

Demnach hätte es also in Ludwigswalde neben dem Unterförster Friedrich Wilhelm Claer d.Ä. (dem Vater des Johann Wilhelm Claer) auch noch den Unterförster Friedrich Clair d.Ä. (den Vater unseres Friedrich Clair d. J.) gegeben. Vielleicht war es aber doch ein und derselbe, und man hatte im Traueintrag nur das “Wilhelm” weggelassen (es herrschte auch durchaus Platzmangel auf dem Papier). Dass Friedrich demnach der älteste Sohn des Friedrich Wilhelm d.Ä. gewesen wäre, würde ja auch passen, denn Johann Wilhelm wurde erst vier Jahre nach ihm geboren. Ferner ist es eine berechtigte Frage, wie viele Unterförster es in Ludwigswalde zu jener Zeit wohl gegeben haben mag. Vermutlich wohl doch nur einen: Friedrich (Wilhelm) Claer/Clair d.Ä. Aber das ist lediglich eine begründete Vermutung und noch kein Beweis.

Gleich mehrere große Schritte nach vorne machte ich aber, als ich mich vor gut drei Monaten beim amerikanischen genealogischen Online-Netzwerk Mundia anmeldete, das sich glücklicherweise noch in einer Testphase befindet, weshalb die Anmeldung noch nichts kostet. Dort erscheint zunächst der Unterförster Friedrich Wilhelm Claer mit fast vollständigen Lebenssdaten: geboren 1770, gestorben am 21.12.1815. Als Ehefrau und Mutter seines einzigen hier aufgeführten Sohnes Johann Wilhelm Claer (10.7.1803-22.4.1880) ist angegeben: Susanne Dorothea Kopfhammer (ohne weitere Angaben).
Irritierend ist weniger, dass das genannte Geburtsdatum des Johann Wilhelm um einen Monat von dem aus seiner Geburtsurkunde abweicht (10.7. statt 10.6., ansonsten stimmt alles überein), als vielmehr, dass dessen Ehefrau Susanna/Susanne hier einen anderen Geburtsnamen trägt als dort: nämlich Kopfhammer statt Hoemke. Darauf kann ich mir einstweilen noch keinen Reim machen.
Es sind ferner angegeben: die Ehefrau des Johann Wilhelm Claer, Wilhelmine Henriette Warnien  (1807-1871) und deren gemeinsame Tochter Dorothea Wilhelmine Ludovica Claer (1.8.1838-9.7.1915). Deren Ehemann war Friedrich Hermann Hardt (1850-1907), „Schribrektor“. Der Sohn von Dorothea Wilhelmine und Friedrich Hermann Hardt war Paul Gustav Hardt (1880-1938), „superintendant of Lutheran Church“, dessen Ehefrau Gertrud Marie Luise Meyhöfer (1883-1949). Die Tochter von Paul Gustav Hardt und Gertrud Marie Luise wiederum war Dorothea Gertrud L. Hardt (1910 in Österreich? –    ), Ehemann: Friedrich Wilhelm Gotthold Wollschläger (1910 in Österreich-1942 in Ägypten). Hinzugefügt hat den gesamten Datensatz Frau Christine Clark, Chicago, Illinois.
Dass hier lediglich Johann Wilhelm Claer als Sohn des Friedrich Wilhelm Claer d.Ä. angegeben ist (und nicht auch Friedrich), hat wahrscheinlich nicht viel zu bedeuten, denn Geschwister tauchen in diesem Eintrag nur bei den zeitlich weniger lange zurückliegenden Personenangaben auf. Doch ist es schon bemerkenswert, wie uns weit entfernte Verwandte aus Amerika mit ihren überlieferten Stammbäumen auf die Sprünge helfen können. Und das ist noch längst nicht alles!

2. Friedrich Claer und seine Kinder
Auch Friedrich Claer taucht in der Mundia-Datenbank nämlich auf, aber an unerwarteter Stelle.
Im Sommer 2012 hatte ich geschrieben:

„Weiterhin  machte ich noch einen überraschenden Fund im Internet bezüglich unseres Vorfahren, des Jägers Friedrich Claer (geb. 1798/99). Im „Großherzoglich-Sachsen-Weimar-Eisenachischem Hof- und Staatshandbuch auf das Jahr 1819“ (inzwischen digitalisiert aus der Bayrischen Staatsbibliothek) erscheint:

– Friedrich Clair, Unterförster zu Krakendorf (http://books.google.de/books?id=B4MAAAAAcAAJ&pg=PA54&lpg=PA54&dq=Friedrich+Clair,+Unterf%C3%B6rster+zu+Krakendorf&source=bl&ots=C5KjJNrVvE&sig=FbhJfzYqceG_Z9WqeHMstzNu_Uc&hl=de&sa=X&ei=WP4bUP-JKs3htQaQ44BQ&ved=0CCgQ6AEwAA#v=onepage&q=Friedrich%20Clair%2C%20Unterf%C3%B6rster%20zu%20Krakendorf&f=false)

Krakendorf ist heute ein Ortsteil der Stadt Blankenhain im Landkreis Weimarer Land, Thüringen. Offenbar hatte der junge Friedrich Clair (im Alter von ca. 20 Jahren) eine Anstellung als Unterförster in Sachsen-Weimar (heute Thüringen). Bereits fünf Jahre später (1824) war er aber wieder in seiner ostpreußischen Heimat, nämlich in Corjeiten, und hat dort eine Familie gegründet.

Ferner ist zu erwähnen, dass sich im Adressbuch von Erfurt (etwa 25 km entfernt vom besagten Krakendorf) aus dem Jahr 1882 der Eintrag findet:

– Claer Dorothea Margarethe geb. Fischer, Wittwe, Weißfrauengasse 1
– Rosine geb. Mohnhaupt, Wwe., Schmidtstädterstraße 50
– Christine geb. Scherlitz, verw. Oekonom, Fleischgasse 9 (http://forum.ahnenforschung.net/showthread.php?t=42802&page=9)

Also gleich drei verwitwete Damen mit dem Namen Claer, der sonst in Mitteldeutschland zu dieser Zeit fast überhaupt nicht auftritt. Sollte hier unser Vorfahre Friedrich Claer/Clair bei seinem Aufenthalt in Thüringen über 60 Jahre zuvor in irgendeiner Weise Spuren hinterlassen haben?

Und im „Bürgerbuch der Stadt Erfurt 1761-1831“ findet sich der Eintrag:

– Claer, Christian Friedrich, ev., Fuhrmann, geb. 16.11.1802 in Siersleben bei Hettstedt (http://wiki-de.genealogy.net/B%C3%BCrgerbuch_der_Stadt_Erfurt_1761-1833/329+)

Könnte das womöglich auf Verwandte hindeuten, die Friedrich Claers Aufenthalt in Thüringen erst veranlasst haben (ihm vielleicht die Försterstelle besorgt haben)?“

Und nun lesen wir in der Mundia-Datenbank:

„Friedrich Claer (1800-…), Chausseewächter Zu Frienstedt.“

Frienstedt ist ein Ortsteil der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. (http://de.wikipedia.org/wiki/Frienstedt) Friedrichs Ehefrau oder zumindest die Mutter seines Sohnes ist: Sophie Caterine Hofmann (1800-..). Als Sohn der beiden ist aufgeführt: Friedrich Wilhelm Heinrich Claer (1825 in Erfurt-…in Erfurt), Sattlermeister. Seine Ehefrau war: Barbara Rosine Mohnhaupt (1826-1889); Heirat am 18. Juli 1854 in Erfurt (Barbara Rosines Eltern haben am 14. Juli 1822 ebenfalls in Erfurt geheiratet). Eine Tochter von Friedrich Wilhelm Heinrich und Barbara Rosine ist: Eleonore Marie Claer (1861 in Erfurt-1906 in Erfurt); Ehemann: Julius Fickel (1854-1924), Bäckermeister. Als Tochter von Julius und Eleonore Fickel ist angegeben: Therese Karoline Fickel (1882 in Erfurt-1955 in Merane); Ehemann: Heinrich Wildenauer (1881 in Cham, Oberpfanz-1933 in Köln), Kaufmann. Deren Sohn ist u.a. Herbert Erich Wildenauer (1907 in Pfaffenhofen-1943 in Nikolskoje Starada/Russland), Wiegemeister, Obergefreiter der 2. Kompanie, Wohnort: Merane; dessen Ehefrau: Paula Gertrud Leopoöd (1904 in Zwickau-1985 in Merane), Knopfarbeiterin. Deren Sohn wiederum: Kurt Horst Heymer (1933 in Merane -1993 in Glauchau), und von dessen Sohn oder Enkel stammt der gesamte Eintrag.

Man könnte natürlich auch eine zufällige Namensgleichheit annehmen. Warum sollte „unser“ Friedrich Claer/Clair 1825 als Chausseewächter in Erfurt Vater eines Sohnes geworden sein, wo er doch erst 1824 in Corjeiten als Jäger Justine Knaebe geheiratet hatte? Und der Erfurter Chausseewächter Friedrich Claer war Jahrgang 1800, während der ostpreußische Jäger gleichen Namens Jahrgang 1799 war. Aber es gab nun einmal 1819 einen Jäger Friedrich Clair im thüringischen Krakendorf. Und auch die Namen der Söhne ähneln sich auffällig: Friedrich Wilhelm in Corjeiten, Friedrich Wilhelm Heinrich in Erfurt. Man mag hier nicht so ganz an Zufall glauben.
Aber konnte ein gelernter Jäger zwischenzeitlich zum Chausseewächter werden? Was war überhaupt ein Chausseewächter?

„Als Chausseen bezeichnete man gut ausgebaute, mit fester Fahrbahndecke versehene Fahrstraßen, die ingenieurmäßig geplant waren und daher deutlich geradliniger verliefen. Von der Landstraße unterscheidet sie, dass neben der Fahrbahndecke im Besonderen auch der Fahrdamm, also der Straßenunterbau, konstruiert ist. Entwickelt wurde diese Bauweise in den Niederlanden im 18. Jahrhundert. Es waren mit Backsteinen befestigte künstlichen Dämme.

Oft bestand die Chaussee aus einer festgewalzten Fahrbahn mit einer Deckschicht aus Sand und Lehm; ein Kiesbett bildete den Unterbau. Ein Begleitweg, für den Viehtrieb, verlief parallel zur eigentlichen Fahrbahn, der im Winter kaum genutzt werden konnte.

An den Straßenrändern gepflanzte Bäume bildeten herrliche Alleen, und boten den Reisenden Schutz vor Sonne und Wind. Um die Fahrzeit zu verringern, wählten die Baumeister bei der Trassenführung meist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Orten. Sie schufen sanfte Steigungen mit weniger als fünf Prozent, und erhöhten damit den Reisekomfort. Zum Schutz vor Überschwemmungen, führten sie, in der Nähe von Flüssen und Gewässern, die Chausseen, über einen Fahrdamm.

Von 1795 an wurde an jeder Meile ein Chausseehaus errichtet. Es diente den Straßenwärtern als Unterkunft. In der Nähe des Hauses war eine Schranke oder Barriere über die Straße gelegt. An ihr stand der Chausseewächter, der die Schranke hob oder senkte, ganz wie es ihm gefiel. Er berechnete für die Ankömmlinge, federkäuend, die fälligen Gebühren. (Hervorhebung von mir) Viele Bürger segierten die hohen und komplexen Mauttarife. Die Beschwerden, versuchten die verantwortlichen Stellen mit der Begründung zu entkräften, dass diese Abgabe den Benutzern zugemutet werden könnte, da sie von der Güte der Wege durch Ersparung von Pferden, Wagen und Geschirren, Zeit und Zehrkosten unmittelbaren Gewinnst und Vortheil hätten.

Die neuen Wege sollten im guten Zustand bleiben. Neue Gesetze sollten sie schützen: Den Fuhrleuten drohte man nun Strafen an, wenn sie sich nicht an die Wege hielten und Äcker und Wiesen beschädigten oder durch ungeschicktes Fahren die Seitenränder der Straße zerstörten. Um Fahrspuren zu vermeiden, war das Fahren in der Spur des vorausgehenden Wagens, nicht erwünscht. Den Hirten war es untersagt, Vieh durch die Chausseegräben zu treiben oder gar dort zu hüten. Jeder, der einen Verstoß zur Anzeige brachte, erhielt fünf Reichstaler Belohnung.“ (http://pwz-news.de/cdo/aO1.html)

Also war es damals durchaus kein schlechter Job, Chausseewächter zu sein. Man kann sogar von einer relativ qualifizierten Tätigkeit ausgehen, da sie Kenntnisse des Lesens, Schreibens und Rechnens erforderte und es sicherlich auf Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein und Genauigkeit ankam. Vor allem aber konnte es ein möglicher Job für einen jungen gelernten Jäger gewesen sein, den es der Liebe wegen vom Lande in die Stadt gezogen hatte. Und seinerzeit konnte ein „Pendler“ zwischen Ostpreußen und Thüringen, wie es der junge Friedrich Claer vermutlich war, auch durchaus – ähnlich etwa dem heutigen bayrischen Ministerpräsidenten – an beiden Orten eine Braut gehabt haben, ohne dass juristische Konsequenzen gedroht hätten, denn es gab damals gewiss keinen vollständigen Abgleich von Personendaten zwischen dem Thüringer Großherzogtum und dem Königreich Preußen. Aber was verschlug Friedrich Claer überhaupt nach Thüringen und dann wieder zurück nach Ostpreußen?
Folgendes Szenario wäre denkbar: Nach dem frühen Tod des Vaters Friedrich Wilhelm d.Ä. im Alter von 45 Jahren (1815) übernahm der 15- oder 16-jährige Friedrich als ältester Sohn den vakanten Posten des Unterförsters in Ludwigswalde. Als sein drei bis vier Jahre jüngerer Bruder Johann Wilhelm 1819 ebenfalls dieses Alter erreicht hatte, trat dieser – angelernt von seinem Bruder Friedrich – in dieses Amt ein, und der bereits berufserfahrene Friedrich wechselte selbst als Unterförster nach Thüringen, vermittelt von seinem dort lebenden Verwandten Christian Friedrich Claer, dem Fuhrmann. Beweggrund könnte, zumal in den Jahren unmittelbar nach den napoleonischen Kriegen, die nackte wirtschaftliche Not gewesen sein. Möglicherweise gab es noch mehrere jüngere Geschwister zu versorgen, von denen wir nichts wissen. Friedrich schickte vielleicht Geld nach Ostpreußen, um seine Familie zu unterstützen. Eine eheliche Verbindung mit der Jägerstochter Justine Knaebe könnte ihm die Bekleidung eines Försterpostens in der näheren ostpreußischen Umgebung ermöglicht haben. Dafür hat er dann womöglich seine thüringische Braut Sophie Caterine Hofmann in Erfurt „sitzen lassen“. Möglicherweise hat er sogar jahrelang ein Doppelleben als Pendler zwischen beiden Familien geführt. Es ist nicht einmal völlig auszuschließen, dass die unterschiedlichen Angaben zu seinem Alter bzw. Geburtsjahr sowie in der Namensschreibweise auf Friedrich selbst zurückgingen und der Verschleierung dienen sollten. Beide Söhne, den Corjeitener (1824) und den Erfurter (1825), benannte er nach seinem verstorbenen Vater Friedrich Wilhelm. Der zweitgeborene Erfurter bekam noch ein „Heinrich“ angehängt. Und vielleicht ist Friedrichs „Jugendsünde“ tatsächlich fast 200 Jahre lang nicht „aufgeflogen“ und erst jetzt, im Zeitalter des Internets, von uns entdeckt worden. Es könnte natürlich auch alles ganz anders gewesen sein, aber das werden wir vermutlich nie erfahren.
In welchem Verwandtschaftsverhältnis der Erfurter Fuhrmann Christian Friedrich Claer zu „unserem“ Friedrich stand, lässt sich noch nicht sagen. Doch wird er immerhin fünfmal genannt als „Fuhrmann Clär in Erfurt“ in der mittlerweile digitalisierten Enzyklopädie für Kaufleute und Fabrikanten, Leipzig 1838. (http://books.google.de/books?id=XIBQAAAAYAAJ&pg=PA167&lpg=PA167&dq=claer+erfurt&source=bl&ots=FxNXkjZbth&sig=dzxHgsUrTeutWGzNe1WoI-B9iho&hl=de&sa=X&ei=nNv2Ue7hN8q1tAaZhoHoAw&ved=0CFEQ6AEwBjgK#v=onepage&q=claer%20erfurt&f=false) Es geht dabei um die Durchführung bestimmter, durchaus umfangreicher Transporte.
Von männlichen Nachkommen des Sattlermeisters Friedrich Wilhelm Heinrich Claer in Erfurt, des Friedrichs Sohn in Thüringen, ist zwar im Stammbaum aus der Mundia-Datenbank nicht die Rede (nur von seiner Tochter Eleonore Marie). Doch es könnte sie oder solche des Fuhrmanns Christian Friedrich gegeben haben. Zum einen fehlt uns für zwei der drei Erfurter Witwen namens Claer aus dem Jahr 1882 noch die genaue Zuordnung, nur Rosine, geb. Mohnhaupt, lässt sich als Ehefrau des Friedrich Wilhelm Heinrich erkennen, der folglich im Jahr 1882 nicht mehr am Leben war, also maximal nur 57 Jahre alt geworden sein kann. Zum anderen gibt es den folgenden Eintrag im Erfurter Adressbuch 1948 (also ein Jahrhundert später!):

– Claer, Friedrich, Leder und Galanterie, Schmidtstedter Str. 50, T 20253, P Erf. 8466
– Wilh., Sattlermeister, Schmidtstedter Straße 50 (http://familie-thurm.de/images/dokumente/adressErfurt/Seite_0189.jpg)

Sollte der Sattlermeister Friedrich Wilhelm Heinrich Claer (geb. 1825), der Sohn unseres Friedrich, tatsächlich sein Handwerk über mehrere Generationen weitergegeben haben? Es sieht fast so aus, denn seine mutmaßlichen Nachkommen heißen ausgerechnet wieder Friedrich und Wilhelm!
Demnach sind uns bisher drei Kinder des Friedrich Claer bekannt: sein Thüringer Sohn Friedrich Wilhelm Heinrich (geb. 1925), sein erster ostpreußischer Sohn mit Justine Knaebe, Friedrich Wilhelm d.J. (geb. 1924) sowie unser direkter Vorfahre, mein Ururgroßvater Franz Claer d.Ä. (geb. 1841, Mutter ebenfalls Justine Knaebe). Gab es noch weitere Kinder mit Justine Knaebe?

Ich fand folgenden Eintrag in der „Kleine(n) Jäger/Försterdatei“ von
mitglied.multimania.de/kbbinder/kartei/foerster.xls‎:

Zufallsfunde von Jägern und Förster vor 1850     Stand Apr. 2013    Erstellt von kbbinder@gmx.de

Name    Vorname    Status   in    Quelle    Auftreten    Verehelicht    Bemerkung

Clair    Friedrich    Jä verml. Metgethen    KB Juditten    *1833    Knaebe Justine    20.1. Hermann Aug. geb.
Clair    Friedrich    Jä verml. Metgethen    KB Juditten    *1834        Pa bei Littmann oo Schwill
Zusätze:
20.1.1833 Hermann Aug. geb.
1834 Pate bei Hochzeit Littmann /Schwill (http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CC8QFjAA&url=http%3A%2F%2Fmitglied.multimania.de%2Fkbbinder%2Fkartei%2Ffoerster.xls&ei=diLcUfy0COKn4ASMkoHoDQ&usg=AFQjCNHYu5fD0Z0C5pCEk322NrybFGrZzA&bvm=bv.48705608,d.bGE)

Ich würde es so verstehen, dass am 20.1.1833 ein Hermann August Clair als Sohn von Friedrich Clair, Jäger vermutlich in Metgethen, und Justine Knaebe geboren wurde. Außerdem fungierte Friedrich 1834 als Hochzeitspate des Paares Littmann/Schwill.
Wo aber liegt Metgethen? Laut Wikipedia ist es ein westlicher Vorort von Königsberg, nahe dem frischen Haff, und heißt heute Alexander-Kosmodemjanski-Siedlung von Kaliningrad. Bekannt geworden ist dieser Ort vor allem durch das sogenannte „Massaker von Metgethen“ im Februar 1945, bei dem Soldaten der Roten Armee deutsche und ukrainische Zivilpersonen in großer Zahl vergewaltigt, verstümmelt, geschlagen und getötet haben sollen. Man kann sich das, insbesondere angesichts der vorhergehenden deutschen Kriegsverbrechen, zwar gut vorstellen. Doch ist hier eine gewisse Vorsicht angebracht, da über das „Massaker von Metgethen“ vor allem in rechtsextremen Publikationen mit stark propagandistischer Absicht berichtet wurde. Der Wikipedia-Beitrag schließt mit den Worten: „Eine wissenschaftliche Untersuchung der Vorgänge in Metgethen steht bisher jedoch aus.“ ( http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Metgethen)

Battle_Of_Königsberg_BeginMetgethen in der Schlacht um Königsberg im April 1945

Folglich wäre also Friedrich Claer, bevor ihm als „invalidem Jäger“ 1839 im Alter von 40 Jahren die Verwaltung der Försterstelle zu Eichenberg, Oberförsterei Drusksen, übertragen wurde (wo zwei Jahre später unser Vorfahre Franz Claer d.Ä., der spätere Postschaffner, das Licht der Welt erblickte), Förster in Metgethen gewesen. Das Geburtsjahr seines Sohnes Hermann August (1833) liegt etwa in der Mitte zwischen dem seiner früheren Söhne (1824/25) und dem seines späten Sohnes Franz (1841). Es erscheint auch als durchaus denkbar, dass er noch weitere Kinder in die Welt gesetzt hat. Gleiches gilt aber auch für Friedrichs mutmaßlichen Bruder Johann Wilhelm, von dem wir bisher nur die Tochter Dorothea Wilhelmine Ludovica (1838-1915) kennen. Wir kommen später noch darauf zurück.

3. Die Claers in Amerika
Und noch einen dritten überraschenden Fund machte ich in der Mundia-Datenbank. Offensichtlich ist um 1883/84 ein Teil der ostpreußischen Familie Claer nach Texas/Amerika ausgewandert und hat dort zahlreiche Nachkommen hinterlassen. Es finden sich mehrere, teils etwas unübersichtliche und widersprüchliche Stammbaum-Stränge in der Datenbank, deren Zusammensetzung mir aber letztlich doch gelungen ist. Demnach ist der „Stammvater“ aller texanischen Claers ein Gustav F. Claer (man darf wohl vermuten: Gustav Friedrich!), der von 1832 bis 1894 gelebt hat. Es gibt keine Angaben über seinen Geburts- oder Herkunftsort. Es ist nur an anderer Stelle vermerkt, dass er in Archer County/Texas als „Bowman“ gearbeitet hat, das ist eine besondere Art von Matrose auf einem Schiff und wird auch als „Bugmann“ bezeichnet.  (http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=52355165) Seine Frau war Johanna Claer (geb. 1834, verstorben am 16.6.1926). Gustav Friedrich kommt sicherlich, allein schon durch sein Geburtsjahr, als ein weiterer Sohn von Friedrich oder von Johann Wilhelm Claer in Betracht.
In der Datenbank tauchen zwei Söhne von Gustav F. Claer auf, deren Geburtsjahre weit auseinanderliegen, weshalb hier noch eine gewisse Unsicherheit im Spiel ist. Zum einen Gustaf (mit –f) Claer (1849-1894). Das identische Todesjahr von Vater und Sohn spricht für eine gemeinsame Verunglückung, möglicherweise auf einem Schiff. Ehefrau vom jüngeren Gustaf war Wilhelmina bzw. Johanna Burber, geb. 1844 „in Deutschland“. Die gemeinsame Tochter vom jüngeren Gustaf und Wilhelmine/Johanna Burber war Johannah W. Claer, geb. am 10.9.1873 in Königsberg und verstorben am 28.4.1949 in Verhon/Texas. Sie ist als kleines Mädchen im Jahr 1884 in die Staaten eingewandert, wahrscheinlich im größeren Familienverbund. Ihr späterer Ehemann war Franz Gelhausen (1865-1923). Die Heirat erfolgte 1897, der Schwiegersohn Ed McIlhenny hat den Stammbaum eingestellt.
Der zweite (uns bekannte) Sohn von Gustav F. Claer war William Frederick Claer (in ihm lässt sich unschwer ein Wilhelm Friedrich erkennen!). Er wurde am 1.8.1870 in Koessburg geboren und ist am 16.6.1938 in Burkeburnette/Texas (nach anderer Quelle in Wichita Falls, Wichita, Texas, USA) gestorben. Aber wo liegt Koessburg? In ganz Deutschland gibt es keinen Ort dieses Namens. Man darf vermuten, dass es sich um Keßburg in Westpreußen handelt, was ja räumlich noch gut ins Bild passen würde.

Bild William F. ClaerWilliam Frederick Claer (1870-1938)

Über seine Immigration ist zu erfahren, dass er 1883 im Alter von 13 Jahren auf dem Schiff „The Wexler“ angekommen ist. (Vermutlich gemeinsam mit mehreren anderen Claers.) Er habe erst mit 57 Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt, sie aber nie erhalten, weil ein Feuer alle benötigten Formulare vernichtet habe. Sein Beruf war „Oilfield Laborer“ (http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=40615417), also Arbeiter auf einem Öl-Bohrfeld. Seine Ehefrau war Lena Elizabeth Ground (1878-1942). Die beiden hatten nicht weniger als sieben Kinder, nämlich Alice Johana Claer (1897-1994), Robert Gustav Claer (1898-1990), Margurette Lena Claer (1901-2005), Johnnie William Claer (1903-1975), Raymond Lewis Claer (1906-1976), Gertrude Claer (1909-1972) und schließlich Agnes Claer (1910-1983). Es gibt zahlreiche weitere Nachkommen auch von diesen. Vermutlich leben inzwischen nirgendwo so viele Claers wie in Texas.

Familie Claer

Familienfoto mit William Frederick und Lena in der ersten Reihe

Grabstein

Familiengrab von William Frederick und Lena Claer

Zu fragen bleibt allerdings, was Gustav F. Claer, seine Söhne Gustaf und William Frederick sowie deren Familien 1883/84 zur Auswanderung nach Amerika bewogen hat. Wie bei vielen anderen auch, die in jener Zeit diesen Weg gingen, dürfte es die Verlockung des amerikanischen Traums auf der einen und die anhaltende wirtschaftliche Not in der deutschen Heimat auf der anderen Seite gewesen sein. Man muss bedenken, dass auf die deutsche Reichsgründung im Jahr 1871 eine längere Phase wirtschaftlichen Niedergangs folgte, angefangen mit dem Gründerkrach 1873, der einen massiven Einbruch der Finanzmärkte brachte. Bei Wikipedia heißt es: „Die Volkswirtschaften der sich industrialisierenden Staaten gingen in eine Phase des verlangsamten Wachstums und der Deflation über, die bis in die 1890er-Jahre anhielt.“  (http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCnderkrach) Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass in den 1890er Jahren auch der Sohn des Jägers Friedrich Wilhelm d.J., der Jäger Otto Wilhelm Claer (1859-1937), ein Enkel „unseres“ Friedrich Claer, mit seiner Familie nach Ober-Leutmannsdorf (Kreis Schweidnitz) in Schlesien ausgewandert ist. (Hierzu unten mehr.)

4. Der Sänften-Clair
An dieser Stelle soll nun ein Wechsel der Blickrichtung erfolgen, weg von den Nachkommen „unseres“ Friedrich Claer, hin zu seinen möglichen Vorfahren. (Ganz am Ende komme ich noch einmal auf die Nachkommen zurück.)
Vor einem halben Jahr hatte ich eine gewagte Spekulation über den Portechaise-Unternehmer v. Clair in Berlin, nennen wir ihn den Sänften-Clair, angestellt. Ich schrieb damals:

„Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Portechaisen-v. Clair, der mutmaßliche Sohn des Ingenieurscapitäns Gottlieb August v. Clair, durch eine allmähliche oder plötzliche Veränderung der verkehrstechnischen Vorlieben der damaligen Bewohner Berlins im Jahr der Französischen Revolution zur Geschäftsaufgabe gezwungen wurde. Womöglich hatte er dabei sein gesamtes Kapital verloren und sogar Kredite aufgenommen, die er nun nicht mehr bedienen konnte. Als Bankrotteur in jener vorkapitalistischen Zeit blieb ihm vielleicht nur ein vergleichsweise bescheidener Neuanfang unter Verlust des Adelstitels und seiner bürgerlichen Reputation als Unterförster in Ostpreußen, möglicherweise gerade in jenen dem preußischen Staat damals frisch einverleibten vormals polnischen Ländereien. Auch beim Portechaisen-v. Clair könnte es sich also um Friedrich Wilhelm Clair/Claer d.Ä. gehandelt haben, zumal es vom Alter her ebenfalls passen würde: Wenn der Portechaisen-v. Clair zur Zeit seiner Unternehmensgründung 1779 vielleicht 20 bis 30 Jahre alt war, käme er ohne weiteres noch als Vater von Friedrich und/oder Johan(n) Wilhelm Clair/Claer 1798/99 und 1803 in Betracht. Doch ist diese Variante mangels näherer Indizien für sie ziemlich aus der Luft gegriffen. Anders wäre es erst, wenn sich herausstellen sollte, dass der Portechaisen-v. Clair tatsächlich den Vornamen Friedrich Wilhelm getragen hat.“

Nun gibt es sie, die detaillierten Informationen über den Sänften-Claer, und das gleich aus zwei unterschiedlichen Quellen:
Zum einen: Friedrich Nicolai – „Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten, und der umliegenden Gegend“, Zweyter Band, Berlin 1786, S.976
(Bayrische Staatsbibliothek):

Im Jahr 1779 legte Hr. von Clair , Sänften an, die an gewissen Plätzen der Stadt ausgestellet werden. Das Polizeydirektorium setzte ihnen nachstehende Tare:
1) Bey Tage für eine Tour in demselben Viertel 2 Gr. Für eine Tour durch mehrere Viertel 4 Gr. Für die Rücktour 4 Gr. Muß die Sänfte warten, an Wartegeld für jede Viertelstunde 1 Gr.
2) Bey Nacht. Für eine Tour in demselben Viertel 3 Gr. Rücktour 3 Gr. Durch mehrere Vierter 5 Gr. Rücktour 5 Gr.Wartegeld für jede Viertelstunde 1 Gr. 3 Pf. Für ganze Tage muß man sich des Preises wegen mit den Trägern einverständigen.
Im Jahr 1783 kaufte davon einen Theil der Kaufmann Gottlieb Friedrich Aschenborn, und den andern die Clairschen Kreditoren. Diese haben sie wieder an die Träger verpachtet. Man findet sie am Berlinischen Rathhause, Wolkenmarkt, an der Ecke des neuen Markts, unterm Schloß, unter den Linden, am Dönhofschen Platz, und auf dem Friedrichstädtischen Markte. (http://books.google.de/books?id=uS4CAAAAcAAJ&pg=PA977&lpg=PA977&dq=s%C3%A4nften+berlin+v.+clair&source=bl&ots=Kg0jEkOwVt&sig=xodZr3HB1ziPqE_hYMt0nQgwIRs&hl=de&sa=X&ei=ZeVhUf-9PMnRsgaCw4HIAQ&ved=0CC4Q6AEwAA#v=onepage&q=clair&f=false)

Und zum anderen:  Anton Balthasar König – Versuch einer historischen Schilderung der Hauptveränderungen, der Residenzstadt Berlin, Theil 5, Berlin 1800, S.385f.
(Bayrische Staatsbibliothek):

„Der Gebrauch der Sänften (oder Portechaisen) war zwar in Berlin nichts Neues, wie ich solches in der Geschichte der Residenz unter der Regierung König Friedrich des I. gezeigt habe, indem man damals den französischen Flüchtlingen erlaubte, durch Einführung derselben sich Unterhalt zu verschaffen. Da sie aber seitdem fast außer Gebrauch gekommen waren, so fand sich in diesem Jahr ein Projektmacher, Namens Karl Heinrich von Clair (Hervorhebung von mir) ein, der den Vorschlag zur Bequemlichkeit der hiesigen Einwohner machte, solche wieder einzuführen. Die Sache ward dadurch neu, und was neu ist, lockt bekanntlich auf einige Zeit raschen Beifall ab. So erging es auch den Sänften. In allen Vierteln der Stadt wurden dergleichen Tragekutschen ausgestellt, mit Trägern in besonderer Montur versehen, und anfänglich ließen sich wirklich viele Menschen, nicht zur Bequemlichkeit, sondern mehr aus Neugierde, umhertragen. Als diese aber befriedigt war, gerieth das Unternehmen bald wieder in Stecken, und am Ende blieben, wie zuvor, nur noch einige Sänften übrig, die überdem wenig zu thun hatten, und bloß in Nothfällen gebraucht wurden.” (http://books.google.de/books?id=odcAAAAAcAAJ&pg=PA385&lpg=PA385&dq=s%C3%A4nften+berlin+v.+clair&source=bl&ots=t9Egoa-pBV&sig=NEgsReHWWlInr_c77Q25vHTU9UU&hl=de&sa=X&ei=fOxhUczuA4jpswaQ7ICwAw&ved=0CDMQ6AEwATgo#v=onepage&q=s%C3%A4nften%20berlin%20v.%20clair&f=false)

Wir sehen also, dass die Überlegung mit der Geschäftsaufgabe und womöglich auch dem Bankrott wahrscheinlich nicht ganz unzutreffend war. Doch ein Friedrich Wilhelm, der dann Förster wurde, war der Sänften-Clair namens Karl Heinrich mitnichten.

