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Juli 2015: Ahnenfoschung, Teil 7

Gesammelte Erkenntnisse zur Historie unseres Namens aus den letzten 12 Monaten

Nach längerer Pause ist es nun wieder dringend geboten, den aktuellen Stand unserer Forschungen schriftlich festzuhalten, da sich inzwischen eine solche Menge an neuen Erkenntnissen angesammelt hat, dass ich ansonsten befürchten müsste, die Thematik könnte mir über den Kopf wachsen. Zwar kann vom „großen Durchbruch“ auch weiterhin keine Rede sein, doch gibt es immerhin einige vielversprechende neue Spuren und Ansätze. Insbesondere konnten in den vergangenen Monaten mehrere erstmalige Kontakte zu mutmaßlichen entfernten Verwandten oder zumindest Namensträgern unsere Forschungen beflügeln.

Ausgangspunkt sind aber zunächst auch diesmal wieder die Claers in Ludwigswalde. Wir hatten bei Durchsicht der Ludwigswalder Geburtseinträge keinen Eintrag zur Geburt meines Ururururgroßvaters in der Namenslinie, des Unterförsters Friedrich Wilhelm Claer d.Ä. (Lebensdaten laut einer Angabe in der Mundia-Datenbank 1770-21.12.1815) gefunden. Er und seine Frau Susanne Hoemke (inzwischen glauben wir aber eher, dass es in den Einträgen Gesine Hoemke heißen soll) waren in Ludwigswalde 1799 Eltern meines Urururgroßvaters Christian Friedrich Clair und 1803 dessen Bruders Johann Wilhelm Claer geworden. Ferner gab es in Ludwigswalde noch einen Unterförster (so muss es wohl heißen, damals lasen wir …bergförster) Johann Friedrich Clair. Er und seine Frau Susanna Dorothea Liedmann wurden 1797 Eltern eines Friedrich Wilhelm Claer d.J. Darüber hinaus hatten wir bei den Geburten noch weitere Einträge des Namens Claer/Klair/Cleer gefunden bei allerdings z.T. beträchtlicher Unsicherheit, ob wir richtig gelesen haben: einen Johann Christian Klaer 1794 auf Quatier vom Depots Batallion; einen Christian Clair 1788 als Taufpate; einen Gottfried Klair, Musquetier vom Regiment 1749 und 1752; einen Johann Schmied Cleer, Schulze in Altenburg 1739 sowie einen Mil. (Soldaten?) Minhart Claer 1736. Ferner konnten wir feststellen, dass Susanna Dorothea Liedmann, die Ehefrau des Unterförsters Johann Friedrich Clair, zuvor mit dem Unterförster Johann Kopfhammer verheiratet war und in dieser Zeit 1788 und 1793 Mutter zweier Kinder wurde. Hinzu kam der etwas rätselhafte Umstand, dass in der Mundia-Datenbank als Ehefrau „unseres“ Unterförsters Friedrich Wilhelm Claer und Mutter des Sohnes Johann Wilhelm Claer im Jahre 1803 nicht Susanne/Gesine Hoemke angegeben war (wie es gemäß den Geburtseinträgen in den Taufbüchern richtig gewesen wäre), sondern Susanna Dorothea Kopfhammer.

Wir erwarteten also mit Spannung die Auswertung der Taufen 1665-1700, der Heiraten 1682-1814 und der Toten 1682-1813. Allerdings brachten uns die Taufen 1665-1700 keinerlei Funde.

1. Die Ludwigswalder Heirats- und Sterbeeintragungen

In den Heirats- und Sterbeeintragungen fanden wir:

– S. 216-rechts-01 (1796):
Ludwigswalde. Friedrich Wilhelm Claer königl. Unterförster mit Wittwe Susanna Dorothea Kopfhammelin 25. ten Sept: copuliert 30 H (Heller?) zur Schulstraße bezahlt. aber Zwilinge (?) gebucht (?) vom Amte Karschau vom (am?) 14 ten Sept. beigebracht 30/32

S.216 li-01 (1796) klein

216_rechts_01

 

– S. 209_links_01 und rechts ganz unten (1782):
Johann Heinrich Kopfhammel (Unterförster) mit Jungfer Susanna Dorothea Liedmanin am 19. Jan. (Heiratseintrag)

– S.198 li 02 (1754):
Am 24. Januar ist gut ??? ?? An (?) Christoff Nin. (?) Claer, Schultz in Altenberg, mit Jungfer Dagmar Dybben (Delten?) für Hrn. (?) Schultz
Casse ist gezahlt 30 gu (Gulden?)
(Quelle ist insgesamt sehr schwer zu lesen und Inhalt daher recht unsicher.)

198_links_02

198_links_02

 

 

 

 

– S.304 (1797):
Ludwigswalde 8. Joh. Friedrich Claer königl. Unterförsters Söhnlein (?) Friedrich Wilhelm begraben am 26. Febr

S.304 li 01 (1797) groß klein

 

 

– S.238 (1715):
Dom. XVII. ? 13 8 h ließ Hanß Claire sein Töchterlein mit Gesang und Klanck begraben.
(Hier ist vor allem fraglich, ob es Claire heißt, der Rest ist gut lesbar. Der erste Buchstabe könnte eher ein T sein, aber danach folgt keinesfalls ein h…)

S. 238 (1715) Hans Claire sein Töchterlein klein

Das sind leider nur recht bescheidene Funde, die uns noch dazu z.T. beträchtlich verunsichern. Enttäuschend ist zunächst, dass die Heiratseinträge in unseren Fällen keine Angaben über die Herkunft der Eheleute enthalten. Das wurde, wie ich feststellen musste, im Laufe der Jahre recht unterschiedlich gehandhabt, mitunter finden sich sogar recht umfangreiche Informationen über die Heiratenden, nur leider nicht in den für uns relevanten Einträgen.

Immerhin wissen wir jetzt, dass Susanna Dorothea Liedmann, die spätere Frau des Unterförsters Johann Friedrich Claer und Mutter des jüngeren Friedrich Wilhelm Claer, ihren ersten Ehemann, den Unterförster Johann Kopfhammer, mit dem sie 1788 und 1793 zwei Kinder bekam, bereits im Jahr 1782 geheiratet hat. Ferner wissen wir nun, dass der junge Friedrich Wilhelm, der Sohn des Johann Friedrich Claer und der Susanna Dorothea Liedmann 1797 bereits 14 Tage nach seiner Geburt am 8.Februar 1797 wieder verstorben ist, wie es ja damals häufiger vorkam.
Doch stürzt uns der Heiratseintrag von 1796 in erhebliche Verwirrung, wonach „unser“ Friedrich Wilhelm Claer, der königliche Unterförster, die Witwe Susanna Dorothea Liedmann geheiratet haben soll. Dass Susanna Dorothea Liedmanns erster Mann, der Unterförster Kopfhammer, gestorben sein musste, hatten wir uns ohnehin schon gedacht. Aber nur ein Jahr später, 1797, bekam Susanna Dorothea Liedmann ein Kind mit ihrem Ehemann Johann Friedrich Claer, während „unser“ Friedrich Wilhelm Claer drei Jahre später, 1799, mit seiner Frau Susanne/Gesine Hoemke eine Familie gründete. Wie konnte also Susanna Dorothea Liedmann 1796 „unseren“ Friedrich Wilhelm Claer geheiratet haben und nicht, wie es zu erwarten gewesen wäre, seinen mutmaßlichen Bruder Johann Friedrich Claer? Naheliegend wäre es, hier einen Fehler in der Eintragung zu vermuten. Der Pfarrer könnte die beiden Unterförster Claer schlicht miteinander verwechselt haben. Damals sollen die Eintragungen in vielen Kirchenbüchern nur gesammelt ein oder zweimal jährlich aus dem Gedächtnis des Pfarrers erfolgt sein. Das würde alles erklären, und doch bleibt der irritierende Umstand, dass – wie bereits erwähnt – in der Mundia-Datenbank als Ehefrau „unseres“ Unterförsters Friedrich Wilhelm Claer und Mutter des Sohnes Johann Wilhelm Claer im Jahre 1803 nicht Susanne/Gesine Hoemke angegeben war, sondern Susanna Dorothea Kopfhammer…

Darüber hinaus gibt es im Hochzeitseintrag des Friedrich Wilhelm Claer und der Witwe Susanna Dorothea Liedmann noch einige rätselhafte Zusätze. Deutlich erkennen können wir von diesen lediglich den Ortsnamen Karschau. Das Amt Karschau (dem Amt Kobbelbude mit Ludwigswalde benachbart) war eines der kgl. preuß. Dömänenämter in Ostpreußen. Beide Ämter gehörten zum Brandenburgischen Kreis in Ostpreußen.
(http://books.google.de/books?id=Mww_AAAAcAAJ&pg=PA16&dq=amt+karschau&hl=de&sa=X&ei=QCZqVN3nGsX-ygOM5YL4CQ&ved=0CCUQ6AEwAw#v=onepage&q=amt%20karschau&f=false)

Es gab drei Landesherren in Preußen: die Städte (die Kämmereigüter), den Adel (die Rittergüter) und den König (die Domänen-Ämter). (http://wiki-de.genealogy.net/Ostpreu%C3%9Fische_%C3%84mter)

Die königlichen Förster (und als solche wurden sowohl „unser“ Friedrich Wilhelm als auch sein mutmaßlicher Bruder Johann Friedrich bezeichnet) unterstanden also den Domänen-Ämtern. Insofern könnte der Hinweis auf das Domänenamt Karschau also noch von Bedeutung für uns sein. Vielleicht verrät er etwas über die Herkunft der beiden Ludwigswalder Unterförster Claer. Wir werden diese Spur weiter verfolgen.

Weiterhin haben wir einen Hochzeitseintrag aus dem Jahr 1754 gefunden, wonach – wenn wir richtig gelesen haben – ein Christoff Claer, Schulze (also Bürgermeister) in Altenberg (dem Nachbarort von Ludwigswalde), eine Jungfer Dagmar Dybben geheiratet hat. Dies würde immerhin zu unserem früheren Fund passen, wonach der Schmied Johann Cleer 1739 Schulze in Altenberg war und einen Sohn namens Johann Christoph bekam. Allerdings wäre dieser (Johann) Christoph Claer 1754 erst 15 Jahre alt gewesen, und so erscheint es doch recht zweifelhaft, ob er – wenn er es denn gewesen ist – in diesem jungen Alter schon heiraten, geschweige denn bereits Schulze gewesen sein konnte…

Bleibt schließlich noch der unsichere Fund aus dem Jahr 1715, wonach ein Hanß Claire sein Töchterlein mit Gesang und Klanck in Ludwigswalde begraben ließ. Hanß mit “ß” kommt auch in anderen Einträgen vor, war also nicht ungewöhnlich. Die Formel am Ende “mit Gesang und Klank/Klanck” (was sicherlich Klang bedeuten soll) findet sich auch in fast allen anderen Einträgen dieser frühen Jahre. Wenn dieser Hanß denn wirklich ein Claer gewesen sein sollte, dann wäre er wohl wenige Jahre nach der Einwanderung von David und Jakob Clerc/Clere/Clair aus St. Imier nach Matzutkemen (1712) in Ludwigswalde aufgetaucht. Es sollen ja große Teile der Schweizer Kolonie schon in frühen Jahren in andere Gegenden Ostpreußens abgewandert sein. Christian Clerc wurde etwas später, 1719, auf der Durchreise in Stolp/Pommern registriert…

Nach allem bleiben jedoch viele Fragen offen. Nicht nur von den Förstern Claer, sondern auch von ihren Frauen finden sich keine Geburtseinträge in Ludwigswalde. Da, wo es Taufeinträge von Claers gibt, fehlen mehrmals im Vorfeld zu erwartenden Heiratseinträge und umgekehrt. Sterbeeinträge haben wir nur von Kleinkindern gefunden. Folglich gab es über die Jahre wohl kaum Claers, die fest in Ludwigswalde verwurzelt waren.

Im übrigen ist auffällig, dass in den Einträgen der Ludwigswalder Kirchenbücher eine ganze Reihe von Militärs auftauchen, teilweise mit Hinweis auf bestimmte Regimenter, denen sie zugehörig waren.

Dennoch ist festzuhalten, dass es – zumindest in Ludwigswalde – keinerlei Funde aus der Zeit vor der Einwanderung der Clercs / Clairs aus der französischen Schweiz (1712) gibt, was dafür spricht, in unseren Vorfahren die Nachkommen der Schweizer Einwanderer zu sehen, ohne dass damit die Theorie von der Verbindung zur adligen hugenottischen Familie des Hauptmanns von Gumbinnen oder jene von der anglonormannischen Herkunft über den Baumeister des Königsberger Doms, den Bischof vom Samland Johannes Clare (geb. 1344), völlig vom Tisch wären.

2. Die Clercs / Clairs in der Schweizer Kolonie (1710)

Grund genug, sich näher mit der sog. Schweizer Kolonie im Raum Gumbinnen (1710 ff.) zu beschäftigen, die sogar sehr gut erforscht ist.

a) Große Hilfe durch Fritz Schütz

Gleich einen Volltreffer landete ich mit dem Standardwerk von Fritz Schütz, „Französische Familiennamen in Ostpreußen aus der Zeit der Schweizerkolonie, ihre Herkunft, Schreibweise, Änderung“ (Ostpreußischer Heimatverlag, Gumbinnen 1933), das ich mir in einer Bibliothek mittels Fernleihe bestellte. Aus dem darin enthaltenen Namensverzeichnis:

S.0+1

 

 

 

 

 

„Die mit *bezeichneten Familiennamen kommen heute noch in Ostpreußen vor. … Die Schreibweise der Namen ist die der Kirchenbücher“

– Clair *, Herkunft: aus St. Imier, Distr. De Courtelary, Schweiz; Schreibweise der Kirchenbücher: Clere, Clari; heute bestehende Änderung: Claer, Klaer, Klär.

– de Clair*, Herkunft: unbekannt.

S.14+15 klein

 

Also zumindest der Heimatforscher Fritz Schütz führt die ostpreußischen Claers eindeutig auf die Einwanderer aus St. Imier zurück.

