justament.de, 14.10.2024: Turbulente Zwangsversteigerung
Gerichtsgeschichten aus Berlin, Teil 3
Thomas Claer
Der Berliner Investor und Privatier Johannes K. (Name von der Redaktion geändert) hatte sich über die Jahre ein hübsches Portfolio aus kleinen vermieteten Eigentumswohnungen in Berlin und neuerdings auch andernorts zusammengestellt. Doch einen unerfüllten Wunsch hatte er noch: eine Wohnung in seiner Geburtsstadt W., einem schmucken Städchen an der Ostseeküste, dessen historische Altstadt zum Weltkulturerbe der Unesco zählt. Die Zugverbindung von Berlin nach W. war nicht schlecht. Und dank Deutschlandticket war Johannes K., der sich nie ein Auto, aber dafür immer neue Wohnungen angeschafft hatte, auch jederzeit mobil. Außerdem wusste er, dass es in der Altstadt von W. in Bahnhofsnähe eine Menge kleiner Wohneinheiten gab, die seinerzeit nach der Wende in Eigentumswohnungen umgewandelt worden waren, und diese passten perfekt in sein Beuteschema. Doch waren die dortigen Preise in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten schon in beinahe luftige Höhen geklettert, bevor sie in den letzten drei Jahren – Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Zinsanstieg sei Dank – wieder ein ganzes Stück zurückgekommen waren.
Johannes K. legte sich also auf die Lauer und sondierte nun mindestens einmal wöchentlich die Immobilienangebote auf den einschlägigen Plattformen. Lange Zeit vergeblich, doch dann, an einem kalten Februarmorgen, traute er seinen Augen kaum. Er sah seine Traumwohnung – 1 Zimmer, Küche, Bad mit Südbalkon auf 35 qm im 2.OG eines Altbau von 1935, in unmittelbarer Bahnhofsnähe und nicht weit von einem Park gelegen, ein Edeka um die Ecke – in einer Zwangsversteigerung, terminiert schon für Mitte April. Der Verkehrswert, den ein bestellter Gutachter ermittelt hatte, war erschütternd niedrig: 29.600,00 Euro. Wie konnte das sein?! Gewissenhaft las Johannes K. das auf der ZVG-Seite frei verfügbare umfangreiche Sachverständigengutachten. Mit der Wohnung war soweit alles in Ordnung, nur war sie unbefristet und zu marktüblichen Konditionen vermietet, was ihren Wert selbstredend nach allen herangezogenen Bewertungsmodellen rasant auf Talfahrt schickte. Klar, wer so zentral und günstig im hübschen historischen Ambiente wohnt, zieht vermutlich niemals wieder freiwillig aus. Und da sich die Chancen auf eine etwaige erfolgreiche Eigenbedarfskündigung, noch dazu wenn man dort gar nicht dauerhaft wohnen will, als eher unbestimmt ausnehmen, wird als maßgebliches Kriterium zur Wertermittlung die durch den Überschuss aus den Mieteinnahmen erzielbare Rendite herangezogen. Und die wäre selbst beim geschätzten Verkehrswert von 29.600 Euro noch relativ bescheiden.
Doch das war Johannes K. gar nicht unrecht. Glaubte er doch, gerade dadurch eine reelle Chance auf den Erwerb des begehrten Objekts zu haben. Er musste nur bereit sein, eine noch weitaus geringere Rendite in Kauf zu nehmen, dann würde er die mitbietenden Konkurrenten schon erfolgreich aus dem Feld schlagen können. Er rechnete nach und kam auf einen Preis von gut 61.000 Euro, den er bieten müsste, also das Doppelte des Verkehrswerts aus dem Gutachten. Dann läge die Rendite bei äußerst schwachen 2,3 Prozent. Wer würde denn schon noch mehr Geld bieten, um dann eine noch unattraktivere Rendite zu erzielen? Da müsste man ja bekloppt sein! Joannes K. durchdachte seine finanziellen Verhältnisse. Eine Kreditaufnahme kam natürlich nicht infrage, dann würde ihm aber seine Frau gehörig aufs Dach steigen, die sich ohnehin schon immerfort an seiner Sparsamkeit störte. Höchstens knapp 10.000 Euro hinter dem Rücken seiner Frau von seinem alten Studienfreund in Hamburg leihen und sie ihm dann schnellstmöglich wieder zurückzahlen – das wäre vielleicht noch möglich. Einen kleineren fünfstelligen Betrag hatte er seit seinem letzten Wohnungskauf vor einem Jahr schon wieder angespart. Den Rest würde er aus Aktienverkäufen aufbringen können, denn sein Wertpapierdepot hatte sich wieder einmal glänzend entwickelt und war reif für Gewinnmitnahmen.
Auf der ZVG-Seite standen unter den Angaben zu dieser Versteigerungssache die Kontaktdaten einer Immobilien-Gesellschaft, die nähere Auskünfte zur besagten Wohnung geben könnte. Dort fragte Johannes K. an und erhielt die Auskunft, dass in diesem Falle kein Vorab-Erwerb der Wohnung möglich sei und ebensowenig eine Besichtigung. Doch erhielt er, wie alle anderen Interessenten auch, eine Menge Fotos vom Inneren des Objekts, welche die Mieterin zur Verfügung gestellt hatte. Alles wirkte solide, wenn auch ziemlich unaufgeräumt. Letzteres stimmte Johannes K. nur noch hoffnungsvoller, denn im Gegensatz zu manch anderem, so sah er es, besaß er die Fantasie, sich die Wohnung auch im aufgeräumten Zustand vorstellen zu können. Mit Bleistift auf Papier kalkulierte Johannes K. immer wieder mit unterschiedlichen Bietpreisen und errechnete so die jeweils erzielbare Rendite. Doch, es stimmte schon: gut 61.000 Euro müsste er schon aufbringen. Längst hatte er sich die Bahnverbindung nach G. herausgesucht, einem noch kleineren Ort westlich von W., an dem die Zwangsversteigerung stattfinden sollte. Johannes K. wurde beim Gedanken an seine Fahrt dorthin ganz nostalgisch, denn seine Eltern hatten einst ausgerechnet in G. einen Garten besessen, in dem Johannes K. unzählige unbeschwerte Kindheitstage verbracht hatte. Er fieberte dem Versteigerungstermin regelrecht entgegen und hatte auch schon die geforderte Sicherheitsleistung von 10 Prozent des lächerlichen Verkehrswertes aufs Konto der Justizkasse überwiesen.