5. Mögliche Verbindungen
Allenfalls als späterer Jäger in Möllendorf mit dem Geburtsjahrgang 1759 käme der Sänften-Clair noch in Betracht. Dann wäre er zur Zeit der Unternehmensgründung 1779 gerade mal 20 Jahre alt gewesen und hätte die väterliche Erbschaft zur Geschäftsgründung genutzt. Ferner könnte er als möglicher späterer Bankrotteur mit Aberkennung seines Adelstitels auch der Vater des Müllers von Zielenzig (geb. 1791/92) gewesen sein, der ganz ähnlich hieß, nämlich Carl Friedrich Klähr (Klehr, Claire) und aus einer Hugenottenfamilie stammte.
Aber welche Beziehung könnte dann zu „unserem“ Ludwigswalder Unterförster Friedrich Wilhelm d.Ä. (1770-1815) bestehen? Um den Friedrich-Wilhelm v. Clar aus den militärischen Ranglisten kann es sich bei ihm nicht handeln, denn dieser ist bereits 1805 verstorben. Jedoch könnte dieser mit dem Friedrich Wilhelm v. le Clair, dem anderen Ingenieurkapitän neben Gottlieb August le (bzw. de bzw. von) Clair, identisch sein. Doch das bringt uns leider nicht weiter, was „unseren“ Unterförster Friedrich Wilhelm betrifft. So scheint es mir doch naheliegender zu sein, in ihm entweder einen „Fehltritt“ des Gottlieb August (1730-1778) im Alter von vierzig Jahren mit einer Hausangestellten auf den Ländereien seiner Frau, der mutmaßlichen polnischen Gräfin Anna Rosine von Dobrakowska, zu vermuten. Oder „unser“ Friedrich Wilhelm ist ein unehelicher Abkömmling einer der hugenottischen Demoiselles le Clair, die im frühen bis mittleren 18. Jahrhundert in Berlin lebten.

Bei Wikipedia heißt es:
„Das uneheliche Kind führt meist den Familiennamen der Mutter; war die Mutter in historischer Zeit adelig, dann ohne Adelsprädikat, doch sind die Fälle nicht selten, dass es nach Anerkennung der Vaterschaft den Familiennamen des Vaters annimmt (oder diesen durch spätere Eheschließung der Eltern erhält). Aber auch nach dieser Legitimation kam es in vergangenen Jahrhunderten vor, dass das auf den Namen der Mutter getaufte Kind deren Geburtsnamen beibehielt.
Bei sehr ungleichem sozialen Stand legitimierten die Väter ihre unehelichen Kinder nicht selten durch Eheschließung auf dem Sterbebett oder durch eine Ehelichkeitserklärung.
In der Genealogie werden Uneheliche auch illegitime Kinder (wörtlich: ‚unrechtmäßig‘) genannt und sind mit ihren wenigen Personalangaben, auch bezüglich der Mutter, oft sogenannte Tote Punkte. Nach dem Willen Josephs II. sollten im Habsburgerreich Väter von unehelichen Kindern ab 1784 nur auf eigenen Wunsch in den Matriken eingetragen werden. Viele Pfarren, die hier von 1784 bis 1938 Standesamtsfunktion hatten, legten jedoch eine eigene Liste für die Väter an.[8] Für Pfarrer war eine zu frühe Geburt früher gelegentlich Anlass, nachträglich das Wort „Jungfrau“ im Traubuch zu streichen. Waren die Schwängerung bzw. der voreheliche Geschlechtsverkehr bereits bei der Trauung bekannt, so fand die Hochzeit in der Regel „in der Stille“ und „ohne Sang und Klang“ statt. Wegen der größeren Kindersterblichkeit bei den vom Milieu häufig benachteiligten Unehelichen sind sie in Ahnenlisten weit seltener vertreten, als man auf Grund dieser Prozentzahlen erwarten könnte.
Im 18. Jahrhundert betrug der Anteil der unehelichen Geburten auf dem Land oft mehrere Prozent, dort, wo die Heirat dem Bauern vorbehalten war und Dienstboten prinzipiell nur unehelich zeugen konnten.
In Württemberg wurde 1807 die Freiheit der Eheschließung verkündet, in Bayern 1808 ein liberaleres System der Ehekonzessionierung eingeführt. Auf Druck der Kommunen, da mit der Ehe das Bürgerrecht und die Unterstützung im Falle der Armut eng verbunden war, und in Eindruck der Pariser Julirevolution von 1830 wurden wieder restriktive Verehelichungsbeschränkungen geschaffen und nach der Revolution von 1848 nochmals verschärft. Vor der Reichsgründung gab es nur in Preußen, in Abstrichen auch in Sachsen, der linksrheinischen Pfalz und einigen Duodezfürstentümern weitgehende Ehefreiheit. In Württemberg mussten Vermählungswillige vor der Reichsgründung 1871 ein gemeinsames Vermögen von 1000 Gulden nachweisen. Eine Verehelichungs-Kommission prüfte dies, aber auch das Verhalten und die „Aufführung“ der Brautleute. Dem Gesuch musste ein Zeugnis des Arbeitgebers beigelegt werden, aus dem die Verdiensthöhe, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und das allgemeine Betragen hervorgehen sollte. Durch solche Hemmnisse wurden in Württemberg vor 1871 17 % aller Kinder unehelich geboren, in Bayern 25 %. Nach Einführung der Ehefreiheit halbierten sich die Zahlen innerhalb weniger Jahre.
Um 1900 erreichte der Anteil der unehelichen Geburten in Städten wie Leipzig und Dresden fast 20 Prozent. Seit den 1950er-Jahren steigen die Unehelichkeitsraten wieder enorm an, was mit der Abnahme der Ausgrenzung von Mutter und Kind einherging, und erreichen regional wieder Werte um 50 %.
Je nach kulturellem und sozialem Umfeld galten und gelten uneheliche Geburten als Schande für die Mutter und das Kind. Uneheliche Kinder hatten zeitweise Sanktionen zu tragen, beispielsweise nicht in die Handwerkergilden aufgenommen zu werden. Begründung war die Leute damit von fleischlichen Verbrechen abzuhalten, da sie wissen mussten, dass auch ihre dadurch gezeugten Söhne bestraft werden.
Auch kirchliche Weihen konnten sie nicht empfangen. In der römisch-katholischen Kirche galt die uneheliche Geburt bis 1983 als Weihehindernis für die Priesterweihe.
Ab dem 12. Jahrhundert besannen sich die Herrscher auf Regelungen aus dem römischen Recht. Die illegitimen konnten mit kirchlichen Dispensen und herrschaftlichen Legitimierungen teilweise behelfen.
Einige Heimatfilme der 1950er und 1960er Jahre nahmen sich des Themas der unehelichen Kinder an. Bis in die 1970er Jahre hinein war es üblich, zwischen „ehelichen”, „scheinehelichen” und „unehelichen” Kindern zu unterscheiden. Veraltete, heute beleidigende Bezeichnungen für uneheliche Kinder sind Bastard und Bankert. Auch die Redewendung Kind und Kegel bezieht sich auf eheliche und uneheliche Kinder.“

6. Der Ingenieurkapitän le Clair
Noch einige interessante Details konnte ich über das Leben des Ingenierkapitäns Gottlieb August v. le Clair in Erfahrung bringen:
Zunächst spielte er offenbar eine Rolle bei der Urbarmachung und insbesondere der Karthographierung des Wartebruchs in der Neumark, die zwischen 1767 und 1782 erfolgte.

„Das Warthebruch ist eine Sumpf- und Moorlandschaft in der ehemaligen Brandenburger Neumark, heute in der Woiwodschaft Lebus, Polen. … Der preußische König Friedrich II. beauftragte Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff mit der Trockenlegung und Urbarmachung der Region zwischen den Städten Küstrin und Landsberg (Warthe). Die Trockenlegung fand 1763 bis 1767 analog zu der Trockenlegung des Netzebruches und ähnlich dem des Oderbruches statt. Hierdurch konnte für den preußischen Staat 95.201 Morgen urbares Land geschaffen werden.“ ( http://de.wikipedia.org/wiki/Warthebruch)

Der Ingenieurkapitän le Clair findet sowohl Erwähnung auf S.7 im Aufsatz von Paul Schwartz, „Die Urbarmachung des Warthebruchs in den Jahren 1767-1782“ in: Die Neumark. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Neumark, Heft 6, 1929 (http://wiki-de.genealogy.net/Jahrbuch_Die_Neumark_06_%28Namensindex%29) als auch im Aufsatz von E.Schwandt „Die Karthographie der Neumark in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (S.1-83) in: Die Neumark. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Neumark, Heft 10, 1935, S.1-83, gleich viermal auf S. 12, 14, 64 und 77 (http://wiki-de.genealogy.net/NeumarkDB_reg_nm10).

Außerdem gibt es noch zwei ausführliche Schreiben Friedrich des Großen an seinen Etats-Minister von Zedlitz, in welchen der Ingenieur-Capitän le Clair, also vermutlich wieder Gottlieb August, jeweils einmal erwähnt wird. Wir finden Sie wieder in Anton Balthasar König – Versuch einer historischen Schilderung der Hauptveränderungen, der Residenzstadt Berlin, Theil 5, Berlin 1800 auf S.347 ff.:

Brief von König Friedrich II.:
Mein lieber Etats-Minister von Zedlitz!
Da Ich für gut befunden, den Professor Marsson in meine Dienste zu nehmen, um ihn zu Berlin, zum doppelten Gebrauch dergestalt zu bestellen, als Erstens, daß er die jungen Offiziers, von der dortigen Garnison, welche bisher bei dem Kapitän, Le Clair gelernet (Hervorhebung von mir), in der Fortifikationsbaukunst, unterrichten, und zweytens seine übrige Stunden dergestalt einrichten soll, daß er auch an junge Leute bürgerlichen Standes, von Genie, Lektiones geben kann, da er denn in zwei Klassen unterscheiden soll, nehmlich zu der ersten Klasse, solche Leute die ein vorzügliches Genie, und Verstand zeigen, und zu der Fortifikations-Baukunst, mehr incliniren, und zu der anderen Klasse, dergleichen Subjekte, die mehr Lust haben, zu Kondukteurs und Ingenieurs für die Kammern, sich zu appliciren, welchen letztern er denn, besonders in dem Nivellement recht gründliche Anweisung geben soll; So habe ich Euch solches hierdurch bekannt machen, und Euch zugleich aufgeben wollen, diese Sache mit dem Professor Marsson gehörig zu arrangieren, und vorzüglich darauf zu sehen, daß zu denen, so die Geometrie erlernen wollen, Leute bürgerlichen Standes, von Begriffen und Verstand, und die noch jung, von 7 und 8 Jahren sind, ausgesuchet werden. Im übrigen werde ich dem Marsson wohl ein besonderes Trakrement anweisen, und solchergestalt den Meister bezahlen. Es gehen mich aber die übrigen etwa erforderlichen Kosten nichts an, sondern solche müssen die jungen Leute, so Lust haben, was zu erlernen, selbst über sich nehmen. Ihr habt euch demnach mit dem Professor Marsson über alles näher zu concertiren, und eine ordentliche Einrichtung zu treffen, und hiernächst wie die Sache reguliret worden, Euren Bericht zu erstatten. Ich bin Euer wohl affectionierter König.
Potsdam den 20. October 1775.
Friedrich.

Maarsson fertigte darauf einen Plan von dieser neuen Ekole de Genie an, worinnen er die drey französischen Etablissements, nemlich die Ekole de Genie, de Mezieres, die Akademie d‘ Architecture, und die Ekole des Inspecteurs de Pons et Chaussees zu vereinigen wünschte, und dem zur Folge denen Offiziers täglich zwei Stunden, denen jungen Leuten bürgerlichen Standes aber, zwei bis vier Stunden geben, und mit ihnen alle Theile der angewandten Mathematik, als Optik, Mechanik, Hydrostatik und Hydraulik durchgehen wollte. Der Minister aber schlug übrigens die Kosten zu dieser neuen Anstalt, wobei auch ein Zeichenmeister angestellt werden sollte, das Gehalt für den Marsson mit einbegriffen, auf vier bis fünf tausend Thaler an.

(Der Etat wird in allen Einzelheiten aufgeführt.)

Der Monarch aber nahm diesen Etat nicht an, und musste der Minister folgendes für Schlosser- und Tischlerarbeit, in den nachmals auf dem Schlosse angewiesenen Zimmern, die Kosten aus seiner Tasche bezahlen. Uebrigens erhielt derselbe im November d.J. folgendes Kabinetsschreiben.

„Mein lieber Staats-Minister Freyherr von Zedlirt. Auf Eurem gestrigen Bericht, wegen der daselbst zu errichtenden Sale de Genie, will ich Euch nachstehendes zur vorläufigen Direktion nicht verhalten. Zuförderst finde ich nicht nöthig, eine besondere Wohnung dazu zu miethen. Mein Ingenier-Capitän le Clair (Hervorhebung von mir), hat zur Unterweisung der Offiziers im dortigen Fürstenhause, einige Zimmer inne gehabt; und diese können nunmehr den Marsson, zu dieser Sale de Genie angewiesen werden. Hiernach muß , zu denen Eleven, eine sehr behutsame Auswahl getroffen werden. Tumme Teufels müssen sich darunter eben so wenig, als Windbeutels einschleichen. Nur offenen Köpfen, und jungen Leuten von Application, und guter Erziehung, soll der Zugang dazu offen stehen. Ich glaube dahero, daß man sich, auf Berlin, wo die Erziehung größtenteils schlecht ist, nicht einschränken, sondern aus denen Provinzen, dergleichen junge Leute aussuchen muß. Ich rechne auf jeden, etwa Einhundert Rtl. Jährlich, und denke, diese Summe wird hinlänglich seyn…
Ich bin Euer wohl affectionierter König.
Potsdam den 18. Novemb. 1775
Friedrich“

Bei so eingeschränkten Aussichten, mußte sich der Minister so gut helfen, als möglich. Es kam dahin, daß Marsson, auf dem königlichen Schlosse, wo ihm ein Zimmer eingeräumt wurde, Unterricht gab, und wenn der König im Winter zum Karnaval nach Berlin kam, mußten ihm die in dieser Schule befindliche Offiziere, wozu auch einige aus fremden Garnisonen gezogen wurden, ihre Ausarbeitungen und Zeichnungen vorlegen, und sprach sie auch wohl selbst. Dies währete bis zum Tod des Monarchen. (1786; Anm. d.Verf.) Sein Nachfolger legte die Ekole de Genie in Potsdam an, wozu der Major von Scheel aus dänischen Diensten, berufen wurde, um darüber die Aufsicht zu führen. Marsson kam anfänglich auch dahin, überwarf sich aber, und ging nach Berlin zurück, wo er seine Pension, ohne dafür zu arbeiten, verzehrte. Dieser Mann war ein geborener Franzose, sein Körper verwachsen, und kaum drei Fuß hoch, glich einem Aesop, und hatte nur ein Auge. Demohnerachtet war er äußerst lebhaft und witzig. Ob er sein Fach verstanden hat, kann ich nicht entscheiden; so viel ist gewiß, daß er durch seinen Unterricht keine Beispiele gegeben hat, daß daraus großer Nutzen entstanden wäre. Nach seinem Tode ward sein Gehalt zu der neuen Schule gezogen, welche der Obrist von Tempelhof für die Artillerie anlegte. – Der jetzige Major des Ingenieurkorps, Müller, ließt auf königlichen Befehl gegenwärtig Kollegia, für eine Auswahl von Officieren, von denen in Berlin und in der Churmark Brandenburg garnisonirenden Infanterieregimenter, wodurch bereits wesentlicher Nutzen für die Armee gestiftet, und mancher Kopf von Anlagen, für den Dienst des Königs mit Vortheil ausgebildet worden ist. (http://books.google.de/books?id=odcAAAAAcAAJ&pg=PA385&lpg=PA385&dq=s%C3%A4nften+berlin+v.+clair&source=bl&ots=t9Egoa-pBV&sig=NEgsReHWWlInr_c77Q25vHTU9UU&hl=de&sa=X&ei=fOxhUczuA4jpswaQ7ICwAw&ved=0CDMQ6AEwATgo#v=onepage&q=%20clair&f=false)

Es bleibt natürlich zu fragen, warum Gottlieb August le Clair seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Ausbilder der jungen preußischen Offiziere im Jahr 1775 im Alter von 45 Jahren, drei Jahre vor seinem frühen Tod, abbrach oder abbrechen musste. Zwangen ihn gesundheitliche Gründe dazu? Musste er sich anderen Aufgaben widmen? War etwas vorgefallen, das ihn in königliche Ungnade hatte fallen lassen? Doch kann zumindest eines als sicher gelten: Etwaige Seitensprünge oder uneheliche Kinder dürften hierbei kaum eine Rolle gespielt haben, denn unter König Friedrich herrschte in dieser Hinsicht in Preußen eine große Liberatität.
Schließlich wird G.A. v. Clair auch noch als Übersetzer eines weiteren Buches aus dem Französischen „auf höchsten Befehl“ angeführt, nämlich von: Marsch. V. Vauban: Abh. v. d. Vertheid. d. Festungen. (http://books.google.de/books?id=cjYPAAAAYAAJ&pg=RA2-PA41&dq=%22v.+Clair%22+-st.&hl=de&sa=X&ei=4UJjUbTeKMHQtQb914CIBQ&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q=%22v.%20Clair%22%20-st.&f=false) Daneben hatte er ein Buch über die Kriegskunst Ludwigs XIV. aus dem Französischen ins Deutsche übertragen.

7. Die Clairs in Schlesien
Bleibt noch der Jäger Clair (Jahrgang 1759) aus dem ominösen Möllendorf, der Wildschweinbezwinger. Vor einigen Monaten scheiterten wir noch an der räumlichen Zuordnung Möllendorfs. Mittlerweise hat Kathi, die Freundin bzw. Frau unseres entfernten Verwandten Andreas Z., zwei benachbarte winzige Orte namens Möllendorf in Schlesien entdeckt, so wie es im Zeitungsbericht auch angegeben war. Im „Güteradressbuch Schlesien 1873/Sagan“ finden sich:

Möllendorf, Ober-
Größe
378 Morgen (davon 325 Acker, 48 Wiesen , 5 Wald )
Grundsteuer
338
Besitzer
Louis Napoleon Herzog von Sagan und Valency in Valency und Sagan
Pächter
Amtmann Fischer in

Möllendorf, Unter-
Grundsteuer
333
Besitzer
Louis Napoleon Herzog von Sagan und Valency in Valency und Sagan
Pächter
Amtmann Fischer in (http://wiki-de.genealogy.net/G%C3%BCteradressbuch_Schlesien_1873/Sagan#M.C3.B6llendorf.2C_Ober-)

 

An dieser Stelle ist noch einmal daran zu erinnern, dass der Sohn des Jägers Friedrich Wilhelm d.J., der Jäger Otto Wilhelm Claer (1859-1937) mit seiner Familie in den 1890er Jahren nach Ober-Leutmannsdorf (Kreis Schweidnitz) in Schlesien ausgewandert ist.
Andreas Z. kommentierte den Fund sogleich mit den Worten: „Sagan liegt nicht weit von unserem Leutmannsdorf entfernt, in dem meine Oma geboren wurde.“ Er hatte ohnehin schon zuvor die Annahme geäußert, dass in der Gegend von Leutmannsdorf/Schlesien bereits verwandte Claers gewohnt hatten, als sein Urgroßvater Otto Wilhelm Claer aus Ostpreußen dorthin zog. Er hatte insbesondere eine Emma Claer im Auge, die wohl bei Ankunft der Familie des Otto Wilhelm bereits dort gelebt haben soll. Für sie hatte es aber bislang keine Zuordnung gegeben. Sie könnte ein Abkömmling des Wildschweinbezwingers sein.

Es lassen sich aber auch schon einige Jahrzehnte  vor dem Wildschweinbezwinger Klärs in Schlesien nachweisen. Die folgenden Bauernlisten von Schirmke aus dem Staatsarchiv Breslau zeigen außerdem, wie sich die Namens-Schreibweise in jeder Zeit fast schon beliebig verändert hat:

“Bauernliste” 1723 (http://wiki-de.genealogy.net/Schirmke)
§    Adam KLÄR, Richter (Hervorhebung von mir)
§    Thomas HERDE
§    Hannes FÜLBIER
§    Georg FÜLBIER (MASE)
§    Marianne FÜLBIER (Franzepold)
§    Thomas GRUHMANN (Richard FÜLB[IER])
§    Lorenz ROTHER (Selmes und Josefes)
§    Martin ALBERT (ALKER)
§    Michael BROSCHE
§    Georg Kretschmer FÜLBIER (Ernstes)
§    George MELTZER (ALBRECHT)
§    Martin FÜLBIER (KLEHR Gustav)
§    Lorentz OTHO (PAWELKE)
§    Martin FÜLBIER (WILLISCH)
§    Valentin HAMPEL [1712 aus Zauchwitz]
§    Georg NÖLSCHER (FÜLBIER Leo)
Quelle: Staatsarchiv Breslau, Akten 201c, Kath.-Arch.B.103 und 113 in “Chronik von Schirmke” von Josef Pawelke, Dortmund 1962

Bauern des Katasters 1743 (Ebd.)
§    Jakob KLEER (Hervorhebung von mir)
§    Juditha HERDIN
§    Anna FÜLBIERin
§    Marie FÜLBIERin
§    Marting FÜLBIER olim Marianne
§    Martin GRUHMANN olim Thomas
§    Lorentz ROTHER
§    Eva ALBERTin olim Martin
§    Juditha FÜLBIERin olim George
§    Jakob BROSCHE olim Miachael
§    George MELTZER
§    Martin FÜLBIER
§    Martin WIRTH olim Lorenz OTTO
§    Franz FÜLBIER olim Martin
§    Valentin HAMPEL
§    Georg NÖLSCHER, Richter
§    Georg LAMICH
Quelle: Staatsarchiv Breslau, Akten 201c, Kath.-Arch.B.103 und 113 in “Chronik von Schirmke” von Josef Pawelke, Dortmund 1962

Demnach könnte auch bereits in ganz früher Zeit, also vor 1723, schon eine Abwanderung z.B. aus Berlin nach Schlesien erfolgt sein, von dort vielleicht eine Migration in Teilen der Familie nach Ostpreußen und durch den besagten Otto Wilhelm Claer auch wieder zurück nach Schlesien.
Als ein Bindeglied zwischen Berlin und Schlesien oder auch alternativ als hugenottischer Einwanderer direkt nach Dresden (die es ja auch gegeben hat) könnte der in einem Ahnenforschungsforum diskutierte Oberst le Clair in Dresden im Jahr 1730 angesehen werden. Konkret äußert sich ein Internetnutzer namens Günter Claus am 12.2.2013 um 17.35 Uhr wie folgt:

Oberst le Clair ,Dresden, 1730 ,französisch reformiert. Hugenotte? (http://forum.ahnenforschung.net/showthread.php?t=82516)

Die beiden Antworten im Forum sind aber nicht weiterführend.
Außerdem habe ich noch zwei aus Schlesien stammende Personen mit dem Namen Klehr gefunden, die aber wenn, dann eher eine wenig schmeichelhafte Verwandtschaft wären.
Zum einen ist da Josef Klehr (* 17. Oktober 1904 in Langenau, Oberschlesien; † 23. August 1988 in Leiferde). Er war ein deutscher SS-Oberscharführer und SS-Sanitätsdienstgrad (SDG) im KZ Auschwitz I. (http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Klehr) Weiter heißt es bei Wikipedia:

„Josef Klehr wurde als Sohn eines Erziehers geboren. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er das Tischlerhandwerk. Bis 1934 arbeitete er als Tischlergeselle. Ende 1934 (nach einem vergeblichen Versuch, als Erzieher in der gleichen Anstalt, in der sein Vater tätig war, unterzukommen) wurde er Pfleger in der Heil- und Pflegeanstalt in Lebus. Ab 1938 übernahm er eine Stelle als Hilfswachtmeister im Zuchthaus Wehlau.
Bereits im Herbst 1932 war Klehr der SS und der NSDAP beigetreten. Im August 1939 wurde er zur Waffen-SS eingezogen. Er kam zur Wachmannschaft des KZ Buchenwald. 1940 wurde Klehr als SS-Sanitäter ins KZ Dachau versetzt, wo er sowohl im Häftlingskrankenbau als auch im SS-Revier tätig war. Im Oktober 1941 wurde er zum SS-Unterscharführer befördert und ins KZ Auschwitz abkommandiert. Dort wurde er zunächst im Häftlingskrankenbau des Stammlagers als leitender Sanitäter eingesetzt. (…)
Klehr war berüchtigt für sein „Abspritzen“ (Mord durch Phenolinjektion in den Herzmuskel) von Häftlingen. (…)
Klehr liebte es, nach der Untersuchung der kranken Häftlinge durch den Lagerarzt weitere Häftlinge in den Krankensälen des Häftlingskrankenbaus für die Tötung durch Phenol auszusuchen, sowie der Lagerarzt das Lager verlassen hatte. Dabei ging er durch die Krankenblocks und wählte willkürlich jüdische Häftlinge aus […] [Er] hatte eine Vorliebe für gerade Zahlen. Er wollte die Zahl der durch den Lagerarzt zur Tötung ausgewählten Häftlinge ‚nach oben aufrunden‘.“
Klehr war, ab Frühjahr 1943 als Leiter des Desinfektionskommandos, an den Massenmorden in den Gaskammern direkt beteiligt. In einer Reihe von Fällen hatte er das Zyklon B in die Gaskammern hineingeschüttet, nachdem „jüdische Menschen, die mit einem Reichssicherheitshauptamt-Transport kamen, dort eingeschlossen waren.“[1]
Am 20. April 1943 wurde Klehr für seine „Verdienste“ mit dem Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. Ab Juli 1944 leitete er den Häftlingskrankenbau im Nebenlager Gleiwitz I und war für den sanitären Bereich der Nebenlager Gleiwitz I bis IV verantwortlich. Im Rahmen der Evakuierung des KZ Auschwitz, zwischen dem 17. Januar und dem 23. Januar 1945, bewachte Klehr eine Häftlingskolonne und begleitete diese in das KZ Groß-Rosen. Dort wurde er einem SS-Kampfverband angeschlossen und kam gegen Kriegsende über die Tschechoslowakei nach Österreich.

In Österreich geriet Klehr im Mai 1945 in amerikanische Gefangenschaft. Er wurde ins Kriegsgefangenenlager nach Böblingen verbracht und von einem Lagergericht wegen Zugehörigkeit zur SS zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt.
Im März 1948 wurde er aus dem Arbeitslager nach Braunschweig entlassen. Dort arbeitete er bis zu seiner erneuten Verhaftung im September 1960 als Tischler. Zu diesem Zeitpunkt war er verheiratet und hatte zwei Kinder.
Im 1. Auschwitzprozess, der am 20. Dezember 1963 vor dem Schwurgericht in Frankfurt am Main aufgenommen wurde, wurde er im August 1965 zu lebenslangem Zuchthaus und weiteren 15 Jahren Zuchthaus wegen Mordes in „allermindestens 475 Fällen“ und Beihilfe zum Mord in mehreren Tausend Fällen verurteilt. Zudem verlor er die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. Am 25. Januar 1988 wurde die Strafvollstreckung wegen Vollzugsuntauglichkeit ausgesetzt, am 10. Juni 1988 wurde dann der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt. Klehr starb wenige Monate später.“ (Ebd.)
Auch im Theaterstück „Die Ermittlung“ von Peter Weiß heißt einer der Nazi-Aufseher in Auschwitz Klehr. Es ist anzunehmen, dass Josef Klehr hier Vorbild gestanden hat.

Der andere Klehr aus Schlesien ist  Nikolaus Walther Klehr (* 1944 in Breslau), ein Dermatologe mit Praxen in München und Salzburg. Er ist wegen einer fragwürdigen Therapieform für Krebserkrankungen, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, umstritten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Klehr)

Weier heißt es bei Wikipedia: „Nikolaus Walther Klehr wurde 1944 in Breslau als Sohn der Eheleute Walter und Agnes Klehr geboren. Er absolvierte ein Studium der Humanmedizin und Biologie an den Universitäten Heidelberg und Frankfurt am Main. Seinen von einer peruanischen Universität verliehenen Professorentitel darf er nach einem Urteil des Landgerichts München nicht mehr führen.“ (Ebd.)
Berühmt bzw. berüchtigt ist die umstrittene „Krebstherapie nach Klehr“. „Klehr ließ 1991 eine Eigenbluttherapie unter der Bezeichnung Autologe Target Cytokine, kurz ATC, patentieren…. Die Behandlung in Klehrs Salzburger Praxis mit täglichen Infusionen kostet, nach Angaben von Patientenangehörigen, zwischen 13.000 und 35.000 Euro. Die Übernahme der Kosten für die Autologe Target Cytokine-Behandlung nach Klehr durch die deutschen gesetzlichen Krankenkassen ist in der Anlage II der Richtlinie Methoden in der ärztlichen Versorgung des Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossen.
Wissenschaftler der Deutschen Krebshilfe fanden keinerlei Nachweis für die behauptete Wirksamkeit von Klehrs „Wundermittel“. … Hans Hege, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, bezeichnete 1998 Klehr als einen „Scharlatan, der mit der Hoffnung von Krebskranken Geld macht“. (Ebd.)