In der Einleitung seines Buches heißt es:

„Mit den Jahren 1708 bis 1710 verwüstete die aus Polen gekommene Pest ganz Ostpreußen, besonders hatte das damalige Amt Insterburg darunter zu leiden. Mißwachs, Hungersnot, drückende Lasten trugen dazu bei, dass die ländliche Bevölkerung, soweit sie noch dazu imstande war, ihre Besitzungen stehen und liegen ließ. In den Ämtern Insterburg, Ragnit, Tilsit und Memel standen allein 8411 Bauernhöfe ohne Bewohner, ausgestorben oder verlassen. König Friedrich I. erließ seine Einladungsaufrufe zur Neubesiedlung des „deputierten“ Landes im ganzen Deutschen Reich und in der Schweiz. Die Folge war ein außergewöhnlich großer Zuzug zunächst aus Ostpreußen selbst, dann auch aus Litauen und Polen, so dass schon 1711 wieder über 4000 Besitzungen in festen Händen waren. Dann kamen in größeren und kleinen Zügen Neusiedler aus der deutschen und französischen Schweiz, aus Hessen-Nassau, der Mark Brandenburg, Württemberg, Pfalz, Elsaß, Lothringen, Flandern, aus Nordfrankreich, um hier eine neue Heimat zu suchen und zu finden. Mit der Oberleitung dieses Siedlungsgeschäftes war der Burggraf Alexander zu Dohna betraut, der die Abwicklung in äußerst geschickter Weise vornahm. Dieser, selbst geborener Schweizer, hatte wiederum seinerseits in dem Königsberger Refugié Lacarrière einen außerordentlich geeigneten Helfer. Inzwischen hatte der König Friedrich Wilhelm I. die Regierung angetreten und in großzügigster Weise, verbunden mit der ihm angeborenen Sparsamkeit, das Kolonisationswerk seines Vaters übernommen und weitergeführt. Die Neusiedler wurden in der Hauptsache in der Umgebung von Judtschen und Gumbinnen angesetzt. Die Verwaltung befand sich in Judtschen, hier fanden die nicht ganz einfachen Fragen ihre Erledigung. Es ist zu bedenken, dass ein großer Teil der Siedler nur französisch sprach, bei den übrigen waren alle deutschen Dialekte vertreten. Noch 1739 war beim Besuch Friedrichs des Großen in vielen Dörfern die französische Sprache vorherrschend. Das Bedürfnis des Zusammenhaltens aus Familien-, wirtschaftlichen und sprachlichen Gründen entwickelte sich naturgemäß sehr stark, dazu kam noch, dass die Kolonisten als Reformierte in der streng lutherischen Umgebung keinen leichten Stand hatten. Die wirtschaftliche Bevorzugung der Schweizer gegenüber den Alteingesessenen rief auch unter den anderen Kolonisten beträchtliche Reibereien hervor, die aber durch den „Kolonistenvater“ Graf Alexander zu Dohna unter manchen Schwierigkeiten geschlichtet wurden. Jedenfalls erhielt im Laufe der Zeit auch ein Teil der übrigen Kolonisten die gleichen Rechte. Sie wurden unter dem Sammelnamen „Schweizerkolonie“ verwaltungstechnisch unter einen Hut gebracht.
Um einen anscheinend unausrottbaren Irrtum zu beseitigen, sei also nochmals betont, dass zur „Schweizerkolonie“ nicht nur echte Schweizer, sondern auch andere Kolonisten zu zählen sind.
Die kirchliche Versorgung erfolgte in folgender Weise: zunächst wurde die Deutsch-Schweizerische Kirchengemeinde in Sadweitschen einem deutschen Prediger, sodann die Französisch-Schweizerische Kirchengemeinde 1713 in Judtschen mit einem französischen Prediger (Kirchenbau 1727), dann die Französisch-Schweizerische Kirchengemeinde in Gumbinnen 1731 – in Vereinigung mit der aufgelösten Gemeinde in Sadweitschen – (Kirchenbau 1739) mit einem französischen Geistlichen.

+Karte

Über diese Kolonisation v o r der Einwanderung der Salzburger ist leider kein ausführliches Geschichtswerk vorhanden, sie ist recht stiefmütterlich behandelt, obgleich sie mindestens von derselben kulturellen Bedeutung ist wie die Einwanderung der Salzburger. Zahlenmäßig ist sie größer, in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung von allergrößter Bedeutung. Neueinführungen und Verbesserungen in Industrie, Handel und Landwirtschaft: Wollweberei, Seidenweberei, Färberei, Gerberei, Hutfabrikation, Tabakbau, Hopfenbau, vereinzelt Weinbau, verbesserter Pflug. Uhrmacher, Kupferschmiede, Handschuhmacher, Strumpfwirker fanden ein ausgedehntes Feld für ihr teilweise nicht vertretenes Handwerk.
Als Folge dieser Einwanderung: Neugründung vieler Schulen, Erhebung von 6 Dörfern zu Städten (1724). Über die Gründe dieser Einwanderung: Während bei den Salzburgern, die als größte geschlossene Volkseinheit 1732 einwanderten, religiöse Verfolgung vorlag, sind die Gründe bei obigen Neusiedlern rein wirtschaftlicher Art, nur für die Nassauer treffen religiöse Schwierigkeiten zu. Die religiöse Frage spielt überhaupt bei der gesamten Siedlungsgeschichte lange nicht die Rolle, die man ihr zuzuerteilen geneigt ist. Friedrich Wilhelm I., selbst reformiert, zieht die lutherischen Salzburger ins Land mit dem gleichen Wohlwollen wie die reformierten Schweizer-Kolonisten. Es muss einmal klar ausgesprochen werden, dass bei der Siedlungspolitik die W i r t s c h a f t s p o l i t i k die größere Rolle gespielt hat. Friedrich Wilhelm I. war unzweifelhaft ein tief religiöser Herrscher, er war aber auch ein großer Rechenmeister. Das Land Ostpreußen wurde unter seiner Führung die ertragreichste Provinz Preußens:
,Aber das Land wird bebauet sein und ist dazu guth, wenn die Kinder erwachsen und mein Sohn Krieg bekommt, dass ihm an Menschen nit fehlet. Das ist auch ein Reichtum, Menschen halte vor den größten Reichtum.`
Die vorliegende Arbeit ist auf nicht ganz einfachem Wege zustandegekommen. Zunächst mussten die Kirchenbücher der oben genannten 3 Schweizerkirchen auf etwa 40000 Niederschriften gezettelt und nach Familien zusammengestellt werden. War es doch nur so möglich, die manchmal erstaunlich verschiedenen Schreibweisen der Familiennamen festzustellen, aus denen wiederum Schlüsse auf die Gestaltung der heutigen Namensführung gezogen werden können.
Die Kirchenbücher, teilweise in französischer Sprache geführt, sind nicht immer gut erhalten, auch ergeben sich Schwierigkeiten sprachlicher Art, da der französische Prediger nicht deutsch und der deutsche nicht französisch verstand. Es entstanden Wortungeheuer, die dem Benutzer doch Schwierigkeiten bereiten. …
Die Kenntnis der richtigen französischen Schreibweise mag bei vielen Kolonisten bald geschwunden sein, denn nur so ist die vielfache Rückgestaltung späterer Zeiten zu erklären. …
Ob diese Kolonisten den Hugenotten zugezählt werden können, läst sich im Rahmen dieses Büchelchens nicht durchweg beantworten. Es sei versuchsweise gesagt: Zu den Hugenotten gehören die aus Frankreich gekommenen Siedler, ferner vereinzelte der aus der Schweiz stammenden und aus Süddeutschland gekommenen. Nicht zu ihnen gehören diejenigen aus alteingesessenen Schweizer-Familien, die ja als Reformierte keinen Grund gehabt hätten, aus einem reformierten Lande auszuziehen. Bestimmte Richtlinien aufzustellen ist an und für sich gewagt, hier muss eben die Einzelfamilienforschung einsetzen, die feststellen soll, ob die betreffende Familie ursprünglich in Frankreich ansässig war und infolge der Französischen Religionskriege auswanderte. …
Möge diese Arbeit ihren Zweck erfüllen: Sie soll … auch hinweisen auf die große, einzig dastehende kolonisatorische Tat preußischer Könige vor über 200 Jahren. Aus der Verschmelzung deutscher und fremder Stämme ist in dieser kurzen Zeit ein Volk hervorgegangen, das sich an deutscher Gesinnung, deutscher Tatkraft nicht überbieten lässt: es entstand der ostpreußische Mensch. Denn jeder Ostpreuße, der auf den Pfaden der Familienforschung dem Auf und Ab seines Geschlechtes nachgeht, trifft irgendwann und irgendwo auf jene Kolonisten, die damals Ostpreußen mit neuem Leben erfüllt haben. ,In jedem Ostpreußen fließt ein Tropfen Kolonistenblut.‘

Gumbinnen, im Jahr des Aufstiegs 1933. Fritz Schütz“

Im letzten Absatz ist der Verfasser erkennbar darum bemüht, das Multi-Kulti der ostpreußischen Einwanderungsgesellschaft irgendwie auf die völkische Linie der neuen Machthaber zu bringen…

Kleiner Exkurs: Sehr detailliert und mit umfangreichem Zahlenwerk versehen ist die Darstellung des ostpreußischen Völkergemischs, aus dem sich im 18. Jh. der „Neustamm der Preußen“ gebildet hat, auf der Internetseite des Klaus-Peter Jurkat, Bergisch Gladbach. (http://www.prussen.org/besiedelung-bevoelkerungsentwicklung-ostpreussen.htm)

Ihm zufolge sah die Bevölkerungsstruktur Ostpreußens Ende 1711 wie folgt aus:
28.594 Litauer
89.549 Masuren
130.794 Deutsche etc.
191.063 Prußen
440.000 Einwohner

Die Prußen waren so etwas wie die ostpreußische Urbevölkerung. Sie hatten eine noch bis ins 17. Jahrhundert hinein dominante, später aber ausgestorbene westbaltische Sprache, die große Ähnlichkeit mit der ursprünglichen indoeuropäischen Sprache gehabt haben soll. Der „breite Tonfall“ der deutschen Dialekte Ostpreußens geht laut Reinhard Schmoeckel auf altpreußischen Einfluss zurück. Ende des Exkurses.

Ebenfalls aus der Feder jenes Fritz Schütz fand ich online einen weiteren Text über die Schweizerkolonie, in dem u.a. davon berichtet wird, dass der große Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) in jenen Jahren zeitweise in Judtschen gelebt hat.

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Fritz Schütz, Ein Beitrag zur Heimatgeschichte – Die kirchliche Versorgung der Schweizerkolonie, in: Preußisch-Litauische Zeitung, Nr. 45, 120. Jg., Gumbinnen Sonntag, den 22.2.1931:


Die Reformierte Kirche in Judtschen
Schon 1710 fanden sich in der Judtscher Gegend die ersten Schweizer ein, so dass sich schon 1714 die Einstellung eines französischen Geistlichen, des David Clarene notwendig machte. Dieser Prediger verstand kein Wort deutsch, so dass sich sehr bald Konflikte mit den inzwischen in größerer Menge angezogener deutschen Kolonisten, die wiederum kein Französisch verstanden, erhoben. Dies führte zu scharfen Beschwerden, die damit endeten, dass Prediger Clarene 1729 durch den deutschen Prediger Daniel Andersch ersetzt wurde, der wiederum kein Französisch verstand. Außerdem zeigte er den französischen Kolonisten etwas die kalte Schulter, “er sei als deutscher Prediger berufen und die Franzosen möchte sich der deutschen Sprache befleißigen.” Dies zog ihm einen ziemlichen Verweis zu, und es ist festzustellen, dass sich die Sprachkenntnisse des Predigers Andersch und somit sein Verhältnis zur Gemeinde wesentlich gebessert haben. Der Prediger Clarene hat die Eintragungen der deutschen Familien- und Ortsnamen in grausamer Weise verstümmelt, manchmal bis zur Unverständlichkeit, ebenso war es mit den Eintragungen der französischen Orts- und Familiennamen durch Pfarrer Andersch. Die Kirchenbücher der Gemeinde Judtschen sind vollständig erhalten und dadurch äußerst wertvoll, dass nicht nur der Herkunftsort des Eingewanderten selbst, sondern auch noch seine Eltern angegeben sind. Auch steht bei den meisten die Angabe des Berufes. Besonders wertvoll sind sie noch dadurch, dass die beiden größten Geister der damaligen Zeit als Taufzeugen eingetragen sind, und zwar der König Friedrich der Große und Immanuel Kant. Immanuel Kant soll mehrere Jahre bei Herrn Prediger Andersch Hauslehrer gewesen sein, er selbst sagt in seinen Schriften nichts davon. Er ist zweimal als Taufzeuge eingetragen; eine Eintragung möge hier abgedruckt werden: Am 27. Oktober 1748 lässt taufen der Schulmeister Jacob Challet aus Judtschen sein Söhnlein mit dem Namen Samuel. Die Mutter heißt Catharina Blattin (Belat). Die Taufzeugen sind gewesen Immanuel Kant, Studiosus Philosophiä, und die Frau Prediger Andersch in Judtschen. Ob Immanuel Kant noch verwandtschaftliche Bande an die Judtscher Gegend geknüpft haben, ist nicht ohne weiteres festzustellen. Jedenfalls findet sich im Taufregister eine Anne Ephrasine Kantin, 1731, die einen Johann Caspar Gehler, a.a.O. Kehler, heiratet und im Taufregister 1732 dieselbe nochmals, mit dem Zusatz “aus Stallupönen”, der Vater derselben ein David Kant. Noch nicht ganz durchgeführte Nachforschungen freundlichst behilflicher Seite haben bis jetzt ergeben, dass in Stallupönen im Jahre 1703 ein David Kandt, Schotte und Paudelkrämer gelebt hat. Da Kant seinen Ursprung auf Schottland zurückführte, ist eine Verwandtschaft nicht ausgeschlossen. Ob Immanuel Kant die Zeit seines Aufenthaltes in Judtschen (ca. 3 Jahre) benutzt hat, auch einmal die benachbarte Stadt aufzusuchen und mit seinem Geist zu durchdringen, wird bestritten, gemeint ist, damit natürlich nicht Gumbinnen, sondern die andere Nachbarstadt.(http://www.judtschen.de/Fritz-Schuetz.html)

b) Weitere Internetquellen zur Schweizerkolonie

In einer anderen Internetquelle heißt es über die Schweizerkolonie ergänzend:

Die Einwanderung der Schweizer

von Otto Gebauer (Quelle: Gumbinnen, Dr. Grenz)

Die ersten Schweizer kamen 1709 nach Ostpreußen; in den folgenden Jahren nahm die Einwanderung erheblich zu. Der größte Teil der Schweizer Kolonisten wurde im Kreise Gumbinnen angesiedelt. Sie sind es gewesen, die als erste Kolonie die Befreiung vom Scharwerk erkämpft und damit zur sozialen Hebung des Bauernstandes wesentlich beigetragen haben. Im Jahre 1714 entstand die deutsch-schweizerische Gemeinde Sadweitschen. Die Gottesdienste wurden in der ersten Zeit in einer Scheune abgehalten.

1739 wurde in Gumbinnen die reformierte Kirche gebaut, und die kirchliche Betreuung der reformierten Gemeinden erfolgte nun von Gumbinnen aus.