Doch dann, zehn Tage vor dem Termin, erreichte ihn die ernüchternde E-Mail vom ZVG-Portal: Der Versteigerungstermin wird aufgehoben. Ach, wie schade!, fand Johannes K. Sollte alles Hoffen und Bangen umsonst gewesen sein? Einen Tag später kam aber eine weitere E-Mail von der Immobilien-Gesellschaft. “Der Termin wurde aufgehoben…” Ja, mein Gott, das wusste man doch schon. Aber dann folgte noch der Zusatz: “… aus organisatorischen Gründen. Eine neue Terminierung erfolgt in Kürze.” Oh, es gab tatsächlich noch eine Chance! Johannes K. war außer sich vor Freude. Täglich besuchte er fortan die ZVG-Seite, um nachzusehen, ob dort schon etwas stand. Und tatsächlich: Nach einigen Wochen erschien dort der neue Versteigerungstermin Ende September. Wieder in G., aber diesmal nicht im Amtsgericht, sondern im großen Saal des Rathauses der Stadt G. Offenbar hatte es also schon so viele “Anmeldungen” durch Überweisung der Sicherheitsleistung gegeben, dass absehbar war, dass der Platz im Gericht angesichts des großen Menschenandrangs nicht reichen würde. Also noch ein halbes Jahr warten, und es war mit vielen Bietkonkurrenten zu rechnen. Dennoch ließ sich Johannes K. nicht von seinem Optimismus abbringen. Wenn er mit seinen gut 61.000 kommen würde, wer sollte denn da schon noch mehr bieten wollen?!
Die Monate vergingen in quälender Langsamkeit. Im Juni senkte die EZB erstmals nach langer Zeit ihre Zinsen. Nun war also sehr wahrscheinlich der tiefste Punkt bei den Immobilienpreisen erreicht. Jetzt musste man kaufen! Doch Johannes K. konnte es nicht, weil er noch drei Monate bis zum Zwangsversteigerungstermin warten musste. Er war außer sich. Im Juli machte er mit seiner Frau einen Tagesausflug nach W. zu einer Außenbesichtigung des Objektes seiner Begierde. Er fotografierte dabei auch die Namensleiste am Klingelbrett und recherchierte, ob sich etwas über “seine” künftige Mieterin finden ließe, was ihm womöglich einen wertvollen Informationsvorsprung gegenüber seinen Bietkonkurrenten verschaffen könnte. Doch er fand nichts.
Anfang August passierte es dann: Die Aktienkurse an den Börsen brachen weltweit ein. Da war irgendwas mit Carry-Trades in Japan passiert. Und nun standen seine Aktien längst nicht mehr auf dem Niveau, wo sich der Gedanke an Gewinnmitnahmen noch aufdrängen würde. Traurig musste sich Johannes K. eingestehen, dass sich die fest eingeplanten Aktienverkäufe für ihn wohl nicht mehr lohnen würden. Für diese hatte er den besten Zeitpunkt also offenbar leider schon verpasst. Aber hätte er wirklich seine Positionen schon früher verkaufen sollen, nur in der unbestimmten Hoffnung, vielleicht bei der Zwangsversteigerung zum Zuge zu kommen? Und was, wenn es dann nicht klappte? Hätte, hätte, Fahrradkette… Es war zum Verzweifeln! Doch wundersamerweise ging es an der Börse schon nach kurzer Zeit wieder steil nach oben. Keine drei Wochen nach dem Crash standen die Kurse schon wieder höher als zuvor. Und Johannes K. frohlockte. “Alles ist möglich, wenn du fest daran glaubst.” Das hatte er mal in seinem Glückskeks aus dem China-Restaurant gelesen.
Im September senkte die EZB ein weiteres Mal die Zinsen. Johannes K. musste ans berühmte Rilke-Gedicht denken, das er für sich abgewandelt hatte in: Wer jetzt kein Haus kauft, kauft sich keines mehr. Hatte er überhaupt noch eine Chance? Doch es gab ja im September auch noch die Landtagswahlen in drei Ost-Bundesländern mit wahrlich schockierend hohen Stimmanteilen für AfD und Sahra Wagenknecht. Welcher Investor oder Interessent aus Westdeutschland – und nahezu alle Investoren oder Interessenten außer Johannes K., dem gebürtigen Ossi, kamen schließlich aus Westdeutschland – wollte denn eine Immobilie in Landstrichen mit hohem AfD- und BSW-Stimmenanteil erwerben? So entsetzt Johannes K. angesichts der Wahlergebnisse auch war, für “sein” nostalgisches Immobilienprojekt”, wie er es nannte, schöpfte er nun wieder neue Hoffnung. Noch dazu hatte ihm ein Kollege aus Frankfurt am Main, der mit dem Kauf eines Häuschens in Thüringen liebäugelte, verraten, dass er direkt nach den Landtagswahlen ans Werk gehen wolle. Tja, dachte Johannes K., aber was, wenn nun alle denselben Gedanken haben…?
Anderthalb Wochen vor dem Termin entdeckte Johannes K. auf Ebay Kleinanzeigen die Offerte einer kleinen Eigentumswohnung in W., allerdings ohne Preisangabe und nur mit dem Hinweis VB. Als er die Bilder und den Grundriss betrachtete, staunte er nicht schlecht. Die sah doch aus wie “seine” künftige Wohnung! Nur lag sie nicht im 2.OG, sondern im 1.OG. Es war also die Wohnung direkt darunter. Sie war jedoch bezugsfrei, hübsch eingerichtet mit IKEA-Möbeln und gut aufgeräumt. Im Begleittext stand noch der Hinweis, dass sich mit ihr eine Jahresmiete von 5.200 Euro netto erzielen ließe. Das war weit mehr, als der Mietspiegel der Stadt W. hergab. Und Johannes K. war sofort klar, dass hier eine möblierte und befristete Vermietung gemeint war, so wie er es ja auch mit mehreren seiner Wohnungen in Berlin praktizierte. Natürlich, die Fachhochschule war ja nicht weit. Daran hatte er natürlich auch längst gedacht für den Fall, dass die Wohnung in W. irgendwann mal frei würde. Er betrachtete noch einmal die Namen auf dem Klingelbrett auf seinem Foto. Demnach war der letzte Bewohner der möbliert und befristet vermieteten Wohnung eine Person mit iranischem Namen, die sich bei einer Google-Recherche als Dozent an der Fachhochchule erwies. Johannes K. entschloss sich nun, eine Art Testballon aufsteigen zu lassen und der Anbieterin dieser Wohnung die von ihm zum Kauf der darüberliegenden Wohnung eingeplanten 61.000 Euro zu bieten. Am Tag darauf kam die Rückmeldung, dass sein Gebot und die Preisvorstellung der Anbieterin zu weit auseinander lägen, um in Verhandlungen über den Kaufpreis eintreten zu können. Na gut, das war nun keine Überraschung, denn schließlich war diese Wohnung nicht vermietet. Drei Tage später war die Anzeige bereits wieder verschwunden.
Endlich war der große Tag gekommen. Vollkommen gegen seine Gewohnheit war Johannes K. schon um 3.45 Uhr aufgestanden, um mit dem ersten Zug frühmorgens in Richtung G. zu fahren. Um 9.30 Uhr sollte die Zwangsversteigerung beginnen. Schon um 9 Uhr hatte sich eine Gruppe von knapp 50 Personen vor dem Rathaus der kleinen Stadt eingefunden. Und es wurden dann immer mehr. Der große Saal des Rathauses war vollständig gefüllt. Die meisten waren Ältere, aber es waren alle Altersgruppen vertreten, auch viel internationales Publikum, asiatisch und nahöstlich aussehende Personen. Johannes K. zählte mehr als 150 Interessenten. Ob er da wohl eine Chance haben würde? Und dann kam es: Schon nach wenigen Sätzen verkündete die Justizangestellte, dass der Mietvertrag der Wohnung mittlerweile von der Mieterin zum Ende des laufenden Monats gekündigt worden sei. Die Wohnung werde also bezugsfrei an den Ersteigerer übergeben.