8. Die Klärs, Le Clercs und Le Clairs in der Neumark und der Uckermark
Doch nicht nur in Schlesien, auch in anderen ehemals preußischen Gebieten finden sich Hinweise auf Hugenotten mit Namen Clair in diversen Schreibweisen, die auf eine frühe Abwanderung einzelner Familienmitglieder aus Berlin hindeuten. Vom Müller Carl Friedrich Klähr (Klehr, Claire), geb. 1791/92, aus Zielenzig war bereits mehrfach die Rede.
Im Tauf- und Trauregister 1581-1827 von Königsberg (Neumark) (Nicht zu verwechseln mit der preußischen Metropole Königsberg, heute Kaliningrad. Die Kleinstadt Königsberg/Neumark heißt heute Chojna und liegt direkt hinter der deutsch-polnischen Grenze in Westpolen.) gibt es den Eintrag:

Klär; 1749; 1813 (http://wiki-de.genealogy.net/K%C3%B6nigsberg_%28Neumark%29/Tauf-_und_Trauregister_1581-1827_%28Namen%29)

Wenn die Geburt dieses Namensträgers nicht schon im Jahr 1749 und somit bereits anderthalb Jahrzehnte vor Beginn der Trockenlegung des Warthebruchs erfolgt wäre, hätte man auf den Gedanken verfallen können, dass der Ingenieurkapitän Gottlieb August le Clair hier seine Hand im Spiel gehabt haben könnte.
In Strasburg in der Uckermark, der heute einzigen uckermärkischen Ortschaft im Bundesland  Mecklenburg-Vorpommern, hat es zu verschiedenen Zeiten Einwohner des Namens Le Clerc / Le Clair gegeben.

Strasburg

„Im 17. Jahrhundert wurde die Einwohnerzahl der Stadt durch den Dreißigjährigen Krieg, Stadtbrände und die Pest zeitweise auf 200 dezimiert. Mit der Ansiedlung von 244 Glaubensflüchtlingen aus Frankreich, den Hugenotten, Ende des 17. Jahrhunderts begann die wirtschaftliche Erholung Strasburgs.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Strasburg_%28Uckermark%29)

Im digitalisierten Buch: „Französische Ackerbauern aus der Pfalz und der Uckermark in Ostpreußen“ von Dr. Siegfried Maire, Berlin 1939, Verlag des Deutschen Hugenottenvereins, stellt der Verfasser die Kolonistenlisten von Strasburg aus den Jahren 1691 und 1700 vor. Sie enthalten die Namen de Frenne, Dubois, Galle, Gobare, L’Allemand, Legrand, Rogé für das Jahr 1691 und  Defrene, Goubart, Leclair (Hervorhebung von mir), Roger für das Jahr 1700. Der Autor versucht anhand von Namensähnlichkeiten der Einwohner von Warnehlen, Groß-Berschkurren, Bibehlen und Guddatschen in Ostpreußen aus den Jahren 1717 ff. den Nachweis, dass es zu jener Zeit eine Auswanderungswelle aus Strasburg nach Ostpreußen gegeben habe. Allerdings finden sich in den genannten ostpreußischen Orten nur die Namen Jean Leauclair, Joh. Leauclair, Heinrich Laucklair, Isaac Leauclair, Abr. Lauclair und Hans Lauclair. (http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2006/3544/pdf/A008723060.pdf) Ob sich aber Leauclair, Laucklair und später Lockler wirklich ursprünglich von Le Clair ableiten lassen, ist schon deshahlb äußerst fraglich, weil die französischen Namen bei ihrer Eindeutschung eigentlich immer vereinfacht, aber niemals verkompliziert worden sind.  (So auch die Forum-Kommentare unter http://forum.ahnenforschung.net/archive/index.php/t-27612.html.) Darüber hinaus leitet sich die Familie Loclair in Ostpreußen ausschließlich vom Schweizer Einwanderer Abraham Loclair ab, dessen Genealogie noch in der Schweiz bis zu seinem Großvater Jean Loclair, geb. ca. 1624, zurückgeht. (Ebd.)

Am 21. November 1723 heirateten in Strasburg in der Uckermark Sara und Jean Wendel Kaufmann, letzterer ein Sohn des Jacob Kaufmann und seiner Mutter Anne Clair. (http://www.hugenotten-uckermark.de/genealogyen/efieret/eFIg03.htm)

Am 4. Januar 1761 wurde in Strasburg in der Uckermark eine Susanne Le Cerc als Tochter von Jacques Le Clerc und seiner Frau Marie Magdelaine Travernier geboren. Am 15. April 1967 folgte ihre Schwester Marie Le Clerc. Susanne Le Clerc starb am 5. März 1835 ebenfalls in Strasburg in der Uckermark. ( http://www.hugenotten-uckermark.de/Genealogiedt/defrenne/DEFg06.htm#3333)

In den Kirchenbüchern/Seelenlisten für Strasburg in der Uckermark von 1785 erscheint schließlich ein Jacob le Clair, Beruf: Ackermann.

Und zu guter Letzt noch ein Zitat aus dem Buch von Martin Düspohl, „Kleine Kreuzberggeschichte“, Berlin-Story Verlag:

„Die Besetzung Berlins durch Napoleon war für die Berliner Hugenotten sogar ein Anlass, ihre französische Identität abzustreifen und sich als Preußen zu definieren. Ein Henri Lejeune nannte sich plötzlich Heinrich Junge, Francois Chanalle Franz Schnalle und Charles Leclerc Karl Klericke (Hervorhebung von mir).“ (http://www.kreuzberger-chronik.de/chroniken/2009/november/geschichten.html)

9. „Moppel“ Claer – unsere peinliche Verwandtschaft?
Als abschließende „Krönung“ dieser Ausführungen kommen wir nun zu Hans Henning Claer (1931-2002), Spitzname: „Moppel“ Claer, dem Sohn des Erich Claer, eines Vetters meines Großvaters Gerhard Claer.
Auch wenn er wohl überwiegend als „schwarzes Schaf“ der Familie angesehen worden sein dürfte, so handelt es sich bei ihm doch um einen echten Prominenten, denn er ist immerhin der Einzige aus der preußisch-hugenottischen Linie unserer Familie, über den es einen Wikipedia-Eintrag gibt. (Bei den beiden schlesischen Klehrs, dem KZ-Massenmörder und dem Scharlatan-Krebsarzt, ist die Verwandtschaft – glücklicherweise – unsicher, siehe oben.)
Wikipedia stellt ihn wie folgt vor: „Hans Henning Claer, auch bekannt als Moppel Claer (* 30. Dezember 1931 in Berlin; † Dezember 2002 in Bergkamen), war ein deutscher Schriftsteller. Leben: Ursprünglich Boxer, Bergmann und Polizist, wurde Claer in den frühen 1970er Jahren bekannt durch seine derben Romane, die das Milieu des Ruhrgebiets zum Hintergrund haben und das Bild eines auf Maloche (Arbeit), Sex und Alkoholkonsum reduzierten Lebens in den Zechensiedlungen zeichnen. (…)
Claers Bücher dienten als lockere Vorlage für die Laß jucken, Kumpel-Reihe von insgesamt sechs Sexfilmen, die in den Jahren 1972 bis 1975 und 1981 entstanden und in denen er selbst mitspielte. Er verstarb im Dezember 2002, nachdem er als Folge eines Schlaganfalls nahezu 15 Jahre lang bettlägerig und gegen Ende seines Lebens ein Pflegefall gewesen war. Werke: Autobiografie: Bulle, Schläger, Nuttenjäger. Rowohlt, Reinbek 1987, ISBN 3-499-15892-2. Romane: Laß jucken, Kumpel. März Verlag, Frankfurt/M. 1971, ISBN 3-499-15048-4. Das Bullenkloster. März Verlag, Frankfurt/M. 1972, DNB 720097053. Bei Oma brennt noch Licht. März Verlag, Frankfurt/M. 1979, DNB 800751485.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Henning_Claer)

Foto Hans-Henning-ClaerHans Henning Claer mit seinem handgeschrieben Manuskript und dem Buch “Lass jucken Kumpel” Foto: Ulrich Bonke

Ich war natürlich bereits vor etlichen Jahren im Internet auf ihn gestoßen, hielt aber eine Verbindung zu unserer Familie damals für völlig ausgeschlossen. Doch als ich vor einigen Wochen einen indirekten Hinweis auf einen ostpreußischen Hintergrund bei ihm fand, konnte ich nicht mehr länger die Augen davor verschließen.
Es ist nämlich mittlerweile die Einwohnerliste von Groeben, Kreis Osterode/Ostpreußen des Jahres 1945 digitalisiert. Dort heißt es:
Laut vorliegenden Aufzeichnungen wohnten in dieser Gemeinde noch nachstehende Personen bzw. Familien (Stand 1945):

… Claer, Erich, Berliner Kaufmann (Zweitwohnsitz) … (http://files.bildarchiv-ostpreussen.de/files/fotoalbum/dokumente/orte/Groeben.pdf)

Nach dem mir vorliegenden Stammbaum unserer Familie hatte mein Urgroßvater Georg Claer (6.5.1877-2.5.1930), der um 1900 zur Zeit des Boxeraufstands Meldereiter in China gewesen war, fünf Geschwister: neben seinem jüngeren Bruder Richard von der Post und den drei jüngeren Schwestern Armanda, Martha und Hedwig nämlich auch einen älteren Bruder, Franz Claer, verheiratet mit Emma Claer. Dieser Franz Claer d.J. war der älteste Sohn meines Ururgroßvaters Franz Claer d.Ä., des Postschaffners, der ein spätgeborener Sohn des Jägers (und vorübergehenden Chausseewächters) Friedrich Claer war. Und Franz Claer d.J. hatte mit seiner Frau Emma gem. unserem Stammbaum drei Kinder: den Sohn Erich Claer sowie die Töchter Margarete und Hildegard. Über sie gibt es im Stammbaum keine weiteren Angaben.
Nun wissen wir also, dass Erich Claer Kaufmann in Berlin war und seinen Zweitwohnsitz in Groeben/Ostpreußen hatte. Da ist die Vermutung natürlich naheliegend, dass der 1931 in Berlin geborene „Moppel“ Claer der Sohn des Erich Claer war. Zur Überprüfung dieser Annahme besorgte ich mir bei Ebay die Autobiographie von „Moppel“ Claer, „Bulle, Schläger, Nuttenjäger“ (Kostenpunkt: ein Euro plus Porto) und fand meine Vermutung voll bestätigt.
Die Lektüre dieses Buches kostet zunächst etwas Überwindung, denn auf der Rückseite steht geschrieben: „Was ist noch schärfer als Hans Henning Claers aufgeregt diskutierte Ruhrpott-Romane ‚Lass jucken, Kumpel‘ und ‚Bei Oma brennt noch Licht‘? Seine unverblümt erzählte Lebensgeschichte!“ Auch durch die Abbildung auf der Vorderseite macht das Buch einen eher zweifelhaften Eindruck, so dass man es sich eigentlich nicht so gerne ins Regal stellen möchte. Doch glücklicherweise schildert der Autor darin nicht nur sehr ausführlich und detailliert sein ungeheuer opulentes Liebesleben, sondern auch ebenso ausgiebig seinen familiären und biographischen Hintergrund.
Sein Vater Erich Claer wurde am 6.1.1901 geboren. Er wurde leicht zornig, sein Zorn verrauchte aber auch schnell wieder. Vor dem Krieg war er Treuhandrevisor (eine Art Wirtschaftsprüfer) bei der Deutschen Bank und fuhr einen „Steyer Super 200“ mit roten Ledersitzen. Seine Frau, „Moppels“ Mutter, war eine ostpreußische Großbauerntochter. Die Familie, die außerdem aus „Moppels“ drei jüngeren Geschwistern Dieter, Lorelies und Heiner bestand, lebte in Berlin-Steglitz in einer 6-Zimmer-Wohnung, Am Fenn 14, direkt am Teltow-Kanal und am Stadtpark Steglitz. Außerdem hatte Vater Erich Claer „in Ostpreußen im Kreis Osterode eine Landwirtschaft erworben.“
Die Flucht der Familie aus Ostpreußen schildert der Verfasser wie folgt:
„ In Berlin ausgebombt, lebten wir in Ostpreußen bis zu unserer Flucht wie die Maden im Speck. … Oma Emma war zu der Zeit nicht mehr in Gröben … Meine Kaninchen trug ich auf den Heuboden, damit sie Futter hatten. … Die beiden Schäferhunde … wurden abgeknallt. Hinter dem unendlich langen Treck flüchteten Menschen per pedes. In ihrem Rücken das ewige Jaulen der Stalinorgel. Die meisten Wagen flüchteten in Richtung Frisches Haff. Sie sollten in ihr Verderben fahren. Wir entschlossen uns, nach Westpreußen weiterzuziehen. Papa war nämlich vor einem Jahr Soldat geworden und lag zuletzt bei einer Pioniereinheit in Dirschau, war inzwischen Fahnenjunker-Feldwebel. Tatsächlich trafen wir ihn an. Er, der dem Kriegsgeschehen immer skeptisch gegenübergestanden hatte, zeigte sich als wahrer Optimist, seit er den Soldatenrock trug. Fahnenflucht? Kein Gedanke! Winkend stand er hinter unserem Leiterwagen mit der Zeltplane und rief uns nach: ‚Der Iwan kommt höchstens noch bis zu uns, dann kriegt er aber Zunder…‘ In Pommern holte er, der Iwan, uns dann ein. Papa hatte es nicht geschafft, den Krieg zu unseren Gunsten zu entscheiden. … Dieter und ich drückten uns die Nasen an der Fensterscheibe platt und heulten wie die Irren. … Lorelies und Heiner, unsere beiden Kleinen, konnten das wahre Ausmaß der Katastrophe noch nicht erfassen. Unsere zarte Mutter war nun die einzige Erwachsene in der Claerschen Runde. Ich kutschierte jetzt. Trotz der eisigen Kälte hatten wir durch unsere Schafspelze genügend Schutz, und wenn ich heutzutage ein Stück Schinken und ein trockenes Brot aus der Hand esse, denke ich immer an unser gefrorenes Brot und den geräucherten, hartgewordenen Schinken auf dem Treck. Aber in Altschlawe, wo uns der Russe eingeholt hatte, verloren wir unsere letzte Habe. … In Güterwagons gepfercht lagen wir… Dieter war zäher, konnte stehen und gehen, war aber geistig weg. Arme Mama. Sie musste uns Großen helfen und hatte dabei noch die Kleinen. … Wieder hielt der Zug auf freier Strecke, wieder polnische Plünderer. … Berlin hatten wir nach vier Tagen erreicht, die Verwandten lebten.“
Später heißt es: „Wir bezogen eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung in der Steglitzer Presselstraße gegenüber von Tante Else, die Mamas Schwester ist… „

Steyr_200

Ein Steyer Super 200, wie er von Erich Claer vor dem Krieg gefahren wurde.

Ein weiterer Verwandter von Hans Henning Claer in Berlin war sein Onkel Max Sakrezewski, ein Bruder seiner ostpreußischen Oma Emma. (Von seinem Opa Franz Claer d.J. ist aber nirgendwo die Rede, wahrscheinlich lebte er nicht mehr.) Onkel Max besaß ein Konfektionsgeschäft in der Steglitzer Bergstraße. Vor dem Krieg hatte er in Neukölln gelebt, nach dem Krieg betrieb er zusätzlich noch eine Bekleidungsfabrik und lebte in einer Villa in Steglitz.
Vater Erich Claer kam abgerissen und abgezehrt und müde lächelnd aus der Kriegsgefangenschaft im Ural zurück. Bald wurde er Personalchef bei der Fa. Meyer & Co. Er war oft in der Sauna, „aus reiner Eitelkeit, weil er mit seinen einsachtzig keinen Bauchansatz zeigen wollte.“ Im Dezember 1950 holte er sich an einem nasskalten Tag eine Lungenentzündung, zuvor war er in der Sauna gewesen.
„Onkel Max sagte zu Dr. Kramer (im Krankenhaus): ‚Tun sie alles, um diesen Mann zu retten, und wenn es mich Tausende kostet.‘ Max wusste, dass seine Geschäftsführer ihn nie bescheißen konnten, wenn Papa die Hand über die Bücher hielt.“
Doch Erich Claer war nicht mehr zu retten. „Herzwasser. Rußland. Zur Lungenentzündung war ein Herzkollaps gekommen. Er überwand ihn nicht. Es wurde ein schreckliches Weihnachtsfest 1950. Am 6. Januar `51 wäre Papa fünfzig Jahre als geworden.“
So wurde Hans Henning Claer zur Halbwaise. Noch zu Lebzeiten seines Vaters, der ihn begeistert zu allen Wettkämpfen begleitete, hatte er eine steile Karriere als Boxer hingelegt. Seine Gewichtsklasse war das Fliegengewicht. Bei einer Größe von 1,72 wog er als junger Mann lediglich 64 kg. (In späterem Alter wurde er jedoch übergewichtig.) Als Boxer erreichte er im damaligen West-Berlin eine große regionale Popularität und sollte es später bis zum Deutschen Polizeimeister im Halbweltergewicht bringen.
Er legte sein Abitur auf einem Steglitzer Oberrealgymnasium ab, ließ sich das aber, ähnlich wie heute etwa Dieter Bohlen, künftig nicht mehr anmerken. Schon als junger Mann entwickelte er eine starke Neigung zum Alkohol, heute würde man sagen: zum Komasaufen. Nach eigener Auskunft verkehrte er fortan bevorzugt in Kneipen und „Bumslokalen“. Das Nachtleben im damaligen Westen Berlins in den frühen 50er Jahren schildert er in den buntesten Farben. Insbesondere seien damals große Mengen an DDR-Bürgern nach West-Berlin gekommen, um sich dort zu amüsieren. (Auf einem späteren Berlin-Besuch in den 70er Jahren musste er allerdings feststellen, dass inzwischen längst nicht mehr so viel los sei wie damals zu seiner Zeit.)
Seine besondere Vorliebe galt den Frauen. Minutiös berichtet er von unzähligen erotischen Abenteuern, die er damals in Berlin erlebt habe. Seine bevorzugte Masche, mit den Damen ins Gespräch zu kommen, sei ein Spruch gewesen, den er sich aus einem seinerzeit populären Film geborgt habe: „Entschuldigen Sie, meine Dame, darf ich Sie auf etwas Wichtiges aufmerksam machen?“ „Wieso, worauf denn?“ „Auf mich.“ Mehrfach betont „Moppel“ Claer den unbedingten Wahrheitsgehalt seiner Geschichten. Er sei nun einmal kein Aufschneider. Beispielsweise habe er die Länge seines Zeugungsorgans immer und überall korrekt mit 16 cm angegeben. „Andere hätten 20 gesagt.“ Aber er bleibe nun einmal immer bei der Wahrheit.

Nach dem Abitur tritt er in den Dienst bei der Polizei ein. Sein damals noch lebender Vater habe ihm davon abgeraten, aber er habe es trotzdem gewollt. Einerseits lobt er später den „leichten Dienst auf der Registratur“, der ihm viel Zeit und Kraft für seine amourösen Eskapaden lässt. Andererseits beklagt er aber auch sein „mieses Polizistengehalt“, mit dem er kaum seinen aufwendigen Lebensstil bestreiten kann. Die Lage bessert sich jedoch für ihn, als er eine langjährige Liebesbeziehung zu einer jungen Frau namens Eva beginnt, die in der Bellermannstraße in Wedding wohnt und einen kleinen, aber sehr gut gehenden Laden am Bahnhof Gesundbrunnen betreibt. Dort verkauft sie insbesondere Süßigkeiten an Besucher aus dem Ostsektor Berlins und der DDR. Eva verdient dabei so gut, dass sie sich schon bald ein Auto kaufen kann. Ihren Freund „Moppel“ unterstützt sie finanziell so großzügig, dass dieser weiter auf großem Fuß leben kann.
Doch immer wieder bekommt Hans Henning Claer Schwierigkeiten auf seinem Polizeidienst sowohl wegen seiner Frauengeschichten (u.a. auch Anzeigen wegen Verführung Minderjähriger) als auch wegen seines Alkoholkonsums. Als er eines Tages von seiner Mutter vor die Tür gesetzt wird und auch seine Freundin Eva ihm den Laufpass gibt, bewohnt er ein billiges Zimmer in der Steglitzer Lothar-Buchner-Straße (30 Mark im Souterrain). „Ein Zimmer, auf dessen Wänden die Tapeten Wellen schlugen.“ Als er einmal mit Grippe im Bett liegt, kommt der scharfe Zugführer vom E-Kommando zu Besuch, um nach dem Rechten zu sehen. „Das ist aber keine Wohnung für einen Beamten, Herr Claer“, spricht er entrüstet, als er die billige Einrichtung des kleinen Zimmers betrachtet.
Im November 1956 verlässt er sein „heißgeliebtes Berlin“ nach seiner „Entlassung aus der Polente“ (Grund soll der Alkohol gewesen sein), da der Lingener BC einen Boxtrainer sucht. Unter 25 Bewerbern wird er ausgewählt, später wird er Bergmann im Ruhrgebiet und kommt nach Bergkamen. In den 60er Jahren gibt es auch in Westdeutschland politische Kampagnen, die Arbeiter zum Schreiben von Literatur anregen wollen. Hans Henning Claer fühlt sich sogleich davon angesprochen und schreibt einen Roman über das angeblich bumsfidele erotische Leben der Bergkamener Bergleute und landet mit „Laß jucken, Kumpel“ einen Riesenerfolg.
Nach der anschließenden Verfilmung, die mit über 4 Millionen Besuchern ein gewaltiger Kassenschlager wird, posiert er gemeinsam mit seiner Frau Brigitte, die angeblich „immer scharf“ ist, nackt in Boulevardzeitungen. „Die Claers“ werden vorübergehend zum Skandalpaar der deutschen Filmbranche. Die Kumpel-Filme werden sogar bei den Filmfestspielen in Cannes aufgeführt, allerdings außer Konkurrenz.
Als er seine erste gemeinsame Wohnung mit seiner Frau Brigitte bezieht, heißt es: „Endlich kam von Papas Klitsche in Gröben auch der Lastenausgleich.“ So konnte er auf einen Schlag einen Kobold-Staubsauger, eine Waschmaschine und einen neuen Anzug bezahlen.
Gemeinsam mit Brigitte hat er zwei Kinder, Alwin und Regine. Sein Bruder Dieter Claer wandert nach Kanada aus und lebt heute in Florida. (http://www.mylife.com/dieterclaer) Der jüngste Bruder Heiner lebt in Düsseldorf. (http://telefonbuch-suche.com/heiner-claer-worringer-stra%C3%9Fe-40211-d%C3%BCsseldorf) Der letzte Satz seiner Autobiographie lautet: „Gott sei Dank bin ich wirtschaftlich und sozial abgesichert.“ Wie der folgende aktuelle Text aus dem Internet über Hans Henning Claer beweist, lässt sich sein Werk in erster Linie als Zeitgeistphänomen verstehen, als typisches Produkt der 70er Jahre. „Moppel“ Claer gehörte zu den wichtigsten Protagonisten der damaligen sexuellen Revolution.

claer und biggi

Hans Henning Claer mit seiner Frau Brigitte

Heinrich Peuckmann liest im Internet “Lass jucken Kumpel”
21. März 2013 |

Der wohl erfolgreichste Bergkamener Schriftsteller heißt Hans Henning Claer. Jedenfalls was die Zahlen seiner verkauften Bücher betrifft. Heute kennt kaum noch jemand diesen Namen.
Heinrich Peuckmann hat jetzt etwas daran getan, dass sein Schriftstellerkollege, den er auch persönlich kannte, nicht ganz in Vergessenheit gerät. Er hat nicht nur einen Text über Moppel Claer, wie ihn damals seine Freunde nannten, geschrieben. Er liest ihn auch vor. Das kann sich jeder zu jederzeit über  eine  MP3-Datei auf der Internetseite http://www.reviercast.de / anhören. Dort befindet sein Text „Lass jucken Kumpel“. Das ist auch der Titel von Claers erstem Roman, der Anfang der 1970er Jahre verfilmt wurde. Einige Szenen wurden damals in Bergkamen gedreht.
Hans Henning Claer lebte zunächst in Berlin. Er war dort Polizist und Boxer. Nachdem er nach Bergkamen umgezogen war, wechselte er den Beruf. Auf Grimberg 3/4 fuhr er als Bergmann ein. Vermutlich wäre das handgeschriebene Manuskript seines Erstlingsromans sofort wieder in der Versenkung verschwunden, wenn Hans Henning Claer es nicht zum Melzer-Verlag geschickt hätte. Dort landete das Werk auf dem Schreibtisch von Jörg Schröder, der wenig später den legendären März-Verlag gründete.
Schröder empfand, dass Hans Hennig Claer in der „Protokollsprache eines Polizeiwachtmeisters, der sich zum Schriftsteller berufen fühlte”, geschrieben habe. Er schickte ihm aber einen Brief mit der Aufforderung: „Lassen Sie doch diese gestelzte Sprache. Schreiben Sie, wie die Leute reden, die Leser wollen etwas vom Leben erfahren und nicht, ob Sie die Mittlere Reife geschafft haben.” (Kalender, 2008)
Ein halbes Jahr später lieferte der Bergkamener die korrigierte Fassung. Zu diesem Zeitpunkt trug das Werk noch den Titel „Glück Auf, Kumpel”. Schröder änderte den Titel in die bekannte Fassung. Er war wild entschlossen, den Roman zu veröffentlichen, und zwar so, wie ihn Claer geschrieben hatte. Der Grund: Er wollte damals die Kulturredakteure der großen Tageszeitungen, aber auch die Schriftsteller provozieren, die sich vor 40 Jahren der sogenannten Arbeiterliteratur verschrieben hatten.
Jörg Schröders Rechnung ging auf. Zur offiziellen Buchpräsentation in Dortmund 1971 hatten sich nicht nur Medienvertreter angekündigt, sondern auch Schriftsteller, die Hans Henning Claers Roman „auseinandernehmen” wollten. Doch dazu kam es nicht, wie Schröder sich erinnert. Er bat den Autor, zu dieser Pressekonferenz gleich zehn seiner Kumpel mitzubringen. Diese rissen sofort die Diskussion an sich und sprachen über die Menschen vor Ort statt über die Romanfiguren. Dazu gab es Freibier.
Film für 4 Millionen Besucher ausgezeichnet
Noch peinlicher für die Kulturwelt war dann der Film. Mit betretenen Gesichtern haben die offiziellen Besucher aus Bergkamen der Premiere im Sommer 1972 das Kino in Unna verlassen. Während man in dem Buch mit sehr viel gutem Willen noch Elemente einer Sozialreportage entdecken konnte, so wurde aus „Lass jucken, Kumpel” auf Zelluloid ein Softpornofilm.
Während sich viele Bergkamener irgendwie ein bisschen schämten, war „Lass jucken, Kumpel”, in dem Hans Henning Claer auch als Filmschauspieler debütierte, in der Bundesrepublik ein Kassenschlager. Über vier Millionen Menschen haben ihn gesehen. Er wurde deshalb sogar mit der „Goldenen Leinwand” ausgezeichnet. „Lass jucken, Kumpel” war der Start einer Serie von Softpornofilmen. In einem führte die dürftige Handlung die Kumpel aus dem Ruhrpott in die sündigen bayrischen Alpen. Auch hier befand sich der Name Hans Henning Claer auf der Besetzungsliste. Claer schrieb weitere Romane wie „Das Bullenkloster” oder „Bei Oma brennt noch Licht”. Wer sie heute kaufen möchte, muss in Antiquariaten suchen. Die Filme gibt es hingegen noch auf DVD als „Neuware”. Interessierte Kunden müssen aber nachweisen, dass sie mindestens 18 Jahre alt sind.
Zu den schärfsten Kritikern Hans Hennig Claers und seines Erstlingsromans „Lass jucken Kumpel“ gehörte der Schriftsteller Max von der Grün. „Claers Buch ist gefährlich – gefährlich volksverdummend, weil es einer Verniedlichung der Arbeitswelt dient“, schäumte der Autor in einem Beitrag für das Hamburger Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ (Grün, Der Arbeiter als Hanswurst, 1971). „Arbeitsprobleme lösen sich da mit einem steifen Penis, die Überwindung der Ausbeutung hängt davon ab, ob man die Frau des anderen beschlafen kann; der Obersteiger ist impotent, der Reviersteiger geil, so werden innerbetriebliche Schikanen auf Orgasmus-Probleme reduziert.“

Foto Hans-Henning-Claer-rechts Hans Henning Claer (rechts) in “Zwei Kumpel auf der Alm” (1974)

Nachtrag  am 6.10.2013
Unser Verwandter Andreas Z. hat inzwischen den Film mit den Taufen von 1774-1800 vollständig abfotografiert und online bei Flickr eingestellt.

http://www.flickr.com/photos/siouxphotos/sets/72157635114774687/

Zu einer Kirchenbuchseite gehören jeweils 2 Fotos.

Bisherige Funde (mit Lesehilfe durch einen kundigen Forum-Benutzer):

1799
Ludwigswalde / Christian Friedrich Klaer / 10 Eintrag des Jahres / Nov. 22. / Pater: Friedrich Wilhelm Klaer / Mater: Susanna Ademke (?) / Testes (Paten): 1. Frau ??? Gegenbein / 2. Friedrich Maz / 3. Gottlieb Maz zu Gottenf. / 4. Johann Christian Maz aus Pannerk / 5. H Herolz ??? unscharf…

1797
Ludwigswalde / 10 / männlich, ehelich / Der Haupt ??? Johann Friedrich _Clair_ ist von seiner Ehefrau Susanna
Dorothea Liedmannin (also Liedmann) – oder ähnlich – 9zehnten Februaris ein Söhnlein geboren welcher
ejusdem (also hier in Ludwigswalde) getauft wurde _Friedrich Wilhelm_.
Pathen:
1. Christian Lupgeber (???), Knecht
2. Christoph Schultz, ”
3. Johann Podels, (zwei Worte, die den Stand oder Beruf angeben; kann ich aber nicht lesen, da Flikr keine Vergrößerung zuläßt und ein Screenshot zu pixelig wird)

Die früheren Jahre sind noch nicht vollständig durchsucht.

Die folgenden Filme liegen noch „bei den Mormonen“ und werden von Andreas Z. nach und nach abfotografiert und ins Netz gestellt:
Taufen 1665-1773, Heiraten 1682-1814,Tote 1682-1813

Vorläufige Schlussfolgerung:
„Unser“ Friedrich Claer/Clair wurde geboren am 22. November 1799 als „Christian Friedrich Klaer“ in Ludwigswalde. Eltern: Friedrich Wilhelm Klaer und Susanne Hoemke. Folglich ist er ein Bruder des Johann Wilhelm Claer.
Es gab in Ludwigswalde noch mindestens einen weiteren, uns bisher unbekannten Claer, nämlich Johann Friedrich Clair (vermutlich ein Bruder des Unterförsters Friedrich Wilhelm d. Ä.), Beruf: Haupt ?, Ehefrau: Susanna Dorothea Liedmann. Deren gemeinsamer Sohn ist ein weiterer Friedrich Wilhelm Clair (nun schon der dritte), geboren am 19.2.1797.
Außerdem gab es in Ludwigswalde zu jener Zeit ausweislich der Tauflisten auch den Namen Boxhammer, allerdings nicht als Ehefrau des Friedrich Wilhelm d.Ä. Susanna Boxhammer, wie der Eintrag in der Mundia-Datenbank nahelegt.