1716 wurde eine französisch-schweizerische Gemeinde in Judtschen gegründet. Der Gottesdienst wurde in deutscher und französischer Sprache abgehalten. Die deutschen Schweizer fanden sich durch ihre deutsche Muttersprache leichter mit der neuen Umgebung ab als die französischen Schweizer, die schon durch die Sprache eine schwierigere Verständigung hatten. Aus diesem Missverhältnis der Sprachen und dem Umstand, dass die Pfarrer einesteils nicht französisch oder auch nicht deutsch sprechen und schreiben konnten, entstand schon bald ein großes Durcheinander in der Schreibweise der französischen Familiennamen. Diese Familien werden oft den französischen Hugenotten zugezählt. Sie haben aber mit den Hugenotten nichts zu tun. Sie kamen nicht aus Gründen religiöser Bedrängnis, sondern aus solchen rein wirtschaftlicher Natur.

Die reformierten Schweizer kamen aus der reformierten Schweiz, die reformierten Franzosen (Franzosen, Wallonen, Waldenser) hatten keine Not, ihre seitherige Wahlheimat, die Pfalz, Mark Brandenburg, Magdeburg usw. zu verlassen, es bedrängte sie dort niemand. Sie trieb lediglich der Wunsch, dem Rufe des Königs folgend, sich in Ostpreußen zumeist unter günstigen Bedingungen ein sicheres Auskommen zu schaffen. War doch Ostpreußen nach den Einladungsschreiben das „Land, in dem alles gedieh außer Wein”. Es handelte sich also um Kolonisten aus dem Berner Jura, ferner aus dem damals zu Preußen gehörigen und preußisch verwalteten Fürstentum Neuchatel. Weiter handelte es sich um Siedler aus den nordfranzösischen Provinzen, um Wallonen, die teils aus Wallonien direkt oder aus der Mark Brandenburg als Zwischenstation kamen, oder um Waldenser aus den norditalienisch-französischen Gebirgstälern und den württembergischen Waldenser-Dörfern. Nur die wenigen wirklichen Franzosen nach 1710 aus Süddeutschland waren Hugenottenabkömmlinge. Die schweizerischen Herkunftsgebiete waren damals teilweise reichlich übervölkert, so dass einzelne Städte den Abwanderern sogar Zehrgelder mitgaben.

Im Kreise Gumbinnen bildeten die deutschen und französischen Gemeinden erst um 1807 eine Einheit. Die Erinnerung an die französischen Schweizer lebt in den vielen französischen Namen fort, die wir bei unseren Gumbinner Landsleuten feststellen.“
(http://www.kreisgumbinnen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=96:schweizer&catid=35&Itemid=89&showall=1&limitstart=)

Darüber hinaus lässt sich im Internet auch noch dieser, mit Zahlenwerk auf dem aktuellen Stand der Forschungen versehene, Text zur Schweizerkolonie finden:

„Die Hugenotten: Geschichte, Glaube und Wirkung
von Eberhard Gresch, 2005

Friedrich Wilhelm I. bemühte sich, die 1709/10 durch die Pest stark dezimierte Bevölkerung des nordöstlichen Ostpreußen wieder zu vergrößern. Am 20.09.1711 wurde ein Einladungspatent erlassen. So kamen im Zuge einer Sekundärwanderung von 1710 bis 1720 auch etwa 350 Hugenotten (-Nachfahren) in das Gebiet um Gumbinnen. Es waren nach 1685 in die Uckermark eingewanderte, mit ihrer Ansiedlung aber unzufriedene französische Ackerbauern; aber auch Pfälzer, d.h. von der Herkunft her überwiegend Wallonen. Sie gesellten sich zu knapp 5.000 weiteren reformierten Neusiedlern aus der französischen und deutschen Schweiz, aus nassauischen Grafschaften östlich des Niederrheins und aus anderen Gebieten innerhalb und außerhalb des Reiches, die zumeist aus wirtschaftlich-sozialen Gründen kamen. Verwaltungstechnisch bildeten sie gemeinsam die Schweizer Kolonie.

Sie unterstand nicht der Amtsgewalt der Provinzialregierung, sondern hatte eine eigene Verwaltung. Ihr wurden geringere Abgaben, Befreiung von der Leibeigenschaft, freie Ausübung ihrer Religion und Errichtung reformierter Kirchen zugesagt und Prediger gestellt. 1711-1722 war ein Hugenotte „Schweizerinspektor“. Der Hauptstrom der Kolonisten kam 1712 an. Sie wurden auf 68 Dörfer im Umkreis von etwa 15 km von Gumbinnen verteilt. … Bald nach der Ankunft der Kolonisten setzte ein reges Abwandern in andere Gebiete des nordöstlichen Ostpreußens ein, wo sie wesentlich an der Gründung weiterer RKG (reformierter Kirchgemeinden) beteiligt waren. Seit 1730 wurde die Eigenverwaltung der Kolonie stark eingeschränkt. … Heute ist ein großer Teil der Dörfer der damaligen Schweizer Kolonie ausgelöscht, bei anderen sind nur noch wenige Gebäude vorhanden.
Das Dorf Judschen, 10 km westlich von Gumbinnen, erhielt 1927 als Zentrum Französisch-Reformierter ein eigenes Kirchgebäude (um 1985 abgerissen).

Literatur:
Machholz, Ernst  – Reformierte in Masuren, Lötzen 1907
Ders. – Materialien zur Geschichte der Reformierten in Altpreußen und im Ermlande. 300 Jahre preußischer Kirchengeschichte, Lötzen 1912
Schütz, Fritz – Französische Familiennamen in Ostpreußen aus der Zeit der Schweizerkolonie, ihre Herkunft, Schreibweise, Änderung. Gumbinnen 1933“

(http://books.google.de/books?id=sjPXy5b7g24C&pg=PA105&lpg=PA105&dq=schweizer+kolonie+gumbinnen&source=bl&ots=riMwf-lqc3&sig=NXD4IEV64SwHT4fCkQ5DEJM6cks&hl=de&sa=X&ei=b9A6VPa6OYrMyAOmloLwCw&ved=0CDAQ6AEwAg#v=onepage&q=schweizer%20kolonie%20gumbinnen&f=false)

Und schließlich finden sich auf einer privaten Internetseite (http://www.gossing-family.de/page2.html) auch noch die folgenden Informationen über die Schweizerkolonie:

Das Leben der Schweizer in Ostpreußen


Es setzte bald eine Fluktuation ein, ja es gab auch Abwanderungen nach Litauen, Polen oder gar Rückwanderungen in die Schweiz.
Auffällig war, dass die eingewanderten Familien fast nur untereinander heirateten, wie die Taufregister aus Judtschen bezeugen. So sind in der Zeit von 1714 bis 1727 von 180 Trauungen 150 der Ehepartner beide aus der selben landsmanschaftlichen Gruppen. Von den drei reformierten Gemeinden Insterburg, Judtschen und Gumbinnen betrug die zahlenmäßige Stärke der „französischen Kolonie“ 1781 Personen, im Jahre 1745 nur für Gumbinnen und Judtschen noch 1019 Personen. Im Jahr 1736 stammten in den „Listen der französ. Kolonie in Litauen“ (LFL) von 431 erfaßten Familien, 28% aus dem Kanton Neuchâtel, 35% aus dem Prévoté Moutier-Grandval, 11% aus der Seigneurie d’Erguel, 5% aus anderen Teilen der Schweiz und 20% waren Rèfugiés (Pfälzer, Uckermärker, Rysselaers, Waldenser)

Verbindung zur alten Heimat
Die Verbindungen der Schweizer in Ostpreußen zu ihrer Heimat sind nie ganz abgerissen. So sind etliche Reisen, siehe auch die von Abraham Gossin u. a. 1711/12, bekannt. Auch in schriftlicher Form wurde die Verbindung gehalten. So sind viele der Eintragungen in den Kirchenbüchern z. B. von Grandval, die der Pastor Jean-Philippe Gobat zusammengetragen hat, aus Ostpreußen stammende Informationen über Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle.
Darüberhinaus war ein sehr wichtiger Grund das Schweizer Heimatrecht. Danach ist jeder Schweizer in erster Linie Bürger seiner Heimatgemeinde und danach seines Kantons und der Eidgenossenschaft. Dieses Heimatrecht blieb ihm erhalten, auch wenn er die Schweiz verließ. Auch seine in der Fremde geborenen Kinder hatten dieses Recht inne, wenn dies der Heimatgemeinde gemeldet und sie dort registriert wurden. Manche sind auch wegen anderer Gründe wie Erbangelegenheiten, Beurkundungen oder sonstiger Art wegen dort gewesen. Aber auch Rückwanderungen hat es gegeben, so dass jüngere, bereits in Ostpreußen geborene Schweizer zurückgekehrt sind und ihre Eltern und Geschwister dort ließen. Aber auch Ältere, nach etlichen Jahren in Ostpreußen, sind aus Gründen der Unzufriedenheit mit den Umständen wieder in die Schweiz zurückgekehrt.
Die Gründe für die Auswanderungen im 17. und 18.Jahrhundert waren die noch weit ins 19. Jahrhundert hineinreichenden schlechten Lebensbedingungen der Landbevölkerung. Diese wurden im Wesentlichen durch einen Mangel bzw. ungünstige Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und durch eine zunehmende Überbevölkerung verursacht. Daher handelt es sich bei den Auswanderern dieser Zeit meist um Personen der ärmeren Schichten wie Heimarbeiter, Tagelöhner oder Kleinbauern. Auch die Realteilung von Höfen, innere und größere wirtschaftliche Auseinandersetzungen wie Missernten oder Viehsterben waren Ursachen, wie auch nichtschweizerische Krisen oder Kriege. So wanderten Mitte des 17. Jahrhunderts über 4000 Züricher in die vom Dreißigjährigen Krieg entvölkerten Gebiete im Südwesten des heutigen Deutschland. Ab dem 18. Jahrhundert verschlechterte sich die sozial-wirtschaftliche Lage auch in der Schweiz durch steigende Bevölkerungszahlen, Realteilung, geringe Zunahme der landwirtschaftlichen Erträge und Verharren in alten gewerblichen Strukturen. Die erste Schweizer Kolonie im 17. Jahrhundert an der Wolga wurde unter Katharina II. in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch eine neue Auswanderungswelle von Schweizern vergrößert. Im 18. Jahrhundert lockten die großen Weiten Nordamerikas. Durch bessere Reisewege dorthin steigerte sich der Anteil auf die Hälfte aller schweizerischen Auswanderer. Dem folgten im Beginn des 19. Jahrhunderts erste Ausreisen nach Südamerika.
Es gab schon vor 1710 Auswanderungen nach Brandenburg-Preußen. Während der Regierung von Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (der Große Kurfürst) warb dieser Kolonisten zur Wiederbesiedlung der wüst liegenden Stellen in der Mark an, weitere Schweizer aus Bern zur Kultivierung des Golmer Bruchs bei Potsdam. Dies wiederholte sein Sohn Friedrich III. (später König Friedrich I. in Preußen) mehrfach, um fähige Bauern oder Handwerker ins Land zu bekommen. Aber auch Soldaten der Schweiz erbat der Kurfürst 1691 aus den evangelischen Kantonen. Diese sollten seine „Schweizer Garde“ sein. Das wurde seitens der Schweiz genehmigt. Diese königliche Leibgarde bestand bis zu seinem Tod 1713.
Das Hauptaugenmerk war aber die Anwerbung von Bauern. Diese verlief nicht kontinuierlich, sondern in Wellenbewegungen. Wenn immer der Strom der Einwanderer nachließ, setzte die Werbung durch so genannte „Patente“ ein. Eine Masseneinwanderung von Schweizern nach Preußen im Jahr 1712 setzte nach einem Patent vom September 1711 ein. Auch unter dessen Sohn, Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) fand weiterhin die Anwerbung der Schweizer statt.“

Weiterhin führt diese Internetseite auch noch ein vielsagendes Zitat des „Kolonistenvaters“, des Grafen v. Dohna an. Er sah
„…die Schweitzerische Nation, alß die Eintzige, die einen Überfluß an Volck hat, und die sich nicht zu opponieren pfleget, wann man Ihre Einwohner an sich zu ziehen suchet…“. (A .von  Dohna, Schlobitten, 5.4.1713).
Angesichts dieser Berichte über die häufigen Reisen zwischen Ostpreußen und der französischen Schweiz in beiden Richtungen lässt sich möglicherweise auch unser „Christian Clerc, der nach Preußen gehet“, wie es 1719 in Stolp, Pommern notiert wurde, besser einordnen. Er könnte zu den anderen Clercs in Matzutkehmen, zu David und Jacob Clerc gehört haben. Vielleicht ist er damals von der Schweiz aus aufgebrochen, um sich seinen Verwandten in Ostpreußen anzuschließen. Oder er hatte bereits zu den Einwanderern nach Ostpreußen um 1712 gehört und stattete der Schweiz 1919 nur einen kurzen Besuch ab, von dem er über Stolp in Pommern zurückkehrte. Vielleicht hatte er Erbangelegenheiten zu regeln oder sonstige Behördengänge in der alten Heimat vorzunehmen.

c) Die Clercs (Clairs) in Matzutkehmen, Judtschen und Gumbinnen

Die von Fritz Schütz vorgenommene und für uns bedeutsame namentliche Gleichsetzung von „Clerc“ und „Clair“ findet ihre Bestätigung auch im Namensverzeichnis des Heiratsregisters von Judtschen auf der einschlägigen Internetseite:

– Clerc (Clair) B 29, S. 7 li., 1718 Nr. 57
– Clerc (Clair) B 29, S. 14 li., 1724 Nr. 129

(http://www.judtschen.de/Heiratsregister%201714%20-%201820.pdf)

Wir haben es hier offensichtlich mit der von Dierk Loyal erwähnten Heirat des „Stammvaters“ David Clerc 1718 sowie mit der Wiederverheiratung seiner Wittwe 1724 jeweils in Judtschen zu tun.

Bei Dierk Loyal hieß es:

„Stammvater der Familie Clerc war David Clerc, der aus St. Imier stammte. Er wanderte 1712 ein und siedelte sich in Matzutkehmen an. Er heiratet in Judtschen 1718. Bereits 1724 heiratet die Witwe erneut. Kinder sind leider nicht bekannt. Dann gab es noch einen Jacob Clerc, der ebenfalls in Matzutkehmen lebte. Kinder sind ebenfalls nicht bekannt. Ich vermute, dass bereits in dieser frühen Zeit die Familienmitglieder aus dem Kreis Gumbinnen abwanderten. Zumindest war Jacob Losgänger und besaß daher kein eigenes Land.“

Noch konkreter wird es im Familienbericht der „Familiendatenbank NLF“ (http://www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=NLF&lang=de&modus=&ID=I323945&nachname=GANGUIN)

Dort finden wir u.a.:
David Clerc
– Familien: 1. Ehefrau: Maguerite Guiot (Keine Kinder gefunden!), 2. Ehefrau: Barbe Morel (Keine Kinder gefunden!)
– Eltern: —
– Geschwister: —
Quellen: N 0303, Holger Bremer: Familie Bremer und andere

Laut der Namensliste von Fritz Schütz kam Davids erste Frau Maguerite Guiot aus Boudevillier, Neuchatel, und Davids zweite Frau Barbe Morel im Jahr 1712 aus Corcelles, Neuchatel oder aus Cormondreche, Neuchatel.