Das war natürlich eine ganz neue Situation, denn durch diesen Umstand dürfte der Wert der Wohnung zweifellos um ein Beträchtliches nach oben geschossen sein. Schließlich konnte man sie ja nun ohne weiteres selbst nutzen oder auch lukrativ möbliert und befristet vermieten. Es war somit klar, dass Johannes K. an diesem Tag leer ausgehen würde, denn mehr als die eingeplanten 61.000 Euro konnte und wollte er nicht aufbringen. Es dauerte dann auch nicht lange, da hatten schon die ersten Interessenten mehr als 61.000 Euro geboten. Danach ging es nun aber etwas langsamer nach oben als zuvor. Ab 80.000 Euro wurden die Gebotsschritte immer kleiner, und es waren nur noch zwei Bieter übriggeblieben, die es unter sich ausmachten: ein älteres deutsches Ehepaar und ein älterer Herr mit türkischem Namen. Alle anderen hatten schon die Segel gestrichen, ein vietnamesisches Paar ebenso wie ein jüngerer deutscher Mann und mehrere Anzugträger, die jeweils für Immobiliengesellschaften agierten. Am Ende erhielt das ältere deutsche Ehepaar für 82.500 Euro den Zuschlag.
Johannes K. erschien die Sache mit der überraschenden Kündigung der Mieterin schon recht seltsam, doch es würde sicherlich niemand irgendwem etwas beweisen können. So trat er also enttäuscht und mit leeren Händen die Heimreise an und setzte schon bald darauf seine Recherchen in den Immobilienportalen fort. Vielleicht würde er ja noch irgendwo ein Ersatzobjekt für sich finden, wenn auch nicht gerade in der offenbar so begehrten Stadt W.
justament.de, 21.11.2022: Ästhetische Negativität
Ästhetische Negativität
Ein Besuch im Käthe-Kollwitz-Museum Berlin, neuerdings im Theaterbau am Schloss Charlottenburg
Thomas Claer
Das Käthe-Kollwitz-Museum ist vor einigen Wochen umgezogen: aus der Fasanenstraße nahe dem Ku’damm, wo es seit 1986 seinen Sitz hatte, in den Theaterbau am Schloss Charlottenburg. Und wenn man schon nur ein paar Ecken davon entfernt wohnt, ist es doch – und nicht nur im buchstäblichen Sinne – naheliegend, es endlich einmal zu besuchen, zumal man dies schon immer mal vorhatte.
Wer seine Kindheit und Jugend in der DDR verbracht hat, der kennt natürlich Käthe Kollwitz (1867-1945), die bekannte Berliner Grafikerin, Malerin und Bildhauerin, aus den offiziellen Schulbüchern, in denen viele ihrer Werke immer wieder abgedruckt, erläutert und gewürdigt wurden. Käthe Kollwitz galt sozusagen als sozialistische Künstlerin par excellence, was aber genau genommen nicht ganz richtig ist; wirklich falsch ist es allerdings auch nicht. Zwar war sie niemals Mitglied einer politischen Partei, doch hat sie aus ihrer Sympathie für die sozialistische (und wohl auch kommunistische) Bewegung nie ein Geheimnis gemacht und vor allem auch in ihrer Kunst – so wurde es zumindest weithin empfunden – stets einen eindeutigen „Klassenstandpunkt“ vertreten. Allerdings war es für die DDR auch denkbar einfach, sie voll und ganz für ihre Sache zu vereinnahmen, denn sie konnte sich ja infolge ihres Todes bereits kurz vor Kriegsende nicht mehr dagegen wehren. Eine offene Frage bleibt indessen, ob sie den neuen Machthabern im Arbeiter- und Bauern-Staat womöglich kritisch begegnet wäre, sich ihnen – horribile dictu – sogar durch Abwanderung in den Westen entzogen hätte oder ob sie, was ihren Nachruhm angeht, von Glück sagen kann, dass sie nicht noch länger gelebt hat, da sie ansonsten leicht zur stalinistischen Kulturfunktionärin hätte werden können. (So wie z.B. der „progressive“ Schriftsteller Heinrich Mann nach aktuellem Stand der Forschung nur durch sein vorzeitiges Ableben vor einer solchen, eigentlich schon mit ihm ausgehandelten Rolle in der DDR bewahrt wurde.)
Wie auch immer, zumindest hat ihre politische Wirkung und posthume propagandistische Instrumentalisierung Käthe Kollwitz bis heute nicht nachhaltig geschadet. Denn künstlerisch hat sie in der Tat Außerordentliches zu bieten. Der erste Eindruck ihrer im Theaterbau versammelten Werke, die einen Großteil ihres Schaffens ausmachen dürften, ist überwältigend. Eindringlich, grell und enorm plakativ wirken ihre Bilder, obwohl sie alle nur in Schwarz-Weiß gehalten sind. Man merkt, dass sie vom Expressionismus kommt. Schließlich ist sie gerade einmal 14 Jahre jünger als Vincent van Gogh (1853-1890). Und ganz ähnlich intensiv wie bei diesem sind ihre Werke, nur ohne jede Leichtigkeit. Die Stimmungslage geht bei ihr vielmehr ins Anti-Euphorische, ins abgrundtief Traurig-Verzweifelte, allzeit Schwermütige. Aber nicht in stillem Leiden, sondern gleichsam immerfort laut aufschreiend, nur eben bildlich. (Man fühlt sich in dieser Ausstellung auch ständig an den „Schrei“ von Munk erinnert.) Thematisch geht es immer um die Not und das Elend der kleinen Leute, der Arbeiter und Bauern, die mörderische Sinnlosigkeit der Kriege.
Nur stellt man sich im Laufe der Besichtigung dann irgendwann doch die Frage, woher die geradezu monomanische Obsession dieser Künstlerin für all das kommt. Keine Frage, ihre Empörung über die sozialen Missstände ihrer Zeit, über Krieg und Militarismus ist vollauf berechtigt. Aber es gibt bei ihr tatsächlich keine anderen Themen und vor allem auch keine anderen Stimmungen. Niemals entsteht so etwas wie Frohsinn, Entspannung oder vielleicht Sinnlichkeit. Selbst ihren Aktzeichnungen und -skulpturen fehlt wirklich jede Spur, ja jeder Hauch von Erotik. Die Schönheit der Natur oder von Architektur? Kommt bei ihr nicht vor. Und was ihrer Kunst erst recht abgeht, sind Humor oder gar Ironie. Wie anders hat doch ihr Kollege Heinrich Zille (1858-1929) seine ganz ähnlichen Sujets – sogar mit ähnlichen Mitteln – wiedergegeben: heiter, spitzbübisch, augenzwinkernd. Bei Käthe Kollwitz dagegen herrscht nur existentieller Ernst. Wenn nicht alles so nüchtern wäre, könnte man dazu fast sagen: bierernst.