Fortsetzung folgt.

18.2.2013: Geburtstagsrede

Liebe Gäste,

ich bitte um Nachsicht, dass ich gleich über ein Thema sprechen werde, das nicht jeden hier interessieren wird. Wenn ich es trotzdem tue, dann vor allem deshalb, weil es den heutigen Jubilar interessieren wird. Aber ich verspreche, ich werde mich kurz fassen.

Wie Franz Bernhard de Claer Napoleon in die Flucht schlug und Wilhelm Theodor v. Clair Frieden im russisch-türkischen Krieg stiftete  –

Über Sinn und Unsinn der Ahnenforschung und ein kleiner Ausflug in die Familiengeschichte

Die Familienforschung, umgangssprachlich auch als Ahnenforschung bezeichnet, hat derzeit Hochkonjunktur. Man glaubt es nicht, wie viele deutschsprachige Internetseiten und Diskussions-Foren sich inzwischen diesem Thema widmen. Und es ist ja auch kein Wunder: Immer öfter lassen sich heute einschlägige Quellen wie uralte Kirchenbücher, verstaubte Einwohner- oder Mitgliederlisten in technisch aufbereiteter Form per Mausklick im Internet einsehen, während noch vor gar nicht so langer Zeit Interessenten mitunter mühselige und kostspielige Reisen in abgelegene Archive auf sich nehmen mussten. Genealogische Datenbanken enthalten mittlerweile Millionen erforschter Ahnentafeln und Stammbäume. Und immer mehr Deutsche lassen sich vom Forscher-Virus infizieren und begeben sich mit Google & Co. auf die Suche nach ihren vermeintlichen Wurzeln.

Heikles Erbe der NS-Zeit

Doch anders als in vielen anderen europäischen Ländern und vor allem den USA, wo sich die Familiengeschichtsforschung in den letzten Jahrzehnten zu einer weit verbreiteten Freizeitbetätigung entwickelt hat, galt sie sie hierzulande aufgrund ihrer historischen Belastung lange Zeit nicht als harmloses Vergnügen, sondern stand im Ruf des Anrüchigen. Schließlich erinnerte man sich noch gut an die berüchtigten Nürnberger Rassegesetze und die Fragebögen der „Reichsstelle für Sippenforschung“, in welchen während der Nazi-Jahre die deutschen „Volksgenossen“ ihre lupenreine „arische Abstammung“ zu dokumentieren hatten, wollten sie sich nicht den diskriminierenden und mörderischen Sanktionen des Regimes aussetzen. Unsere nachgewachsenen Generationen gehen mit diesem historischen Erbe aber deutlich unbefangener um, was man als Ausdruck eines allmählichen Normalisierungsprozesses deuten kann.

Irrationaler Kern

Dennoch enthält alle Familienforschung, bei Lichte betrachtet, einen irrationalen Kern, sofern der Forschende, was dieser meist stillschweigend voraussetzt, aus ihr Rückschlüsse auf die eigene Existenz im Hier und Jetzt zu gewinnen trachtet. Es beginnt schon damit, dass die Familie ein ideologisch aufgeladener Begriff ist. Mit der Verdopplung der Zahl der Vorfahren in jeder Generation wächst die Zahl der persönlichen Ahnen jedes Einzelnen in der Rückschau schnell ins Unermessliche. Der Grad an genetischer Übereinstimmung ist aber bereits nach wenigen Generationen nur noch marginal. Hinzu kommt der zumindest bis zur Erfindung moderner Vaterschaftstests absolut geltende Grundsatz „pater semper incertus est“ (der Vater ist immer ungewiss), der auf eine hohe Dunkelziffer an „Kuckuckskindern“ (also gewissermaßen außerfamiliär produzierten Nachkommen) in den Stammbäumen hindeutet. Wollte man hingegen die Familie weniger als biologische, denn als kulturelle Schicksalsgemeinschaft begreifen, die sich ähnlich wie die Nation auf einen Mythos gemeinsamer Abstammung stützt, so erscheint auch dies äußerst fragwürdig, zumal in einer Zeit, in welcher zunehmend selbstausgesuchte Wahlverwandtschaften die traditionellen Familienbande ersetzen und die alten nationalen Grenzen und Beschränkungen in einer globalisierten Welt nach und nach an Bedeutung verlieren.

Individueller Zugang zur Geschichte

Und doch gibt es für die Faszination so vieler Menschen für das Erforschen ihres Stammbaums einen guten Grund, und der lautet: „nomen est omen“. Denn diese Gemeinsamkeit teilen wir, jedenfalls in den meisten Fällen, gewiss mit einem Teil unserer Ahnenliste: die des Familiennamens. Es weckt nun einmal Neugier, dass da früher jemand gelebt hat, der mit dem gleichen Namen wie man selbst durchs Leben gegangen ist. Und das gilt umso mehr für alle, die einen relativ seltenen Familiennamen tragen, während sich die Müllers, Schmidts und Meiers dieser Welt deutlich seltener für Ahnenforschung interessieren. Vielleicht wäre daher in vielen Fällen der Begriff Namensgeschichtsforschung vorzugswürdig. So zweifelhaft der den Recherchen zugrundeliegende Impuls also auch sein mag, er ermöglicht uns doch einen ganz individuellen Zugang zur Geschichte.

Held des Siebengebirges

Da stößt man also zufällig im Internet auf eine Von-Claer-Straße in der rheinischen Kleinstadt Königswinter und geht dem nach. Der Namensgeber, Franz Bernhard de Claer (1785-1853), war in den napoleonischen Kriegen der Adjutant des „Landsturms vom Siebengebirge“. Das war eine Art Freiwilligenarmee, welche die regulären deutschen Truppen bei der Befreiung des rechten Rheinufers von der französischen Herrschaft im Januar 1814 unterstützte. Noch mehr Auskünfte lassen sich der von mir aus dem Stadtarchiv St. Augustin am Rhein angeforderten über 400-seitigen „Familienchronik von Claer“ entnehmen, die Franz Bernhard de Claer als einen Verwaltungsjuristen in Mülheim vorstellt. (Meine bisherige Annahme, der erste Jurist in meiner Familie zu sein, wird dadurch erschüttert.) Er verlässt in der „Stunde der Erhebung“ seinen Posten, um beim Kampf gegen Napoleons Besatzungsarmee in der ersten Reihe zu stehen. „In der Neujahrsnacht 1813/14“, heißt es weiter, „überschritt Blücher bei Caub … den Rhein. Hinter einem Schleier von Truppen vollzog sich der französische Rückzug.“ Und später: „Vom Mittel- und Oberrhein folgten die Heere der Verbündeten dem weichenden Gegner. Auf dem rechten Heeresflügel war die Nordarmee unter General Bülow in Holland  eingedrungen. In der Zwischenzone, gegenüber dem Landsturm, lagen verlässliche Nachrichten vom linken Ufer noch nicht vor. Um sich Gewissheit zu verschaffen, bemannte Franz Bernhard de Claer am 14. Januar in Beuel einen Kahn und fuhr nach Bonn herüber. Bei der Annäherung ließ er die Mannschaft sich niederlegen, er selbst stand vorn im Kahn. Am Ufer hatte sich Volk gesammelt, aus dessen Mitte ein Polizeidiener trat und Claer mit den Worten ‚Im Namen des Gesetzes arretiere ich Euch‘ empfing. Mit den Worten ‚Kerl, wenn du das Maul nicht hältst, schieße ich dich über den Haufen‘ schlug Claer auf den Mann an. Die Menge, welche die Befreier jubelnd begrüßte, packte den Polizisten und schleppte ihn fort. Claer zog mit seiner Mannschaft in die Stadt, die er vom Feinde geräumt fand.“

Die normannisch-englisch-rheinische Linie

Potzblitz!, denkt man, was für ein Teufelskerl! Aber ist er denn nun ein Verwandter? Wohl eher nicht, zumindest kein näherer. Denn so viel steht nach umfangreichen weiteren Forschungen schon mal fest: Belegen lässt sich so gut wie gar nichts. Doch gibt es gewisse Anhaltspunkte, die es denkbar erscheinen lassen, dass es im 13. Jahrhundert gemeinsame Vorfahren gegeben haben könnte. Allerdings musste ich erkennen: Die stolze rheinische Familie de Claer mit ihrem Held vom Siebengebirge, mit ihren Burgherren, später auch preußischen Generälen, Politikern und einem echten Bundesbankdirektor, diese Familie hat mit unserer aus Ostpreußen stammenden Familie Claer wohl leider nichts zu tun. Jedenfalls fast nichts, denn die Vorfahren dieser rheinischen Familie kamen ursprünglich aus England und noch ursprünglicher aus der Normandie. Sie zählen sich zu den Nachkommen von Rollo dem Wikinger, dem Gründer der Normandie im Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte im Jahr 911. Und in England gehörten sie zu den vornehmsten Adelsfamilien. Und einer von ihnen muss von England aus über Holland und Westdeutschland nach ganz weit in den Osten aufgebrochen sein, denn niemand anders als Johannes Clare (in englischer Schreibweise C-l-a-r-e), der Bischof vom Samland, baute um 1340 den Dom zu Königsberg und liegt noch heute in diesem begraben. Also möglicherweise war dieser Bischof unser Vorfahre, möglicherweise sind die rheinischen de Claers unsere entfernten Verwandten und wir damit Rolloniden, also Nachkommen von Rollo dem Wikinger. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein.

Die hugenottisch-preußische Linie

Denn immerhin können wir unseren väterlichen Stammbaum zuverlässig bis ins Jahr 1799 zurückverfolgen. Da wurde mein Urururgroßvater Friedrich Claer, seines Zeichens königlich preußischer Jäger, in Ludwigswalde in Ostpreußen geboren. Wer sein Vater war, ist leider nicht mehr eindeutig feststellbar. Wahrscheinlich war es aber Unterförster Friedrich Wilhelm Claer. Und hier verlieren sich die Spuren des sicheren Wissens im Dunkeln und wir treten ein ins Reich der Spekulation. Es gab bestimmte Mitglieder unserer Familie, die behaupteten, diese sei einst eine hugenottische Adelsfamilie gewesen und habe de Clair geheißen. Das wurde wiederum von anderen Familienmitgliedern, auch von hier anwesenden, als Humbug abgetan. Doch haben meine Forschungen ergeben: In der Tat gab es eine hugenottische – also ursprünglich aus Frankreich stammende – Familie in Berlin, später auch in Ostpreußen, deren Mitglieder sich abwechselnd le Clair / de Clair und v. Clair nannten. (Man hat es damals mit den Namensbezeichnungen und insbesondere mit der Schreibweise der Namen nicht sehr genau genommen, das änderte sich erst ab ca. 1850.) Ein preußischer Hauptmann namens Wilhelm Theodor v. Clair, stationiert in Gumbinnen in Ostpreußen, gehörte im Jahr 1829 sogar zu einer Delegation hoher preußischer Offiziere, die in geheimer Mission nach Konstantinopel reiste, um dem osmanischen Sultan ein Friedensangebot des russischen Zaren Nikolaus I. zur Beendigung des russisch-türkischen Krieges (1828/29) zu überbringen. Dessen Vater, der Ingenieurcapitain Gottlieb August de Clair, dessen Grab sich in der Gruft der Berliner Garnisonkirche befindet, hat im Jahr 1771 im allerhöchsten königlichen Auftrag von Friedrich dem Großen, dem „alten Fritz“, ein Buch über die Kriegskunst Ludwig XIV. aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt. Im Jahr darauf erließ König Friedrich eine Kabinettsordre an seine Offiziere, die  wie folgt lautete:

„Ich gebe Euch hiermit auf, daß Ihr die 159 Exemplaria des von dem Capitain le Clair auf Meine Ordre übersetzten Werkes denen General-Inspekteurs … (und) denen Regimentern unter der Auflage zuzuschicken, daß selbige die Officiers zu dessen fleißiger Lesung, besonders auf denen Wachten, wo sie gemeiniglich ihre Zeit sehr unnütz zuzubringen pflegen, gehörig anweisen und anhalten sollen. ..“

Potsdam, den 7. Februarii 1772 Friedrich

Sind wir nun also die Nachkommen dieser famosen hugenottischen Adelsfamilie? Wir wissen es nicht. Womöglich werden wir es nie erfahren. Aber ich forsche weiter. Vielleicht hegt man ja doch die geheime Hoffnung, dass vom Glanz vergangener Namensträger etwas aufs eigene bescheidene Dasein abstrahlen könnte.

(Verlesen am 18.2.2013 in Bremen zum 80. Geburtstag meines Vaters Dr. Joachim Claer.)

Februar 2013: Ahnenforschung, Teil 4

Neues zur Ahnenforschung über die Familie Claer

Hier ein paar neue Erkenntnisse, Überlegungen und Spekulationen zur Ahnenforschung über unsere Familie, die weniger auf neu verfügbaren Informationen basieren als vielmehr auf einer noch intensiveren und genaueren Auswertung des bislang schon Vorhandenen, auf dessen punktueller Weiterverfolgung im Internet und vor allem auf gedanklicher Puzzlearbeit.
Als sicher kann nach allen bisherigen Forschungen nur gelten, dass unser ältester nachweislicher direkter Vorfahre der Jäger Friedrich Clair/Claer/Clär (geb. Ende 1798/1799 in Ludwigswalde, 8 km südlich von Königsberg) ist. Sollte aber der am 10.6.1803 geborene Jäger Johan(n) Wilhelm Claer sein Bruder sein, was zu vermuten ist, dann wäre dessen Vater, der Unterförster Friedrich Wilhelm Claer d.Ä., auch der Vater unseres Friedrich Claer, also damit unser ältester bekannter direkter Vorfahre. Friedrich Wilhelm Claer d.Ä. selbst könnte, nach den Geburtsjahren seiner Söhne zu schließen, zwischen 1750 und 1780 geboren worden sein.

1. Die preußischen Offiziere

Ausgangspunkt der nun folgenden Betrachtungen sollen die schon mehrfach erwähnten Offiziere namens von Clair und von Cla(a)r aus der „alten preußischen Armee“ (also jener vor 1806) sein, deren Namen der preußische Offizier Otto de Claer (1827-1909), der als erster der rheinischen Familie de Claer dauerhaft das Rheinland verließ und in Berlin verstarb, aus alten Ranglisten entnommen hat. Es bestand laut der „Familiengeschichte von Claer“ keine (oder zumindest keine feststellbare) Verbindung zwischen ihnen und der rheinischen Familie de Claer.

Offiziere der alten preußischen Armee
Die Namen sind, mit Ausnahme von Nr.1, durch Otto v. Claer, fwb. 1827, gest. 1909, aus preußischen Ranglisten ausgezogen.
1. v. Clar, Fähnrich im Rgt. Prinz von Preußen, 1758 in der Schlacht bei Zorndorf verwundet (s. „Helden-, Staats- und Lebensgeschichte Friedrichs des Anderen“, Teil V, S. 173.
2. v. Clair, Lieut. Im Regiment Krockow, 1765 ausgeschieden
3. v. Clair, Capt. Bei den Ingenieuren, 1779 ausgeschieden
4. v. Clair, 1785 jüngster Fähnrich im Garnison-Regt. V. Pirch
5. v. Claar, 1781 und 1793. Zuletzt Major im Regt. Kronprinz von Preußen, beim Depot-Btl. Oranienburg.
6. v. Clar, 1785 Capt. Im Rgt. Prinz v. Preußen zu Fuß (Potsdam)
7. v. Clar (v. Claar) Friedr. Wilh., 1789 Capt. Im Regt. Nr. 18, gest. 1805
8. v. Claar, P.C. (?) im Regt. Kronprinz v. Preußen, 1790 ausgeschieden
9. v. Clair, 1797 Sec. Lieut. im Regt. Herzog v. Holstein-Beek in Königsberg
10. v. Clair, 1797 oder 1798 vom Regt. 11 in das Regt. Courbiere (Goldap, Gumbinnen, Oletzko) versetzt, dort 1798-1800 als Stabs.Capt. geführt. 1801 in das Regt. Herzog v. Braunschweig versetzt, dort noch 1805 und 1806 geführt. 1809 aus Regt. 4 ausgeschieden.

Ich schrieb hierzu vor einem halben Jahr:
„Insbesondere im Falle der beiden letzten in Ostpreußen stationierten v. Clairs (Nr. 9 und 10) sowie beim unter 7. Genannten Friedrich Wilhelm v. Clar lässt sich über eine Verbindung zu den Förstern spekulieren, denn die räumliche Nähe war gegeben bzw. der Name Friedrich Wilhelm trat auch bei den Förstern gehäuft auf. In diesem Falle wäre sowohl ein hugenottischer Ursprung (wenn es sich um z.B. aus Berlin versetzte Offiziere gehandelt haben sollte) als auch ein anglo-normannischer, auf die Familie des Bischofs von Samland Johannes Clare zurückgehender Ursprung denkbar.“

Bereits in meinen Aufzeichnungen von Ende 2011 hatte ich hierzu folgende Internetfundstellen ergänzt:
– „Neuer Nekrolog der Deutschen. Neunter Jahrgang 1831, Ersther Teil, Ilmenau 1831, Register zum 9. Jahrgang 1831: … v. Clair, Hauptm. zu Gumbinnen 668 (http://books.google.de/books?id=cO0SAAAAYAAJ&pg=PR24&lpg=PR24&dq=%22v.+clair%22+k%C3%B6nigsberg&source=bl&ots=fnGUwARkZ2&sig=b6v5C8CAQyUDIozIu67a_mVYURU&hl=de&ei=TyDQTsGVD8PHswaJsNitDA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3&ved=0CCUQ6AEwAg#v=onepage&q=%22v.%20clair%22%20k%C3%B6nigsberg&f=false)
– „Vaterländisches Archiv für Wissenschaft, Kunst, Industrie und Agrikultur, oder Preußische Provinzial-Blätter, 22. Band, Königsberg 1839: S.68 ff (74): Zur Erinnerung an das fröhliche Litthauische Musikfest zu Gumbinnen am 12. und 13. Juni 1838… Sänger-Chor … Alto: … v. Clair, … (http://books.google.de/books?id=r94OAAAAYAAJ&pg=PA74&lpg=PA74&dq=%22v.+clair%22+k%C3%B6nigsberg&source=bl&ots=ooU4Tl_cMK sig=8TQlGHrwzst55rvlwktHwQdlgQM&hl=de&ei=TyDQTsGVD8PHswaJsNitDA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CCEQ6AEwAA#v=onepage&q=%22v.%20clair%22%20k%C3%B6nigsberg&f=false)(Die Stadt Gumbinnen war mit drei großen Kasernen eine bedeutende Garnison der preußischen Armee.) (http://de.wikipedia.org/wiki/Gumbinnen)
– Abgegangene und versetzte Kgl. Preußische Offiziere 1801: u.a. Clair, Stabscapitän v. (http://home.foni.net/~adelsforschung/rang20.htm)

Und ich kommentierte sie damals so:
„Daraus folgt, dass es sehr wohl denkbar wäre, dass ein abgegangener preußischer Offizier namens v. Clair oder v. Clar (die uneinheitlichen Schreibweisen der Personennamen in den Ranglisten der preußischen Armee waren berüchtigt) zwischen 1744 und 1824 zum Förster in Ostpreußen werden konnte. Aber diese Überlegung ist rein spekulativ.“

Als weitere einschlägige Fundstelle kommt hinzu das „Amtsblatt der Königl. Litthauischen Regierung 1813“, das für den Kreis Gumbinnen einen „Kalkulator Kapitain von Clair“ nennt. (http://forum.ahnenforschung.net/showthread.php?t=45048&page=10)

Zunächst ist unklar, um wie viele unterschiedliche Personen es sich bei der Liste der preußischen Offiziere und den übrigen Fundstellen überhaupt handelt. Am wenigsten Aufschluss hierüber können die genannten Dienstgrade geben, denn diese können sich natürlich im Verlauf einer militärischen Karriere durchaus (in der Regel aufsteigend) verändert haben. Doch gibt es glücklicherweise einen umfassenden Eintrag in einer genealogischen Internetdatenbank über den Hauptmann v. Clair zu Gumbinnen.

II. Der Hauptmann von Gumbinnen und seine Töchter

Es handelt sich hier nach Auskunft dieser englischsprachigen Datenbank (http://gedbas.genealogy.net/person/show/1025778960) – den Datensatz erstellte ein Herr Gerhard Hofmann aus Brisbane (Queensland in Australien, gerhard.hofmann@bigpond.com) am 18.2.2008 – um Wilhelm Theodor von Clair, geboren am 1.12.1767 und gestorben am 15.3.1831. Er wird dem Infanterieregiment 21 zugordnet. (Dieses wird bei Wikipedia als „Regiment zu Fuß (1713)“ bezeichnet. Als Standorte sind Halberstadt und Quedlinburg angegeben/http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Infanterieregimenter_der_altpreu%C3%9Fischen_Armee) Seine Frau, die er 1802 in Gumbinnen ehelichte, hieß Henriette Leopoldine Reichardt (deren Eltern waren: Heinrich Leopold Reichardt und Regina Wilhelmine Klodt oder Klost). (Über Heinrich Leopold Reichardt heißt es in: Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, Teil 1 Biographien A-L, München 2009: „KD-rat Heinrich Leopold Reichardt 1748-1812, geb. in Frankfurt/o., gest. in Gumbinnen, hinterließ seine Frau Wilhelmine, geb. Kloth und seine Tochter Leopodine, verh. V. Clair und den Sohn Otto/ http://books.google.de/books?id=dwQ5XqLMxzMC&pg=PA787&lpg=PA787&dq=heinrich+leopold+reichardt&source=bl&ots=5W6eTyhHB0&sig=9sbJpDkrZoCscFXZ-YqoXbo7DOQ&hl=de&sa=X&ei=wQ8aUbrcBZHLtAbpgIFw&ved=0CC4Q6AEwAA#v=onepage&q=heinrich%20leopold%20reichardt&f=false)
Das Ehepaar hatte demnach sechs Kinder, von denen allerdings fünf schon im frühen Kindesalter verstarben, nämlich Leopold Otto Wilhelm von Clair (6.3.1820-4.4.1820 in Gumbinnen), Wilhelmine Auguste Leopoldine Agnes von Clair (1803-6.5.1803 in Halberstadt), Ottilie Henriette Auguste von Clair (7.10.1807-14.10.1807 in Gumbinnen), Auguste Therese Adolphine von Clair (1.8.1816-22.8.1816 in Gumbinnen) und Johanne Adolphine Wilhelmine von Clair (13.4.1818-5.5.1818 in Gumbinnen). Ihre Kindheit überlebte allein Wilhelmine Henriette Leopoldine von Clair (geb. 5.10.1811 in Gumbinnen, gest. 3.1.1863 in Königsberg). Sie heiratete im Jahr 1840 August Heinrich Janert und bekam mit ihm sieben Kinder. Es sind Nachkommen nebst Stammbaum bis ins 20. Jahrhundert aufgeführt.
Bereits aus diesen Angaben lässt sich leicht schlussfolgern, dass Hauptmann Wilhelm Theodor von Clair mindestens zeitweise ein – in heutigen Worten ausgedrückt – Pendler gewesen sein muss, der sich abwechselnd an seinem zumindest vorübergehenden beruflichen Einsatzort in Halberstadt und bei seiner Familie in Gumbinnen aufgehalten hat. Darüber hinaus wird beim oben genannten Offizier v. Clair Nr. 10, der 1797 oder 1798 nach Gumbinnen versetzt wurde, von einer Versetzung „1801 in das Rgt. Herzog von Braunschweig“ berichtet, in dem er noch 1805 und 1806 geführt wurde. Dieses Regiment, so weiß z.B. ein mit dem „Marsch vom Regiment Herzog von Braunschweig“ unterlegtes YouTube-Video,

http://www.youtube.com/watch?v=1BsOTOQA_fs

stand tatsächlich in Halberstadt. Demnach kann an der Identität des Offiziers Nr. 10 unserer Liste (dem „Stabs.Capt.“) mit dem späteren Hauptmann zu Gumbinnen kein Zweifel mehr bestehen. Das „Regiment 11“, aus dem er 1797 oder 1798 nach Gumbinnen versetzt wurde, auch genannt das „Regiment Herzog von Holstein-Beck“, war in Königsberg stationiert und hatte auch einen eigenen Marsch, der auf YouTube zu vernehmen ist.

http://www.youtube.com/watch?v=0JFrgqahMow

Somit dürfte sich also auch hinter dem „Sec. Lieut.“ im Regiment Herzog von Holstein-Beck im Jahr 1797, unserem Offizier Nr. 9, niemand anders als der damals 30-jährige Wilhelm Theodor von Clair verbergen. Ausgeschieden ist er schließlich im Jahr 1809, also im Alter von 42 Jahren, aus dem „Regiment 4“, das seit 1773 in Elbing/Ostpreißen stationiert war (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Infanterieregimenter_der_altpreu%C3%9Fischen_Armee), was auch gut ins Bild passt. Elbing liegt an der Ostseeküste, einige Kilometer südwestlich von Königsberg. Danach dürfte er „Kalkulator Kapitain“ im Kreis Gumbinnen (laut „Amtsblatt der Königl. Litthauischen Regierung“ war er es 1913) und später „Hauptmann zu Gumbinnen“ geworden sein, als welcher er 1831, in seinem Todesjahr, im „Neuen Nekrolog der Deutschen“ erwähnt wird. (Ein Nekrolog ist eine Liste kürzlich verstorbener Persönlichkeiten. Es passt also alles zusammen.)

Fahne_11_InfRgt_18th_century

Fahne des preußischen Infanterie-Regiments Nr. 11 in Königsberg

Außerdem könnte auch mit dem Offizier Nr. 4, dem „1785 jüngsten Fähnrich im Garnison-Rgt. V. Pirch“ Wilhelm Theodor von Clair gemeint gewesen sein, denn dieser war damals 18 Jahre alt. Das „Garnison-Regiment V. Pirch“ muss das preußische Garnisonregiment No. II gewesen sein, das ab 1777 von Georg Lorenz von Pirch befehligt wurde. (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Infanterieregimenter_der_altpreu%C3%9Fischen_Armee) Die Garnisonregimenter waren laut Wikipedia „in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts als Batallione gegründet und nur funktionsmäßig von den Feldregimentern abgegrenzt“ und wurden „Einheiten für Soldaten geringer Größe und Strafversetzte. Auch Offiziere waren strafversetzt, zusammen mit Halbinvaliden und Bürgerlichen.“ (Ebd.) Über den Standort dieses Garnison-Regiments No. II ist immerhin soviel zu erfahren, dass es sich vor und nach dem „Siebenjährigen Krieg“ (1756-1763) „in Pillau, Fischhausen und Friedrichsburg in Ostpreußen“ befunden hat. (http://www.figuren-modellbau.de/preussen-garnison-regiment-II-von-sydow-1756.html)

Auch in dieser Quelle heißt es: „Die Regimenter der Garnison-Infanterie nahmen Rekruten auf, die wegen geringer Körpergröße das Gewehr der Infanterie nicht schnell genug laden konnten und deshalb für den Felddienst untauglich waren. Offiziere kamen durch Strafversetzung zur Garnison-Infantrie, besonders aber wenn Sie in Folge von Verwundung oder mangelnder Fähigkeit für die Karriere in einem Feldregiment nicht mehr tüchtig genug waren. Im Siebenjährigen Krieg standen Garnison-Regimenter besonders gegen Kriegsende auf dem Feldetat der Armee.“ (Ebd.) Sollte tatsächlich Wilhelm Theodor von Clair 1785 der jüngste Fähnrich in diesem Garnisonregiment gewesen sein, dann hat er es gut als Karrieresprungbrett nutzen können.

Allerdings wird noch eine Person namens v. Clair – siehe oben – auf dem „fröhlichen Litthauischen Musikfest zu Gumbinnen am 12. und 13. Juni 1838“ erwähnt, also sieben Jahre nach dem Ableben des Hauptmanns. Da diese Person aber im Sängerchor als „Alto“ bezeichnet wird, was eine Frauenstimme ist, dürfte es sich entweder um die Frau des Hauptmanns, Henriette Leopoldine v. Claer, gehandelt haben, deren Lebensdaten nicht bekannt sind, oder um deren und des Hauptmanns Tochter Wilhelmine Henriette Leopoldine von Clair, die damals 26 Jahre alt war und erst zwei Jahre später heiratete.
Ferner wird jedoch in einer anderen englischsprachigen genealogischen Datenbank noch eine weitere Person namens v. Clair in Gumbinnen erwähnt, nämlich eine Louise von Clair, die am 10.3.1830 gestorben ist. (http://gw3.geneanet.org/pmlhennings?lang=en;pz=peter;nz=hennings;ocz=0;p=louise;n=von+clair) Am „fröhlichen Litthauischen Musikfest zu Gumbinnen am 12. und 13. Juni 1838“ kann sie also nicht mehr teilgenommen haben. Sie hat am 14.5.2024 in Gumbinnen einen Karl Heinrich von Aweyden geheiratet, der am 21. August 1787 in Groß Juckeln geboren wurde und am 3.6.1848 in Juckeln gestorben ist. Er war „Premierlieutenant“ und zuletzt in Gumbinnen im „Landw. Reg.“ Seine Eltern waren Friedrich Albert Ernst von Aweyden (1747-1827) und Louise Henriette Hallensleben (1750-1807). Louise bekam mit ihrem Mann in fünf Jahren Ehe fünf Kinder, dann starb sie. Es sind ferner direkte Nachkommen von ihr nebst einem Stammbaum bis immerhin ins späte 19. Jahrhundert angegeben. (Ebd.)

Wer aber war diese Louise von Clair? Vom Alter her könnte sie eine weitere Tochter des Wilhelm Theodor von Clair gewesen sein, aber sie ist in der oben angeführten Quelle nicht unter seinen Kindern mit aufgeführt. Da sie offensichtlich sehr standesgemäß geheiratet hat, könnte es sich bei ihr womöglich um eine Tochter des Wilhelm Theodor von Clair aus etwaiger erster Ehe (vielleicht mit einer adeligen Dame) handeln. (Die frühe Sterblichkeit der Frauen und Kinder jener Zeit resultierte nicht zuletzt aus dem fehlenden medizinischen Knowhow vor allem bei den Geburten. Und zur Zeit seiner Hochzeit mit Henriette Leopoldine Reichardt 1802 war Wilhelm Theodor von Clair bereits 35 Jahre alt. Da Louise von Clair im Jahr 1824 geheiratet hat, könnte sie durchaus auch schon vor 1802 geboren worden sein.) Oder aber es gab zu jener Zeit noch andere verwandte v. Clairs in Gumbinnen, zu denen Louise zählte.