Aus dem Familienbericht der „Familiendatenbank NLF“ ergibt sich außerdem, dass Davids erste Frau Maguerite Guiot (aus Boudevillier, Neuchatel) vor ihrer Ehe mit David Clerc bereits mit einem – später verstorbenen – Joseph Vaucher verheiratet war (leider fehlen hier Zeitangaben), der laut Namensliste von Fritz Schütz seinerseits aus Corcelles, Neuchatel stammte (so wie Davids zweite Frau Barbe Morel). Weiter ergibt sich, dass die Eltern eben jener Barbe Morel, Davids zweiter Frau, ein Samuel Morel und eine Anne Marie Pury (laut Fritz Schütz ebenfalls aus Cormondreche, Neuchatel) waren. Ferner hatte Barbe Morel noch eine Schwester: Salomé Morel. Und schließlich war auch Barbe Morel ein weiteres Mal verheiratet: mit einem Jonas Munier. Laut Fritz Schütz stammten die Muniers (später eingedeutscht zu Müller) aus vielen unterschiedlichen Schweizer Kantonen.

Aber es gibt noch einen weiteren Fund im Familienbericht der „Familiendatenbank NLF“:

Magdeleine Clerc
– verheiratet mit Jean Ganguin
– Kinder: Jacob Ganguin, Abraham Ganguin, Marie Magdeleine Ganguin, Jean Ganguin (1722-1786), David Ganguin (1728-1788)
Quellen: N 0303, Holger Bremer: Familie Bremer und andere

Und über einen der Söhne, nämlich Jean Ganguin d.J., gibt es aus selbiger Quelle weitere Informationen: Er lebte vom 29.11.1722 – 1786, war 1747 wohnhaft in Matzutkehmen, zwischen 1749 und 1753 in Gumbinnen. Er war verheiratet mit einer Catherine Perrelet (geb. 9.6.1732), die Ehe wurde am 5.10.1747 in Gumbinnen geschlossen, da war die Braut übrigens gerade erst 15 Jahre alt! Kinder aus dieser Verbindung sind Abraham Ganguin (geb. 1749) und Marguerite Ganguin (geb. 1750). Laut der Namensliste von Fritz Schütz kommen die Ganguins aus Corgemont, Distr. de Cortelary, Schweiz, aus Escheret, Distr. de Moutier, Schweiz, und aus Chaidon, Princ. De Porrentruy, Schweiz.

Insbesondere aufgrund der Übereinstimmung der Wohnorte des jüngeren Jean Ganguin und des David Clerc, jeweils Matzutkehmen, lässt sich schlussfolgern, dass die Mutter des jüngeren und Ehefrau des älteren Jean Ganguin, Magdeleine Clerc, eine Verwandte des David Clerc gewesen sein dürfte, womöglich seine Schwester. Auch aufgrund der Namen der Kinder des Jean Ganguin und der Magdeleine Clerc, nämlich Jacob, Abraham, Marie Magdeleine, Jean und David, lassen sich Vermutungen anstellen. Wie schon vielfach erwähnt war es seinerzeit sehr verbreitet, die Kinder entweder direkt nach den Eltern oder aber nach Onkeln oder Tanten zu benennen. Da es, wie wir wissen, auch einen Jacob Clerc in Matzutkehmen gab, könnte dieser demnach ein Onkel der Kinder und ein Bruder der Mutter gewesen sein, gleiches gilt für David Clerc; kurz: David Clerc, Jacob Clerc und Magdeleine Clerc könnten Geschwister gewesen sein. Und es könnte womöglich auch noch weitere Geschwister namens Abraham und Marie gegeben haben, sofern diese nicht Geschwister auf der väterlichen Seite oder sonstige Verwandte des älteren Jean Ganguin gewesen sind.

Nur am Rande sei bemerkt, dass zumindest der junge Jean Ganguin, immerhin der Sohn der Magdeleine Clerc und vermutlich ein Neffe des David und Jacob Clerc, nachweislich zu eben jener Zeit im Dorf Judtschen lebte (1747/48), in welcher der junge Philosoph Immanuel Kant im Alter von 23-24 Jahren dort als Hauslehrer des Pfarrers ansässig war. Sie werden sich mit Sicherheit gekannt haben, zumal sie vom Alter her nicht weit auseinander lagen: Jean Ganguin d.J. war Jahrgang 1722, Immanuel Kant war Jahrgang 1724. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass damals noch weitere Clercs/Clairs die persönliche Bekanntschaft des großen Philosophen gemacht haben.

(P.S. Der letzte kleine Absatz ist leider nicht ganz richtig, fällt mir beim nochmaligen Korrekturlesen auf. Hier war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Der junge Jean Ganguin, Sohn der Magdeleine Clerc, lebte zu dieser Zeit nicht in Judtschen, sondern im ca. 15 km östlich gelegenen Gumbinnen, siehe oben. Ob er oder andere Clercs dem jungen Immanuel Kant seinerzeit begegnet sind, ist fraglich, wenn auch nicht völlig auszuschließen.)

Doch bringen uns diese Erkenntnisse leider noch nicht entscheidend weiter. Wichtig wäre es jetzt, eine Verbindung zu den Ludwigswalder Claers zu finden. Offensichtlich haben die Familien aus der französischen Schweiz in der Schweizerkolonie zunächst fast ausschließlich untereinander geheiratet. Nun wäre es natürlich interessant, ob sich die teilweise französisch klingenden Namen der Ehefrauen der Ludwigswalder Claers auch in der Schweizerkolonie finden lassen: Wir haben hier insbesondere die Damen Wilhelmine Henriette Warnien (1807-1871, Ehefrau des Oberförsters Johann Wilhelm Claer) und Julia Ruollin (1752 Ehefrau des Soldaten Gottfried Klair). Doch lassen sich beide Namen nicht in der Namensliste der Schweizerkolonie von Fritz Schütz finden.

d) Herkunftsort St. Imier

Saint_ImierDer kleine Schweizer Ort Saint-Imier (dt. Sankt Immer) im Berner Land, von dem aus die Clercs in die ostpreußische Schweizerkolonie eingewandert sind, ist heute laut Wikipedia „mit 4949 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2013) die zweitgrößte Gemeinde des Berner Juras. Von den Bewohnern sind heute 84.2 % französischsprachig, 6.6 % deutschsprachig und 3.8 % italienischsprachig (Stand 2000). Die Bevölkerungszahl von Saint-Imier erreichte bereits um 1890 mit rund 7600 Einwohnern ihren Höchststand.
Von 1797 bis 1815 gehörte die Gemeinde zu Frankreich und war anfangs Teil des Département du Mont-Terrible, das 1800 mit dem Département Haut-Rhin verbunden wurde. Durch den Entscheid des Wiener Kongresses kam Saint-Imier 1815 an den Kanton Bern, der es dem Bezirk Courtelary zuteilte.

Saint-Imier_01_10

 

 

 

 

 

3. Die Claers in Thüringen bzw. Mitteldeutschland

Wenden wir uns nun einem anderen Bereich in unserem Puzzle zu, den Claers in Thüringen bzw. Mitteldeutschland. Hier war der letzte Stand, dass ich in der Online-Datenbank Mundia auf einen Chausseewächter Friedrich Claer in Frienstedt (Vorort von Erfurt), geb. um 1800, mit dem Sohn Friedrich Wilhelm Heinrich Claer (geb. 1825) gestoßen war, weiterhin im Bürgerbuch Erfurt auf einen Fuhrmann Christian Friedrich Claer, geb. 1802 in Siersleben, und drei Damen namens Claer sowie außerdem auf einen Förster Friedrich Claer in Krakendorf/Thüringen (nahe Weimar). Zwischenzeitlich hatte ich geglaubt, dass „unser“ Friedrich Claer (geb. 1799 in Ludwigswalde) sich vorübergehend in Thüringen aufgehalten habe, doch verwarf ich diesen Gedanken angesichts der großen Entfernungen letztendlich doch wieder. Dennoch blieb angesichts der auffälligen namentlichen Parallelen zwischen „unseren“ ostpreußischen und den Thüringer Claers der Verdacht auf eine Verbindung weiterhin bestehen.

Vor knapp einem Jahr kontaktierte ich Frau Kerstin W., welche die Daten des Frienstedter Chausseewächters Friedrich Claer in die Mundia-Datenbank gestellt hatte. Kerstin W. erwies sich als dessen direkte Nachkommin und war inzwischen mit ihren Forschungen schon deutlich weiter gekommen.

a) Stand der Recherche:

– Eleonore Marie Claer   x  21.05.1861   Erfurt  (Kirchengemeinde?)
– Friedrich Wilhelm Heinrich Claer, Sattlermeisetr u. Bg. in Erfurt
x   23.07.1825   Erfurt  (Kirchengemeinde?)
+     vor 1882  (Erfurt)
oo   um 1850- 80 (Erfurt) Barbara Rosine Mohnhaupt
(sie  x  16.02.1826  Erfurt)
– Christoph Friedrich Claer, Fuhrmann in Erfurt, Bg. ebda.
x   16.11.1802   Siersleben (b. Hettstedt)  gest.  20.11.  ebda.
+               (Erfurt)
oo  um 1822/24   (Erfurt)    Anna Maria Ruge  (sie x  1.01.1799  Erfurt)
– Johann Friedrich Claer
x
+
oo 1802     (Siersleben)   Sophie Charlotte Frantz (unsicher!)

1802   Feldscher in der preuß. Armee (1802 in Siersleben/ Gft. Mansfeld/ Preußen)

Daraus ergibt sich: Der Frienstedter Chausseewächter Friedrich Claer aus dem Mundia-Eintrag ist identisch sowohl mit dem Fuhrmann Christian Friedrich Claer aus dem Erfurter Bürgerbuch (Christian statt Christoph war wohl ein Schreibfehler) als auch mit dem Christoph Friedrich Claer (Klär) aus dem Sierslebener Kirchenbuch. Das heißt also: (Christoph) Friedrich Claer wurde am 16.11.1802 in Siersleben als Sohn des Feldschers (Militärarztes) Johann Friedrich Claer geboren, war in seinen jungen Jahren zunächst Chausseewächter in Frienstedt (Erfurt), hat als solcher in Erfurt eine Familie gegründet und war später Fuhrunternehmer mit Sitz in Erfurt. Als solcher taucht er u.a. auf in der Allgemeinen Enzyklopädie der Kaufleute und Fabrikanten so wie der Geschäftsleute überhaupt, 3. Aufl. Leipzig 1838 http://books.google.de/books?id=XIBQAAAAYAAJ&pg=PA167&lpg=PA167&dq=fuhrmann+f.+claer+erfurt&source=bl&ots=FyHVnl-cng&sig=8Pr19a0B0L8yj4sGhAvnxN-grnM&hl=de&sa=X&ei=Eps_VMfPKsGBywOkjILgCw&ved=0CCUQ6AEwAA#v=onepage&q=fuhrmann%20f.%20claer%20erfurt&f=false .

Hierzu passt auch, dass im Erfurter Bürgerbuch von 1882 eine Christine Claer, geb. Scherlitz als Ökonomenwitwe ausgewiesen wurde.

Im Sommer 2013 schrieb ich:

„Ferner ist zu erwähnen, dass sich im Adressbuch von Erfurt (etwa 25 km entfernt vom besagten Krakendorf) aus dem Jahr 1882 der Eintrag findet:
– Claer Dorothea Margarethe geb. Fischer, Wittwe, Weißfrauengasse 1
– Rosine geb. Mohnhaupt, Wwe., Schmidtstädterstraße 50
– Christine geb. Scherlitz, verw. Oekonom, Fleischgasse 9
Also gleich drei verwitwete Damen mit dem Namen Claer…“

Ein Ökonom war damals nicht nur ein Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch ein größerer Unternehmer wie z.B. ein überregional agierender Fuhrunternehmer. Es gibt Hinweise darauf, dass der Erfurter (Christoph) Friedrich Claer tatsächlich eine nicht unbedeutende Marktstellung innehatte. So heißt es in einem Bericht über das Transportwesen jener Zeit (Hervorhebung von mir):

„Auch das Eisenacher (Krause, Dänert, Bruder etc.), das Erfurter (Clär, Gebr. Müller, Helbig etc.) und das Ober-Weimarische Fuhrwerk (Reichard) kam weit herum.“

(http://de.wikisource.org/wiki/Bilder_von_der_deutschen_Landstra%C3%9Fe_1._Der_Fuhrmann_von_dazumal)

Christine Claer, geb. Scherlitz, war also offensichtlich die zweite Frau des Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer. (Barbara) Rosine war, wie wir wissen, die Ehefrau des Sattlers Friedrich Wilhelm Heinrich Claer, geb. 1825, des Sohnes des Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer. Die dritte Witwe Dorothea Margarethe Claer, geb. Fischer, können wir noch nicht zuordnen.

Ebenfalls fehlt weiterhin die Zuordnung des Krakendorfer Försters Friedrich Claer.

Dafür lassen sich weitere Spuren späterer Claers in Thüringen finden:
So entdeckte ich im Internet einen Koffer- und Lederwaren – Original Katalog, wohl aus 1930er Jahren Stammend, von Friedrich Claer, Koffer- und Lederwaren Erfurt.

Katalog Friedrich Claer Koffer und Lederwaren Erfurt ca. 1930

(http://www.zvab.com/buch-suchen/autor/friedrich-claer-koffer–und-lederwaren-erfurt-hrsg)

Weiterhin fand ich unter den „Pfarrstellen in Nordhausen“ einen Hans Hermann Gustav Klär (1920 – 1931).
(http://www.geschichtsportal-nordhausen.de/index.php?id=nordhaeuser-pfarrstellen)

 

b) Das Urteil des Genealogen

Glücklicherweise hat sich auch der mit Kerstin W. befreundete Genealoge Thomas E. den Sierslebener Geburtseintrag des Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer sowie den Traueintrag seiner Eltern angesehen. Ich erhielt von ihm direkt seine Einschätzung.