Natürlich ist so etwas immer auch eine Temperamentsfrage. Vielleicht hat diese Künstlerin ja wirklich ein Leben im mentalen Ausnahmezustand geführt. Einen ihrer beiden Söhne und dazu noch einen Enkel hat sie in den beiden Weltkriegen verloren. Aber ihr Sohn hatte sich im Alter von 18 Jahren freiwillig zum Kriegseinsatz an der Front gemeldet, obgleich seine Eltern zweifellos bereits zu dieser Zeit (1914) offen pazifistisch und antinationalistisch eingestellt gewesen waren. Und ihr Enkelsohn wollte sogar „nicht der Enkel von Käthe Kollwitz sein“ und verstand sich als überzeugter Nationalsozialist, als er 1940 tödlich verwundet wurde. Wieviel Protesthaltung gegen die dominante Mutter respektive Großmutter wird dabei im Spiel gewesen sein? Im menschlichen Umgang war Käthe Kollwitz vermutlich nicht immer so ganz einfach…
Dennoch sollte, wer es noch nicht getan hat, unbedingt das Käthe-Kollwitz-Museum besuchen. Auch wenn es, was eigentlich denkbar unpassend ist, nun in einem alten preußischen Schloss untergebracht ist. Oder sollte der Hintergedanke dieser Ortsauswahl gerade darin liegen, die verblichenen Hohenzollernkönige mit sozialer Not und Kriegselend zu konfrontieren, was sie während ihrer Herrschaft kaum jemals interessiert haben dürfte?
justament.de, 6.6.2022: War der Szenebezirks-Hype nur eine Blase?
Das Zahlenwerk aus dem aktuellen Wohnmarktreport Berlin unter der Lupe
Thomas Claer
Nach zwei Jahren gibt es nun endlich wieder einen „Wohnmarktreport Berlin“ mit ausführlichem Zahlenwerk über den Mietmarkt in allen 191 Postleitzahlgebieten unserer Hauptstadt. Im Vorjahr konnte nämlich nur eine beinahe zahlenlose Rumpfversion dieser traditionsreichen jährlichen Studie erscheinen, da es wegen des berüchtigten Berliner Mietendeckels, der mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde, monatelang kaum noch Mietwohnungsinserate mehr gegeben hatte, die man hätte auswerten können… Vordergründig betrachtet scheint in diesen zwei Jahren aber gar nicht viel passiert zu sein, denn die Median-Miethöhe im gesamten Stadtgebiet ist zwischen 2019 und 2021 um gerade einmal 0,6% von 10,44 Euro auf 10,50 Euro gestiegen. Doch trügt dieser Schein gewaltig, denn schaut man genauer hin, was wir auch diesmal, siehe unten, getan haben, so erkennt man, dass es in den 23 Altbezirken von vor der Gebietsreform, die wir wegen ihrer größeren Genauigkeit abermals als Vergleichsmaßstab herangezogen haben, in den letzten 24 Monaten höchst heterogene Entwicklungen gegeben hat.
Zunächst fällt auf, dass die Innenstadt-Regionen, abgesehen von den massiv positiven Ausreißern Mitte (Alt), Wilmersdorf und südliches Charlottenburg, allesamt signifikante Rückgänge in der Angebots-Miethöhe zu verzeichnen hatten. Besonders gilt dies für die Gentrifizierungs-Lagen Neukölln-Nord und Wedding, die nach jahrelanger steiler Aufwärtsbewegung zuletzt einen erstaunlichen Absturz zu erleiden hatten. So liegen die beiden bisherigen Trend-Lagen inzwischen gerade einmal noch an der Oberkante des unteren Drittels aller Altbezirke. Einen fulminanten Sprung nach oben haben dafür mehrere vornehmlich östliche Peripherie-Bezirke hingelegt: Um fast schon sensationelle zweistellige Prozentsätze nach oben ging es in Treptow, Köpenick, Pankow, Hellersdorf und – ganz besonders – Weißensee, das mit einem Anstieg um 13,8% diesmal den Vogel abgeschossen hat.
Was ist da los?, so fragt man sich irritiert, und kommt nach einiger Überlegung auf mindestens drei mögliche Auslöser dieser bemerkenswerten Bewegungen. Zunächst einmal dürfte die im Beobachtungszeitraum grassierende Corona-Pandemie mit dafür gesorgt haben, dass Wohngebiete außerhalb der engen und überlaufenen Zentrallagen tendenziell an Beliebtheit gewonnen haben, während das Zentrum einen entsprechenden Bedeutungsverlust hinnehmen musste. Ausgenommen hiervon waren aber offenbar besonders repräsentative Lagen (Mitte sowie rund um den Ku’damm), die sogar teilweise noch deutlich anziehen konnten. Im relativen Abstieg der Szenebezirke spiegelt sich hingegen das pandemiebedingt stark ausgedünnte Freizeitangebot mit all den geschlossenen Bars und Clubs wider. Insofern sind aber starke Zweifel daran angebracht, ob dieser Trend nachhaltig ist, denn früher oder später dürfte der Party-Orkan in den Szenebezirken wieder anschwellen. Noch dazu könnten die mittlerweile kriegsbedingt und vermutlich auch auf lange Sicht höheren Transport- und Energiekosten dafür sorgen, dass sich die vorübergehende Tendenz zu großen Immobilien am Stadtrand (oder sogar außerhalb der Städte) rasch wieder umkehren wird.
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor liegt vermutlich im zunehmenden Wohnungs-Neubau in vielen östlichen Peripherie-Bezirken. Auch wenn nur ein geringerer Teil dieser Neubau-Projekte überhaupt Mietwohnungen beinhaltet und von diesen auch noch ein erheblicher Anteil zu öffentlich vorgeschriebenen Niedrigmieten vermietet werden muss, hat selbst dieses regulatorisch ausgebremste zusätzliche Wohnungsangebot wegen des Basiseffekts der überwiegend sehr niedrigen Bestandsmieten enorme Auswirkungen auf die gemessene Höhe der Angebotsmieten.
Schließlich lässt sich als dritter bedeutsamer Einflussfaktor die zunehmende politische Regulierung des Berliner Mietmarktes mit entsprechenden Ausweichreaktionen von der Vermieterseite ausmachen. Spätestens die lange Hängepartie mit dem schließlich vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuften Mietendeckel, um von zahllosen weiteren aktuell diskutierten Regulierungsvorschlägen gar nicht zu reden, dürfte einen nicht geringen Teil zumindest der Berliner Kleinvermieter zur strikten Vermeidung von unbefristeten Mietverträgen getrieben haben. Und nur solche Standard-Mietvertrags-Angebote werden für den Wohnmarktreport mitgezählt, nicht aber die gerade in den zentralen Lagen immer beliebter werdenden kurz- oder mittelfristigen möblierten Vermietungen, deren Preisniveau in der Regel weitaus höher liegt.