Allerdings sind keinerlei Hinweise auf solche zu finden. Allenfalls die Erwähnung eines „Adjutanten v. Clair“ im Einsatz in der Türkei im Jahr 1829 während des russisch-türkischen Krieges (1828-1829) ließe sich auf den ersten Blick so interpretieren. In der Regensburger Zeitung, gedruckt und verlegt von Friedrich Heinrich Neubauer, Sonnabend, den 5. September 1829, heißt es:

Türkei: Der Courrier de Smyrne vom 2. August sagt: „Einige Briefe aus Konstantinopel sprechen von der nahen Abberufung eines der Botschafter einer europäischen Macht.“ Aus Konstantinopel meldet dasselbe Blatt vom 28. Jul., es scheine gewiß, daß der Pascha von Trapezunt zum Seradier der Armee in Asten ernannt sey. Die russische Eskadre liegt vor Trapezunt und beschieße es; auch bereite sie einen Angriff auf Inada. – Kud Smyrna vom 1. Aug.: „Am 25. Jul. Nachmittags kam der preußische Generallieutenant Baron v. Müffling, in Begleitung des Majors v. Küster und seines Adjutanten, v. Clair, in Smyrna an, und stieg am 26. Morgens bei dem preußischen Konsul Pezzer ab. Am nemlichen Tage, um 4 Uhr Nachmittags, ging der Adjutant des Generals nach Konstantinopel ab, wohin ihm am 27. Morgens der General selbst mit dem Major v. Küster und dem älteren Sohne des preußischen Konsuls folgte. General Müffling verließ Berlin mehrere Tage nach der Zusammenkunft II. MM. des Königs von Preußen und des Kaisers von Rußland. Mehrere Personen hörten aus seinem Munde, dass er von Seite des Kaisers der Ueberbringer der für die Pforte ehrenvollsten Friedensvorschläge sey; Europa wünsche den Frieden, und der Kaiser selbst wolle ihn, und sei zu Opfern bereit, um ihn hergestellt zu sehen…“ (Hervorhebungen von mir) (http://books.google.de/books?id=6uxDAAAAcAAJ&pg=PT275&lpg=PT275&dq=%22v.+clair%22+berlin&source=bl&ots=t4z6O0Xrwu&sig=C4b7ijpjTw2BzeoszcI7Yt8B5U4&hl=de&sa=X&ei=_XoXUeaTF4aVswbPiID4Bw&ved=0CDYQ6AEwAjgK#v=onepage&q=%22v.%20clair%22%20berlin&f=false)

Über den in Rede stehenden General Philipp Friedrich Carl Ferdinand Freiherr von Müfffling genannt Weiß heißt es bei Wikipedia: „Als Generalleutnant erhielt er 1829 eine Mission nach Konstantinopel, um die Pforte für den Frieden mit Russland geneigt zu machen…“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_von_M%C3%BCffling_genannt_Wei%C3%9F) Als „die Pforte“ oder „die hohe Pforte“ wurde damals der Sultanspalast in Istanbul als Synonym für den Sitz der osmanischen Regierung bezeichnet. (http://de.wikipedia.org/wiki/Hohe_Pforte) Mit dem „Kaiser“ ist der russische Zar Nikolaus I. gemeint. Die Ankunft der preußischen Gesandtschaft in der Stadt Stadt Smyrne (Izmir) an der Ägäis könnte per Schiff erfolgt sein.

WP_Karl_von_Muffling

Generalleutnant von Müffling (1775-1851), den Hauptmann Wilhelm Theodor v. Clair am 26./27.8.1829 als Adjutant auf Friedensmission an den Bosporus begleitete.

Es handelt sich hier also um den wahrscheinlich zeitlich letzten Auftritt eines nicht dem rheinischen Familienzweig entstammenden v. Clair in der preußischen Armee. Zwar ist ein Adjutant laut Wikipedia „ein dem Truppenbefehlshaber zur Unterstützung beigegebener Offizier“, der den ranghöheren Offizier bei den verwaltungstechnischen Aufgaben zu unterstützen hat. (http://de.wikipedia.org/wiki/Adjutant) Doch fand hier offenbar keineswegs ein militärischer Einsatz statt, bei dem es auf jugendliche Körperkraft und Energie angekommen wäre, sondern vielmehr eine politisch-diplomatische Mission, die einen erfahrenen Strategen wie den damals 62-jährigen Wilhelm Theodor v. Clair, den Hauptmann zu Gumbinnen, verlangte, der in Konstantinopel offensichtlich eine späte berufliche Sternstunde erleben durfte. Wäre mit dem „Adjutanten v. Clair“, dem man im Jahr 1829 diese politisch so bedeutsame Aufgabe anvertraut hat, ein anderer Offizier namens v. Clair als Wilhelm Theodor gemeint gewesen, dann hätte dieser auch anderweitige Spuren hinterlassen müssen, was aber, soweit ich sehe, nicht geschehen ist. Es ist folglich davon auszugehen, dass es Hauptmann Wilhelm Theodor v. Clair zu Gumbinnen gewesen ist, der  am 26./27. August 1829 als Adjutant des Generals v. Müffling in Friedensmission in Konstantinopel zum Friedensschluss am Bosporus beitragen hat. Die damals lange (sicherlich mehrwöchige) und beschwerliche Reise in die Türkei könnte jedoch unter Umständen einen ungünstigen Einfluss auf die Gesundheit des 62-jährigen Hauptmanns genommen haben, denn nur knapp zwei Jahre darauf verstarb er.

Den weiteren Verlauf des Russisch-Türkischen Krieges schildert Wikipedia wie folgt: „Am 28. August standen die Russen bereits in Edirne, 60 km vor Konstantinopel. Auf den Straßen der osmanischen Hauptstadt brach Panik aus. Der Sultan hatte keine andere Wahl, als um Frieden zu ersuchen. Der Friedensvertrag wurde in Edirne am 14. September 1829 unterzeichnet. (http://de.wikipedia.org/wiki/Russisch-T%C3%BCrkischer_Krieg_%281828%E2%80%931829%29)

Boevoj_epizod_1828-1829

Russische Soldaten in Erwartung eines türkischen Angriffs

Über das hingegen wenig spektakuläre Leben des Militärs zu jener Zeit in der Stadt Gumbinnen, die – wie bereits erwähnt – mit drei großen Kasernen eine bedeutende Garnison der preußischen Armee war, weiß eine Quelle Folgendes zu berichten:

„Das Garnisonsleben vor 200 Jahren war natürlich nicht mit dem späteren Soldatenleben zu vergleichen. Im allgemeinen ließ sich der Dienst damals wohl ertragen. Im Jahr hatte der Soldat nur drei Monate Exerzierzeit, die übrigen neun Monate wurde die Mannschaft im weitgehenden Maße beurlaubt. Nur die Wachen mussten dauernd besetzt sein, und bei der täglichen Wachtparade in Gegenwart sämtlicher Offiziere wurde jedes Mal das ganze Exerzieren einschließlich Laden und Feuern durchgeführt.“ (http://www.kreis-gumbinnen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=123&Itemid=109)

Doch es gab auch Schattenseiten für die Offiziere:
„Längeren Urlaub — selbst zum Besuch eigener Güter — zu erhalten, war sehr schwierig. Wollte der Offizier länger als ein bis zwei Nächte fortbleiben, so musste das Gesuch über alle Dienststellen nach Berlin an den König gehen, „damit durch die nächste abgehende Post Sr. Königl. Majestät Allerhöchste Ordre und Permission dazu ergehen könnte”. Wie lange mag es trotz aller Beschleunigung bei den damaligen Postverhältnissen wohl gedauert haben, bis die Antwort eintraf! (9 Tage und 9 Nächte dauerte damals die Fahrt mit der Postkutsche von Gumbinnen nach Berlin!)“ (Ebd.)

Aber immerhin wird auch berichtet:
Gumbinnen muss damals geradezu als Großstadt im Verhältnis zu den kleinen masurischen Garnisonsstädten angesehen worden sein, denn ein Oberleutnant von Wedell schrieb zu jener Zeit an seine Braut: „Unsere Offiziere in Gumbinnen leben herrlich und in Freuden. Eine Komödie haben sie schon gegeben, und am Neujahrstag führen sie wieder eine auf.” (Ebd.)

Und weiter heißt es:
Von 1796-1811 standen hier einzelne Kompanien des Infanterie-Regiments Wildau, dessen Chef wohl als recht seltenes Original gelten kann. An jedem Markttage begab er sich in voller, reichbestickter Generalsuniform, auf dem Haupt den mit der Straußenfederkante geschmückten Dreispitz, in das Gewühl des ‘Wochenmarktes. In der Hand trug er wie eine brave Hausfrau das Marktnetz, das sehr wenig zu seiner sonstigen soldatischen Erscheinung passte…Wie so mancher preußische Offizier jener Tage war von Wildau Ausländer, wohl in Österreich geboren, aber innerlich sehr bald Preuße geworden. Wenngleich seine Bildung manche Lücke aufwies, konnte man ihn doch keineswegs als unbedeutenden Menschen bezeichnen; er war durchaus eine Persönlichkeit, ein vortrefflicher Soldat, der in vielen Anschauungen seiner Zeit weit vorauseilte. So führte er z. B. zum Erstaunen der damaligen militärischen Welt eine fast neuzeitlich anmutende Behandlung der Mannschaft ein.” (Ebd.)

Einen wirklich glücklichen Umstand darf man es aber nennen, dass in der genealogischen Datenbank auch die Eltern des Hauptmanns Wilhelm Theodor v. Clair genannt werden. Es sind Gottlieb August de Clair und Anna Rosine von Dobrakowska (http://gedbas.genealogy.net/person/show/1025778960) (nach anderen Quellen hieß die letztgenannte: Rosalie Anna Theresia de Clair, geb. Von Dobrokowska/http://www.myheritage.de/research?action=query&formId=1&formMode=0&qname=Name+fnmo.2+fnmsvos.1+fnmsmi.1+ln.Von%2F3Dobrakowska+lnmo.4+lnmsdm.1+lnmsmf3.1+lnmsrs.1&path=&rlmode=1).

III. Der Ingenieurscapitän aus Berlin
Dieser Gottlieb August de Clair, der laut den Angaben in dieser Datenbank am 29.7.1779 gestorben ist und dessen Name den Zusatz „Field Regiment 41“ trägt, ist für uns kein Unbekannter. In meinen Aufzeichnungen von Ende 2011 schrieb ich:

Zum anderen gab es einen Übersetzer und Königl. Preuß. Ingenieur-Capitain namens G.A. v. Clair, der u.a. 1771 auf „Allerhöchsten Königlichen Befehl“ ein Werk des Französischen Königs Ludwigs XIV. zur Kriegskunst und -geschichte aus dem Französischen ins Deutsche übertrug:
„353-1 Der Titel des Werkes lautet: Auszug derer gegen das Ende des verwichenen und im Anfange des gegenwärtigen Seculi angegriffenen und vertheidigten Städte, nebst einigen Lehrsätzen und Unterricht in der Kriegskunst, durch 16 Tabellen erläutert und mit nöthigen Kupfern versehen. Aus der Kriegsgeschichte Ludewigs XIV., die der Herr Marquis de Quincy 1726 beschrieben, auf Allerhöchsten Königlichen Befehl ins Deutsche übersetzt durch G. A. v. Clair, Königl. Preuß. Ingenieur-Capitain (Berlin, 1771). Der erste Teil behandelt die Lehre vom Angriff und der Verteidigung fester Plätze, der zweite bringt 9 Belagerungen aus den Jahren 1677 bis 1713 zur Darstellung. Der König ließ den Auszug 1772 den Regimentern zum Studium durch die Offiziere zugehen. Vgl. S. 38 und 293 f.“ (http://books.google.de/books?id=C-kaAQAAMAAJ&pg=PA643&lpg=PA643&dq=%22v.+clair%22+berlin&source=bl&ots=xitE8Iw_dF&sig=g6CCFhbofxH2GkRuRRxcsGn6I7Q&hl=de&ei=Zm7RTrrBHY_Mswa73vjGBQ&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3&ved=0CCoQ6AEwAg#v=onepage&q=%22v.%20clair%22%20berlin&f=false)

Und meine Schlussfolgerung über ihn und einen weiteren v. Clair in Berlin, der sich als Betreiber eines Portechaisen-Geschäfts von 1779-1789 hervortat, lautete damals:

„Der Portechaisen-Geschäftserwecker in Berlin bewegte sich in einer den Hugenotten bevorzugt vorbehaltenen Branche; der Übersetzer könnte sein zur Übertragung eines so komplexen Werkes erforderliches Sprachniveau im Französischen und Deutschen wohl gut als Einwanderer der zweiten oder dritten Generation erlangt haben. Doch bleibt eine Verbindung zu unserer Familie natürlich auch bei diesen Personen höchst fraglich.“

Dieser Königl. Preuß. Ingenieur-Capitain G.A. v. Clair ist also offensichtlich identisch mit Gottlieb August de Clair, dem Vater des Hauptmanns Wilhelm Theodor v. Clair. In einer weiteren englischsprachigen genealogischen Datenbank findet sich das Geburtsdatum eines „Aug. gottlieb De Clair“: 1731. (http://www.myheritage.de/research?formId=master&formMode=&action=query&qname=Name%20fn.gottlieb%2F3august%20fnmo.2%20fnmsvos.1%20fnmsmi.1%20ln.de%2F3clair%20lnmo.4%20lnmsdm.1%20lnmsmf3.1%20lnmsrs.1) Und schließlich erscheint im „Verzeichnis der in den Grüften der Berliner Garnisonskirche zwischen 1703 und 1829 beigesetzten Personen auch der Eintrag: 1778 1730 Clair Gottlieb August von Ingenieur-Kapitän (http://www.garnisonfriedhof-berlin.de/112.html).
Über die Berliner Garnisonskirche und den Garnisonsfriedhof heißt es bei Wikipedia: „Der Alte Garnisonfriedhof ist ein denkmalgeschützter ehemaliger Friedhof im Berliner Stadtteil Mitte. Er liegt in der Nähe des U-Bahnhofs Rosenthaler Platz an der Kleinen Rosenthaler Straße, Ecke Linienstraße, und beherbergt mehrere erhaltenswerte Grabmäler vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert, darunter Gräber einiger bis heute bekannter Persönlichkeiten vor allem aus der preußischen Militärgeschichte. … Er wurde um 1706 gegründet, wobei die genauen Zeitangaben hierzu nicht überliefert sind. Damals erhielt die schon 1655 gegründete evangelische Garnisongemeinde Berlins auf Anweisung des Königs Friedrich I. für die Bestattung ihrer Toten ein Grundstück am damaligen Stadtrand, zwischen dem Rosenthaler und dem Schönhauser Tor. Dieses Grundstück war wesentlich größer als der heute erhaltene Friedhof, da er auch das Gelände östlich der heutigen Gormannstraße beinhaltete. Dieser längst bebaute östliche Teil war für Bestattungen von Soldaten bestimmt, während der westliche Teil an der Kleinen Rosenthaler Straße vornehmlich als Begräbnisstätte für Offiziere des preußisch-deutschen Heeres genutzt wurde. Ebenfalls Anfang des 18. Jahrhunderts wurde in der Nähe des Friedhofs die Kirche der Garnisongemeinde errichtet. 1722 wurde sie wiederaufgebaut, nachdem sie bei einer Explosion des Berliner Pulverturmes zerstört worden war; die Zahl 1722 am Eingangsportal des Garnisonfriedhofs weist bis heute auf das Jahr ihrer Einweihung hin. … Unter den zahlreichen ranghohen Militärs, die im 19. Jahrhundert auf dem Alten Garnisonfriedhof beigesetzt wurden, sind auch viele bekannte Namen aus der deutschen Militärgeschichte zu finden. Auch einige prominente Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft liegen hier begraben.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Alter_Garnisonfriedhof)

 Garnisonfriedhof-alt-01

Eingangstor zum Garnisonsfriedhof

Angesichts der leicht voneinander abweichenden Angaben zu den Lebensdaten des Gottlieb August (oder auch August Gottlieb) de (später: v.) Clair ist festzuhalten, dass er wohl von 1730/1731 bis 1778/1779 gelebt hat.
An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass Otto de Claer (1827-1909), dem Spross der rheinischen Familie de Claer, der als preußischer Offizier als erster des rheinischen Familienzweiges in östliche Gefilde aufbrach und in Berlin verstarb, erst Ende des 19. Jh. vom deutschen Kaiser die Erlaubnis erteilt wurde, seinen Namen und den seiner Familie in „von Claer“ zu ändern. Möglicherweise war in ihm ja, als er die Namen der v. Clairs aus den Offizierslisten der alten preußischen Armee ausgezogen hatte, der Wunsch entstanden „Das will ich auch!“ Doch während die Namensgebung und erst recht die Namensschreibweise im 18. Jahrhundert noch weitegehend frei gehandhabt werden konnte, war das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schon nicht mehr der Fall. Es ist somit anzunehmen, dass Gottlieb August de Clair bei seinem Namenswechsel vom „de“ zum „von“, sofern dieser überhaupt formal stattgefunden hat, keine großen rechtlichen Hürden zu überwinden hatte.

Außerdem ist noch einmal auf die oben angeführten Offiziersliste zurückzukommen: Deren Nr.3 war: „v. Clair, Capt. Bei den Ingenieuren, 1779 ausgeschieden“ Da Gottlieb August von Clair nur 48 Jahre alt wurde, ist er also offensichtlich im Jahr 1779 durch seinen Tod oder durch eine diesem vorausgehende Krankheit aus seinem Militärdienst ausgeschieden. Mit „Capt. bei den Ingenieuren“ ist wohl in etwa das gleiche gemeint wie mit der Bezeichnung „Königl. Preuß. Ingenieur-Capitain“. Auch der Offizier Nr. 3 unserer Liste wäre also somit erkannt.
Darüber hinaus könnte sich auch hinter dem Offizier Nr. 2: „v. Clair, Lieut. Im Regiment Krockow, 1765 ausgeschieden“ Gottlieb August von Clair verbergen. Zu jener Zeit war er 34 Jahre alt und könnte schlicht das Regiment gewechselt haben. Doch genauso gut könnte sich auch ein anderer Verwandter hinter dem Offizier Nr. 2 verbergen. Das „Regiment von Krockow“ muss das Dragonerregiment D II gewesen sein, das von 1759 bis 1778 von Anton von Krockow („Jung-Krockow“) befehligt wurde. (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kavallerieregimenter_der_altpreu%C3%9Fischen_Armee) Dessen Standort lässt sich allein durch Netzrecherche nicht ermitteln.
Demnach handelt es sich bei den Offizieren namens v. Clair auf unserer Liste um lediglich zwei, maximal um drei unterschiedliche Personen, nämlich wahrscheinlich nur um Wilhelm Theodor v. Claer (Nr. 4, 9 und 10) und seinen Vater Gottlieb August de Clair (Nr. 2 und 3). Die anderen genannten Offiziere namens v. Cla(a)r (Nr. 1,5,6,7,8) sind – wie es aussieht – zumindest nicht mit jenen identisch. Ob sie überhaupt etwas mit der Familie v. Clair zu tun haben, ist eher fraglich, allerdings ist es auch nicht auszuschließen.

Zurück zu Gottlieb August de Clair, dem königlich preußischen Ingenieurscapitän. Was ist überhaupt ein Ingenieurscapitän? Auskunft gibt sehr detailliert eine Quelle aus dem Internet:
Das Ingenieurcorps bestand ausschließlich aus hochspezialisierten Offizieren, die – so würden wir heute sagen – als Bauingenieure für die „Architectura Militaris“ ausgebildet waren. Ende des 18. Jahrhunderts waren jedoch die Berufe der Baumeister, Handwerke, Architekten und Ingenieure nicht so scharf abgegrenzt wie heute.
Seit 1775 wurden Ingenieure in einer eigener Akademie, getrennt von den zivilen Bauingenieuren, ausgebildet. Es ist der erste Versuch, eine gleichartig ausgebildete Ingenieurtruppe zu schaffen. Zur der mehrjährigen Ausbildung gehörten Mathematik (Darunter dürfen wird uns vornehmlich Geometrie und Zeichenlehre vorstellen) , Grundlagen der Physik, Theorie der Artillerie- und Mineurkunst, Topographie, Vermessungswesen, Feldbefestigung, Lagerkunst, „große Kriegsbaukunst“, Civil- und Wasserbau. Ob eine praktische Ausbildung als Handwerker mit zur Ausbildung gehörte, ist dem Autor nicht bekannt. Über die erreichten Qualifikationen wissen wir wenig. Diese Akademie wurde 1807 nach dem verlorenen Krieg aufgelöst und erst 1816 als „Vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule“ wiedererrichtet.
Das Ingenieurcorps war in drei verschiedene Brigaden eingeteilt, die für die verschiedenen Festungen zuständig waren. Diese Brigaden wurden kommandiert von einem Oberbrigadiers und mehreren
Unterbrigadieren. Im Jahre 1806 umfaßt das Ingenieurcorps unter Generalleutnant v. Geusen ca. 70 Offiziere und Eleven. Die Aufgaben eines „Ingenieur de la Place“ einer Festung, rangmäßig meist ein Premierlieutnant oder Capitaine, waren in Friedenszeiten die Planung und Bauleitung ziviler und militärischer Bauten in den Landesfestungen. Vielfach wurden die Ingenieure auch als Kartographen eingesetzt, aus denen sich später die Ingenieur-Kartographen hervorgehen sollten. Er wickelte auch die finanziellen Transaktionen ab, galt mithin auch als anfällig für Korruption. Sein Dienst war im „Reglement für das königlich preußische Ingenieur Corps“ von 1790 festgeschrieben.
Im Kriege leitete er die förmlichen Belagerung von Festungen, die Verteidigung derselben (nach dem Kommandanten) und ließ Feldbefestigungen anlegen. Hierzu arbeitete er mit den Mineuren (gebildet aus Bergleuten) und Sappeuren (in der Regel Deichbauer) zusammen, die in eigenen Kompanien organisiert waren. Der Brückenbau oblag den Zimmerleuten, den Pontonniers, die der Artillerie zugeordnet waren. Gelegenheit für einige Ingenieure, das Handwerk der förmlichen Belagerung vor dem Krieg von 1806 zu erlernen, dürfte sich nur bei der Belagerungen von Metz und Longwy (beide 1792) sowie Mainz und Königstein/Taunus (beide 1793) ergeben haben. Mithin darf man also wenig praktische Erfahrung auf der Seite der preußischen Ingenieure vermuten, weil zudem auch die Bautätigkeiten in allen Landesfestungen seit dem Tode Friedrichs II stagnierten.
Mit der Demission Walraves 1748 hatte das Ingenieurcorps die Reputation eingebüßt. Die Reorganisation der Armee unter Friedrich-Wilhelm II hatte daran nur wenig geändert. Ingenieure wurden von den traditionellen Standes- und Bildungseliten eher gering geschätzt, zumal die meisten Offiziere bürgerlicher Herkunft waren. Ingenieuroffiziere hatten z.B. keine Burschen, also das Statussymbol der anderen Offiziere. Die Chancen für das Avancement waren gering.
Das Ingenieurcorps galt als zunftmäßig, da dessen Mitglieder mit Lineal und Dreieck in der Hand eigentlich nur Baumeister in Uniform gewesen seien und das Wesentliche ihres Berufes in rein
äußerlicher Nachahmung ihrer Vorbilder wie Pagan, Vauban und Coehorn erblickt hätten (Major Pullett vom Ingenieurcorps, 1807). Und weiter: Die unter Friedrich mehrenteils siegreichen aktiven Kräfte, welche die Defensive nie entscheidende Gelegenheit gaben, … sind eine der Hauptveranlassungen unserer vernachlässigten Festungsdefensive und des mit ihr innig verwebten Ingenieurcorps. Die Montur (siehe Abbildung) war typisch für das ‘Ancien Régime’ und glich der der Infanterie (Merta). Die Abzeichenfarbe am Kragen, Rabatten und Ärmelaufschlägen war aus schwarzem Manchester (Samt). Westen und Hosen waren weiterhin weiß. Dazu wurden scharze Schaftstiefel und Hüte mit schwarzgewurzelten Federbüschen getragen. Die silbernen Besatzmuster auf dem dunkelblauen Rock wurden nur auf dem Paraderock getragen. (http://www.ingenieurgeograph.de/Publikationen_/Ingenieure_1806.pdf)

Ramm_Ingenieuroffizier_1803xxIngenieur_1760_Menzel_offizierxJugel_Wolff_Ingenieuroffizier_1813xx

Und was hat es mit dem „Regiment 41“ auf sich, in dem Gottlieb August de Clair laut den Angaben in der Datenbank gedient hat, wahrscheinlich zwischen 1765 (Versetzung aus dem Dragonerregiment) und seinem Tod 1779? Es handelt sich um „das frühere Füsilier-Regiments Neuwied“, das zu jener Zeit von Matthias Ludwig von Lossow (1717-1783) befehligt wurde. Der Standort war allerdings Minden in Westfalen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Infanterieregimenter_der_altpreu%C3%9Fischen_Armee)

Das erstaunt zunächst, denn schließlich ist der königlich preußische Ingenieurscapitän Gottlieb August v. Clair in Berlin in der Garnisonkirche begraben worden, und in Berlin ist immerhin auch im Jahre 1771 das von ihm „im allerhöchsten königlichen Auftrag“ aus dem Französischen übersetzte Buch über die Kriegskunst Ludwigs XIV. erschienen (wobei letzteres nicht viel bedeuten muss). Doch wäre es gut vorstellbar, dass Gottlieb August v. Clair zur Übersetzung dieses offenbar für den preußischen König so brisanten Werkes von seinen militärischen Aufgaben freigestellt worden war und zumindest vor 1771 längere Zeit in Berlin mit seinen bedeutenden Bibliotheken verbracht hat.

Hier ist noch kurz zu ergänzen, dass der preußische König, der Gottlieb August v. Clair diesen Auftrag erteilte, Friedrich II. (1712-1786) war, auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt. Unter ihm konnte Preußen sechs Jahre zuvor im Siebenjährigen Krieg (1758-1765) durch die Einverleibung Schlesiens zur europäischen Großmacht aufsteigen, und er bereitete offenbar schon die nächste territoriale Ausdehnung vor: die erste Teilung Polens im Jahr 1772. Womöglich hat ihm und seinen Offizieren das von Gottlieb August v. Clair 1771 übersetzte Buch über die Kriegskunst Ludwigs XIV. dazu Anregungen gegeben.

Partitions_of_Poland_german

Karte Polens vor und nach seinen drei Teilungen 1772, 1793 und 1795. Man erkennt, dass Ostpreußen, insbesondere das Gebiet um Königsberg, zwischen 1660 und 1772 eine preußische Exklave innerhalb Polens war.

Somit kann immerhin eines als sehr wahrscheinlich gelten: Bei der preußischen Offiziersfamilie de Clair / v. Clair, die keine feststellbaren Verbindungen zur rheinischen Familie de Claer / von Claer aufweist, handelt es sich um Hugenotten, also um französische Glaubensflüchtlinge, die im späten 17. Jahrhundert Aufnahme in Preußen fanden. Dafür sprechen sowohl die hohe Anzahl von Hugenotten unter preußischen Offizieren jener Zeit als auch der französisch anmutende Name als auch die deutsch-französische Sprachkompetenz des als Übersetzer im höchsten königlichen Auftrag tätigen Gottlieb August v. Clair, die typisch für Angehörige einer zweiten bis dritten Einwanderergeneration ist. Außerdem hat – wie gesagt – ein weiterer „Berliner Bürger namens v. Clair“ im Jahr 1779 in Berlin ein bis 1789 nachweisbares Portechaisen-Geschäft betrieben, was ein für Hugenotten in Berlin typisches Geschäftsfeld gewesen sein soll. Womöglich ist dieser „Bürger v. Clair“ ein weiterer Sohn des Gottlieb August v. Clair gewesen, der in dessen Todesjahr 1779 das väterliche Erbe als Startkapital für sein Portechaisen-Unternehmen genutzt hat. Er wäre dann ein älterer Bruder des späteren Hauptmanns zu Gumbinnen Wilhelm Theodor v. Clair (1767-1831) gewesen und käme auch als Vater der oben genannten Louise v. Clair in Betracht.

Fraglich bleibt aber der Wohnsitz des Gottlieb August v. Clair. Vieles spricht – siehe oben – für Berlin. Es deutet zumindest nichts darauf hin, dass er in Ostpreußen gelebt haben könnte. Sein Sohn Wilhelm Theodor (1767-1831) war hingegen spätestens ab 1797 in Königsberg stationiert und heiratete 1802 in Gumbinnen, wo er seit 1798 stationiert war und wo seine Familie, vermutlich auch während seiner Versetzung nach Halberstadt, fortan lebte.

Welche Rolle spielte die Ehefrau des Gottlieb August v. Clair und Mutter des Wilhelm Theodor v. Clair, die den klangvollen Namen Anna Rosine von Dobrakowska (oder auch Rosalie Anna Theresia von Dobrokowska) trug? War sie, worauf der Name schließen lässt, eine polnische Gräfin? Hatte Wilhelm Theodor v. Clair nach dem frühen Tod seines Vaters Ländereien im Osten geerbt, die ihn erst in östlichen Gefilden sesshaft werden ließen? (Nach damaligem Recht durften Frauen bekanntlich selbst keine Grundeigentumsrechte innehaben.)