Den Geburtseintrag las er zunächst wie folgt:

„22. Xtoph (steht für Christoph) Friedrich  nat. d. 16. Nov. f…6 mat. baptd. 20. ej….darunter in Latein die Eltern Joh. Friedrich Claer (Clär?), Feldscher  und Sophie Charlotte geb. Froeßen – Froselen
Paten
Johann Gottfried Schmerberg Gastwirt
Johann Gottfried Wölfer,
Mst. Johann Friedrich Schötke , Müller und – Vorsteher in Heyfritz
Mstr. Johann Gottfried Schaach
Johann Martin Kohner Roßschmied
Fisiliers (Soldat)
Frau Juliane Schäfer .. „

Johann Friedrich Claer 1802 Siersleben P1510438
Und er fügte hinzu:

„Siersleben gehörte zur Gft. Mansfeld preuß. Anteils. Die Musterlisten der preuß. Armee sind seit 1945 leider Kriegsverlust. Bislang unbekannt ist, welches Regiment in Siersleben in Garnison lag. Da Erfurt ab 1815 zu Preußen gehörte (preuß. Prov. Sachsen) und auch vor 1807 bereits einmal preußisch besetzt wurde (1802- 1806) liegt es nahe, hier einen Zusammenhang für die Ortsveränderung Siersleben/ Erfurt zu sehen. Was noch zu beweisen sein wird. Insbesondere interessieren primär ergänzende Angaben und Informationen zur
Herkunft und Abstammung des genannten preuß. Feldschers Johann Friedrich Claer.“

Später korrigierte er seine Einschätzung aber teilweise:

„In dem Taufeintrag aus 1802 …wird der Vater Johann Friedrich Clär als Feldjäger und nicht etwa als Feldscher bezeichnet. Und bei dem Feldjäger sind wir nahe bei am Förster. Sich meist im Dienst als Jäger bei ortsansässigen Adelsfamilien befindlich versahen solche adligen (“hochherrschaftlichen”) Jäger i.d.R. zugleich den Dienst als Förster. Diese Konstellation begegnete mir oft. Es ist wie heute. Wer waren die großen Wald- und Grundstücksbesitzer? Adlige, reiche Stadtbürger (und in der Frühen Neuzeit Patrizier), der Landesherr, die Kirche. Die Dienstanstellungen erfolgten in aller Regel für drei Jahre (meist von Michaelis bis Michaelis) und wurden dann per Handschlag erneuert (damals galt noch “ein Mann ein Wort”) oder aber der Jäger/Förster verdingte sich neu, suchte eine neue Stellung. Insofern wiesen gerade die Träger dieses Sonderberufes eine für diese Zeit außergewöhnlich hohe Mobilität auf!“

Den Traueintrag las er wie folgt:

„Siersleben … Dom. XXI p. Tr. procl. et copul. so allhier d. 9. …
Sponsg. Jgs. Joh. Friedrich Klär, Feldjäger (Feldhüther?). H. (Herrn) Xian (Christian)
Friedrich Klärs, Hoch … (unleserl.) …. …
ehel. jüngster Sohn
Sponsa  Jf. Xarlotte Sophie Frantzin (?), H. Xtoff Got(t)lieb
Frantzens , Zoll- und Grenzwächters, ehel. älteste Tochter

Das Wort nach:  Hoch …    könnte im Zusammenhang  ‘Hochherrschaftlicher’ heißen, jedoch ist die zweite Silbe verwischt oder überschrieben.

Der nach diesem unleserl. Wort folgende Begriff (wohl Beruf oder Stand) könnte Jäger oder Förster heißen, jedoch ist eben das nicht herauslesbar.

Die evtl. Ortsbezeichnung (so es sich denn um eine solche handelt) ist meines Erachtens nicht Wettin. Werde mir den Eintrag aber in den nächsten Tagen noch einmal zu Gemüte führen.

Bislang habe ich noch nie ein solch schlechtes Schriftbild vom Anf. d. 19. Jh. vor mir gehabt.

Traueintrag

 

Christoph Friedrich Klär (Claer) wurde am 16.11.1802  geboren und am 20.11. getauft. Insofern liegt hier eine Notheirat infolge vorgerückter Schwangerschaft vor. Normalerweise wurde in derlei Fällen so verfahren, dass, da eine voreheliche Schwangerschaft vorlag, die Brautleute auswärts (meist in einer benachbarten Kirchengemeinde) heirateten. Und darüber hinaus war für die Trauung nicht der Ortspfarrer, sondern das zuständige Konsistorium für die Amtshandlung der Trauung verantwortlich.

Da die Amtskirche über alle Lebensfragen wachte und die Oberaufsicht inne hatte, wurde auch streng das Ehereglement überwacht.

In allen Fällen vorehelicher Schwangerschaften, bei Verwandtenheiraten sowie bei gemischtkonfessionellen Trauungen (etwa kath. Braut und ev. Bräutigam) war die Trauung vor dem zuständigem Konsistorium zwingend vorgeschrieben. D.h. der Ortspfarrer hatte seiner vorgesetzten Kirchenbehörde (dem Sup. bzw. Oberpfarrer) den Vorgang zu melden und anzuzeigen. Er selbst durfte die Amtshandlung/ die Trauung nicht vornehmen. Diese Konsisorialtrauungen sind in eigenen Aktenstücken vermerkt und erfaßt. Parallel erfolgte i.d.R. jedoch der Eintrag auch im Trauregister der Heimatgemeinde(n) der Brautleute.

Diese eigenständigen Konsistorialregister/ Konsistorial- Trauregister sind oft erhalten; i.d.R. sind sie aber nicht in kirchl. Archiven als vielmehr in staatl. Archiven überliefert (in den Überlieferungsbeständen der jeweiligen polit. Terr.; dort meist unter “Kirchensachen” oder “Konsistorialbestand”.
Die Bezeichnungen der Akten wechseln und sind durchaus nicht einheitlich. In manchen Fällen findet man die Konsistorialakten jedoch auch in überlieferten kirchl. Archiven. Für Erfurt und das Erfurter Gebiet beispielsweise liegen die Bestände des Konsistoriums meines Wissens im Archiv des Ev. Ministeriums, nicht etwa im Stadtarchiv. Im Einzelfall ist das stets zu überprüfen. In der Dresdner Konsistorialkartei findest Du aber keine Konsistorialtrauungen.

Im vorliegenden Fall ist die besondere Zeit zu berücksichtigen. Wir befinden uns mitten in der napoleon. Epoche. Napoleon nahm umfangreiche und weitgehende terr. Veränderungen vor. Stichwort Rheinbund (das “Dritte Deutschland”), Annexion der linksrhein. Reichsgebiete, 1803  Reichsdeputationshauptschluß, 1806  Auflösung des Heiligen Röm. Reichs Deutscher Nation, 1806  Bildung des Königreichs Sachsen, 1807  Kgr. Westphalen usw. usf.), Sachsen wurde 1806 Königreich, verlor jedoch im Westen erhebliche Gebiete an das napoleon. Kgr. Westphalen (Hauptstadt: Cassel !) usw. usf. In dieser Zeit des polit. Durcheinanders und Umbruchs wurde in der Tendenz auch der bis dahin überragende Einfluß der Amtskirche zielgerichtet zurück gedrängt, die Kirche quasi marginalisiert.

Soviel noch an zusätzlichen Gedanken zu zeitlichen Konstellation. Ob Siersleben hart an der preußisch- sächs. Grenze (Grenze Kgr. Preußen / Kurfürstentum Sachsen) (eigtl. handelte es sich um eine Staatsgrenze zweier selbständiger deutscher Territorialstaaten quer durch die Alt- Gft. Mansfeld) gelegen tatsächlich Stationierungsort bzw. Garnison preuß. Truppen war, wage ich zu bezweifeln.
Aus militärtaktischen Gründen disloziierten die polit. Terr. der damaligen Zeit ihre Truppenkontingente in der Tendenz eher nicht an den Außengrenzen.“

In späteren Mails ergänzte er:

„Den Traueintrag 1802 habe ich mir nun noch einmal angesehen (wie gesagt, mehrmaliges Wiederlesen hilft in derlei Fällen meistens weiter).

Das fragliche Wort nach Hoch … heißt wahrscheinlich Storker. Storker war ein (Augen-)Arzt oder eben ein handwerklich ausgebildeter (niederer) Arzt.
Bleibt noch der Ort Wittiz u klären. Ein Wittiz gab es im Böhmischen. Dann hätte der KB- Scheiber (oder Pfarrer) jedoch wahrscheinlich “in Böhmen” oder “aus Böhmen” vermerkt.
Das ist also noch zu klären. Jetzt macht aber auch wieder der “Feldscher” Sinn.
Möglicherweise heißt es statt Feldjäger also doch: Feldscher.

Zwar las ich auch Wittiz. Aber sicher bin ich nicht. Dieses Wittiz kann (theoretisch) auch nur ein adliges Gut, eine Waldförsterei oder ein inzwischen eingeganges Vorwerk gewesen sein. Im Gesamtzusammenhang würde das sogar Sinn machen. In der Vergangenheit habe ich bereits einige solcher früher einzeln in der Landschaft stehende landadlige Güter identifizieren können, die i.d.R. in keinem, auch keinen historischen, Ortsverzeichnissen auftauchen. Dies nur als zusätzlicher Hinweis.

Der Storger wird eigtl. so geschrieben. Falls meine Vermutung zutrifft, wäre die Schreibweise
Storker aber mit Dialektverfälschung erklärbar. Eventuell. Und es handelte sich auch nicht um einen Augenarzt sondern ein Storger war ein Zahnarzt im engeren Sinn und Wundarzt im
allgemeinen damaligen Sprachgebrauch (mit tendenzieller Negativbewertung; ein Storger also ein ziemlich lausiger Handwerksarzt. Das Hoch …  könnte i.G. dazu aber auch bedeuten Hochgeehrter oder Hochgebildeter o.ä.
Ggf. ist hier Witznitz (bei Borna) gemeint.
Das wäre zu prüfen. Witznitz war ein Dorf mit patrimonialer Grundherrschaft im Amt Borna.“

Das letzte, was ich von Kerstin W. zu diesen Fragen hörte, war, dass andere Sachverständige überwiegend „Feldjäger“ (statt Feldscher) lasen und der Herkunftsort möglicherweise ein Wittiz bei Kamenz in Ostsachsen sei. (Das hielt auch der Genealoge Thomas E. für denkbar.) Dieses liegt wiederum in unmittelbarer Nähe zu Schlesien, nicht weit von Mellendorf, Kreis Sagan, das früher auch als Möllendorf bezeichnet wurde.

An dieser Stelle ist an den Jäger Clair von Möllendorf (geb. 1759) zu erinnern, der auf spektakuläre Weise (siehe meine Aufzeichnungen von 2013) 61-jährig im Jahre 1820 ein Wildschwein im direkten Kampf bezwang.

Der Genealoge Thomas E. äußerte sich zu Mellendorf wie folgt:

„Mellendorf gehörte bis 1932 (1932:  preuß. Kreisreform) zum Krs. Sagan und in diesem zum Bez. Priebus (heute Przewoz). Der Kreis Sagan wurde 1932 aufgelöst, der Saganer Westkreis
mit Priebuser Bezirk fiel an den Landkreis Rothenburg/ OL (OL steht für oberlausitz:  1815 fiel der nördliche Teil der bis dahin sächs. Oberlausitz an Preußen!), der Restkreis Sagan bildete mit anderen Gebietsbestandteilen den nunmehrgen Landkreis Sprottau (jedoch mit Sagan als Kreisstadt!).

Mellendorf  (früher auch: Möllendorf) gliederte sich in der Tat in Ober- und Unter-.
Ein anderes Möllendorf kann ich nicht nachweisen. Sagan war eines der Mediat- Füstentümer (seit 1742 zu Preußen); “Schlesien” (bis 1742 österr. bzw. habsburgisch) an sich existierte so nicht; erst Preußen unterwarf die einzelenen Herzog- und Fürstentümer einer modernen Landesverwaltung; rechtlich bestanden diese Einzelterr. jedoch bis 1918 weiter.“

c) Verbindung nach Ostpreußen?

Bleibt noch die (für uns entscheidende) Frage einer möglichen Verbindung zu “unseren” ostpreußischen Claers. Natürlich dachte ich beim Vater des 1802 nach Notheirat in Siersleben geborenen Fuhrmanns Christoph Friedrich Claer, dem Feldjäger oder Feldscher Johann Friedrich Claer, sogleich an „unseren“ namensgleichen ostpreußischen Unterförster Johann Friedrich Klaer aus Ludwigswalde, der am 19.2.1797 Vater eines (weiteren) Friedrich Wilhelm Klaer geworden ist (welcher bereits nach wenigen Tagen verstarb). Vermutlich war Johann Friedrich der Bruder meines Ururururgroßvaters Friedrich Wilhelm Clair. Johann Friedrich Klaer hatte wahrscheinlich (wenn es nicht doch sein mutmaßlicher Bruder Friedrich Wilhelm war) am 25.9.1796, also wenige Monate vor der Geburt des jungen Friedrich Wilhelm, die Försterwitwe Susanna Dorothea Kopfhammer geb. Liedmann geheiratet (und möglicherweise erst dadurch die Försterstelle bekommen). Nach 1797 ist Johann Friedrich Klaer in den Ludwigswalder Kirchenbüchern nicht mehr in Erscheinung getreten.
Nun ließe sich spekulieren, ob Johann Friedrich nach einigen Jahren aus irgendwelchen Gründen Ostpreußen verlassen haben könnte. Sein Sohn war 1797 ohnehin kurz nach der Geburt verstorben… Vielleicht ist er mit seiner illegalen Geliebten Sophie Franz „durchgebrannt“, bis er nach langer Flucht dort, wo ihn keiner kannte, schließlich war er ein erfahrener Jäger, eine neue Stellung als Feldjäger fand, woraufhin es 1802 zur Nothochzeit in Siersleben kam. Allerdings hätte sein Herkunftsort Wittiz dann in Ostpreußen gelegen haben müssen, worauf es keine Hinweise gibt.

Der Genealoge Thomas E. beurteilte meine Spekulation über eine bestehende Verbindung zwischen den mitteldeutschen und ostpreußischen Claers allerdings skeptisch:

„Mit einer vermuteten Herkunft der mitteldeutschen Claer/ Clär/ Klär aus Ostpreußen wäre ich vorsichtig. Das ist rel. unwahrscheinlich. Die preuß. Armee rekrutierte ihre Soldaten (die Mannschaften) aus den einzelnen Militärkantonen zugewiesenen Militärkantonen. Die Identifikation der Militärangehörigen mit ihrer Heimatregion war sehr hoch und ein Ostpreuße wäre wohl kaum ins preußische Mansfeld gegangen.“

Gleichwohl brachte ich noch einmal meine Argumente in Stellung:

„Es stimmt natürlich, die große Entfernung ist ein starkes Argument gegen die Annahme einer solchen Verbindung. Aber wir haben auch mehrere (für sich jeweils schwächere) Argumente dafür:

1. den identischen Namen
2. den fast identischen Beruf – Ich habe bisher bei allen meinen Recherchen Jäger/Förster Claer ausschließlich in Ostpreußen, Schlesien (mit Verbindung nach Ostpreußen: die Vorfahren von Andreas Z. sind von Ostpreußen nach Schlesien abgewandert) und nur zweimal in Mitteldeutschland gefunden: nämlich zum einen unseren Feldjäger mit Hochzeit in Siersleben und zum anderen den ominösen “Friedrich Clair, Unterförster zu Krakendorf” im heutigen Landkreis Weimar. Es könnte der Sierslebener Johann Friedrich gewesen sein, der später womöglich nach Krakendorf weitergezogen ist.
3. die Namensgebungen seiner Nachkommen: sein Sohn Christoph Friedrich (im Erfurter Bürgerbuch später eingetragen als Christian Friedrich!, sein Enkel Friedrich Wilhelm – Namen, die auch die ostpreußischen Claers trugen. Aber diese Namen trugen damals überall sehr viele…
4. der Vater Christian Friedrich. Auch unter den ostpreußischen Förstern Claer könnte es noch einen älteren Christian Friedrich gegeben haben. (Unter dem Namen „unseres“ Christian Friedrich steht im Geburtseintrag 1799 das Wort Filius.)“

Also, vielleicht war er’s ja doch…

 

4. Die Claers in Geierswalde, Döhringen und Saalfeld

Zurück nach Ostpreußen. Einen überraschenden Fund machte ich, als ich auf die Seite des Vereins für Familienforschung in West- und Ostpreußen gelangte. (http://www.vffow-buchverkauf.de/onlinedb/datenbanken.php) Dort befinden sich mehrere Datenbanken, in denen ich auch eine ganze Reihe von Claers fand.