Kurzum, trotz aller beschriebener Unschärfen liefert der aktuelle Wohnmarktreport wieder ein aufschlussreiches Bild – besonders für diejenigen, die zwischen den Zahlen zu lesen verstehen…
Wohnkosten in Berliner Bezirken (Angebotskaltmiete pro qm) gem. Wohnmarktreport 2021 (2019) nach Alt-Bezirken:
1. (1.) Mitte (Alt) 17,14 (15,47) +10,8% alternativ/repräsentativ
2. (4.) Wilmersdorf 14,21 (13,11) +8,4% großbürgerlich/bürgerlich
3. (3.) Friedrichshain 13,88 (13,28) +4,5% alternativ/lebendig
4. (2.) Tiergarten 13,85 (13,47) +2,8% gemischt/lebendig
5. (5.) Prenzlauer Berg 12,99 (13,04) -0,4% alternativ/neubürgerlich
6. (6.) Kreuzberg 12,62 (12,96) -2,6% alternativ/lebendig
7. (7.) Charlottenburg 12,58 (12,37) +1,7% großbürgerlich/lebendig
8. (9.) Zehlendorf 12,26 (11,54) +6,2% großbürgerlich/bürgerlich
9. (13.) Treptow 11,63 (10,31) +12,8% proletarisch/lebendig
10. (8.) Schöneberg 11,62 (12,07) -3,7% bürgerlich/lebendig
11. (14.) Pankow 11,34 (10,30) +10,1% bürgerlich/lebendig
12. (15.) Köpenick 10,87 (9,86) +10,2% bürgerlich/proletarisch
13. (18.) Weißensee 10,82 (9,51) +13,8% bürgerlich
14. (12.) Steglitz 10,52 (10,42) +1,0% bürgerlich/kleinbürgerlich
15. (10.) Wedding 10,17 (11,37) -10,6% proletarisch/lebendig
16. (11.) Neukölln 9,94 (10,52) -5,5% alternativ/proletarisch
17.(16.) Tempelhof 9,72 (9,62) +1,0% kleinbürgerlich/bürgerlich
18. (21.) Hellersdorf 9,42 (8,65) +8,9% proletarisch/gemischt
19. (17.) Lichtenberg 9,36 (9,60) -2,5% proletarisch/kleinbürgerl.
20. (19.) Reinickendorf 9,24 (9,25) -0,1% kleinbürgerlich/bürgerlich
21. (20.) Spandau 8,73 (8,81) +0,9% kleinbürgerlich/lebendig
22. (23.) Marzahn 7,78 (7,74) +0,5% proletarisch/gemischt
23. (22.) Hohenschönhausen 7,43 (8,23) -9,7% proletarisch/gemischt
Quelle: Wohnmarktreport Berlin 2022 (Berlin Hyp und CBRE) und eigene Berechnungen.
Informationen: https://www.cbre.de/de-de/research/CBRE-Berlin-Hyp-Berlin-Wohnmarktreport-2022
justament.de, 1.6.2020: Die Rache der Wilmersdorfer Witwen
Tiergarten macht den größten Sprung, Szenekieze rutschen ab, aber Gentrifizierung 2.0 in Geheimtipp-Lagen: Überraschendes und Erwartbares im neuen Wohnmarktreport Berlin
Thomas Claer
Da haben Berlin Hyp und CBRE mal wieder ganze Arbeit geleistet, denn unter all den Mietmarkt- und Immobilienmarkt-Erhebungen über das Wohnen in unserer Hauptstadt nimmt der inzwischen schon traditionsreiche „Wohnmarktreport Berlin“ eine Sonderstellung ein. Nirgendwo sonst lässt sich ein so immenses – frei zugängliches – Zahlenwerk finden, das von den Angebots-Mietpreisen des zurückliegenden Jahres über die durchschnittlichen Wohnungsgrößen bis hin zum mittleren Einkommen pro Haushalt reicht – und all das für jeden der 190 Postleitzahlbezirke dieser Stadt! Auch in diesem Jahr gräbt man sich als thematisch affiner Leser also gespannt durch die 168 Seiten, auf denen es wie immer eine Menge zu entdecken gibt.
Und zunächst einmal ist festzustellen: Die Zeiten rasant steigender Mieten sind wohl erst einmal vorbei. Mietpreisbremse und Berliner Mietendeckel haben ihre Wirkung nicht verfehlt – wenn auch in mancher Hinsicht anders als von ihren Urhebern beabsichtigt. Das Angebot an Bestandswohnungen der Baujahre vor 2014 dünnt aus. Der Mietmarkt verlagert sich offenbar zunehmend in rechtliche Grauzonen, oder die Eigentümer sind es leid und verkaufen an Selbstnutzer. Deren Nachfrage nimmt, wie die anhaltend steigenden Kaufpreise beweisen, weiter zu, was auch daran liegen könnte, dass Wohnungssuchende, die es sich leisten können, regelrecht zum Kaufen gezwungen werden, denn zum Mieten fehlt es infolge der öffentlichen Regulierungen schlicht an Angeboten. Kurzum, für Wohnungssuchende wird es künftig wohl eher noch schwieriger werden…
So ist zwar aus den genannten Gründen bei den gemessenen Mietpreisen von einem reichlich verzerrten Bild auszugehen. Und dennoch fehlt es den neuesten Erhebungen nicht an Aussagekraft, zeigen sie doch einige bemerkenswerte Trends auf: Der Mythos der Szenekieze scheint langsam zu verblassen. Während sich Friedrichshain und Prenzlauer Berg noch halbwegs halten können, geht es mit Nord-Neukölln und insbesondere Kreuzberg – nach jahrelangen rasanten Mietanstiegen – im Stadtteil-Ranking (siehe unten) doch signifikant bergab. Dafür erlebt der gutbürgerliche (zentrale) Westen eine Renaissance. Wilmersdorf springt von Platz 6 auf Platz 4, Tiergarten sogar von Platz 5 auf Platz 2 (den noch vor einem Jahr Kreuzberg innehatte, das nun aber bis auf Platz 6 durchgereicht wird). Einzig der fulminante Aufwärtstrend im neu-alternativen Bezirk Wedding, der jetzt nur noch knapp hinter dem großbürgerlichen Zehlendorf liegt, ist voll intakt.
Charlottenburg verharrt gut behauptet auf Platz 7 in Lauerstellung, profitiert dabei aber auch von einem neuartigen Trend in seinem Nordosten: Die noch vor wenigen Jahren als langweilig geschmähte Gegend um den Mierendorff-Platz (wo die Einkommensstruktur noch immer unterdurchschnittlich ist) hat nunmehr den Sprung auf Platz 22 der Kieze mit dem stärksten Mietpreis-Anstieg der letzten 11 Jahre geschafft – und das weitgehend ohne den sonst typischerweise preistreibenden Zuzug von Künstlern und Alternativen. Vielmehr erlebte diese Gegend zuletzt eine Ansiedlung von kleinen Start-Up-Büros in großer Zahl, die sich in den z.T. seit Jahren leer stehenden Ladenlokalen einquartierten. Ihnen folgte dann die entsprechende Gastronomie – eine Art Gentrifizierung 2.0 also…
Nun bleibt freilich abzuwarten, wie sich die Corona-Krise auf den Berliner Miet- und Kaufimmobilienmarkt auswirken wird. Wird sie angesichts von wirtschaftlicher Rezession und zunehmender Arbeitslosigkeit zu einer allgemeinen Abkühlung führen? Oder wird sich womöglich wiederholen, was schon in den Jahren nach der Finanzkrise zu beobachten war: Dass nämlich Deutschland schneller und besser als andere aus der Talsohle herauskommt und es dadurch erneut scharenweise junge Leute aus Süd- und Osteuropa in seine Hauptstadt zieht, deren Bevölkerungswachstum sich zuletzt deutlich abgeschwächt hat? Wie auch immer, es bleibt spannend auf Deutschlands „heißestem Immobilienmarkt“.