IV. Mögliche Verbindungen
Nun sind wir am entscheidenden Punkt angelangt, dem einer möglichen Verbindung zwischen den ostpreußischen Jägern Clair/Claer und der preußisch-hugenottischen Offiziersfamilie de Clair/von Clair.
Ganz zu Beginn meiner Untersuchungen, Ende 2010, schrieb ich am Anfang meiner Aufzeichnungen:

Ausgangspunkt ist der in der Familie Claer überlieferte Stammbaum, der bis auf meinen Ururgroßvater Franz Claer, geb. 1841 in Ostpreußen, zurückgeht. Bereits in der Anlage des Stammbaums äußert mein Großvater, Gerhard Claer, die Vermutung, dass die Vorfahren der Familie Hugenotten waren, die vor allem im 17. Jahrhundert, um religiös bedingter Verfolgung zu entgehen, aus Frankreich in den deutschen Sprachraum eingewandert sind. Weiterhin weist er in der genannten Anlage auch auf die abweichende, dem Französischen noch näher stehende Schreibweise „Clair“ hin, die in Ostpreußen ebenfalls auftritt. So ließen sich in Kirchenregistern des 19. Jh. in Ostpreußen einige Personen mit dieser Schreibweise des Namens finden, wobei als deren Berufsbezeichnung mehrmals Förster sowie Beamter angegeben sei. Ferner wusste mein Großvater nach Aussage meines Onkels, Dr. Karl Scheibner, zu berichten, dass die Familie früher adelig war und „de Claer“ oder „de Clair“ hieß. Letzteres wurde aber von anderen Familienmitgliedern als Humbug abgetan.“

Es würde also alles gut zusammenpassen, wenn es eine solche Verbindung gäbe. Wir können sie allerdings (noch) nicht nachweisen und haben auch nicht einmal vage Hinweise darauf, wie sie ausgesehen haben könnte. Es lässt sich an diesem Punkt also ausschließlich spekulieren.
Zunächst könnte der Offizier Nr. 7 unserer Liste einen Anhaltspunkt liefern: „ v. Clar (v. Claar) Friedr. Wilh., 1789 Capt. Im Regt. Nr. 18, gest. 1805“. Von den Lebensdaten her könnte es sich durchaus um den Vater von Friedrich Clair (geb. 1798/99) und/oder Johann Wilhelm Claer (geb. 1803) handeln, und der Vorname Friedrich Wilhelm würde ja auch passen. Dann müsste man aber seinen Familiennamen in der preußischen Namensliste verfälscht haben (was immerhin denkbar wäre), und vor allem müsste er sein „von“ verloren haben und später Jäger geworden sein. All das klingt unwahrscheinlich genug. Vor allem hätte er dann aber wohl eher nicht als „von“ und mit Sterbedatum in der Liste gestanden. Außerdem war das Regiment, in dem dieser Friedrich Wilhelm v. Cla(a)r stationiert war, das Infanterieregiment Nr. 18, das 1742 bis 1786 „Prinz von Preußen“ hieß (weshalb es sich vermutlich bei den Offizieren Nr.1,5,6 und 8 unserer Liste ebenfalls um diesen Friedrich Wilhelm handelt), in Bernau, Köpenick, Oranienburg und Potsdam stationiert (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Infanterieregimenter_der_altpreu%C3%9Fischen_Armee), was noch nicht auf eine Verbindung nach Ostpreußen schließen lässt. Zwar ist diese Variante nicht auszuschließen, es spricht aber wohl mehr dagegen als dafür.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Portechaisen-v. Clair, der mutmaßliche Sohn des Ingenieurscapitäns Gottlieb August v. Clair, durch eine allmähliche oder plötzliche Veränderung der verkehrstechnischen Vorlieben der damaligen Bewohner Berlins im Jahr der Französischen Revolution zur Geschäftsaufgabe gezwungen wurde. Womöglich hatte er dabei sein gesamtes Kapital verloren und sogar Kredite aufgenommen, die er nun nicht mehr bedienen konnte. Als Bankrotteur in jener vorkapitalistischen Zeit blieb ihm vielleicht nur ein vergleichsweise bescheidener Neuanfang unter Verlust des Adelstitels und seiner bürgerlichen Reputation als Unterförster in Ostpreußen, möglicherweise gerade in jenen dem preußischen Staat damals frisch einverleibten vormals polnischen Ländereien. Auch beim Portechaisen-v. Clair könnte es sich also um Friedrich Wilhelm Clair/Claer d.Ä. gehandelt haben, zumal es vom Alter her ebenfalls passen würde: Wenn der Portechaisen-v. Clair zur Zeit seiner Unternehmensgründung 1779 vielleicht 20 bis 30 Jahre alt war, käme er ohne weiteres noch als Vater von Friedrich und/oder Johan(n) Wilhelm Clair/Claer 1798/99 und 1803 in Betracht. Doch ist diese Variante mangels näherer Indizien für sie ziemlich aus der Luft gegriffen. Anders wäre es erst, wenn sich herausstellen sollte, dass der Portechaisen-v. Clair tatsächlich den Vornamen Friedrich Wilhelm getragen hat.
Oder der spätere Jäger Friedrich Wilhelm Clair/Claer d.Ä. (geboren vermutlich zwischen 1750 und 1779, siehe oben) war ein Fehltritt des Gottlieb August de Clair (1731-1779), den man womöglich durch Vermittlung der auf Skandalvermeidung bedachten Ehefrau Anna Rosine auf eines ihrer Güter im Osten und später auf eine Stelle als Unterförster komplimentierte. Es war, wie bereits erwähnt, durchaus üblich, dass die unehelichen Kinder von Adligen, sofern diese sie anerkannten, deren Namen ohne das Adelsprädikat trugen. Noch plausibler wäre vielleicht das Szenario, dass Gottlieb August de Clair beim Besuch eines der östlichen Landgüter seiner Frau, der mutmaßlichen polnischen Gräfin Anna Rosine von Dobrakowska, mit einer „Niedergestellten“, etwa einer Köchin oder Magd, einen Sohn erzeugte, der dann den Namen Friedrich Wilhelm Claer trug, dort aufwuchs und später Unterförster wurde.
Auch die Möglichkeit einer Mesalliance, einer nicht standesgemäßen Verbindung, die zur Aberkennung des Adelstitels führen konnte, habe ich in meinen früheren Aufzeichnungen bereits angesprochen. Vielleicht wurde es Friedrich Wilhelm von seiner Familie ja verübelt, dass er die womöglich nicht standesgemäße Susanna Hoemke ehelichte (vgl. meine Aufzeichnungen von 2012). Übrigens erscheint auch eine Susanna Elfriede Hoemke in einer der genealogischen Datenbanken im Inernet. (http://www.werelate.org/wiki/Person:Susanna_Hoemke_%281%29) Allerdings hat sie demnach bereits am 28.3.1779 in Neu Sorgem, Kreis Fischhausen/Ostpreußen, mit ihrem Mann Martin Braeuer einen Sohn namens Gottfried Breyer (Braeuer) bekommen, der wiederum als „Lohnhofmann, Kämmerer, Dragoner“ arbeitete und am 2.10.1804 in Germau, Kreis Fischhausen/Ostpreußen eine Susanna Loysa Kleinfeld (geb. 1773) heiratete. (http://www.werelate.org/wiki/Person:Gottfried_Breyer_%281%29) Als deren Tochter ist Henriette Breyer (1814-1875) vermerkt, deren Nachkommen nebst Stammbaum dort bis in die Gegenwart angegeben sind. Sollte es sich tatsächlich um dieselbe Susanna Hoemke handeln, dann hätte sie bemerkenswerterweise 24 Jahre nach ihrem ersten Kind (1779) im Jahr 1803 Johan(n) Wilhelm Claer geboren (und vielleicht ja auch schon 1798/99 Friedrich Clair/Claer). Womöglich liegt hier ein Skandal verborgen, der zur Aberkennung des Adelstitels des Friedrich Wilhelm geführt hat.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, wie es gewesen sein könnte? Durchaus. Vielleicht war das mit der angeblichen Verbindung zur Adelsfamilie de Clair auch nur das Wunschdenken bestimmter Angehöriger unserer Familie, und in Wirklichkeit geht die Familie, wie es der Hugenotten-Forscher Dierk Loyal vermutet hat, vielmehr auf David Clerc aus St. Imier im Berner Land zurück, der 1712 nach Ostpreußen einwanderte, sich in Matzutkehmen ansiedelte und in Judtschen bei Gumbinnen 1718 heiratete. Allerdings heiratete seine Witwe bereits 1724 erneut, und Kinder von ihm sind nicht bekannt. Auch von den anderen beiden in Ostpreußen registrierten Clercs ist nicht bekannt geworden, dass sie Kinder gehabt hätten. (Siehe meine Aufzeichnungen von 2012).
Ferner gab es, worauf Dierk Loyal auch hingewiesen hat, in Gumbinnen bzw. Bibehlen im Kreis Gumbinnen seit 1711 die Familie L’eauclair (Locklair, Loclair), die – wie es in einem Internet-Blog heißt, aus Montval in der französischen Schweiz stammt und sich bis 1624 zurückverfolgen lässt. (http://forum.ahnenforschung.net/archive/index.php/t-27612.html) Noch heute gibt es namenstragende Nachkommen dieser Familie Loclair in bzw. bei Berlin wie Dr. Holger Loclair, den Geschäftsführer der Firma Orafol Europe in Oranienburg, die sich unter seiner Verantwortung „zu einem der Weltmarktführer im Bereich der Spezialfolien und Klebesysteme entwickelt“ hat.  (http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/961058) In einem Zeitungsbericht über ihn heißt es: „Manche sagen, er könnte diesen gesunden Unternehmergeist von seinen hugenottischen Vorfahren geerbt haben, die es im 17. Jahrhundert nach Ostpreußen verschlagen hatte.“ (Ebd.) Doch gibt es außer einer gewissen Namensähnlichkeit keinerlei andere Hinweise darauf, dass sich von der Familie Loclair eine Linie Clair/Claer abgespalten haben könnte. Allerdings schließt Dierk Loyal seine Auskunft mit den Worten: „In Berlin gibt es die Familie le Clerc. Es könnte sein, dass Familienmitglieder von dort nach Ostpreußen wanderten.“
Und noch ein Umstand könnte neben der familiären Überlieferung, auf die auch unser entfernter Verwandter Andreas Z. hinweist (siehe meine Aufzeichnungen von 2012), ein kleines Indiz für hugenottische Wurzeln der Familie darstellen. Wie ich ebenfalls in meinen Ausführungen von 2012 dargestellt habe, war der „mit einem Forstversorgungsschein versehene invalide Oberjäger Johann Wilhelm Claer“ 1838 auf seiner Försterstelle bestätigt worden. Ich schrieb dazu damals:
Der Forstversorgungs-Schein wurde z.B. Jägern ausgestellt, die im preußischen Garde-Jäger-Bataillon gedient hatten. Wikipedia weiß hierzu: „Seit Mitte des 19. Jahrhunderts rekrutierte sich das Bataillon überwiegend aus dem Bürgertum sowie Angehörigen der Forstwirtschaft. Seit 1871 wurde ihm die gleiche Zahl gelernter Jäger wie dem Garde-Jäger-Bataillon zugewiesen. Diese konnten nach zwölfjähriger (Unteroffiziere nach neunjähriger) Dienstzeit den „Forstversorgungsschein“ erwerben.“ (Er sicherte den betreffenden Personen offenbar den Anspruch auf eine öffentlich besoldete Försterstelle.) „Das preußische Garde-Jäger-Bataillon war 1814 errichtet worden. … Die Umgangs- und Kommandosprache war zunächst Französisch, erst ab 1816 durften mündliche und schriftliche Befehle nur noch auf Deutsch erteilt werden.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Garde-Sch%C3%BCtzen-Bataillon) Johann Wilhelm Claer war also vermutlich in einer zunächst bevorzugt französisch sprechenden Armee-Einheit. Und überhaupt schien es damals einige Verbindungen zwischen Armee und Förstern gegeben zu haben, die über den jeweiligen Schusswaffengebrauch hinausgingen.
Aber ist denn jetzt wenigstens der anglo-normannische Hintergrund vom Tisch? Auch das nicht unbedingt, wobei mir allerdings nunmehr eine Verbindung zum Bischof vom Samland Johannes Clare doch allein aufgrund der enorm langen Zeit bis zurück ins 14. Jahrhundert als noch  unwahrscheinlicher erscheint als eine Verbindung zur hugenottischen Offiziersfamilie. Und schließlich könnten die Wurzeln der hugenottischen Offiziersfamilie ja durchaus in der Normandie liegen und ihrerseits auf Rollo den Wikinger zurückgehen.
Möglicherweise sind wir jetzt ans Ende unserer Forschungen gekommen, da sich die entscheidenden Details heute vielleicht schlichtweg nicht mehr feststellen lassen. Dennoch sollte es sich lohnen, weiter Ausschau nach Indizien zu halten, die noch etwas mehr Licht ins Dunkel bringen könnten.

(10.2.2013)

V. Nachtrag: Die hugenottische Familie le Clair / le Clerc in Berlin

Es ist gar nicht einfach, einen vorläufigen Schlussstrich unter die Forschungen zu ziehen, denn immer wieder ergeben sich neue Ansatzpunkte, deren Verfolgung sich als ergiebig erweist. Die folgenden Funde zur hugenottischen Familie le Clair / le Clerc in Berlin, auf die ich noch gestoßen bin, kann ich aus Zeitgründen nicht mehr in den vorhergehenden Text einarbeiten. Aber sie sind doch so bedeutend, dass sie nicht unter den Tisch fallen sollten und es daher verdienen, noch abschließend angefügt zu werden.
In meinen Ausführungen von 2012 erwähnte ich den umfangreichen Datenbankauszug, den ich von der Deutschen Hugenottengesellschaft in Bad Karlshafen erhalten hatte. Ich schrieb zum Namen le Clair in Berlin:
Daneben gibt es vier Damen aus Berlin: Anne Francoise Clair (geb. 1734); Dlle. Marie le Clair (le Clerc, Cler), Patin am 27./31.7.1724 bei Abraham Jacques Louis; Susanne le Clair /le Clerc), Patin am 1.1.1727 bei Etienne Gedeon, am 3./5.1.1727 bei Jean Louis Matthieubei: Dlle. Dorothee Claire, Patin 1717 bei Paul Ravenel; und schließlich in Stettin eine Anne Susanne le Clair (le Clerc), am 10.4.1739 dort getraut mit dem 28-jährigen “droguiste” Jean Tournier.

Und ich schloss damals daraus:
Eine Verbindung zwischen Friedrich Claer / Friedrich Wilhelm Claer und den hugenottischen Clairs /Le Clairs/ Le Clercs insbesondere aus Magdeburg oder Berlin (wo es ja auch noch den Sänften-v. Clair und den Übersetzer v. Clair gab; vgl. meine Infos von 2011) wäre denkbar, wenngleich alles andere als zwingend.

Nun wird tatsächlich der oben ausführlich beschriebene Ingenierscapitän Gottlieb August de Clair / v. Clair (1730/1731 bis 1778/1779) in anderen Quellen auch als Gottlieb August le Clair genannt.
In „Karlheinz Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738-1806. Die Logen zwischen mittlerer Oder und Niederrhein, Teil 1, Studienverlag Innsbruck 2007“ werden unter 3.18 die „Mitglieder der Logen De la sagesse, Zur Weisheit und Zur Standhaftigkeit“ aufgeführt. Auf S.78 heißt es:

… Heinze, Magdeleine (Madeleine) Touros Gf. d’, Chevalier Seigneur de Millon266 (1729 Paris-7.12.1810 Luckenwalde), kath., 1741 franz. Dienste, 1742-1749 Feldzug gegen Österreich: Belagerung von Mons (verwundet), Maastricht (verschüttet), 1746 Leutn., 1749 Kapt. im IngKorps, 1760 Major im franz. IngKorps,
14.2.1768 Oberstleutn. im pr. IngKorps, 1768 kartograph. Aufnahme d. Festung Kolberg (mit Ingenieurkapt. Le Clair), 1773 Marienburg mit bes. Auftrag für 79 d. Festungsbau in Westpr., 1778/79 Feldzug, 1787 Oberst, Brigadier für Pr. u. Pomm. im 4. Departement d. Oberkriegskollegiums, 1793 Generalmajor, Oberbrigadier d. Ingenieurs in Pr. u. Pomm., 31.12.1796 dim., begabter Ingenieur, in erster Linie Theoretiker, heir. 1. Julie Elisabeth Charlotte de Colonet de Lignières, geschieden, 2. Magdalene Fury de la Tour de Vigny; aff. 29.10.1777, 1782 3… (Hervorhebung von mir) (https://fedora.e-book.fwf.ac.at/fedora/get/o:56/bdef:Content/get)

Es kann kein wohl Zweifel daran bestehen, dass hier Gottlieb August de Clair / v. Clair gemeint ist. Aber es kommt noch besser. Folgenden Eintrag fand ich in der „Politischen Korrespondenz“ Friedrichs des Großen, welche komplett digitalisiert bei der Universität Trier abrufbar ist:

OEuvres de Frédéric le Grand – Werke Friedrich des Großen
Digitale Ausgabe der Universitätsbibliothek Trier
Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, 38. Band:
Nr. 25140. An der Kammerdirector von Gaudi znd die Ingenieur-Capitans Le Clair
Schreiber: Friedrich (Preußen, König II.)
Empfänger: Gaudi, Karl Friedrich Ludwig von
Empfänger: Le Clair, Friedrich Wilhelm von
Ort: Potsdam
Datum: Potsdam, 19. November 1776

25140. An den Kammerdirector von Gaudi und die Ingenieur-Capitains Le Clair
Potsdam, 19. November 1776.
Se. Königl. Majestät lassen Dero Geheimen Rath von Gaudi und Dero Ingenieur-Capitains Le Clair auf die Berichte vom 11. Dieses hierdurch zu erkennen geben, dass, sobald Höchstdieselben die Ratification von der République Polen haben, alsdenn auch die Garnisons aus denen abgetretenen Städten weggezogen werden sollen; (FN: Die polnischen Commissare forderten die unverzügliche Räumung der Ortschaften der Woywodschaft Gnesen, sobald der Grenzzug festgesetzt sei.) aber erst muss die Ratification da sein, eher gehet das nicht an. (FN: Am 23. November unterrichtet der König Gaudi, er sei „nunmehr entschlossen“, dem Wunsche der polnischen Commissare gemäss, „sobald der Grenzzug überall völlig zu Stand gebracht worden sein wird, alsdann, ohne die Ratification desselben abzuwarten“, seine Truppen aus allen zurückzugebenden Ortschaften und Städten zurückzuziehen. Gaudi kann „solches denen polnischen Commissarien vorläufig bekannt machen, um sie dadurch zu fernerer Fortsetzung des Grenzzugs desto williger zu machen“.) Wornach Sie sich also zu achten und ferner dahin zu sehen haben, um Sr. Königl. Majestät allerhöchstes Interersse bei der Grenzregulirung möglichst zu beobachten.
Nach dem Concept.           Friderich (http://friedrich.uni-trier.de/de/politKorr/38/428/)
(Hervorhebungen von mir.)

Nun ist also plötzlich von „Dero Ingenieur-Capitains Le Clair“ die Rede. Wenn ich richtig verstehe, ist das die Pluralform. Gab es also sogar zwei Ingenieur-Capitaine Le Clair? Im Archivierungstext des Briefes (jedoch nicht in diesem selbst; vielleicht aber auf dem Briefumschlag?) steht nun allerdings nicht „Gottlieb August“, sondern „Friedrich Wilhelm von Le Clair“.
War das der mutmaßliche Sohn des Gottlieb August, der Portechaise-Unternehmer? War das immerhin auch technischen Sachverstand erfordernde Portechaisen-Geschäft eine Art Gesellenstück des jungen Ingenieurs Friedrich Wilhelm von Le Clair? Aber konnte man in so jungem Alter schon Ingenieurs-Capitain sein? Vielleicht war es doch eher ein Bruder oder Cousin des Gottlieb August? Sollte dieser Friedrich Wilhelm aber doch der Sohn des Gottlieb August gewesen sein, dann käme er rein altersmäßig und auch, was den Vornamen betrifft, als Vater des Johan(n) Wilhelm Clair/Claer (geb. 1803) und vielleicht auch unseres Vorfahren Friedrich Clair (geb. 1798/99) in Betracht. Als Sohn des Gottlieb August de Clair / v. Clair (1730/1731 bis 1778/1779) könnte Friedrich Wilhelm zwischen 1750 und 1755 geboren worden sein, wäre dann im Jahr des Briefes von Friedrich dem Großen, 1776, ein junger Erwachsener gewesen und hätte drei Jahre später, 1979, nach dem Tod des Gottlieb August, auch ein Portechaisen-Geschäft eröffnet haben können. Und schließlich hätte er dann im Alter von Mitte 40 bis Anfang 50 noch als Unterförster in Ostpreußen mit der ebenfalls nicht mehr ganz jugendlichen Susanna Hoemke (siehe oben) eine Familie gründen können. Nur müsste er dazu noch sein „von“ und seinen Titel eines „Ingenieurs-Capitäns“ verloren haben, vielleicht, indem er bei ihrer Majestät, dem preußischen König, in Ungnade gefallen ist. Das wäre immerhin eine Möglichkeit neben vielen anderen…

Als weiterer Beleg für die Identität des Ingenieur-Capitäns de Clair/von Clair mit „le Clair“ kann die folgende „Kabinets-Ordre“ des Friedrich II. zur Verteilung des von diesem übersetzten Buches über die Kriegskunst Ludwigs XIV. an seine Offiziere gelten:

Von Taysen zitiert aus der Kabinets-Ordre, “mittelst welcher der König die Vertheilung einer Anzahl Exemplare der Uebersetzung and die Truppentheile verfügt hat” […]:
‘Mein lieber General-Major von Anhalt. Ich gebe Euch hiermit auf, daß Ihr die 159 Exemplaria des von dem Capitain le Clair auf Meine Ordre übersetzten Werkes denen General-Inspekteurs nach Maasgabe Eures hierbei zurückkommenden Aufsatzes zufertigen und selbigen zugleich von meinetwegen bekanntmachen sollet, dieses auch denen Regimentern unter der Auflage zuzuschicken, daß selbige die Officiers zu dessen fleißiger Lesung, besonders auf denen Wachten, wo sie gemeiniglich ihre Zeit sehr unnütz zuzubringen pflegen, gehörig anweisen und anhalten sollen. Ich bin etc.
Potsdam, den 7. Februarii 1772 Friedrich.'” (“Militärische Schriften” Friedrichs des Großen, hrsg. von Adalbert von Taysen, Berlin 1882, S. 315-316 [Militärische Klassiker des In- und Auslandes]). http://friedrich.uni-trier.de/de/oeuvres/29/id/003000000/meta/)

Nun wurden aber, wie sich an den eingangs dieses Kapitels zitierten Auszügen aus der hugenottischen Datenbank erkennen lässt, häufig die Namensschreibweisen le Clair und le Clerc synonym benutzt: „Dlle. Marie le Clair (le Clerc, Cler)“; “Susanne le Clair /le Clerc)”; Anne Susanne le Clair (le Clerc). Auch hat der Hugenottenforscher Dierk Loyal ausdrücklich von einer Familie le Clerc in Berlin gesprochen, aus der Angehörige nach Ostpreußen gezogen sein könnten, von denen womöglich die ostpreußische Familie Claer abstamme.
Sucht man aber nach „le Clerc“ in Berlin, so wird man fündig bei Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der Preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15. Dort ist aufgeführt:

Kammergerichtsrat Louis le Clerc (1733-1795)
Geb. Berlin 13.6.1733, gest. ebda. 27.1.1795, frz-reformiert; Vater: Jean Henri, 1713-1786, Hofrat; Mutter: Susanne, 1715-1776, e. geb. Gillet; Schule: besuchte d. Frz. Gymnasium in Berlin); Studium: schrieb sich am 27.4.1754 in Frankfurt/O. (für die Rechte) ein; Laufbahn: engagierte sich im preußischen Heer; machte als Auditeur im Infanterie-Regiment Prinz von Preußen den Siebenjährigen Krieg mit, etwa 1763 verabschiedet; im Frühjahr 1764 zum Kammergerichtsrat genannt, fungierte als solcher noch 1776, damals auch Revisionsrat beim Frz. Obergericht; seit Spätherbst 1782 Geh. Rat beim Frz. Oberdirectorium, rückte hier auf eigenen Wunsch für den verst. Segond de Hamchet ein, s.d.; 1795 gest.; Quellen: GStA, 1, Rep. 96 B, Nr. 160, Berlinische Nachrichten Nr. 48v. 21.4.1764 (Bestallung), Nr. 147 v. 7.12.1782, Adres-Calender Berlin, Matrikel; Archiv d. Frz. Kirche Berlin; (http://books.google.de/books?id=dwQ5XqLMxzMC&pg=PA558&lpg=PA558&dq=ingenieur+capitain+le+clerc&source=bl&ots=5W6eTukED1&sig=Nt8Qjimpzn4uojpO7jMaxD6aKPc&hl=de&sa=X&ei=IX4ZUbW2MZCRswav-oAI&ved=0CFsQ6AEwBw#v=snippet&q=le%20clerc&f=false)

Von den Lebensdaten ausgehend, könnte es sich beim Kammergerichtsrat Louis le Clerc (1733-1795) um einen Bruder oder Cousin des Gottlieb August le Clair / de Clair / v. Clair (1730/31-1778/79) handeln. (Nachkommen hat er offenbar keine hinterlassen noch war er verheiratet, denn anderenfalls wäre das, wie bei anderen Einträgen in diesem Handbuch auch, sicherlich vermerkt worden.)  Die in der Datenbank genannte Anne Francoise Clair (geb. 1734) aus Berlin könnte eine Schwester oder Cousine der beiden gewesen sein. Hingegen gehören die gem. der hugenottischen Datenbank anderen drei in Berlin ansässigen Damen namens le Clair/Clair, die zwischen 1717 und 1727 diverse Patenschaften für Kinder übernommen haben, wahrscheinlich nicht einmal zur Generation der Eltern des Kammergerichtsrats Louis le Clerc (geb. 1733) und des Ingenieur-Capitains Gottlieb August le Clair / de Clair / v. Clair (geb. 1730/31), sondern zur Generation von deren Großeltern. Auch die Eltern des Kammergerichtsrats, nämlich Hofrat Jean Henri le Clerc (1713-1786) und seine Frau Susanne (1715-1776) waren offenbar deutlich jünger. Somit könnten die genannten drei Patentanten, so wie vermutlich die Eltern von Jean Henri le Clerc und seiner Frau, sogar der Einwandergeneration aus Frankreich entstammen, die wohl Ende des 17. Jahrhunderts nach Berlin gekommen sein muss.
Zu guter Letzt ist noch darauf zu verweisen, dass in der wissenschaftlichen Studie „The Berlin refuge, 1680-1780: learning and science in European context“ von Sandra Pott, Martin Mulsow und Lutz Danneberg, die das intellektuelle Leben der Berliner Hugenotten thematisiert, unter den „Directoren und Autoren“ ausgewählter Journale im 17. Jahrhundert/um 1700 ein J. Le Clerc dem Titel „Nouvelles de la République des lettres“ zugeordnet wird. (http://books.google.de/books?id=0YBRb0LPHzAC&pg=PA178&lpg=PA178&dq=Jean+Henri+le+clerc+berlin&source=bl&ots=KJACahsX_8&sig=pmh5nZ0oUrm0qje3O1DRG1i0Hlw&hl=de&sa=X&ei=X4UZUb3qMsbBswbyo4CYCg&ved=0CF4Q6AEwCDgK#v=onepage&q=Jean%20Henri%20le%20clerc%20berlin&f=false) Vielleicht war das der Vater oder Großvater von Kammergerichtsrat Jean Henri le Clerc…

VI. Zweiter Nachtrag: Der Jäger Clair im Kampf mit einem Keiler und ein Müller in Zielenzig

Der „Newsflow“ reißt nicht ab. Hier die Jagdgeschichte über den Jäger Clair zu Möllendorf im winterlichen Kampf mit einem Keiler im Jahr 1820 in drei Versionen:

Version 1:
Allgemeines Forst- und Jagd-Archiv, Band 6, Seite 2239:
Der beherzte Jäger
Am 21sten Nov. 1820. ging der 61jährige Jäger Clair aus Möllendorf, in Schlesien, in den Forst, und spürte bey dem frisch gefallenen Schnee ein starkes wildes Schwein. Auf der Fährte folgend fand er dasselbe bald, und schoß es mit einer Kugel auf das Blatt. Nach dem Schuß verfolgte es der Hund, und stellte es in einiger Entfernung. – Clair, der unterdessen sein Gewehr wieder geladen hatte, kam dem Schweine so nahe, daß er nochmals schießen konnte. Zum Unglücke versagte ihm aber die Büchse. Der Keiler nahm ihn hierauf an, schlug ihm den Schenkel bis auf den Knochen durch und warf den alten Mann zu Boden. – Dieser faßte nun das Schwein beim Gebreche (Rüssel) und zerrte sich mit dem ergrimmten Keiler so lange herum, bis der Hund dem Schweine das Kurzwildbrat fast ganz zersetzt hatte; worauf der Keiler flüchtig wurde.
Clair, obgleich ihm die bedeutende Verwundung am Schenkel sehr schmerzte, und mehrere Finger zerquetscht waren, suchte sich das in den Schnee gefallene Gewehr wieder auf, setzte dasselbe in gehörigen Stand, verfolgte das Schwein, und schoß ihm, als es ihn wieder annahm, auf den Kopf.
Nachdem Clair das Schwein mit vieler Anstrengung aufgebrochen hatte, eilte er nach Haus, wo er wegen des großen Blutverlustes ohnmächtig wurde und mit Heilung der Wunden lange zubrachte. (http://books.google.de/books?id=A307AAAAcAAJ&pg=PA239&dq=j%C3%A4ger+clair&hl=de&sa=X&ei=0WcqUcq9FsT1sga95oD4Aw&ved=0CDcQ6AEwAQ#v=onepage&q=j%C3%A4ger%20clair&f=false)

Version 2:
Der Wanderer auf das Jahr 1821, Erster Band (Jänner bis Ende Juny), Wien 1821, Seite 7:
Donnerstag, 4. Januar 1821:
Königreich Preußen
Für Jagdliebhaber setzen wir hier folgendes Schreiben aus Berlin her: Zu Wahrnehmung seines Berufs, ging am 21. Nov. Der 61jährige Heideläufer Clair aus Möllendorf (einem Gutsbesitzer im Zauchschen Kreise gehörig) in die Haide. Bey dem stark gefallenen Schnee spürte er ein Schwein, fand dasselbe auf, und traf es mit der Kugel ins Blatt, doch ward es erst eine bedeutende Strecke weit durch seinen Hund gestellt. Der Clair, welcher unterdeß seine Flinte wieder geladen hatte, ging dem Schweine nach, doch versagte ihm bald das Gewehr, worauf der Keiler ihn annahm, und ihm den Hinterschenkel buis auf den Knochen aufschlitzte. Der jährige (?) Keiler, wüthend, hieb den Jäger einigemahl mit den Gewehren (Zähnen), doch schützte ihn seine Jagdtasche gegen bedeutende Verwundungen. Clair packte sogleich den Keiler ins Gebrech (Rachen), und wiegte sich so eine Weile mit dem Thiere herum, bis endlich sein Hund demselben das Kurzwildpret so zerrissen, daß der Keiler vor Schmerz, den Jäger abermahls mit umreißend, sich seiner Gewalt entzog. Clair, obgleich ihm außer der bedeutenden Schenkelverwundung das Fleisch der Finger durch Schärfe der Gewehre (Zähne des Keilers) theilweise abgelöst, und die Nägel ganz zerquetscht waren, griff wieder zum Gewehre, (welches im Schnee verloren gegangen, ganz naß geworden war), setzte dasselbe in Stand, und suchte abermahls den Keiler auf. Derselbe, wiederum auf ihn losfahrend, ward jedoch durch einen Schuß zwischen die Lichter (Augen) zur Erde gestürzt. Nachdem er verendet, brach ihn der alte Mann noch auf, warf ihn auf, und ging nun erst seiner Wohnung zu, wo er durch den starken Blutverlust sogleich ohnmächtig darnieder fiel.                                         E.v.T.
(Wer die Gefahren der Schweinsjagd und die Wuth dieser Thierart auch nur vom Hörensagen kennt, der wird die von einem 61jährigen Mann bewiesene Unerschrockenheit, Geistesgegenwart und Ausdauer zu würdigen wissen. Was gehört nicht schon allein bloß dazu, den so bedeutenden Verwundungen, als der gewaltige Jäger Clair erlitten hatte, ein nass gewordenes Gewehr in schußfertigen Stand zu setzen!) (http://books.google.de/books?id=sHFMAAAAcAAJ&pg=PA7&lpg=PA7&dq=heidel%C3%A4ufer+clair&source=bl&ots=XnW38B2hME&sig=F_5EXQVhJ4ILe0H9Ii72SRr3Br0&hl=de&sa=X&ei=Bo0qUaO7DYnTsgb_s4HYCg&ved=0CC4Q6AEwAA#v=onepage&q=heidel%C3%A4ufer%20clair&f=false)
Der Name Heideläufer ist vergleichbar mit einem niederen Forstbediensteten, der sein Waldrevier untersuchend begeht. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts wurde mit Forstordnungen die Nutzung der Wälder bestimmt. Heideläufer, auch Unterförster genannt, wurden für kleinere Forstreviere eingesetzt und waren tätig im Auftrag einer Forst- oder Finanzverwaltung. Der Stabschläger ist eine alte Bezeichnung für den Holzfäller bzw. den Wald/ Forstarbeiter. (http://www.bruchwitz.com/Chronik/Internet/chron01_allx.pdf)

Version 3:
Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung. Unterhaltungsblatt, Sonnabend den 5. Juli 1828, S.323:
Der Jäger Clair zu Möllendorf im Kampfe mit einem Keuler.
(Wahre Anekdote.)