Zunächst wurde ich gleich vierfach fündig hinsichtlich der Claers von der Post:

Ernst Vogelsang    Personenkundliche Auszüge ostpreußischer Postpersonalien

Zeile Nr.    : 12274
Claer
Postsekretär in Königsberg
40jähr. Dienstjubiläum
Jubiläum

DVZ 27 / 5.7.1930     Originalabschrift anzeigen

 

Zeile Nr.    : 12691
Claer
Postsekretär in Königsberg
gestorben
gestorben

DVZ 5 / 4.2.1933     Originalabschrift anzeigen

 

Zeile Nr.    : 18667
Claer
Postassistent in Neidenburg
gestorben
gestorben

DVZ 24 / 14.6.1930     Originalabschrift anzeigen

 

Zeile Nr.    : 18720
Richard Claer
Postbetriebswart in Neidenburg
ausgezeichnet mit Treuedienst-Ehrenzeichen Gold
ausgezeichnet

DDP 45 / 9.11.1940     Originalabschrift anzeigen

Claer von der Post Nr. 1 und 2 ist also der  Postsekretär Claer in Königsberg, der am 12. Juli 1930 sein 40-jähriges Dienstjubiläum beging und am 4.2.1933 verstarb. Er muss der Ehemann der Königsberger Postsekretärswitwe Emma Claer sein, deren Adressbucheintrag aus dem Jahr 1935 (Lutherstraße 4) wir bereits früher im Internet entdeckt hatten. Wir vermuteten in ihm den älteren Bruder meines Urgroßvaters Georg Claer (1877-1930), des Neidenburger Briefträgers und Meldereiters in China beim Boxeraufstand um 1900. Bisher glaubten wir, der Name dieses älteren Bruders sei Franz d.J. gewesen, denn so steht es im Stammbaum, den mein Großvater Gerhard Claer angefertigt hat. Hierzu weiter unten gleich mehr.

Claer von der Post Nr. 3, der Postassistent in Neidenburg, ist zweifellos mein Urgroßvater Georg, der laut Stammbaum am 2.5. 1930 gestorben ist. Die Todesanzeige in den Post-Veröffentlichungen erfolgte dann offenbar etwas zeitversetzt am 14.6.1930.

Claer von der Post Nr. 3 ist mein Neidenburger Urgroßonkel Richard von der Post, ein weiterer Bruder meines Urgroßvaters Georg und der Dritte im Bunde der drei Claer-Brüder, die in Diensten der Post standen. Nun wissen wir immerhin, dass er als Postbetriebswart tätig war und 1940 mit dem Treuedienst-Ehrenzeichen Gold ausgezeichnet wurde.

Noch mehr Volltreffer warteten im Namensindex der Standesamtsregister des Kreises Allenstein.

Bernhard Ostrzinski
und viele fleißige Erfasser    Namensindex der Standesamtsregister des Archiv in Allenstein
Abschriften von Geburts-, Sterbe- und Heiratsurkunden

Claer     Bruno     Saalfeld, Stadt     (Zalewie)     ∗     1907 / 24     anzeigen
Claer     Emma Hedwig     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1903 / 7     anzeigen
Claer     Emma Hedwig Martha     Geierswalde     (Gierzwałd)     †     1903 / 15     anzeigen
Claer     Otto Albert     Döhringen     (Durag)     ∞     1899 / 7     anzeigen
Claer     Otto Georg Max     Geierswalde     (Gierzwałd)     †     1903 / 16     anzeigen
Claer     Otto Max Richard     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1903 / 6     anzeigen
Clär     Erich Otto Georg     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1901 / 3     anzeigen
Clär     Margarete Amanda     Geierswalde     (Gierzwałd)     ∗     1904 / 44

Beginnen wir chronologisch mit dem Heiratseintrag vom 15.6.1899 in Döhringen (Kreis Allenstein):

Döhringen, 15.6.1899: Landbriefträger Otto Albert Claer (geb. 13. November 1872  Usdan, Kreis Neidenburg, wohnhaft in Grieshonen, Kreis Allenstein, Sohn des früheren Schneidermeisters und jetzigen Landbriefträgers Franz Claer und seiner Ehefrau Henriette, geb. Stryjewski, wohnhaft zu Koschlau, Lagerhof, heiratet Emma Sakrzewski, geb. am 29.1.1881 in Groß-Groeben Dorf, ohne Beruf, wohnhaft in Groß-Groeben Dorf, Tochter des Albert August Sakrzewski und dessen Ehefrau Auguste, geb. Rauter, Groß-Groeben Dorf. Trauzeugen: Gastwirt Friedrich Marks, 53, Groß-Groeben Gut, Wirt Samuel Tilinski, 40.

Heiratsregister2

Das Ehepaar ließ sich offenbar später in Geierswalde (Kreis Allenstein) nieder, denn dort wurden vier Geburts- und zwei Todeseinträge seine Kinder betreffend vorgenommen:
– 1901  Geburt Erich Otto Georg Clär (geschrieben mit ä, die eigenhändige Unterschrift des Vaters Otto Albert lautete aber Claer mit ae)
– 1903 Geburt der Zwillinge Emma Hedwig Claer und Otto Max Richard Claer
– 1903 Tod der Emma Hedwig Martha Claer und des Otto Georg Max Claer. Auch wenn die Namen nicht vollständig übereinstimmen, handelt es sich doch offensichtlich um die gerade geborenen Zwillinge, da auf deren Geburtsdatum verwiesen wird.
– 1904: Geburt der Margarete Amanda Clär (wieder mit ä geschrieben, eigenhändige Unterschrift des Vaters Otto Albert wieder Claer mit ae)

Zwar wussten wir bislang noch nichts von einem Otto Albert Claer, doch muss es sich bei ihm um den älteren Bruder meines Urgroßvaters Georg handeln, der im Stammbaum als Franz Claer d.J. bezeichnet ist. Dafür sprechen alle Begleitumstände, insbesondere der Name seiner Frau Emma und die Namen seiner Kinder Erich und Margarete, die auch alle so im Stammbaum auftauchen. (Die als Säuglinge verstorbenen Zwillinge erscheinen dort natürlich nicht.) Hinzu kommt, dass „Moppel Claer“, der Sohn des Erich Claer, des Kaufmanns in Berlin, in seiner Autobiographie häufig seinen Großonkel Max Sakreschewski erwähnte, der ein Bruder seiner Oma Emma gewesen sei. Es passt also alles zusammen. Offensichtlich hat er als Landbriefträger in Döhringen und Geierswalde begonnen und später als Postsekretär in Königsberg Karriere gemacht. Meinem Großvater Gerhard muss demnach, obwohl er den Ruf hatte, immer sehr genau und pingelig zu sein, bei der Abfassung unseres Stammbaums ein Fehler unterlaufen sein. Statt Franz Claer d.J. muss es also dort heißen: Otto Albert Claer.

Außerdem wissen wir jetzt, dass mein Ururgroßvater Franz Claer, der erste Claer von der Post, nicht nur als Postschaffner, sondern auch als Landbriefträger tätig war und ursprünglich gelernter Schneidermeister war, bevor er zur Post wechselte.

Und schließlich gibt es noch den Geburtseintrag aus Saalfeld (Kreis Mohrung), 18.3.1907: Der Schornsteinfegergeselle Otto Franz Claer und seine Frau Marta Claer, geb. Krajewski, wohnhaft Genter Str. 61, bekommen den Sohn Bruno Claer.

Geburt Bruno2

Von diesen Claers haben wir auch noch nie etwas gehört. Sicherlich sind auch sie Verwandte, wobei es kurios anmutet, dass der Schornsteinfegergeselle in Saalfeld ebenfalls mit erstem Vornamen Otto heißt, genau wie der vermutlich ähnlich alte junge Landbriefträger in Döhringen und Geierswalde. Sollten ihre Eltern nichts voneinander gewusst haben, als sie ihren Kindern nahezu identische Vornamen gaben, obwohl sie doch eng miteinander verwandt sein mussten? Da es seinerzeit offensichtlich sehr in Mode war, die zweiten und dritten Vornamen der Kinder nach Onkeln und Tanten zu vergeben, dürfte mein Urgroßvater Franz Claer, der Postschaffner, Landbriefträger und frühere Schneidermeister, vermutlich der Onkel des Schornsteinfegergesellen Otto Franz gewesen sein. Daraus ergibt sich, dass Franz Claer (1841-1906) wohl noch mehr Brüder hatte als den uns bislang bekannten älteren Bruder Wilhelm Friedrich (geb. 1824 in Corjeiten), den Jäger, dessen Sohn übrigens Otto Wilhelm hieß, also auch wieder Otto. Wir kommen gleich noch auf ihn zurück.

 

 

5. Der Förster von Argenbruch

Jener älteste Sohn meines Urururgroßvaters, des königlich-preußischen Revierförsters (Christian) Friedrich Claer und meiner Urururgroßmutter Justine Knebe, der 1824 in Corjeiten geborene Wilhelm Friedrich Claer, setzte – anders als seine Brüder, insbesondere als mein Ururgroßvater Franz Claer, der sich wie gesagt als erster Claer bei der Post verdingte – die Försterdynastie der Familie in dritter Generation fort. Unserem entfernten Verwandten Andreas Z., der ein direkter Nachkomme des Wilhelm Friedrich ist, gelang es, noch nähere Informationen über dessen Wirken in Argenbruch nahe der Stadt Tilsit beschaffen.

Gemäß der Auskunft von der zuständigen Familienforscherin der Kreisgemeinschaft Niederungen tat Wilhelm Friedrich Claer (1824-1889) seinen Dienst in der Försterei Argenbruch. Argenbruch lag nicht weit von Argenthal und Ackmonienen entfernt. Die folgende Karte aus einem Schulatlas aus der Zeit vor 1938 enthält noch die alten Ortsnamen:

Dörfer an der Arge

Und weiter berichtet die Familienforscherin:
„Die Försterei Argenbruch gehörte zunächst zum Forstamt Schnecken, seit 1869 zum Forstamt Hohensprindt-Wilhelmsbruch. 1932 kam sie vom Forstamt Wilhelmsbruch wieder zurück zum Forstamt Schnecken. … Die älteste Angabe zur Försterei Argenbruch stammt von 1851, als dort ein Herr FLORIAN Dienst tat. Seit 1857 war der Förster CLAER für die Försterei Argenbruch/Forstamt Schnecken zuständig. 1869 war Förster CLAER immer noch in Argenbruch tätig, jetzt Forstamt Hohensprindt/Wilhelmsbruch. 1871 wurde er vom Förster ROHRMOSER abgelöst. So hat er wohl von 1857 bis 1871 in der Försterei Argenbruch gewirkt.
Leider fand ich nirgends einen Hinweis, ob es in Argenbruch überhaupt ein Forstgebäude gab; vielleicht wohnte er mit seiner Familie im nahegelegenen Argenthal, wenn dort der Sohn (Otto Wilhelm Claer im Jahre 1859; Hinzufügung von mir) geboren wurde. Ich habe auch keinerlei Foto eines Forstgebäudes entdecken können. Bilder des Forstamts Schnecken und des Forstamts Wilhelmsbruch gibt es natürlich. …
Argenthal und Ackmonienen gehörten im Gegensatz zur Försterei Argenbruch zum ev. Kirchspiel Groß Friedrichsdorf.“

Um das Jahr 1890 herum ist dieser Zweig der Claers nach Schlesien abgewandert. Und das sollte nicht die einzige Abwanderung von Claers aus Ostpreußen in jener Zeit gewesen sein.

6. Der rheinische Familienzweig

Zu meiner großen Überraschung erhielt ich vor einigen Monaten Post von einem Manfred Claer aus der Nähe von München. Er entstammt einer seit weit über hundert Jahren im Rheinland, dort insbesondere in Stolberg, ansässigen Familie Claer mit Wurzeln in Ostpreußen. (Ich hatte bisher angenommen, die Stolberger Linie, die mir bei meinen Recherchen im Internet schon häufiger begegnet ist, habe nichts mit den ostpreußischen Claers zu tun. Aber so kann man sich täuschen!)
Konkret lebte der Großvater des Manfred Claer (und seiner fünf Geschwister) namens Arnold Claer von 1900 bis 1956 in Stolberg/Rhld. und war der Sohn des Fuhrmanns und späteren Dienstknechts Franz Richard Claer (geb. 16.3.1872 in Geidlauken, Kreis Labiau), den es Ende des 19. Jh. auf einer seiner dienstlichen Fahrten ins Rheinland verschlug, wo er der Liebe wegen hängenblieb, zum Katholizismus konvertierte und eine Maria Josepha Münstermann (geb. 1877 in Langerwehe/Rhld.) ehelichte. Geidlauken im Kreis Labiau also – das Revier des gerade oben erwähnten Försters Wilhelm Friedrich Claer (1824-1899) in Argenbruch lag etwa 40 km von der Kreisstadt Labiau am Kurischen Haff entfernt.

Darüber hinaus findet sich in der Heiratsurkunde des Fuhrmanns Franz Richard Claer von 1897 noch der Zusatz: „Sohn des Müllers August Hermann Claer und dessen Ehefrau Henrietta Wilhelmina Mettschull, ersterer wohnhaft zu Wehloch, letztere verstorben und zuletzt wohnhaft in Geidlauken.“

Da kein Ort namens Wehloch nachweisbar ist, kann ein Schreibfehler der rheinischen Standesbeamten angenommen werden. Wahrscheinlich ist das ostpreußische Städtchen Wehlau gemeint, das uns ebenfalls gut bekannt ist, da mein Ururgroßvater Franz Claer von der Post 1841 in Eichenberg, Kreis Wehlau, geboren wurde.