Wohnkosten in Berliner Bezirken (Angebotskaltmiete pro qm) gem. Wohnmarktreport 2019 (2008) nach Alt-Bezirken
1. Mitte (Alt) 15,47 (9,54) +62,2% alternativ/repräsentativ
2. Tiergarten 13,47 (6,33) +112,8% gemischt/lebendig
3. Friedrichshain 13,28 (6,60) +101,2% alternativ/lebendig
4. Wilmersdorf 13,11 (8,06) +62,7% großbürgerlich/bürgerlich
5. Prenzlauer Berg 13,04 (7,32) +78,1% alternativ/neubürgerlich
6. Kreuzberg 12,96 (6,37) +103,5% alternativ/lebendig
7. Charlottenburg 12,37 (7,24) +70,9% großbürgerlich/lebendig
8. Schöneberg 12,07 (7,24) +66,7% bürgerlich/lebendig
9. Zehlendorf 11,54 (7,94) +45,3% großbürgerlich/bürgerlich
10. Wedding 11,37 (5,26) +116,2% neualternativ/proletarisch
11. Neukölln 10,52 (5,23) +101,1% alternativ/proletarisch
12. Steglitz 10,42 (6,45) +61,6% bürgerlich/kleinbürgerlich
13. Treptow 10,31 (5,53) +86,4% proletarisch/lebendig
14. Pankow 10,30 (6,28) +64,0% bürgerlich/lebendig
15. Köpenick 9,86 (6,14) +60,6% bürgerlich/proletarisch
16. Tempelhof 9,62 (5,82) +65,3% kleinbürgerlich/bürgerlich
17. Lichtenberg 9,60 (5,50) +74,5% proletarisch/kleinbürgerl.
18. Weißensee 9,51 (5,50) +72,9% bürgerlich
19. Reinickendorf 9,25 (5,76) +60,6% kleinbürgerlich/bürgerlich
20. Spandau 8,81 (5,43) +62,2% kleinbürgerlich/lebendig
22. Hellersdorf 8,65 (5,30) +63,2% proletarisch/gemischt
21. Hohenschönhausen 8,23 (5,96) +38,1% proletarisch/gemischt
23. Marzahn 7,74 (4,85) +59,6% proletarisch/gemischt
Quelle: Wohnmarktreport Berlin 2020 / eigene Berechnungen
Top 30 der Postleitzahlbezirke nach Höhe der Angebotskaltmiete pro qm 2019 (2008)
1. 10557 Moabit Südost / Hauptbahnhof / Bellevue (Tiergarten) 16,35 (6,50) +151,5%
2. 10785 Potsdamer Platz / Lützowstr. (Tiergarten) 16,32 (7,80) +109,2%
3. 10179 Jannowitzbrücke (Mitte) 16,00 (7,40) +116,2%
4. 10115 Chausseestraße (Mitte) 15,60 (8,40) +85,7%
5. 10178 Hackescher Markt/ Alexanderplatz (Mitte) 15,52 (10,30) +50,7%
6. 10963 Kreuzberg-West / Möckernbrücke (Kreuzberg) 15,23 (6,70) +127,3%
7. 10117 Unter den Linden (Mitte) 15,18 (12,60) +20,5%
8. 10119 Rosenthaler Platz (Mitte) 15,06 (9,00) +67,3%
9. 10623 Savignyplatz (Charlottenburg) 15,09 (9,00) +67,7%
10. 10719 Ludwigkirchplatz/ Kurfürstendamm (Wilmersdorf) 15,00 (9,70) +54,6 %
11. 10629 Sybelstraße/ Kurfürstendamm (Charlottenburg) 14,44 (9,00) +60,4%
12. 10707 Olivaer Platz / Kurfürstendamm (Wilmersdorf) 14,42 (8,40) +71,7%
13. 14193 Grunewald (Wilmersdorf) 14,31 (10,60) +35,0%
14. 10435 Kollwitzplatz (Prenzlauer Berg) 14,19 (8,60 ) +65,0%
15. 13355 Humboldthain/ Brunnenviertel (Wedding) 14,06 (5,00) +181,2%
16. 10405 Prenzlauer Allee (Prenzlauer Berg) 14,05 (7,80) +80,1%
17. 10245 Ostkreuz / Boxhagener Platz (Friedrichshain) 14,00 (6,80) +105,9%
18. 14057 Lietzensee (Wilmersdorf) 13,98 (7,60) +83,9%
19. 12047 Maybachufer („Kreuzkölln“)(Neukölln) 13,97 (5,50) +154,0%
20. 10965 Mehringdamm / Bergmannstraße (Kreuzberg) 13,91 (6,30) +120,8%
21. 10711 Halensee (Wilmersdorf) 13,91 (7,70) +80,6%
22. 10829 Schöneberger Insel / Julius-Leber-Brücke (Schöneb.) 13,80 (6,30) +119,0%
23. 10243 Ostbahnhof (Friedrichshain) 13,75 (6,60) +108,3%
24. 10787 Bahnhof Zoo/ Kurfürstenstraße (Tiergarten) 13,71 (8,30) + 65,2%
25. 10437 Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg) 13,64 (7,70) +77,1%
26. 14195 Dahlem (Zehlendorf) 13,56 (9,40) +44,3%
27. 10439 Arnimplatz(Prenzlauer Berg) 13,52 (6,50) +108,0%
28. 12049 Hermannstraße West (Reuterkiez)(Neukölln) 13,41 (5,10) +162,9%
29. 10555 Alt-Moabit-West (Tiergarten) 13,39 (5,90) +126,9%
30. 10247 Samariterstraße (Friedrichshain) 13,36 (6,40) +108,8%
Quelle: Wohnmarktreport Berlin 2020 / eigene Berechnungen
Gebiete mit dem stärksten Anstieg der Angebotskaltmieten im Elfjahreszeitraum
1. 13355 Humboldthain/ Brunnenviertel (Wedding) 14,06 (5,00) +181,2%
2. 12049 Hermannstraße West /Reuterkiez (Neukölln) 13,41 (5,10) +162,9%
3. 12051 Hermannstraße Süd (Neukölln) 12,75 (5,00) +155,0%
4. 12047 Maybachufer („Kreuzkölln“) (Neukölln) 13,97 (5,50) +154,0%
5. 10557 Moabit SO/ Hauptbahnhof / Bellevue(Tiergart.) 16,35 (6,50) +151,5%
6. 12055 Richardplatz (Neukölln) 12,26 (5,00) +145,2%
7. 12053 Rollbergstraße (Neukölln) 12,01 (4,90) +145,1%
8. 12045 Sonnenallee Nord (Neukölln) 12,53 (5,20) +141,0%
9. 13359 Soldiner Straße (Wedding) 11,00 (4,70) +134,0%
10. 12059 Weigandufer (Neukölln) 11,57 (5,00) +131,4%
11. 10557 Moabit SO / Hauptbahnhof / Bellevue (Tierg.) 15,00 (6,50) +130,7%
12. 10553 Beusselstraße (Moabit/Tiergarten) 11,74 (5,10) +130,2%
13. 13347 Nauener Platz (Wedding) 11,63 (5,10) +128,0%
14. 10963 Kreuzberg-West / Möckernbrücke (Kreuzberg) 15,26 (6,70) +127,8%
15. 10555 Alt-Moabit-West (Tiergarten) 13,39 (5,90) +126,9%
16. 12435 Treptower Park (Treptow) 12,65 (5,70) +121,9%
17. 13351 Rehberge (Wedding) 11,05 (5,00) +121,0%
18. 10965 Mehringdamm / Bergmannstraße (Kreuzberg) 13,91 (6,30) +120,8%
19. 10829 Schöneberger Insel / Julius-Leber-Brücke 13,80 (6,30) +119,0%