Bei tiefem Schnee und einer Reu‘
Ging Jäger Clair zu Forste,
Er war nicht vom Vermuthen frei,
Daß in dem dicken Horste
Ein starker Keiler kesselt dreist,
Der im November noch sehr feist.
Und deshelb ging mit Freude
Der alte Clair zur Haide.

So wie gedacht, so sah‘ er bald
Des Schwarzrock’s starke Fährte,
D’rauf sieht er ihn, sein Rohr erknallt,
Der Keuler stürz’t zur Erde;
Doch wieder rafft er schnell sich auf,
Dort grunz’t er hin im vollen Lauf‘,
Allein die Kräfte schwinden,
Er sitzt und läßt sich finden.

Indeß ein Dachshund mutig stellt,
Wird schnell das Rohr geladen,
Doch wem ein traurig Loos nun fällt,
Ist nicht so schlecht zu rathen.
Die Kugel sitzt zwar auf dem Blatt‘,
Doch ist der Keuler gar nicht matt,
Er klappert bei der Sache,
Und ist voll wilder Rache.

So wie der Jäger schießen will,
Versagt’s ihm, denkt den Schrecken,
Nun sitzt der Keuler nicht mehr still,
Er läßt sich nicht viel necken.
Er nimmt den Waidmann an mit Wuth,
Nun geht’s dem alten Clair nicht gut,
Der hat sich schlecht gebettet,
Er ist allein, wer rettet?

Der Keuler kommt nun schnaubend an,
Und haut mit dem Gewehre
Den Schenkel unsers Jägersmann
Auf bis zur Knochenröhre,
In Schnee fällt drauf der Jäger hin,
Der Keuler hat nichts Gut’s im Sinn‘,
Er will den Waidmann töthen.
Der ist in großen Nöthen.

Doch Muth und Geistesgegenwart
Wurd‘ stets für gut befunden,
Und wie der Keuler grob und hart
Den alten Clair hat unten,
So greift der Letzte meisterlich,
– Diana ließ ihn nicht im Stich‘ –
Dem Keuler in die Waffen,
Und macht ihm viel zu schaffen.

Der Dachshund kam nun auch herbei,
Den Keuler zu bekriegen,
Er riß das Kurzwild ihm entzwei
Weil er den Herrn sah‘ liegen;
Da dies dem Schwarzen schmerzlich ist,
So rannt‘ er fort nun ohne Frist;
Denn Clair könnt‘ nicht mehr halten,
Er ließ das Schicksal walten.

Vor Tritten von des Keulers Wuth,
Mit Aftern und den Schalen
War Clair geschützt so ziemlich gut,
– Die Scene wär‘ zu malen –
Denn nur der Holster schützte hier
Vor Wunden von dem wilden Thier‘,
Das mit den starken Läufen
Dieselben weiß zu häufen.

Der Hände Leder ist nun zwar
Auf lange Zeit zerrissen,
Auch wird der Jäger manches Jahr
Die Stellen nicht vermissen,
Wo ihm der Keuler Flecken schlug,
Und deren sind gewiß genug,
Die blau sich präsentiren,
Doch leicht sind zu kuriren.

Bei vielem Schmerz‘ und manchem Weh‘,
Das unser Held empfunden,
Sucht er dennoch aus tiefem Schnee,
Und zwar ganz unverbunden,
Sein Rohr hervor, das durchaus naß:
– Dies war wahrhaftig gar kein Spaß –
Denn Stümper würden’s lassen,
Hierauf was anzufassen.

Doch Clair, der wischt die Flinte rein,
Und sucht auch seine Mütze,
Er rhumt darauf noch Pulver ein,
Und schwört bei Frost und Hitze:
„Wie einst am Harz der Hackelberg,
So will ich, gegen ihn ein Zwerg,
Den Keuler noch erlegen,
Herr, schenk‘ mir Deinen Segen!“

Und wo der Schwarze klappernd haus’t,
hinkt Clair hin sonder Weisen,
Denkt: eh‘ der Aufbruch ist verschmaus’t,
Wird alles wieder heilen;
Doch sieht der Eber Clairen kaum,
So kommt er an, den Wurf voll Schaum,
Er hat es stark im Willen,
Noch seine Wut zu stillen.

Indeß er war kaum schußweit da,
– Man denk‘ des Jägers Lage –
Alls schon der Keuler nicht mehr sah
Am hellen lichten Tage:
Denn in dem Kopf da saß der Schuß,
Es waren noch zum Ueberfluß
Die Lichter ganz zerschossen
Und Clair nicht mehr verdrossen.

Mit Heiterkeit bei wunder Hand
Brach Clair noch auf den Eber,
Es hatt‘ die Schmerzen weggebannt
Der Vorgeschmack der Leber,
Ja mit fast jugendlicher Lust,
Sang brummend er aus guter Brust,
Nach alter Jäger Weise
Sein Stückchen hin ganz leise.

Und nun bedenkt, der Jägersmann
Zählt achtundsechzig Jahre,
Er opfert gern, wo er nur kann,
An Delias Altare;
Er weis so manches Jägerstück,
Erzählt so viel vom Waidmannsglück,
Und sagt: Die höchste Freude
Gewährt die Jagd noch heute!

F.B. Frömbling
Redakteur: Forstmeister St. Behlen. – Verlag von Wilhelm Ludwig Wescha. (http://books.google.de/books?id=UmkWAQAAIAAJ&pg=PA323&lpg=PA323&dq=j%C3%A4ger+clair&source=bl&ots=0xMkOXGfOh&sig=xUPkLRRP1-OcRESMJo58saQdONE&hl=de&sa=X&ei=zzsqUeuvGcPFtQa2zoGYAw&ved=0CEUQ6AEwAw#v=onepage&q=j%C3%A4ger%20clair&f=false)

Der Hintergrund der Textzeile „Wie einst am Harz der Hackelberg“ ist laut Wikipedia Folgender:

„Hanns von Hackelberg (auch Hackelnberg; * angeblich 1521 in Wolfenbüttel; † angeblich 1581 in Wülperode bei Vienenburg) war nach norddeutscher Begebenheit der Wilde Jäger. Sein Name leitet sich vom Herkunftsort seiner Eltern, dem Hakel, ab. Hackelberg stand im Dienst des Herzog Julius von Braunschweig und war Braunschweiger Oberjägermeister. Er genoss bei seinen Vorgesetzten und Waidgesellen großes Ansehen. Er bereitete Hof- und Gesellschaftsjagden vor und leitete diese.
In der Wülperoder Gegend stand unweit der Oker im so genannten Steinfeld der 1672 wieder erbaute „Klöpperkrug“. In dessen Garten soll sich ein Friedhof befunden haben. Auf seinem Grabstein wird ein Bildnis von Hackelberg gezeigt: ein auf einem Pferd reitender Mann mit einem „Hohen Hut“ und wehendem Mantel, der in der Rechten eine Armbrust, in der Linken die Zügel hält. Zwei Hunde laufen frei nebenher.
Der Legende nach träumte Hackelberg in der Nacht vor der Jagd, dass er von einem starken Keiler angegriffen und schwer verletzt würde. Die anderen Jäger rieten ihm deshalb von der Teilnahme an der Jagd ab. Er missachtete die Warnung und nahm an der Jagd teil. Der Traum erfüllte sich: Ein blutender Keiler griff ihn an, ein Treffer aus der Armbrust schien dem Tier nichts anhaben zu können. Mit Hilfe einer Saufeder und eines Hirschfängers gelang es Hackelberg, das Tier zu erlegen. Wieder erholt, ging man am Abend auf der Harzburg zum gemütlichen Teil über. Bei diesem Fest stand selbstverständlich der Keiler im Mittelpunkt und das Haupt des starken Keilers wurde gesondert bei Eichenlaub und Kerzenschein aufgebahrt. Hackelberg verspottete das erlegte Tier und hob das Haupt vom Tische mit einer Hand auf, hielt das Haupt am ausgestreckten Arm zur Festgesellschaft und sprach die überlieferten Worte: „Nun hast du mir doch nichts anhaben können.“ Hiernach glitt ihm das Haupt aus der Hand und fiel mit dem Hauer voran auf seinen Fuß. Der messerscharfe und spitze Hauer durchdrang den Stiefel sofort und durchbohrte seinen rechten Fuß bis zur Sohle. Er schenkte der anfänglich für seine Verhältnisse geringfügigen Verwundung kaum Beachtung. Doch schon am nächsten Tag hatte sich die Wunde entzündet. Auf der Rückreise nach Wolfenbüttel entlang der Oker musste Rast eingelegt werden. Hier bot sich der Klepperkrug (Klöpperkrug) vor Wülperode an der Landstraße von Vienenburg nach Schladen an. Hackelberg starb noch am selben Abend an seiner Verwundung. Aber Ruhe fand er nicht, er verfluchte sich vor seinem Tod selbst und jagt bei Sturm mit seinem Ross und seinen Hunden „okerauf und okerab“. Man beerdigte den Leichnam im Garten des Gasthauses und deckte dies später mit einer Grabplatte aus Sandstein ab.
Die Legende ist in vielfach variierter Form in der Harzgegend, am Solling und an weiteren Orten Norddeutschlands bekannt. Ihr physischer Ursprung liegt möglicherweise im tosenden Sturmwind. Die Person des Wilden Jägers hat Ähnlichkeit mit dem Windgott Wodan.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_von_Hackelberg)

Aber wo liegt das besagte Möllendorf, in dem der Jäger Clair, dessen Vornamen uns leider alle drei Quellen schuldig bleiben, sein Wirkungsfeld hatte? Wikipedia kennt fünf Orte dieses Namens. Ein schlesischer, wie es das Allgemeine Forst- und Jagd-Archiv (Quelle 1)  suggeriert, ist allerdings nicht darunter. Die Zeitschrift „Der Wanderer“ (Quelle 2) verortet das Geschehen offenbar im Königreich Preußen, aber das hilft uns nicht viel weiter, denn hierzu gehörte seinerzeit neben Brandenburg, Pommern und Ostpreußen – dank König Friedrichs Eroberungsdrang – auch Schlesien. Aber immerhin lagen alle fünf genannten Orte im damaligen Preußen:
·    Ortsteil der Stadt Sonnenwalde im Landkreis Elbe-Elster, Brandenburg
·    Möllendorf (Goldbeck), Ortsteil der Gemeinde Goldbeck im Landkreis Stendal, Sachsen-Anhalt
·    Möllendorf (Mansfeld) Ortsteil der Stadt Mansfeld im Landkreis Mansfeld-Südharz, Sachsen-Anhalt
·    Möllendorf (Wendisch Rietz) Ortsteil der Gemeinde Wendisch-Rietz im Landkreis Oder-Spree, Brandenburg
·    Ort in der ehemaligen Provinz Posen, heute Wymyslowice in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern (http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%B6llendorf)

Eine örtliche Nähe zu Schlesien und damit die Gefahr eines geographischen Zuordnungsfehlers besteht am ehesten beim heutigen Wymyslowice in der damaligen Provinz Posen, heute Poznan. Andererseits wird in der Zeitschrift „Der Wanderer“ (Quelle 2) Möllendorf als „einem Gutsbesitzer im Zauchschen Kreise gehörig“ beschrieben. Als „Zauchscher Kreis“ oder auch „Zauche“ wird wiederum die Gegend westlich von Berlin bis etwa zur Stadt Brandenburg bezeichnet. (http://de.wikipedia.org/wiki/Zauche) Zwar muss der Gutsbesitzer „aus dem Zauchschen Kreis“ nicht zwangsläufig in unmittelbarer Nähe seiner Länderei Möllendorf gewohnt haben, doch liegen die Möllendorfs Nr.1 bis 4 jeweils in einer Entfernung vom Zauchschen Kreis, die eine solche Konstellation denkbar erscheinen lassen, wohingegen die Provinz Posen (Möllendorf Nr.5) vom „Zauchschen Kreis“ doch ziemlich weit entfernt ist. Doch das gilt noch viel mehr für Schlesien. Die Bezugnahme auf den „wilden Jäger“ Hackelberg könnte auf das Möllendorf im Mansfeld (Nr.3) hindeuten, der beschriebene strenge Winter im November aber eher wieder auf die viel östlicher gelegene Provinz Posen. So bleibt das mysteriöse Möllendorf des Unterförsters Clair vorerst nicht näher geographisch bestimmbar.
Sehr wohl bestimmbar ist jedoch das Geburtsjahr dieses Jägers Clair: Da er am 21.11.1820 61 Jahre alt war und am 5.7.1828, wie die Allgemeine Forst- und Jagdzeitung berichtet, 68 Jahre, muss er zwischen dem 6.7. und dem 20.11.1759 geboren worden sein.
Nun ist zu fragen, in welchem Zusammenhang der in Rede stehende Jäger Clair zu unserer Familie steht. Eine Verwandtschaft erscheint hier sehr wahrscheinlich, denn die räumliche Entfernung zu den ostpreußischen Jägern ist zwar nicht unwesentlich gering (außer das Möllendorf lag in der Provinz Posen), aber doch so, dass sie noch überbrückbar erschiene. Die bei allen Möllendorfs bestehende relative Nähe zu Berlin könnte überdies unsere Vermutung einer Beziehung zur Berliner hugenottischen Familie le Clerc/le Clair/de Clair/v. Clair stützen. Vom Alter her könnte der Wildschweinbezwinger Clair (Jahrgang 1759) der Vater sowohl unseres Vorfahren Friedrich Clair/Claer (geb. 1798/99) als auch seines mutmaßlichen Bruders Johan(n) Wilhelm Clair/Claer (geb. 1803) sein. Auch das Alter der Mutter des Johan(n) Wilhelm, Susanne Hoemke, die ihr erstes Kind bereits 1779 mit einem anderen Mann bekam, würde gut zum relativ fortgeschrittenen Alter ihres Mannes Friedrich Wilhelm (wenn er denn tatsächlich der Wildschweinbezwinger sein sollte) passen. Allerdings ließe diese Variante unsere Spekulation unwahrscheinlicher erscheinen, dass Friedrich Wilhelm (bzw. der Wildschweinbezwinger Clair) identisch mit dem jüngeren der Berliner Ingenieurcapitäne mit gleichem Vornamen (eventuell der Portechaisen-Clair) sein könnte, denn das hätte in den Berichten über das Jagdabenteuer sicherlich Erwähnung gefunden.

Nun ist abschließend noch ein weiterer Fund zu vermelden. In einem Blogeintrag vom 16.8.2010 schreibt der Internetnutzer Woddy:

„In den Jahren vor 1945 wurden Suchanfragen in schriftlicher Form gestellt und veröffentlicht.
Ein solches waren das Suchblatt für alle Fragen der Sippenforscher. Diese wurden dann nach Jahrgängen in einen Buch zusammengefasst und gedruckt.
Ich habe die Anzeigen für die Region Brandenburg mal rausgezogen.
Vielleicht ergibt sich für den oder anderen noch ein Hinweis wo er die Forschung ansetzen kann.

Die Quelle ist das Buch Praktische Forschungshilfe 1932 bis 1935

Peter Woddow“ (http://forum.ahnenforschung.net/showthread.php?p=336949)

Und neben vielen anderen Namen findet sich auch der folgende:
„KLÄHR(KLAEHR,KLEHR,Claire) – Carl Friedrich KLÄHR, * wo (nicht Zielenzig) um 1790/91, + Zielenzig (Kr Oststernberg) 29.12.1850, Windmühlenbesitzer und Müllermeister aus Hugenottenfamilie stammend, oo Zielenzig 18.4.1817 Beate Louise AEHREND * Zielenzig 12.7.1792, Tochter des Johann Gottl Aehrend und der Anna HENSCHEL. Woher stammt Carl Friedrich KLÄHR? (evangelisch)“ (http://forum.ahnenforschung.net/showthread.php?p=336949)
Und diesmal ist die Örtlichkeit klar ersichtlich. Bei Wikipedia heißt es:
„Sulęcin (deutsch: Zielenzig) ist eine polnische Kreisstadt in der Woiwodschaft Lebus mit etwa 10.000 Einwohnern sowie Sitz der gleichnamigen Stadt- und Landgemeinde. Zielenzig befindet sich im Gebiet der Lebuser Seenplatte, etwa 35 km nordöstlich von Frankfurt/Oder.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Zielenzig)

Zielenzig1905

Zielenzig um 1900 (Ebd.)

Jetzt kommt also noch ein Müller mit anderer Schreibweise, aber hugenottischer Abstammung ins Spiel. Die räumliche Lage von Zielenzig zwischen Berlin und Ostpreußen könnte ein Indiz für eine Verbindung zwischen den ostpreußischen Förstern und der Berliner Hugenottenfamilie sein. Vom Alter her könnte Carl Friedrich (geb. 1791/92) ein Sohn oder Neffe des Wildschweinbezwingers (geb. 1759) sein.

Fortsetzung folgt.

Justament Sept. 2012: Wie der Jurist Franz Bernhard de Claer Napoleon in die Flucht schlug

Justament-Autor Thomas Claer über Sinn und Unsinn der Ahnenforschung

26 RECHT HISTORISCH Fragebogen der Reichsstelle für SippenforschungDie Familienforschung, umgangssprachlich auch als Ahnenforschung bezeichnet, hat derzeit Hochkonjunktur. Man glaubt gar nicht, wie viele Internetseiten sich inzwischen diesem Thema widmen. Und anders als früher lassen sich mittlerweile viele einschlägige Quellen wie alte Kirchenbücher oder Einwohnerlisten in digitalisierter Form bequem per Mausklick im Internet einsehen. So erstaunt es nicht, dass sich immer mehr Deutsche vom Forscher-Virus infizieren lassen und mit Google & Co. auf die Suche nach ihren vermeintlichen Wurzeln begeben.

Heikles Erbe – irrationaler Kern

Doch während sich nach dem Krieg in vielen anderen europäischen Ländern und vor allem den USA die Familiengeschichtsforschung längst zu einer weit verbreiteten Freizeitbetätigung entwickelt hatte, stand sie hierzulande aufgrund ihrer historischen Belastung noch jahrzehntelang im Ruf des Anrüchigen. Schließlich erinnerte man sich noch gut an die Fragebögen der „Reichsstelle für Sippenforschung“, in welchen während der Nazi-Jahre die deutschen „Volksgenossen“ ihre lupenreine „arische Abstammung“ zu dokumentieren hatten, wollten sie sich nicht den diskriminierenden und mörderischen Sanktionen des Regimes aussetzen. Unsere nachgewachsenen Generationen gehen mit diesem heiklen Erbe nun aber deutlich unbefangener um.
Dennoch enthält alle Familienforschung, bei Lichte betrachtet, einen irrationalen Kern, sofern der Forschende, was dieser meist stillschweigend voraussetzt, aus ihr Rückschlüsse auf die eigene Existenz im Hier und Jetzt zu gewinnen trachtet. Es beginnt schon damit, dass die Familie ein ideologisch aufgeladener Begriff ist. Mit der Verdopplung der Zahl der Vorfahren in jeder Generation wächst die Zahl der persönlichen Ahnen jedes Einzelnen in der Rückschau schnell ins Unermessliche. Der Grad an genetischer Übereinstimmung mit einem bestimmten Vorfahren ist aber bereits nach wenigen Generationen nur noch marginal. Hinzu kommt der zumindest bis zur Erfindung moderner Vaterschaftstests absolut geltende Grundsatz „pater semper incertus est“ (der Vater ist immer ungewiss), der auf eine hohe Dunkelziffer an „Kuckuckskindern“ (also außerfamiliär produzierten Nachkommen) in den Stammbäumen hindeutet. Wollte man hingegen die Familie weniger als biologische, denn als kulturelle Schicksalsgemeinschaft begreifen, die sich ähnlich wie die Nation auf einen Mythos gemeinsamer Abstammung stützt, so erscheint auch dies äußerst fragwürdig, zumal in einer Zeit, in welcher zunehmend selbstgewählte Wahlverwandtschaften die traditionellen Familienbande ersetzen und die alten nationalen Grenzen und Beschränkungen in einer globalisierten Welt an Bedeutung verlieren.

Individueller Zugang zur Geschichte

26 RECHT HISTORISCH Franz Bernhard de Claer

Quelle: Familienchronik von Claer

Und doch gibt es für die Faszination so vieler Menschen für das Erforschen ihres Stammbaums einen guten Grund, und der lautet: „nomen est omen“. Denn diese Gemeinsamkeit teilen wir, jedenfalls in den meisten Fällen, gewiss mit einem Teil unserer Ahnenliste: die des Familiennamens. Es weckt nun einmal Neugier, dass da früher jemand gelebt hat, der mit dem gleichen Namen wie man selbst durchs Leben gegangen ist. So zweifelhaft der den Recherchen zugrundeliegende Impuls also auch sein mag, er ermöglicht uns doch einen ganz individuellen Zugang zur Geschichte.
Da stößt man im Internet also zufällig auf eine Von-Claer-Straße in der rheinischen Kleinstadt Königswinter und geht dem nach. Der Namensgeber, Franz Bernhard de Claer (1785-1853), war in den napoleonischen Kriegen der Adjutant des „Landsturms vom Siebengebirge“. Das war eine Art Freiwilligenarmee, welche die regulären deutschen Truppen bei der Befreiung des rechten Rheinufers von der französischen Herrschaft im Januar 1814 unterstützte. Noch mehr Auskünfte lassen sich der aus dem Stadtarchiv St. Augustin am Rhein angeforderten über 400-seitigen „Familienchronik von Claer“ entnehmen, die Franz Bernhard de Claer als einen Verwaltungsjuristen in Mülheim vorstellt. Er verlässt in der „Stunde der Erhebung“ seinen Posten, um beim Kampf gegen Napoleons Besatzungsarmee in der ersten Reihe zu stehen. „Gegenüber dem Landsturm“, heißt es weiter, „lagen verlässliche Nachrichten vom linken Ufer noch nicht vor. Um sich Gewissheit zu verschaffen, bemannte Franz Bernhard de Claer am 14. Januar in Beuel einen Kahn und fuhr nach Bonn herüber. Bei der Annäherung ließ er die Mannschaft sich niederlegen, er selbst stand vorn im Kahn. Am Ufer hatte sich Volk gesammelt, aus dessen Mitte ein Polizeidiener trat und Claer mit den Worten ‚Im Namen des Gesetzes arretiere ich Euch‘ empfing. Mit den Worten ‚Kerl, wenn du das Maul nicht hältst, schieße ich dich über den Haufen‘ schlug Claer auf den Mann an. Die Menge, welche die Befreier jubelnd begrüßte, packte den Polizisten und schleppte ihn fort. Claer zog mit seiner Mannschaft in die Stadt, die er vom Feinde geräumt fand.“
Was für ein Teufelskerl!, denkt man. Aber ist er denn nun ein Verwandter? Wohl eher nicht, zumindest kein näherer. Belegen lässt sich, so viel steht nach umfangreichen weiteren Forschungen schon mal fest, jedenfalls gar nichts. Doch gibt es gewisse Anhaltspunkte, die es denkbar erscheinen lassen, dass es im 13. Jahrhundert gemeinsame Vorfahren gegeben haben könnte. Vielleicht hegt man ja doch die geheime Hoffnung, dass vom Glanz vergangener Namensträger etwas aufs eigene bescheidene Dasein abstrahlen könnte.

1.1.2012: Ahnenforschung, Teil 2

Zur Ahnenforschung über die Familie Claer. Neue Erkenntnisse

Thomas Claer

Hier einige Ergebnisse der weiteren Recherchen zur Familienforschung, die ich im zurückliegenden Jahr gelegentlich unternommen habe:

1. Ausdehnung des Stammbaums

Als unser ältester gesicherter namenstragender Vorfahre kann nunmehr der Jäger Friedrich Claer gelten, der mit großer Wahrscheinlichkeit der Vater des Postschaffners Franz Claer (27.9.1841 in Eichenberg/ Wehlau bis 16.10.1906 in Neidenburg), meines Ururgroßvaters, gewesen ist. Franz Claer war verheiratet mit Henriette Stryjewski (28.11.1845-21.1.1931) in Usdau. Die Lebensdaten des Friedrich Claer sind uns (noch) nicht bekannt. Doch ergibt sich aus der Antwort der Frau Heidrun Meller (geb.1940 in Königsberg) (http://list.genealogy.net/mm/archiv/ow-preussen-l/2011-01/msg00366.html), welche Einsicht in einschlägige Kirchenbücher genommen hat, in einem Internetforum auf die Anfrage des Benutzers Spooky die Geburt des königlichen Forstaufsehers/ königlichen Försters Friedrich Wilhelm Claer am 23.10.1824 in Corjeiten, Kreis Fischhausen. Demnach waren die Eltern „der Jäger Friedrich Claer“ und Justine Knaebe, welche 1805 in Jouglauken geboren wurde. (Letztere wird im Kirchenbuch als „seine Braut“ bezeichnet, da die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht verheiratet waren.)
Unter „Urgroßeltern väterlicherseits“ ist in unserem Stammbaum (Fragebogen der Reichsstelle für Sippenforschung, ausgefüllt von Gerhard Claer) als einzige eingetragen (mit Bleistift): Knebel, Justine. Die große Namensähnlichkeit lässt unter Berücksichtigung der damals oft uneinheitlichen Namens-Schreibweisen auf eine Identität der Personen schließen. Justine Knaebe/ Knebel war also offensichtlich die Mutter von Friedrich Wilhelm Claer (geb.1824) – wie auch von Franz Claer (geb. 1841). Das heißt: Der ältere Bruder von Franz Claer war wohl der königliche Forstaufseher/ königliche Förster Friedrich Wilhelm Claer (geb. 23.10.1824 in Corjeiten, gest. 15.6.1889 in Rahnkalwen /Dittlaken, Kreis Insterburg). Der Vater von beiden war somit wohl der „Jäger“ Friedrich Claer, der Ehemann von Justine Knaebe/ Knebel.
Ferner findet sich nach Auskunft von Frau Heidrun Meller im Kirchenbuch „bei Friedrich Wilhelm“ … „ein nachträglich eingetragenes Datum 2.10.1841 leider schlecht zu entziffern was es bedeutet“.  Vielleicht ist das ein Hinweis auf Franz Claer, aber das lässt sich nicht mit Gewissheit sagen… Schließlich ergibt sich noch aus den Aussagen von Spooky und Frau Meller, dass der Sohn von Friedrich Wilhelm Claer und Neffe von Franz Claer (und Vetter von Franz Claers Sohn Georg Claer) der Revierförster/herrschaftliche Förster Otto-Wilhelm Claer war, der am 28.12.1859 in Argenthal/Ostpreussen geboren wurde und vermutlich in den 1890er Jahren nach Schlesien übergesiedelt ist. Zu dessen Nachkommen könnte der 1937 in Fischbach/Niederschlesien nachweisbare Ober-Bahnassistent Julius Claer zählen.
Auf meine E-Mail-Anfrage antwortete mir Frau Heidrun Meller, dass in den von ihr herangezogenen Kirchenbüchern der Name Claer nur dieses eine Mal bei den Geburten vorkomme. Sie empfiehlt weitere Nachforschungen im evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg, wo sich sämtliche Kirchenbücher der ehemaligen deutschen Ostgebiete befinden.

An dieser Stelle ist ergänzend auf die handschriftlichen Aufzeichnungen meines Großvaters Gerhard Claer hinzuweisen, wonach im Kirchenregister der ev. Kirche Judithen bei Neidenburg, Jahrgang 1828, Seite 451 Nr. 61 einige Male Clair mit „ai“ erscheint, nämlich: „Heinrich Clair, Förster; Otto C., Gendarm u.s.w., Franz u.s.w. Postbeamter// Geschwister Amelie (?) geb. Clair“. Er geht offenbar von einer Verwandtschaft aus und wertet die dem Französischen näher stehende Schreibweise als Indiz für die ursprünglich französische Herkunft der Familie. Auch laut Angaben von Spooky, dessen Urururgroßvater Friedrich Wilhelm Claer war, sind aufgrund des Namens französische Vorfahren „in der Familie überliefert“.
Es bleibt also festzuhalten, dass der Jäger Friedrich Claer 1824 in Corjeiten, Kreis Fischhausen (20 km westlich von Königsberg an der Kurischen Nehrung gelegen), gelebt und eine Famile gegründet hat.

2.  Die rheinische Familie de Claer/ von Claer

Auf den ersten Blick weitaus imposanter nimmt sich das Bild der Famile de Claer/von Claer aus, wie es sich in der über 400 Seiten umfassenden Familiengeschichte, verfasst von Alexander von Claer 1929-1932, darstellt. Diese habe ich dem Stadtarchiv St. Augustin entliehen und für einige Familienmitglieder Kopien angefertigt. Sämtliche mehr oder weniger prominente Träger des Namens de Claer und später von Claer (auch in anderer Schreibweise, v.a. de Clair, de Clare und de Clara) lassen sich dieser Familie zuordnen. Ende des 19. Jh. erteilte der deutsche Kaiser die Erlaubnis zur Namensänderung in „von Claer“. Allerdings ist in dieser Familie von einer französisch-hugenottischen Abstammung keineswegs die Rede. Vielmehr geht die gesicherte Herkunft der Familie bis auf das Jahr 1501/1502 zurück, in welchem ein Derick de Claer Schöffe in Nymwegen/ Niederlande war. Sein Vater Lambert de Claer wird als der älteste urkundlich nachweisbare Claer bezeichnet. Im Jahr 1652 tritt Bartholomäus de Claer eine Schöffenstelle in Rees am Niederrhein ein. In der Folge ist die Familie im Rheinland ansässig, ab ca. 1680 im kurköllnischen Königswinter als Burgherren der Burg Drachenfels. Erst Otto de Claer (1827-1909) verließ als preußischer Offizier dauerhaft das Rheinland und verstarb in Berlin. Seine fünf Kinder wurden in Lüben (Niederschlesien), Haynau (Niederschlesien) und Danzig geboren. Doch kann er sich erst ab Mitte des 19. Jh. in östlicheren Gefilden aufgehalten haben, was eine Verbindung zu unserer Familie, die sich bis mindestens 1824 in Ostpreußen zurückverfolgen lässt, als kaum möglich erscheinen läst.