Mir kam der Name August Hermann Claer gleich bekannt vor… Im Jahr 2013 (siehe: Ahnenforschung, Teil 5 auf dieser Internetseite) hatte ich geschrieben:

„Ich fand folgenden Eintrag in der „Kleine(n) Jäger/Försterdatei“ von
mitglied.multimania.de/kbbinder/kartei/foerster.xls‎:

Zufallsfunde von Jägern und Förster vor 1850 Stand Apr. 2013 Erstellt von kbbinder@gmx.de

Name Vorname Status   in Quelle Auftreten Verehelicht Bemerkung

Clair Friedrich Jä verml. Metgethen KB Juditten *1833 Knaebe Justine 20.1. Hermann Aug. geb.
Clair Friedrich Jä verml. Metgethen KB Juditten *1834 Pa bei Littmann oo Schwill

Ich würde es so verstehen, dass am 20.1.1833 ein Hermann August Clair als Sohn von Friedrich Clair, Jäger vermutlich in Metgethen, und Justine Knaebe geboren wurde. Außerdem fungierte Friedrich 1834 als Hochzeitspate des Paares Littmann/Schwill.“

Zwar ist die Namensreihenfolge hier andersherum – Hermann Aug. statt August Hermann –, aber ansonsten würde alles passen: Manfreds Ururgroßvater Hermann Aug. / August Hermann könnte demnach ein älterer Bruder meines Ururgroßvaters, des Postschaffners Franz Claer (1841-1906) gewesen sein. Unser – wenn es denn so wäre – gemeinsamer Urururgroßvater Christian Friedrich (genannt: Friedrich) Clair/Claer (geb. 1799 in Ludwigswalde) hatte wohl noch mehrere Kinder, so dass nicht alle Söhne Förster werden konnten… Auch würde es ins Bild passen, dass Manfreds Urgroßvater Franz Richard (der Fuhrmann) den Namen seines mutmaßlichen Onkels Franz (also meines Ururgroßvaters) trug.

Und dann brachte Manfred noch einen Aspekt ins Spiel, den ich inzwischen schon fast abgeschrieben hatte, das angebliche frühere „von“:

„Verblüfft war ich aber über die Aussage, dass es mal ein „von“ in der Familie gegeben haben soll, denn die selbe Aussage gibt es auch in unserer Familie und stammt wohl von Franz Richard Claer an meinen Großvater Arnold, dort ging es wohl um ein Rittergut.“

Und später konkretisierte er die Angabe wie folgt:

„Ja, die “von Claer “-Sache…..so wurde es mir von meinem Vater erzählt, der es wohl von seinem hatte. Ein Rittergut und zwei Söhne und einer ist gegangen. Da ja alle Claer nach meinem Grossvater in Ostpreussen waren, muss es wohl dort gewesen sein.“

Sollte es doch eine Verbindung zum Hauptmann von Gumbinnen, Wilhelm Theodor v. Clair, und dessen Vater, dem Ingenieurkapitän Gottlieb August de/le Clair gegeben haben?! Oder womöglich sogar zu den rheinischen de Claers?!

Noch kurz zur zweiten Angabe der oben angeführten Zufallsfunde: (Christian) Friedrich war Taufpate bei der Hochzeit Littmann/Schwill. Littmann könnte durchaus mit Liedmann identisch sein. Und Liedmann ist der Geburtsname der im 1. Kapitel dieses Textes oft erwähnten Susanna Dorothea, die zunächst mit dem Förster Kopfhammer, nach dessen Tod wahrscheinlich mit Johann Friedrich (wenn nicht doch mit Friedrich Wilhelm) verheiratet war, gemeinsam mit Johann Friedrich einen Sohn hatte (der als Säugling verstarb), aber in der Datenbank doch wieder als Ehefrau des Friedrich Wilhelm erwähnt wurde… Susanna Dorothea dürfte also (Christian) Friedrichs Tante, wenn nicht sogar Stiefmutter gewesen sein. Und womöglich war der heiratende Littmann, für den (Christian) Friedrich als Taufparte mitwirkte, ja ein Bruder oder sonstiger Verwandter der Susanna Dorothea.

Hängen geblieben bin ich aber diesmal bei der Quellenangabe „KB Juditten“. Schon vor vier Jahren hatte ich geschrieben:

„An dieser Stelle ist ergänzend auf die handschriftlichen Aufzeichnungen meines Großvaters Gerhard Claer hinzuweisen, wonach im Kirchenregister der ev. Kirche Judithen bei Neidenburg, Jahrgang 1828, Seite 451 Nr. 61 einige Male Clair mit „ai“ erscheint, nämlich: „Heinrich Clair, Förster; Otto C., Gendarm u.s.w., Franz u.s.w. Postbeamter// Geschwister Amelie (?) geb. Clair“. Er geht offenbar von einer Verwandtschaft aus und wertet die dem Französischen näher stehende Schreibweise als Indiz für die ursprünglich französische Herkunft der Familie.“

Wie ich nun festgestellt habe, gibt es aber gar kein Judithen bei Neidenburg. Es gibt nur ein Juditten mit tt, das ein westlicher Vorort von Königsberg ist. Mein Großvater Gerhard muss also dieses gemeint haben. Und das bedeutet: Sowohl Herrmann August / August Herrmann, der spätere Müller, als auch der Förster Heinrich Clair und der Gendarm Otto Clair sowie ein Postbeamter Franz Clair (Ist das bereits „unser“ Franz, geb. 1844, oder womöglich noch ein namensgebender Onkel?) lebten in oder nahe Juditten, wo (Christian) Friedrich Förster war, bevor er 1844 kurz vor der Geburt meines Ururgroßvaters Franz die Försterstelle in Eichenberg, Kreis Wehlau antrat. Entweder sind alle Genannten Söhne von (Christian) Friedrich (dann hätte er fünf Söhne gehabt: den Förster Wilhelm Friedrich, den Förster Heinrich, den Gendarm Otto, den Müller Herrmann August / August Herrmann und den Postangestellten Franz) oder es gab noch andere Claers in Juditten, die (Christian) Friedrich vielleicht die Försterstelle in Methgeten bei Juditten verschafft haben. In jedem Falle sollte es sich lohnen, einen Blick in die Kirchenbücher von Juditten zu werfen. Sie liegen im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg und reichen bei den Taufen bis 1681 zurück. Ich werde das bald in Angriff nehmen.

7. Die Forschungen des Manfred Claer

Auch unser mutmaßlicher entfernter Verwandter Manfred Claer hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Forschungen unternommen, die er mir dankenswerter Weise in vollem Umfang zur Verfügung gestellt hat. Im Folgenden werde ich hauptsächlich jene Erkenntnisse anführen, die über unsere bisherigen hinausgehen:

a) Das sagen die Genealogen

Die Genealogin Marianne S. schrieb an Manfred u.a.:

„Der Name Claer wird auch Clair geschrieben, manchmal auch Klär oder Klaer. Claers sind französische Schweizer, die als Siedler nach Ostpreußen (Litauen) nach 1710 eingewandert sind. Der Name Mettschul (so hieß die Ehefrau des Müllers Aug. Herrmann; Hinzufügung von mir) – litauischer Name, auch Mettschulat oder Mettschuleit genannt.“

Und weiter zitiert sie aus Kenkel – „Französische Schweizer und Refugies als Siedler im nördlichen Ostpreußen (Litauen) 1710-1750“:

Clero – Clair(d), Clerde, Clari – aus St. Imier Distr. De Courtelary, Schweiz
1. David * 1712, 1. oo Judt. 26.6.1718 Barbe Morel(l), Witwe des Jonas Munier aus Candre (Kanton Basel), 2. Oo Judt. 24.2.1724 Marguerite Guiot(l), Witwe des Joseph Vaucher. 1713 in Stehlkehmen 1 Hufe, 1724 Matzutkehmen, Losgänger
2. Jacob, oo Anna Marie Huguenin. Losgänger in Matzutkehmen, tot 1730. Tochter: Elisabeth, oo in Gumbinnen 11.11.1734 Jean(l) Hugault, Vater in Gumbinnen, er manufacturier in Gumbinnen
3. Abraham, nur bekannt durch Unterschrift 1729 Pieragienen?
4. Christian, 30.8.1719 in Stolp auf dem Weg nach Preußen

Clerc – (Clair) Magdaleine, oo Jean Ganguin, 1742 Tod, im Jahr 1728: Kinder: Abraham 4 J, Jacob 5 J, Jean * 29.11.1722 (6 J), David 7 J.

Ferner zitiert die Genealogin aus dem Amts-Blatt der Kgl. Preuß. Regierung (1811-1870) von Moeller (Hamburg 1992):
Claer, Wilhelm, Kriegsreserve-Corpsjäger, als Forstschutzgehilfe in der Oberförsterei Dingken angenommen (1847)
Clär, Förster in Argenbruch, Forstrevier Schecken, Försterstelle Rahnkalwen, Forstrevier Astrawischken, verliehen (1869)

Außerdem zitiert sie aus den Aufzeichnungen von Walter Grunert:
Claire, Marie Magdalene, verstorben vor 1736, oo Jean Ganguin, der 1714 nach Matzutkehmen kam auf eigene und ½ Hufe noch 1729 besaß.
Clair – 1713 in Stehlischken

Und schließlich führt sie aus zum Namen Metschulat:
1. Im Kreis Wehlau kommen Metschuleit i. Akt. D. Dom.-A Taplacken v. 1714 schon als Schatull- od. Freibauern vor.
2. Metschulat August, verstorben Insterburg 13.6.1941 (77 J) Müllermeister, Kinder: August und Hans, Gustel, oo Hans Schuman, Gustav, Hermann, Ernst
(Quelle: Die Kartei Quassowski, Buchstabe M von Zipplies

Aus diesen Angaben ergibt sich, dass auch David Clercs Ehefrau Barbe Morel (ebenso wie Davids andere Ehefrau Marguerite Guiot) bereits vor ihrer Ehe mit David verwitwet war. (Die allgemeine Sterblichkeit in den Jahren nach der großen Pest wird groß gewesen sein…) Auch wissen wir jetzt die genauen Zeitpunkte von Davids Eheschließungen. Allerdings war David nach den Datenbankeinträgen aus dem Internet zuerst mit Maguerite Guiot und anschließend mit Barbe Morel verheiratet. Laut der von Manfred beauftragten Genealogin war es genau umgekehrt. Noch wieder anders klingt es bei Dierk Loyal: (David Clerc) „heiratet in Judtschen 1718. Bereits 1724 heiratet die Witwe erneut.“ Richtig hätte es wohl heißen müssen: Bereits 1724 heiratete David Clerc erneut eine Witwe. Festzuhalten ist demnach, dass David wohl zweimal in Judtschen heiratete, 1718 und 1724, und zwar die Witwen Barbe Morel und Marguerite Guiot (die Reihenfolge ist unklar). Das heißt aber entgegen unserer bisherigen Annahme auch: David Clerc war nach 1724 noch am Leben.

Von Jacob Clercs Ehe mit Anna Marie Huguenin und ihrer Tochter Elisabeth wussten wir bislang ebenfalls nichts. Die Familie Huguenin stammte nach Fritz Schütz aus Le Locle, Neuchatel und aus Renan, Distr. De Cortelary, Schweiz. Es war wohl eine besondere Familie. Bei Fritz Schütz heißt es: „Neuenburger Familie. Seit dem 14. Jh. in Le Locle bekannt. Wappen der Huguenin von Le Locle: in Blau eine goldene Lilie, überhöht von einer silbernen Taube und umgeben von zwei goldenen Lorbeerzweigen.“
Auch den nur durch Unterschrift in Pieragienen bekannte Abraham Clerc/Clair kannten wir bisher nicht. Aber – siehe oben im 2. Kapitel – die vier Kinder von Magdaleine Ganguin, geb. Clerc/Clair heißen Abraham, Jacob, Jean und David. Es liegt also nahe, dass David Clerc, Jacob Clerc, Abraham Clerc und (Marie) Magdaleine Clerc alle Geschwister waren und wohl gemeinsam aus St. Imier in die Schweizerkolonie eingewandert sind.

Interessant sind weiterhin die Informationen, dass David Clerc 1713 in Stehlkehmen 1 Hufe Land besaß, 1724 in Matzutkehmen aber nichts mehr, und dass es den Namen Clair 1713 auch in Stehlischken gab. Dieser Ort (der heutige Name ist Sadowskoje) liegt etwas nordöstlich von Matzutkehmen und war später eine Station auf der Eisenbahnstrecke Tilsit- Stallupönen.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Tilsit%E2%80%93Stallup%C3%B6nen) Stehlischken gehörte zum Kirchspiel Kattenau, Kreis Stallupönen. Allerdings sollen durch ein Feuer in der Kirche von Kattenau im Jahre 1805 alle Kirchenbrücher der noch früheren Jahre vernichtet worden sein, so dass man hier wohl keine weiteren Funde mehr erwarten kann.

Gleichfalls von Interesse ist für uns der Umstand, dass der Kriegsreserve-Corpsjäger Wilhelm Claer 1847 als Forstschutzgehilfe in der Oberförsterei Dingken angenommen wurde. Vermutlich war es der 1824 in Corjeiten geborene spätere Jäger Wilhelm Friedrich Claer, der seine ersten beruflichen Schritte beim Militär unternahm. (So wie es ja auch sein Onkel, der Oberjäger Johann Wilhelm Claer getan hatte, der 1838 mit einem Forstversorgungsschein versehen auf der Försterstelle zu Klein-Fließ, Oberförsterei Leipen, definitiv bestätigt wurde; siehe meine Aufzeichnungen von 2012). Der Forstschutzgehilfe Wilhelm (Friedrich) Claer dürfte identisch sein mit dem Förster Clär in Argenbruch, der 1869 auf die Försterstelle Rahnkalwen, Forstrevier Astrawischken, verliehen wurde. Das wird aber nur vorübergehend gewesen sein, denn – siehe oben – er war in Argenbruch noch bis 1871 im Amte.