20. 10179 Jannowitzbrücke (Mitte) 16,00 (7,40) +116,2%
21. 10551 Birkenstraße (Moabit/Tiergarten) 11,63 (5,40) +115,4%
22. 10589 Mierendorff-Platz (Charlottenburg) 12,90 (6,00) +115,0%
23. 13405 Kurt-Schumacher-Damm (Reinickendorf) 10,00 (4,70) +112,8%
24. 10969 Prinzenstraße (Kreuzberg) 12,76 (6,00) +112,7%
25. 12439 Niederschöneweide (Treptow) 10,81 (5,10) +112,0%
26. 12043 Rathaus Neukölln (Neukölln) 10,55 (5,00) +111,0%
27. 10247 Samariterstraße (Friedrichshain) 13,36 (6,40) +108,8%
28. 13357 Gesundbrunnen (Wedding) 10,64 (5,10) +108,6%
29. 10243 Ostbahnhof (Friedrichshain) 13,75 (6,60) +108,3%
30. 10559 Stephanstraße (Moabit/Tiergarten) 11,18 (5,30) +107,8%
Quelle: Wohnmarktreport Berlin 2020 / eigene Berechnungen
justament.de, 15.4.2019: Es boomt, wohin man blickt
Der aktuelle „Wohnmarktreport Berlin“ bestätigt die laufenden Trends
Thomas Claer
Seit ziemlich genau zehn Jahren befinden sich die Immobilienmärkte, insbesondere in unseren Großstädten, in einem signifikanten Aufwärtstrend. Was Vermieter und Projektentwickler jubeln lässt, kann manchen Mietern allerdings die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Wohnen ist, so hört man es längst an jeder Ecke, zur „sozialen Frage unserer Zeit geworden“. Wohl nirgendwo aber ist diese Entwicklung so krass verlaufen wie in unserer Hauptstadt, wo sich die Mietpreise bei Wohnungs-Neuvermietungen im letzten Jahrzehnt – von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau aus – beinahe verdoppelt haben. Besonders aussagekräftig sind die Zahlen des aktuellen „Wohnmarktreports Berlin“, herausgegeben von CBRE und Berlin Hyp, wenn man sie, was untenstehend getan wird, mit jenen von vor genau zehn Jahren vergleicht. Besondere Gewinner dieser Entwicklung sind zentral gelegene, ehemals ärmliche Stadtviertel wie Nord-Neukölln, Moabit oder Wedding, die mittlerweile zu heiß begehrten Innenstadtlagen mutiert sind. Dicht dahinter folgen die schon lange Zeit etablierten Zentrumslagen, und zwar besonders die trendigen Szenebezirke Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg, aber auch eher bürgerliche Bezirke wie Charlottenburg, Tiergarten oder Schöneberg. Weniger stark am Aufschwung partizipieren konnten hingegen gutbürgerliche Randlagen wie Zehlendorf. Jedoch lässt sich seit einigen Jahren beobachten, dass auch sie zunehmend stärker vom Aufwärtstrend erfasst werden, so wie auch die als weniger attraktiv geltenden Randbezirke wie Reinickendorf oder Spandau bis hin zu den einst berüchtigten Plattenbau-Bezirken Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen. Längst gibt es in Berlin keinen Flecken mehr, der nicht vom Boom erfasst wäre.
Quellen: „Wohnmarktreports Berlin“ (hg. von CBRE und Berlin Hyp) sowie eigene Berechnungen
Wohnkosten in Berliner Bezirken (Angebotskaltmiete pro qm) gem. Wohnmarktreport 2018 (2008) nach Alt-Bezirken
1. Mitte (Alt) (15,13/9,54/+58,6%/alternativ/repräsentativ)
2. Kreuzberg (13,06/6,37/+105,0%/alternativ/lebendig)
3. Friedrichshain (12,73/6,60/+79,2%/alternativ/lebendig)
4. Prenzlauer Berg (12,60/7,32/+72,1%/alternativ/neubürgerlich)
5. Tiergarten (12,57/6,33/+98,6%/gemischt/lebendig)
6. Wilmersdorf (12,12/8,06/+50,4%/großbürgerlich/bürgerlich)
7. Charlottenburg (11,90/7,24/+64,3%/großbürgerlich/lebendig)
8. Schöneberg (11,77/ 7,24/+49,9%/bürgerlich/lebendig)
9. Zehlendorf (10,93/ 7,94/+33,5%/großbürgerlich/bürgerlich)
10. Wedding (10,81/5,26/+105,5%/proletarisch/lebendig)
11. Neukölln* (10,54/5,23/+101,5%/alternativ/proletarisch)
12. Pankow (10,21/6,28/+58,3%/bürgerlich/lebendig)
13. Steglitz (10,11/6,45/+56,7%/bürgerlich/kleinbürgerlich)
14. Treptow (10,06/5,53/+81,9%/proletarisch/lebendig)
15. Lichtenberg (9,77/5,50/+77,6%/proletarisch/kleinbürgerlich)
16. Köpenick (9,60/6,14/+42,8%/bürgerlich/proletarisch)
17. Tempelhof (9,47/ 5,82/+62,7%/kleinbürgerlich/bürgerlich)
18. Weißensee (9,41/5,50/+71,1%/bürgerlich)
19. Reinickendorf (8,97/ 5,76/+55,7%/kleinbürgerlich/bürgerlich)
20. Spandau (8,38/5,43/+54,3%/kleinbürgerlich/lebendig)
21. Hohenschönhausen (8,35/5,96/+40,1%/proletarisch/gemischt)
22. Hellersdorf (8,11/5,30)/+53,0%/proletarisch/gemischt)
23. Marzahn (7,77/4,85/+60,2%/proletarisch/gemischt)
* Neukölln-Nord (11,87/ 5,08/+133,7%/alternativ/proletarisch)
Neukölln-Süd (8,84/ 5,41/+63,4%/kleinbürgerlich/proletarisch)
Top 30 der Postleitzahlbezirke nach Höhe der Angebotskaltmiete pro qm 2018 (2008)
1. 10117 Unter den Linden (Mitte) (15,93/12,60/+26,4%)
2. 10785 Potsdamer Platz / Lützowstr. (Tiergarten) (15,73/7,80/+101,7%)
3. 10179 Jannowitzbrücke (Mitte) (15,48/7,40/+109,2%)
4. 10963 Kreuzberg-West / Möckernbrücke (15,26 /6,70/+127,8%)
5. 10557 Moabit Südost / Hauptbahnhof / Bellevue (Tiergarten) (15,00/6,50/+130,7%)
6. 10178 Hackescher Markt/ Alexanderplatz (Mitte) (15,00/10,30/+45,6%)
7. 10115 Chausseestraße (Mitte) (14,75/8,40/+75,6%)