Jedoch hat sich, so heißt es in der Familiengeschichte von Claer,  „durch die Jahrhunderte in der Familie die Überlieferung von einer anglo-normannischen bzw. anglo-irischen Abstammung erhalten“. Ausführlich wird Franz Bernhard de Claer (1785-1853) hierzu in der Familiengeschichte zitiert. „Urkunden aus dieser frühen Zeit“ sollen mit anderen nicht unbedeutenden Familienpapieren „bei der Invasion der französisch-republikanischen Heere auf das rechte Rheinufer im Jahre 1795/96“ verloren gegangen sein. Franz Bernhardt nimmt an, dass unter den verschiedenen Schreibweisen des Familiennamens „ursprünglich Clare, englisch Clär ausgesprochen, die richtige Schreibart war, dass man aber nach der Übersiedlung nach Holland und Deutschland den Namen Clare in Claer umgeändert hat, damit nach deutschem Sprachgebrauch die alte Pronunciation beibehalten werde“.
Weiter führt er aus: „Seit der Eroberung Englands durch die Normannen im Jahre 1066 bis in das 14. Jahrhundert hat das Geschlecht der Clare in der englischen wie in der irischen Geschichte eine bedeutende Rolle gespielt. Richard von Orbec und Bien-Faite war unter den Baronen, die mit Herzog Wilhelm von der Normandie in der Versammlung von Lillebonne die Eroberung Englands beschlossen. Er zeichnete sich  in der Schlacht bei Hastings aus und wurde zum Lohne mit der Grafschaft Clare belehnt, deren Namen er annahm. Name und Wappen eines späteren Richard Earl of Clare und seines Sohnes Gilbert de Clare finden sich auf der „Magna Charta“ unter den „Baronial Securities“, d.h. den Bürgschaften für die Gültigkeit der Magna Charta von 1215, welche die Unterzeichner gegen König Johann ohne Land durchsetzten. Der Wappenschild der Clare zeigt drei rote Sparren – vertikal gestellt – im goldenen Felde. Man unterscheidet zwischen einer englischen und einer irischen Linie des Geschlechts. Die englische starb schon 1316 im Mannesstamme aus. In Irland, wo die an der Eroberung führend beteiligten de Clare den Titel: Grafen von Gloucester annahmen, wird das Geschlecht nach einer glanzvollen Geschichte seit dem 14. Jahrhundert unter den ersten Namen nicht mehr erwähnt. Ebensowenig ist aber sein Aussterben überliefert, so dass es sich möglicherweise nur um ein Herabgleiten von der einstigen Höhe handelt.“

Diese Ausführungen des Franz Bernhard de Claer über die anglo-normannische und anglo-irische Familie de Clare finden ihre volle inhaltliche Bestätigung nebst umfassenden Stammbäumen und Abstammungstafeln auf zahlreichen enzyklopädischen Internet-Seiten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_de_Clare,_2._Earl_of_Pembroke, http://www.castlewales.com/clares.html, http://www.renderplus.com/hartgen/htm/de-claire.htm)

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The de Clare Family

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Gilbert de Clare from a stained glass window at Tewkesbury Abbey

Wikipedia bezeichnet die Clares als eine der mächtigsten Familien Englands. (http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_de_Bienfaite) Im Wikipedia- Eintrag unter „Clare (Familie)“ heißt es: „Die Clares sind ein anglonormannisches Adelsgeschlecht, das von den Herzögen der Normandie aus dem Haus der Rolloniden abstammt.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Clare_%28Familie%29) Die Rolloniden wiederum sind die Familie der normannischen Grafen und Herzöge der Normandie ab dem Beginn des 10. Jahrhunderts, die von Rollo dem Wikinger (wohl geb. 846, † 931) abstammt, dem Grafen von Rouen und Gründer der Normandie im Jahre 911. (http://de.wikipedia.org/wiki/Rolloniden) (Er bekam vom westfränkischen König Karl dem Einfältigen im Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte die Normandie als Lehen zugesprochen.) Man soll ihn auch „Rollo der Wanderer“ genannt haben, weil er angeblich immer nur zu Fuß ging, was darin begründet lag, dass er zu groß gewesen sein soll, um auf einem Pferd reiten zu können. Angeblich ist Rollo, der aus Dänemark (nach anderen Quellen aus Norwegen) stammen soll, den gesamten Landweg von Skandinavien bis Frankreich zu Fuß gegangen. Die Forschung sieht diesen Bericht aber als Übertreibung an. (http://de.wikipedia.org/wiki/Rollo_%28Normandie%29) Die norddeutsche Rockband Torfrock verwendet die Figur „Rollo der Wikinger“ seit 1977 in ihren Liedern.

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Rollo-Statue in Rouen

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Grab Rollos in Rouen

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Wikinger im 10. Jahrhundert

Rollo Verhandlung

Illustration aus dem 14. Jahrhundert, die die Verhandlung des Bischofs von Rouen mit Rollo darstellt. Aus der Onlinebibliothek von Toulouse.

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llustration aus dem 14. Jahrhundert, die die Taufe Rollos durch den Erzbischof von Rouen darstellt, aus der Onlinebibliothek von Toulouse.

Doch bleibt auch in den Augen der Familie de Claer/ von Claer als Unsicherheitsfaktor ihrer anglo-normannischen/ anglo-irischen Herkunft die Übersiedlung von den britischen Inseln in die Niederlande. Unklar ist hier vor allem der Zeitpunkt.

Franz Bernhardt de Clare schreibt hierzu: „Dass Angehörige des alten Geschlechts der Clare aus England oder Irland auf das Festland übergetreten sind, dafür liegen die folgenden Anzeichen vor:“ Zunächst erwähnt er Osbert von Clare, der im Jahre 1115 als Hausgenosse des Papstes Paschal II.von diesem zum Abte von S. Saba in Rom eingesetzt wurde. Noch viel interessanter ist aber der zweite Hinweis: „Im Dom zu Königsberg in Ostpreußen ist der Bischof von Samland Johannes Clare beigesetzt. Auf der Grabplatte stehen die Worte: ‚Johannes Clare, fest. 1344’. Der reichhaltigen Literatur über ihn lässt sich entnehmen, dass er 1310 vom samländischen Kapitel in Königsberg zum Bischof gewählt wurde. Infolge von Streitigkeiten zwischen dem Deutschritter-Orden, dessen Oberherrschaft die Diözese Samland unterstand, und dem Metropoliten, dem Erzbischof von Riga, konnte er von letzterem die Bestätigung nicht erlangen. Er reiste darauf zu Papst Clemens V. nach Avignon, wo er erst 1319 unter dessen Nachfolger Papst Johann XXII. bestätigt und geweiht wurde. (Zwischen 1309 und 1377 residierten insgesamt sieben Päpste im südfranzösoschen Avignon, woran sich 1378 das große abendländische Schisma anschloss (http://de.wikipedia.org/wiki/Avignonesisches_Papsttum); Anmerkung T.C.) Nach seiner Rückkehr entfaltete er bis zu seinem Tode (5. Mai 1344) eine rühmliche Wirksamkeit in seiner Diözese, die sich unter ihm von den Schäden erholte, die sie durch die Nachgiebigkeit seiner Amtsvorgänger dem Deutschorden gegenüber erlitten hatte. Johannes Clare ist auch der Begründer des Königsberger Doms, dessen Grundsteinlegung 1333 erfolgte.
Die Herkunft des Bischofs steht nicht sicher fest. Er soll aus Thorn stammen und um 1260-65 geboren sein. Wie urkundlich feststeht, stammten die ersten Bewohner der ein Menschenalter zuvor (1231) gegründeten Stadt aus dem Westen Deutschlands. Vermutlich wird auch des Bischofs Vorfahr – mit dem üblichen Generationsabstand wohl der Großvater – zu den Einwanderern und Mitbegründern der Stadt gehört haben. Der englisch klingende Name lässt die Einwanderung der Voreltern des Bischofs aus England in den deutschen Westen, zu welchem damals auch die Niederlande gehörten, möglich erscheinen.“

Alexander von Claer schreibt in der „Familiengeschichte von Claer“, nachdem er die Ausführungen Franz Bernhards zitiert hat:“Für einen möglichen Übertritt von England-Irland nach den Niederlanden käme mithin eine frühere Zeit, wohl das 14. oder der Anfang des 15. Jahrhunderts in Frage.“

Das mag für den späteren rheinischen Zweig der Familie stimmen. Doch spricht eben auch einiges für eine Übersiedlung anderer Familienmitglieder nach Ostpreußen bereits im frühen 13. Jahrhundert, zumal zu dieser Zeit der englische Zweig der Familie noch nicht „im Mannesstamme ausgestorben“ war, was nach den Angaben Franz Bernhards erst 1316 geschehen ist. (Auch bei Wikipedia heißt es: „Mit Gilbert de Clare, 10. Earl of Clare (1291–1314), starb der männliche Stamm der Familie Clare aus… Elisabeth de Clare (um 1291–1360) ist die Gründerin vom Clare College an der renommierten University of Cambridge. (http://de.wikipedia.org/wiki/Clare_%28Familie%29)) Hinzu kommt der Umstand, dass wohl auch immer wieder Söhne der englischen Familie de Clare Besitzungen in der Normandie erhielten, welche bis 1087, von 1106 bis 1144 und von 1154 bis 1204 ein Teil Englands war und später von 1346 bis 1360 und nochmal von 1415 bis 1450 von englischen Truppen besetz war. (http://de.wikipedia.org/wiki/Normandie) So heißt es im Wikipedia-Eintrag über Richard de Bienfaite (* vor 1035; † April 1090), auch genannt Richard of Tonbridge, Richard de Clare oder Richard Fitz Gilbert: „Wie in den meisten Erbfällen der ersten anglonormannischen Generation folgte ihm sein ältester Sohn Roger in den Besitzungen in der Normandie, während der jüngere Gilbert de Clare den englischen Besitz erhielt.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_de_Bienfaite)

3. Mögliche Verbindungen

Könnte nun also eine Verbindung zwischen der ostpreußischen Familie Claer und dem anglo-normannischen Geschlecht der Clare bestehen? Vor allem die Person des erwähnten Bischofs von Samland lässt das möglich erscheinen. Der Wikipedia-Eintrag über Johannes Clare bestätigt nicht nur die über 150 Jahre alten Ausführungen des Franz Bernhard de Claer, sondern bemerkt eingangs darüber hinaus: „Johann Clare stammte aus einer Bürgerfamilie der Thorner Altstadt. Sein Neffe Johann Clare ist 1325 als Karwansmeister des Bischofs bezeugt. Einem zweiten Neffen, Frowin Clare, übertrug er 1327 das Schulzenamt von Neuendorf bei Fischhausen.“

Und just im Kreis Fischhausen an der Kurischen Nehrung liegt der Ort Corjeiten, in welchem 1824 der Jäger Friedrich Claer gelebt und eine Familie gegründet hat.

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Historische Landkarte des Samlands mit Fischhausen (im unteren linken Segment rechts oben)

Sollte also die Familie 500 Jahre lang in dieser Gegend gelebt haben? Möglich wäre das wohl, denn die Mobilität der Menschen war in den vergangenen Jahrhunderten in aller Regel deutlich niedriger als heute. Insofern erscheint die Migrationsneigung der Familie im Übrigen (von Norwegen/ Dänemark über Nordfrankreich, England, Irland, Niederlande, Westdeutschland bis in die früheren deutschen Ostgebiete) als für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlich, knüpft aber an die Reiselust der alten Wikinger an… Gewiss nicht gegen ein 500 Jahre langes Verweilen an der Kurischen Nehrung spricht die unterschiedliche Schreibweise des Namens: Clare/ Clair/ Claer. Gerade auch die Schreibweise von Eigennamen wurde im deutschen Sprachraum in der Zeit vor 1800 nicht besonders genau genommen. Die wenigen Personen, die damals des Schreibens kundig waren (auch die in den Kirchenämtern), schrieben die Namen eben so, wie sie es jeweils für richtig hielten. Zudem könnten sich die unterschiedlichen Schreibweisen auch aus Erinnerungen an die Etappen der zu vermutenden Herkunft der Familie ergeben. Sollte der Übertritt nach Samland tatsächlich schon im 13. Jahrhundert erfolgt sein, wäre auch dem Fehlen des Adelstprädikats „de“ keine größere Bedeutung beizumessen, da dies – wie es in der „Familiengeschichte von Claer“ heißt – gerade in so frühen Zeiten durchaus uneinheitlich gehandhabt wurde. Erst ab dem 18. Jahrhundert kam es hier langsam zu einer größeren Strenge und Genauigkeit wie bei der Namensschreibweise im Allgemeinen.

Doch bleibt als ein schwerwiegender Einwand die Überlieferung in unserer Familie, die ausdrücklich eine französische Herkunft annimmt, im Falle meines Großvaters Gerhard Claer sogar die Abstammung von Hugenotten, die erst im 17. Jahrhundert aus Frankreich geflohen sind. (Am 18. Oktober 1685 erfolgte die Aufhebung des Toleranzediktes von Nantes durch den französischen König Ludwig XIV., und es kam zur Flucht von 200.000 bis 250.000 Hugenotten in alle Welt. Am 29. Oktober 1685 erging das Aufnahmeedikt von Potsdam durch den Großen Kurfürsten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Hugenotten)) Nun schließt eine normannische Herkunft eine französische ja nicht aus, gehörte doch die Normandie zunächst seit ihrem Bestehen zum Westfrankenreich (dem späteren Frankreich), später zu England, aber seit dem frühen 13. Jahrhundert und bis heute wieder zu Frankreich. Doch steht zumindest der Zeitpunkt des Übertritts der Hugenotten im 17. Jh. im Widerspruch zu einer nöglichen Verbindung mit der Familie des Bischofs Johannes Clare, die bereits im 13. Jahrhundert nach Thorn und bald darauf ins Samland gekommen war.

Aufschluss könnte zunächst eine weitere Zurückverfolgung der Jäger/ Forstbediensteten in Ostpreußen vor 1824 geben, denn angesichts der Häufung von Förstern in der Familie während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts läge es nahe, dass eine solche auch länger zrückreicht. Im Forst- und Jagdkalender für Preußen, Bd. 4 aus dem Jahr 1854 finden sich die Einträge: „Forstinspektion Königsberg II – a) Oberförsterei Drusken; Schutzbezirke: Löbkojen: Frst. Claer …c) Oberförsterei Neu-Sternberg; Schutzbezirke: … Gr-Baum: Frst. Claer.“ Hier dürfte es sich wahrscheinlich um Friedrich Wilhelm Claer (geb. 1824-1889) und seinen Vater Friedrich Claer handeln. Jedoch ergaben sich bei meiner Recherche im Verzeichnis der Forstbediensteten in Ostpreußen für die Jahre 1662-1743 des Obersts a.D. Georg v. Winterfeldt aus Potsdam in der Zeitschrift „Archiv für Sippenforschung“ (1936-1941) keinerlei Funde für „Claer/ Clair/ Clare“, dafür aber einige interessante Hintergrundinformationen. So schreibt Oberst a.D. Winterfeldt im Band von 1941, S.11: „Die in nachstehenden Listen Genannten sind vermutlich fast ausschließlich geborene Ostpreußen. Nur in seltenen Fällen kommen Versetzungen aus der Mitte der Monarchie nach Ostpreußen vor. Die Unterförster haben nebenher Landwirtschaft oder Imkerei betrieben, sie sind vermutlich teilweise Bauern.“ Doch in der Liste des Jahres 1743 findet sich auch der Eintrag: „Amt Johannisburg: Förster Friedrich von Dahlen, Johannisburg, 2.1.1740, nachdem er vorher 20 Jahre als Offizier gedient.“ Zumindest ausnahmsweise wurden also auch ehemalige preußische Offiziere als Förster in Ostpreußen eingesetzt. (Darüber hinaus teilt Oberst a.D. Winterfeldt u.a. noch mit, dass alle Listen aus dem Geheimen Preußischen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem aus den Akten des Forstdepartments stammen und dass erst ab 28.7. 1739 durch die Kabinettsordre von Friedrich Wilhelm I. die Forstbediensteten in Preußen einheitlich „Königliche Förster“ heißen und nicht mehr Heidereuther oder Wildnußbereiter.)
Weiterhin ist zu erwähnen, dass der preußische Offizier Otto de Claer (1827-1909), der als erster der rheinischen Familie de Claer dauerhaft das Rheinland verließ und in Berlin verstarb, in der „alten preußischen Armee“ (also jener vor 1806) etliche Offiziere mit Namen von Clair und von Clar entdeckte, die in keiner näheren Verbindung zur rheinischen Familie standen. Er legte nach den damaligen preußischen Ranglisten das folgende Verzeichnis an, das der „Familiengeschichte von Claer“ entnommen ist:

Offiziere der alten preußischen Armee
(Zweite Hälfte des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts)
Die Namen sind, mit Ausnahme von Nr.1, durch Otto v. Claer, fwb. 1827, gest. 1909, aus preußischen Ranglisten ausgezogen.
1. v. Clar, Fähnrich im Rgt. Prinz von Preußen, 1758 in der Schlacht bei Zorndorf verwundet (s. „Helden-, Staats- und Lebensgeschichte Friedrichs des Anderen“, Teil V, S. 173.
2. v. Clair, Lieut. Im Regiment Krockow, 1765 ausgeschieden
3. v. Clair, Capt. Bei den Ingenieuren, 1779 ausgeschieden
4. v. Clair, 1785 jüngster Fähnrich im Garnison-Regt. V. Pirch
5. v. Claar, 1781 und 1793. Zuletzt Major im Regt. Kronprinz von Preußen, beim Depot-Btl. Oranienburg.
6. v. Clar, 1785 Capt. Im Rgt. Prinz v. Preußen zu Fuß (Potsdam)
7. v. Clar (v. Claar) Friedr. Wilh., 1789 Capt. Im Regt. Nr. 18, gest. 1805
8. v. Claar, P.C. (?) im Regt. Kronprinz v. Preußen, 1790 ausgeschieden
9. v. Clair, 1797 Sec. Lieut. im Regt. Herzog v. Holstein-Beek in Königsberg
10. v. Clair, 1797 oder 1798 vom Regt. 11 in das Regt. Courbiere (Goldap, Gumbinnen, Oletzko) versetzt, dort 1798-1800 als Stabs.Capt. geführt. 1801 in das Regt. Herzog v. Braunschweig versetzt, dort noch 1805 und 1806 geführt. 1809 aus Regt. 4 ausgeschieden.

Diese Liste aus der „Familiengeschichte von Claer“ lässt sich ergänzen mit weiteren Fundstellen aus dem Internet:

– „Neuer Nekrolog der Deutschen. Neunter Jahrgang 1831, Ersther Teil, Ilmenau 1831, Register zum 9. Jahrgang 1831: … v. Clair, Hauptm. zu Gumbinnen 668 (http://books.google.de/books?id=cO0SAAAAYAAJ&pg=PR24&lpg=PR24&dq=%22v.+clair%22+k%C3%B6nigsberg&source=bl&ots=fnGUwARkZ2&sig=b6v5C8CAQyUDIozIu67a_mVYURU&hl=de&ei=TyDQTsGVD8PHswaJsNitDA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3&ved=0CCUQ6AEwAg#v=onepage&q=%22v.%20clair%22%20k%C3%B6nigsberg&f=false)
– „Vaterländisches Archiv für Wissenschaft, Kunst, Industrie und Agrikultur, oder Preußische Provinzial-Blätter, 22. Band, Königsberg 1839: S.68 ff (74): Zur Erinnerung an das fröhliche Litthauische Musikfest zu Gumbinnen am 12. und 13. Juni 1838… Sänger-Chor … Alto: … v. Clair, … (http://books.google.de/books?id=r94OAAAAYAAJ&pg=PA74&lpg=PA74&dq=%22v.+clair%22+k%C3%B6nigsberg&source=bl&ots=ooU4Tl_cMK&sig=8TQlGHrwzst55rvlwktHwQdlgQM&hl=de&ei=TyDQTsGVD8PHswaJsNitDA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CCEQ6AEwAA#v=onepage&q=%22v.%20clair%22%20k%C3%B6nigsberg&f=false) (Die Stadt Gumbinnen war mit drei großen Kasernen eine bedeutende Garnison der preußischen Armee.(http://de.wikipedia.org/wiki/Gumbinnen))
– Abgegangene und versetzte Kgl. Preußische Offiziere 1801: u.a. Clair, Stabscapitän v. (http://home.foni.net/~adelsforschung/rang20.htm)
Daraus folgt, dass es sehr wohl denkbar wäre, dass ein abgegangener preußischer Offizier namens v. Clair oder v. Clar (die uneinheitlichen Schreibweisen der Personennamen in den Ranglisten der preußischen Armee waren berüchtigt) zwischen 1744 und 1824 zum Förster in Ostpreußen werden konnte. Aber diese Überlegung ist rein spekulativ.
Gründe für ein Ausscheiden aus der preußischen Armee gab es vielfache (Die folgende Auflistung nach: http://home.foni.net/~adelsforschung/ind03.htm):

I. Ehrenhafte Abgangsarten aus preußischem Militärdienst:
·    an den Blattern gestorben,
·    am Fieber gestorben,
·    hat sich erschossen (Premierleutnant v.Neuhoff 1753 aus dem Wolffersdorfschen Rgt),
·    wurde totgeschossen,
·    melancholisch geworden,
·    versetzt, verabschiedet, dimmitiert,
·    an der Blessur gestorben,
·    ein Rgt erhalten,
·    im Irrenhaus wg Krankehit gestorben (Sekondeleutnant Wilhelmy vom Zietenschen Hus.-Rgt. 1765),
·    wegen Unvermögenheit als Salzfaktor eingesetzt,
·    reducirt (zurückgesetzt),
·    vor XYZ geblieben (gefallen),
·    Landrat geworden,
·    in der Gefangenschaft verstorben,
·    wegen blödem Gesicht entlassen (Leutnant Marschall v.Bieberstein 1779 aus dem Rgt. Scholten),
·    mit Pension entlassen,
·    hat sich unvorsichtiger Weise erschossen (Unfall, Fähnrich v.Tettow, 1789 im Rgt. Scholten),
·    wg. Epilespie verabschiedet (Sekondeleutnant Heinrich Baron v.der Goltz vom Schulenburgischen Hus.-Rgt. 1784),
·    hat quittiert,
·    von Verstand gekommen (Fähnrich v.Mahrenholtz aus dem 1740 gestifteten Hagerschen Rgt.),
·    auf seine Güter gegangen.

II. Unehrenhafte Abgangsarten aus preußischem Militärdienst:
·    desertiert,
·    dimmittiert, “weil er zum Dienst unlustig gewesen” (Corporal Friedrich v.Podewils, 20 Jahre alt, nach 4 Jahren und 6 Monaten Dienstzeit, aus dem Platenschen Dragoner-Regiment),
·    kassiert, weil er sich die Fahne hat nehmen lasen (Major v.Auerswald 1779),
·    wegen schlechter Conduite entlassen (Fähnrich v.Eichler 1798 aus dem  Rgt. v.Steinkeller),
·    vom Urlaub ausgeblieben,
·    wegen unanständigen Betragens entlassen (Leutnant v.Briesen 1783 vom Rgt. v.Scholten),
·    wegen übler Conduite dimmittiert,
·    ohne Abschied weggegangen (Leutnant v.Reichmann vom Rgt. v.Lossow 1745),
·    “blieb auf der Werbung aus”.

Doch ließe sich, selbst wenn tatsächlich ein Offizier v. Clair zum Jäger geworden wäre (was keinesfalls feststeht), noch längst nicht auf eine hugenottische Herkunft schließen, denn ebenso gut könnten es Nachkommen der Familie des Bischofs Johannes Clare gewesen sein, die in den Dienst der preußischen Armee getreten waren.
Doch immerhin war der Anteil der Hugenotten vor allem in der alten preußischen Armee recht hoch: 1686 gehörten zu den rund 1.000 brandenburgischen Offizieren 300 Franzosen, und die hugenottischen Flüchtlinge waren hochwillkommen. (http://www.preussenweb.de/armee1.htm) Über die soziale Zusammensetzung des Offizierkorps heißt es: „Der 1713 zwar bereits mit längerer kurbrandenburgischer Tradition behaftete Truppenkörper weist beim Tode des ersten Königs in Preußen Friedrich I. in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts noch einen großen Anteil von Ausländern, namentlich von  französischer Namen auf, die verhältnismäßig häufig vertreten sind. Hierbei dürfte es sich durchweg um religionspolitisch verfolgte Hugenotten handeln, die nicht selten in der preußischen Armee durch Fleiß höchste Ehrenstellen erreichten wie die Varenne, de Bondely, du Clos oder die St.Sauveur. Andererseits waren hier auch viele Männer vertreten, die dem späteren preußischen Ehrenkodex eines Offiziers in keiner Weise entsprachen, zweifelhafte Gestalten und Draufgänger. (http://home.foni.net/~adelsforschung/rang1707.htm) Der preußische König Friedrich der Große (1712-1786) wird mit den Worten über die Hugenotten zitiert: „Die Réfugiés beschleunigten den Fortschritt des Landes um mehr als ein halbes Jahrhundert.“(www.preussen.org/media/Maiziere-Rede-Medien.pdf)

Laut Lothar de Maiziere wurden die folgenden Eigenschaften der Hugenotten gerühmt:

– Bescheidenheit
– Sparsamkeit
– Schlichtheit
– Einfachheit ihrer Sitten
– Gottesfürchtigkeit
– Solidarität untereinander
– Barmherzigkeit gegenüber Schwachen, Armen und Bedrängten. (www.preussen.org/media/Maiziere-Rede-Medien.pdf)

Tatsächlich lassen sich per Internet-Recherche mindestens zwei Personen in Preußen im 18. Jahrhundert mit dem Namen von Clair ermitteln, bei denen eine hugenottische Herkunft wahrscheinlich ist: Zum einen handelt es sich um einen „Privatmann namens von Clair“, der seit 1779 das eingeschlafene Geschäft der Portechaisen (Sänften; eine adelige Mobilitätsform der frühen Neuzeit) in Berlin wieder zum Leben erweckte, was aber nur etwa bis zur Französischen Revolution von 1789 gehalten zu haben schien. (http://home.foni.net/~adelsforschung2/portechaise.htm) Bei Wikipedia heißt es: „Seit dem 17. Jahrhundert waren in größeren Städten auch öffentliche Sänften als Vorläufer der heutigen Taxis in Gebrauch. Diese so genannten Portechaisen wurden ab 1617 in Paris und ab 1688 in Berlin eingesetzt. In Berlin waren zunächst die Hugenotten als Sänftenträger privilegiert. Das Leipziger Regiment (Sänftenträger seit 1703) und das Berliner Reglement von 1688 für die dortigen Sänftenträger waren die ersten gesetzlichen Regelungen des ÖPNV überhaupt. Rechtlich war für sie der Fahrweg (nicht der Bürgersteig) vorgesehen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Portechaise)

Sänfte

Portechaise

Zum anderen gab es einen Übersetzer und Königl. Preuß. Ingenieur-Capitain namens G.A. v. Clair, der u.a. 1771 auf „Allerhöchsten Königlichen Befehl“ ein Werk des Französischen Königs Ludwigs XIV. zur Kriegskunst und -geschichte aus dem Französischen ins Deutsche übertrug:
„353-1 Der Titel des Werkes lautet: Auszug derer gegen das Ende des verwichenen und im Anfange des gegenwärtigen Seculi angegriffenen und vertheidigten Städte, nebst einigen Lehrsätzen und Unterricht in der Kriegskunst, durch 16 Tabellen erläutert und mit nöthigen Kupfern versehen. Aus der Kriegsgeschichte Ludewigs XIV., die der Herr Marquis de Quincy 1726 beschrieben, auf Allerhöchsten Königlichen Befehl ins Deutsche übersetzt durch G. A. v. Clair, Königl. Preuß. Ingenieur-Capitain (Berlin, 1771). Der erste Teil behandelt die Lehre vom Angriff und der Verteidigung fester Plätze, der zweite bringt 9 Belagerungen aus den Jahren 1677 bis 1713 zur Darstellung. Der König ließ den Auszug 1772 den Regimentern zum Studium durch die Offiziere zugehen. Vgl. S. 38 und 293 f.“ (http://books.google.de/books?id=C-kaAQAAMAAJ&pg=PA643&lpg=PA643&dq=%22v.+clair%22+berlin&source=bl&ots=xitE8Iw_dF&sig=g6CCFhbofxH2GkRuRRxcsGn6I7Q&hl=de&ei=Zm7RTrrBHY_Mswa73vjGBQ&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3&ved=0CCoQ6AEwAg#v=onepage&q=%22v.%20clair%22%20berlin&f=false)
Der Portechaisen-Geschäftserwecker in Berlin bewegte sich in einer den Hugenotten bevorzugt vorbehaltenen Branche; der Übersetzer könnte sein zur Übertragung eines so komplexen Werkes erforderliches Sprachniveau im Französischen und Deuschen wohl gut als Einwanderer der zweiten oder dritten Generation erlangt haben. Doch bleibt eine Verbindung zu unserer Familie natürlich auch bei diesen Personen höchst fraglich.

Noch viel spekulativer und daher hier nur kurz am Ende vermerkt wäre die Annahme einer etwaigen Verbindung zum schottischen Clan der Sinclairs, deren ursprüngliche französische Schreibweise St. Clair gewesen ist. Auch der Sinclair-Clan soll auf Rollo den Wikinger zurückgehen und ist im Gefolge von Wilhelm dem Eroberer 1066 auf die britischen Inseln gelangt. William St. Clair konnte sich in der Schlacht bei Hastings auszeichnen und schlug sich später auf die Seite der schottischen Könige. Unter David I. (1082-1153) erhielt die Familie die Ländereien Roslin und Pentland, wurde so zu einflußreichen Landbesitzern und zählte zum schottischen Hochadel. (http://graildiary.blog.de/2006/06/21/st_clair_und_sinclair_zwei_namen_eine_ge~898945/)

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Wappen des Sinclair-Clans
Quelle: Clan Sinclair Girnigoe

Brisant ist am schottischen Clan der Sinclairs, dass er in der einschlägigen Literatur schon des öfteren mit dem Gralsmythos und den Templern in Verbindung gebracht worden ist. So sollen die sterblichen Überreste von William St Clair (einem gleichnamigen Urenkel des oben Genannten) in der Kirche Rosslyn Chapel nach Templerart bestattet worden sein.

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Grabstein William St Clairs – ein Templer?
Quelle: K. Gourlay, From St Clair to Sinclair – the family who built Rosslyn, 12.05.2000.

Nicht minder umstritten ist die angebliche Seereise in die „Neue Welt“ durch Henry St. Clair 1275-1336), den Vater des Letztgenannten. (http://graildiary.blog.de/2006/06/21/st_clair_und_sinclair_zwei_namen_eine_ge~898945/)
Zu erwähnen ist noch der deutsche Schriftsteller und Diplomat Isaac von Sinclair (1775-1815), ein enger Freund des Dichters Friedrich Hölderlin. Bei Wikipedia heißt es über ihn u.a.: „Unter dem Anagramm „Crisalin“ schrieb er 1806/1807 eine Dramentrilogie zum „Cevennenkrieg“, in der er den Aufstand der Hugenotten gegen die französische Zentralgewalt als Beispiel für die eigenen Unternehmungen gegen Napoléon Bonaparte darstellte – eine Thematik, die später durch Ludwig Tieck wieder aufgegriffen wurde. Sinclair schrieb auch zwei umfangreiche philosophische Werke („Wahrheit und Gewißheit“, 1811 bis 1813, und „Versuch einer durch Metaphysik begründeten Physik“, 1813). (http://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_von_Sinclair)

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Isaac von Sinclair

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Name Claer (ohne „de“ oder „von“) in bereits online verfügbaren preußischen Kirchenbüchern seit dem  17. Jahrhundert insgesamt 25 mal vorkommt, jedoch ausschließlich in den Rheinprovinzen und niemals in östlicheren Gebieten.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es vorerst noch keine zwingenden Hinweise weder auf eine anglo-normannische noch auf eine hugenottische Herkunft unserer Familie gibt  geschweige denn, dass ein Nachweis für das eine oder andere zu erbringen wäre. Doch sind in beiden Richtungen gewisse Anhaltspunkte zu erkennen, wobei alles in allem mehr für eine anglo-normannische Provenienz zu sprechen scheint.
Der nächste, für das kommende Jahr 2012 anvisierte Schritt ist eine Recherche in den Kirchenbüchern der ehemaligen deutschen Ostgebiete im evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg. Wegen des großen Andrangs von Hobby-Ahnenforschern beträgt dort die Wartezeit allerdings einige Monate. Generell schreitet die Digitalisierung und Verfügbarmachung alter Buchbestände über das Internet aber derzeit so rasant voran, dass es sich sicherlich lohnen dürfte, auch hier weiter am Ball zu bleiben.

 

Fortsetzung folgt.