Zuerst dachte ich, dass auch der „ehem. Unteroffizier Wilhelm Klair“ vom ehemaligen 3ten kurmärkischen Landwehr Kavallerie-Regiment, den ich im Amtsblatt der Regierung in Potsdam 1838 gefunden habe, mit dem Förster von Argenbruch identisch sein könnte, was jedoch aufgrund dessen Geburtsdatums 1824 ausscheidet. Mit 14 Jahren kann man noch kein ehemaliger Unteroffizier sein, es muss sich also um einen anderen Klair vom Militär gehandelt haben…

https://books.google.de/books?id=oys_AAAAcAAJ&pg=PA309&lpg=PA309&dq=johann+friedrich+klair&source=bl&ots=3X_uUpsxMI&sig=IEMPsH4cQ80Ku9HMBRKTXEL_zTI&hl=de&sa=X&ei=tPvTVLLiM-6S7AazuIDIBw&ved=0CFkQ6AEwCQ#v=onepage&q=johann%20friedrich%20klair&f=false

Die Informationen über die Familie Metschul lassen es schließlich denkbar erscheinen, dass der Müller Herrmann August / August Herrmann Claer (vermutlich geb. 1833) seine Mühle über die Schwiegereltern bekommen hat, denn ein Metschulat war Müller (allerdings fast hundert Jahre später).

b) Die „von“-Frage

Ein besonderer Höhepunkt in Manfred Claers Forschungen sind schließlich noch zwei persönliche Briefe an ihn vom 26. und 31. Juli 2001 des Bundesbankdirektors a. D. Wichard v. Claer, der aus jener rheinischen Adelsfamilie stammt, von der in meinen früheren Texten bereits ausführlich die Rede war. Manfred hatte sich originellerweise in der v. Claer-Kirche in Königswinter, welche der Adelsfamilie gehört, mit seiner Frau trauen lassen. Der irritierte Bankdirektor forderte ihn höflich, aber bestimmt dazu auf, seine etwaige Verwandtschaft mit den v. Claers offenzulegen. Im zweiten Brief an Manfred legte er seine Auffassung dar, wonach in der Ahnentafel des Bartholomäus (II) de Claer sämtliche Nachkommen der Königswinterer Claers aufgeführt seien. Alle lebenden Claers aus ihrer Familie stammten demnach von Franz Bernhard (I) – 1785-1853 – ab. Aus den vorangegangenen vier Generationen gebe es keine anderen Namensträger mit männlichen Nachkommen. Eine Verwandtschaft mit anderen Familien zufällig gleichen Namens scheide damit aus. Wenn Manfreds Großvater „aus Ostpreußen vom Lande“ stamme, so müsse es sich um eine andere Familie Claer handeln, denn seine Familie habe nie Grundbesitz in Ostpreußen gehabt. Auch die frühere andere Schreibweise des Names der ostpreußischen Claers spreche gegen eine Verwandtschaft, denn die Schreibweise des Namens sei in seiner Familie schon seit dem 18. Jahrhundert unverändert. Vorher sei sie, wie damals üblich, variabel gewesen. Im übrigen gebe es in Deutschland etwa 20 nicht zu seiner Familie zählende Träger des Namens Claer, die ein Telefon besitzen. Das habe sein Schwiegersohn kürzlich im Internet festgestellt, denn er, Wichard v. Claer, besitze keinen Computer.

Somit können wir uns noch einmal der „von“-Frage zuwenden: Während es in Manfreds Familie, die auf den Müller Herrmann August / August Herrmann Claer zurückgeht, eine offenbar sehr konkrete Überlieferung gibt, steht in unserer Familie dahinter jedenfalls ein dickes Fragezeichen (siehe meine früheren Aufzeichnungen). Dennoch ist es natürlich nicht auszuschließen, dass doch etwas dran sein könnte…

Wir haben ja inzwischen schon recht konkrete Informationen über die v. Claers und v. Clairs in Ostpreußen: Aus der rheinischen Adelsfamilie war erst ab Mitte des 19. Jh. ein Offizier dort ansässig. Hinzu kommt noch die Aussage des Bundesbankdirektors Wichard v. Claer in seinem Schreiben, dass seine Familie keinen Grundbesitz in Ostpreußen hatte. Das passt jedenfalls nicht mit dem Gut und den zwei Söhnen und dem Erbe zusammen. Also die rheinische Adelsfamilie ist raus, denke ich.

Dann gab es aber noch den Hauptmann von Gumbinnen, Wilhelm Theodor v. Clair (1767-1831) und seine Eltern, den Ingenieurkapitän Gottlieb August v. Clair / de Clair / le Clair /v. le Clair (1731-1779) und Anna Rosine v. Dobrokowska. Wilhelm Theodor hat um 1800 in Gumbinnen gelebt. Wir wissen aber bisher nicht, ob er oder sein Vater auch schon früher in Ostpreußen gelebt haben. Soweit ich sehe, hieß der Ingenieurkapitän aber ursprünglich le Clair und wurde erst später von Friedrich dem Großen geadelt (wohl für seine Verdienste bei der Urbarmachung von Ländereien im Osten und die Übersetzung eines Buches über die Kriegskunst Ludwigs XIV. aus dem Französischen). Das heißt, dass diese v. Clairs wohl eher nicht von den Schweizer Clairs in Ostpreußen abstammen, sondern von den hugenottischen Le Clairs / Le Clercs, die es z.B. in Berlin gab.

Unsere Vorfahren konnten wir bisher bis zum Unterförster Friedrich Wilhelm Clair in Ludwigswalde (1770-1815) zurückverfolgen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder stammen unsere Vorfahren von den Schweizer Einwanderern ab (David Clerc/Clair u.s.w. aus St. Imier 1712 ff.) und die Verbindung zu den v. Clairs ist nur eine Legende. So etwas kann bei den langen Zeiträumen schnell entstehen. Jemand sagt, es könnte vielleicht so gewesen sein und der nächste sagt schon, es war so… Die räumliche Nähe zur fast gleichnamigen Adelsfamilie könnte dazu eingeladen haben, solche Legende entstehen zu lassen. Oder es ist wirklich etwas dran: Dann wäre vielleicht unser Unterförster Friedrich Wilhelm (1770-1815) ein rebellischer Sohn vom Ingenieurkapitän Gottlieb August (1731-1779) gewesen, der sich mit der Familie überworfen und das Gut verlassen hat. Und Wilhelm Theodor (1767-1831) war sein älterer Bruder, der das Erbe angetreten hat. Vielleicht war Friedrich Wilhelm ja auch ein illegitimer Sohn mit einer Hausangestellten o.ä.

Das Problem ist allerdings, dass es in Ludwigswalde neben unserem Friedrich Wilhelm auch noch den Unterförster Johann Friedrich Clair gab. Dann hätten gleich zwei Brüder das Gut verlassen haben müssen… Wobei man jetzt natürlich wieder über eine dramatische Flucht des Johann Friedrich nach Siersleben spekulieren könnte (siehe oben)… Doch es gab ja, wie wir gefunden haben, in Ludwigswalde in früheren Jahren noch weitere Clairs / Klairs, wenn auch nicht viele. Der älteste (wenn auch fragliche) Eintrag eines Clairs in Ludwigswalde ist Hanß Claire 1715. Das ist kurz nach der Einwanderung der Schweizer 1712. Also alles in allem halte ich derzeit noch die Abstammung von den Schweizern für wahrscheinlicher, aber eine Abstammung von den v. Clairs ist durchaus noch im Rennen. Ich werde weiter intensiv auch nach Infos über den Ingenieurkapitän und den Hauptmann von Gumbinnen suchen. Dann wissen wir vielleicht irgendwann mehr.

8. Weitere de Claires/ Clairs und Klärs in Berlin und Brandenburg

Nicht unterschätzen darf man, wie viele Claers es noch in unterschiedlichen Schreibweisen gibt. Vor einigen Monaten wurde ich erstmals von Klaers mit K kontaktiert, konkret von einer Frau Monika Klaer aus Teltow bei Berlin. Ihr Mann ist gemäß der mündlichen Überlieferung in seiner Familie von hugenottischer Abstammung. Sein ältester bekannter namenstragender Ahne ist ein Johann Klär, geboren 1770, verstorben in Klein Rodensleben, geheiratet hat er seine Frau Dorothee Koch 1796 in Stemmern (südlich von Magdeburg).

Ich schrieb in meinen früheren Aufzeichnungen:

„Doch gab es eine Reihe von Clairs in Magdeburg, wo es sich um Nachkommen des Blaise Clair, ursprünglich Sergeant bei den alliierten Truppen in Piemont (Italien), handelte. Alle seine Kinder hießen dann Le Clair.“

Möglicherweise gibt es hier eine Verbindung…

Die Schreibweise der besagten hugenottischen Familie soll abwechselnd Klaer oder Klär gewesen sein. Seit dem 19. Jahrhundert haben Teile der Familie zeitweise oder dauerhaft in Berlin gelebt. Es gibt ein Ahnenhaus der Familie in Zehlendorf, gebaut von Fritz Klaer 1910. Dieser war ein Cousin des Großvaters von Monika Klaers Ehemann und ein sehr bekannter Kunsttischler, der u.a. im Königlichen Schloss zu Berlin tätig war, das ja nun wieder aufgebaut wird. Um 1920 haben die Brüder Karl, Ernst und Max Klaer mit ihren Familien in Berlin gelebt. Häufig ausgeübte Berufe unter den Vorfahren von Monika Klaers Mann in der Namenslinie waren Cantor und Lehrer, jedoch gab es keine Förster. Eine Verbindung dieser preußischen Klaers zu unserer Familie erscheint eher unwahrscheinlich, aber wir werden es im Auge behalten…

Und schließlich bin ich noch auf eine weitere preußische hugenottische Familie de Claire / Claire / Clair / Klair / Klaer / Klär gestoßen, aus sicherer Quelle, die ich aber nicht nennen darf, da die Nachkommen Wert auf Diskretion legen. Zur Zeit des Großen Kurfürsten von Brandenburg, des Gründers von Preußen 1699, wanderte eine Familie de Claire nach Brandenburg ein. Erster vollständig namentlich bekannter Namensträger ist ein René de Claire, geboren 1680 in Brandenburg, gestorben dort 1739. Mit seiner Frau Marie-Jeanne Remis war sein erster Sohn Ernest de Claire, Lieutenant des Königs von Preußen, geb. 1712 in Brandenburg, gestorben dort 1789. Dessen Frau war eine Louise Collel (1713-1772). Deren zweiter gemeinsamer Sohn war ein Friedrich-Wilhelm Claire, Handelskaufmann, geboren 1739 in Brandenburg, gestorben 1810 in Küstrin, verheiratet mit einer Sophie Perchaise (1748-1820).

Hier sind gleich zwei Aspekte interessant. Zum einen ist von einer Generation auf die nächste das „de“ im Namen verlorengegangen. Könnte dies etwas damit zu tun haben, dass Friedrich-Wilhelm „nur“ der zweitälteste Sohn war? Zum anderen stellt sich die Frage nach einer Verbindung zu den v. Clairs in Berlin im 19. Jahrhundert, siehe oben. Vor allem sei hier an den Ingenieur-Capitain Friedrich Wilhelm von Le Clair erinnert, der am 19.11.1776 in Potsdam ein Schreiben Friedrich des Großen erhalten hat (siehe meine früheren Aufzeichnungen). Könnten der Handelskaufmann Friedrich-Wilhelm Claire (immerhin der Sohn eines Lieutenants des Preußischen Königs namens Ernest de Claire) sowie der Ingenieur-Capitain Friedrich Wilhelm von Le Clair, dem der König einen Brief schreibt, miteinander identisch sein? Die Entfernung zwischen Brandenburg und Potsdam sollte überbrückbar gewesen sein…

Friedrich-Wilhelm Claire und Sophie Perchaise hatten als zweiten Sohn einen Johann-Ernest Clair, wiederum Handelskaufmann, geboren 1776 in Küstrin, gestorben 1840 in Fürstenberg. Verheiratet war dieser mit einer Antoinette Katharina Liasere (1779-1852).

Festung_Kuestrin_1921

Küstrin in der Neumark (bei deren Urbarmachung im übrigen der Ingenieur-Capitän Gottlieb August le Clair eine wichtige Rolle spielte, siehe meine früheren Aufzeichnungen) liegt geographisch immerhin nicht ganz so weit von Ostpreußen entfernt wie Berlin. Und rein theoretisch könnte natürlich unser Ludwigswalder Unterförster Friedrich Wilhelm Clair (1770-1815) ein älterer Bruder des Küstriner Johann-Ernest Clair gewesen sein (der ja ausdrücklich als zweiter Sohn des Friedrich-Wilhelm Claire bezeichnet wird), zumal der älteste Sohn damals oft den Vornamen des Vaters erhielt. Und womöglich lag ja in Küstrin das besagte Rittergut, von dem sich „unser“ Friedrich Wilhelm nach einem Streit mit seinem Vater in Richtung Ostpreußen aus dem Staub gemacht haben könnte… Doch das bleibt vorläufig noch wilde Spekulation, es fehlen dafür einfach die Anhaltspunkte.

Johann-Ernest Clair und seine Frau Antoinette Katharina Liasere hatten als dritten Sohn einen Friedrich Josef Klair, Botschaftssekretär, geboren 1809 in Fürstenberg, gestorben 1867 in Berlin. Verheiratet war dieser mit einer Agathe Marie Adolfin (1816-1871). Deren gemeinsamer dritter Sohn war ein Ernst Friedrich Karl Klaer, Fuhrunternehmer, geboren 1841 in Fürstenberg, gestorben 1900 in Berlin. (Übrigens wurde dieser zehn Jahre nach Manfred Claers Ururgroßvater, dem Fuhrunternehmer August Hermann /Herrmann August Claer geboren, der vermutlich 1831 zur Welt kam…) Die Ehefrau des Ernst Friedrich Karl Klaer war eine Marie Agnes Pauline Damm (1854-1892). Deren zweiter gemeinsamer Sohn war ein Karl Friedrich Klär, Kaufmann, geboren 1876 in Berlin, gestorben 1939 in Berlin. Dessen Ehefrau hieß Emma Martha Ramin (1878-1949). Der erste gemeinsame Sohn der beiden war schließlich ein Ernst Karl Alexander Klaer, Beamter des Reiches, geboren 1902 in Berlin, gestorben 1950 (Todeserklärung in der Sowjetunion). Dessen Frau war eine Luise Ogossell, geb. 1906. Hier brechen wir aus Diskretionsgründen ab.

Auffällig an dieser fürwahr beeindruckenden adelig-großbürgerlichen Familiengeschichte ist insbesondere, dass die genannten Ehefrauen fast ausschließlich französisch klingende Geburtsnamenamen trugen, d.h. über Generationen haben die preußischen Hugenotten nur „unter sich“ geheiratet. Für die Schweizerkolonie in Ostpreußen galt das offenbar nur in den Anfangsgenerationen. Schon die Ludwigswalder Förster, woher sie auch immer stammen mochten, hatten Ehefrauen mit überwiegend deutschen Geburtsnamen, später auch mit polnischen Geburtsnamen.

 

9. Sonstiges und Ausblick

Hier endet nun unser diesjähriger Abriss zur Namensgeschichte. Der primäre Ansatz unserer weiteren Forschungen werden die Kirchenbücher von Juditten im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg sein. Ich habe mir bereits einen Termin zur dortigen Recherche besorgt. Abschließend noch ein Hinweis zum dort von meinem Großvater Gerhard ausgemachten Gendarmen Otto Clair. Bei Wikipedia heißt es: „Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Polizeidienst fast ausnahmslos ehemalige Soldaten beschäftigt. Die Berliner Schutzmannschaft akzeptierte seit 1852 nur solche Bewerber, die freiwillig neun Jahre (statt der üblichen zwei bis drei Jahre Aktivdienst im Rahmen der Wehrpflicht) gedient hatten, davon mindestens fünf Jahre als Unteroffizier. Ähnliches galt in den meisten deutschen Ländern.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Sergeant) Also nicht nur die Jäger, sondern auch die Gendarmen hatten regelmäßig eine berufliche Vergangenheit beim Militär, wo ja viele Hugenotten bzw. ganz allgemein Französisischstämmige beschäftigt waren. Wir werden hierauf unser besonderes Augenmerk richten.