8. 10119 Rosenthaler Platz (Mitte) (14,49/9,00/+61,0%)
9. 10435 Kollwitzplatz (Prenzlauer Berg) (14,28/8,60 /+66,0%)
10. 10719 Ludwigkirchplatz/ Kurfürstendamm (Wilmersdorf) (14,00/9,70/+44,3 %)
11. 10629 Sybelstraße/ Kurfürstendamm (Charlottenburg) (13,77/9,00/+53,0%)
12. 10245 Ostkreuz / Boxhagener Platz (Friedrichshain) (13,50/6,80/+98,5%)
13. 10243 Ostbahnhof (Friedrichshain) (13,41/6,60/+103,2%)
14. 10405 Prenzlauer Allee (Prenzlauer Berg) (13,12/7,80/+68,2%)
15. 10585 Dt. Oper (Charlottenburg) (13,11/6,60/+98,6%)
16. 12047 Maybachufer („Kreuzkölln“)(Neukölln) (13,07/5,50/+156,3%
17. 10999 Görlitzer Park (Kreuzberg) (13,00/6,20/+109,7%)
18. 10437 Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg) (13,00/7,70/+68,8%)
19. 14193 Grunewald (Wilmersdorf) (13,00/10,60/+22,6%)
20. 14057 Lietzensee (Wilmersdorf) (12,99/7,60/+70,9%)
21. 10711 Halensee (Wilmersdorf) ( 12,89/7,70/+67,4%)
22. 10777 Viktoria-Luise-Platz (Schöneberg) (12,82/7,60/+68,7%)
23. 10789 Tauentzienstr. / Kurfürstendamm (Wilmersdorf) (12,54/9,10/+37,8%)
24. 10623 Savignyplatz (Charlottenburg) (12,74 /9,00/+41,6%)
25. 10961 Gneisenaustraße (Kreuzberg) (12,86/6,80/+89,1%)
26. 10965 Mehringdamm / Bergmannstraße (Kreuzberg) (12,79/6,30/+103,0%)
27. 10969 Prinzenstraße (Kreuzberg) (12,68/6,00/+111,3%)
28.10967 Graefestraße (Kreuzberg) (12,63/6,30/+100,5%)
29. 10829 Schöneberger Insel / Julius-Leber-Brücke (Schöneb.) (12,60/6,30/+100,0%)
30. 10627 Westliche Kantstr./ Bismarckstr. (Charlottenburg) (12,58/6,60/+90,6%)
Gebiete mit dem stärksten Anstieg der Angebotskaltmieten im Zehnjahreszeitraum
1. 12047 Maybachufer („Kreuzkölln“) (Neukölln) (13,07/5,50/+156,3%)
2. 12053 Rollbergstraße (Neukölln) (12,53/4,90/+155,7%)
3. 12043 Rathaus Neukölln (Neukölln) (12,51/5,00/+150,2%)
4. 12055 Richardplatz (Neukölln) (12,01/5,00/+140,2%)
5. 12045 Sonnenallee Nord (Neukölln) (12,48 /5,20/+140,0%)
6. 12049 Hermannstraße West /Reuterkiez (Neukölln) (12,12/5,10/+137,6%)
7. 13355 Humboldthain/ Brunnenviertel (Wedding) (11,75/5,00/+135,0%)
8. 12051 Hermannstraße Süd (Neukölln) (11,62/5,00/+132,4%)
9. 10557 Moabit Südost / Hauptbahnhof / Bellevue (15,00/6,50/+130,7%)
10. 10963 Kreuzberg-West / Möckernbrücke (Kreuzberg) (15,26/6,70/+127,8%)
11. 12059 Weigandufer (Neukölln) (11,31/5,00/+126,2%)
12. 10553 Beusselstraße (Moabit/Tiergarten) (11,52/ 5,10/+125,9%)
13. 13359 Soldiner Straße (Wedding) (10,41/4,70/+121,5%)
14. 13351 Rehberge (Wedding) (10,82/5,00/+116,4%)
15. 13347 Nauener Platz (Wedding) (11,00/5,10/+115,7%)
16. 10783 Bülowbogen/Bülowstraße (Schöneberg) (11,91/5,60/+112,7%)
17. 12435 Treptower Park (Treptow) (12,08/5,70/+111,9%)
18. 10969 Prinzenstraße (Kreuzberg) (12,68/6,00/+111,3%)
19. 10999 Görlitzer Park (Kreuzberg) (13,00/6,20/+109,7 %)
20. 13357 Gesundbrunnen (Wedding) (10,68/5,10/+109,4%)
21. 10179 Jannowitzbrücke (Mitte) (15,48/7,40/+109,2%)
22. 10559 Stephanstraße (Moabit/Tiergarten) ( 11,01/5,30/+107,8%)
23. 10551 Birkenstraße (Moabit/Tiergarten) (11,10/5,40/+105,6%)
24. 10555 Alt-Moabit-West (Tiergarten) (12,07/5,90/+104,6%)
25. 10243 Ostbahnhof (Friedrichshain) (13,41/6,60/+103,2%)
26. 10965 Mehringdamm / Bergmannstraße (12,79/6,30/+103,0%)
27. 12439 Niederschöneweide (Treptow) (10,32/5,10/+102,4%)
28. 12347 Britz-West (Neukölln) (10,34/5,10/+101,7%)
29. 10785 Potsdamer Platz/ Lützowstr. (Tiergarten) (15,73/7,80/+101,7%)
30. 10967 Graefestraße (Kreuzberg) (12,63/6,30/+100,5%)
www.justament.de, 10.9.2018: Der Fetischcharakter des Sparens
Verlängert bis 4. November: Die Ausstellung „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ in Berlin
Thomas Claer
Sonderausstellungen in unseren Museen sind oftmals fragwürdige und regelmäßig hochkommerzielle Angelegenheiten. Kein Thema ist dann zu abgedroschen und keine These zu platt, um endlich einmal wieder die Massen in unsere Kulturtempel zu locken – und das zu einem Vielfachen des sonst üblichen Eintrittspreises. Doch manchmal können Sonderausstellungen auch wahre Glücksfälle sein. Dann führen sie dem interessierten Besucher ihm bislang Unbekanntes vor Augen oder eröffnen ihm neue Sichtweisen auf Altbekanntes, sodass er allemal auf seine Kosten kommt.
Um Kosten und insbesondere um deren Vermeidung geht es auch im Deutschen Historischen Museum Unter den Linden, und das schon seit einem halben Jahr. Gerade ist dort die Sonderschau „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ außerplanmäßig bis zum 4. November verlängert worden. Wer sie bisher noch nicht gesehen hat, sollte dies unbedingt nachholen, denn es lohnt sich in diesem Falle wirklich. Dabei ist es keineswegs die Fülle des gezeigten Materials, die heraussticht, denn die ist durchaus überschaubar. Doch wird hier sehr gezielt auf eine vielleicht spezifisch deutsche Traditionslinie aufmerksam gemacht, die gegenwärtig besonders in der Diskussion steht: den deutschen Hang zur Sparsamkeit. Nun wird es zweifellos in aller Welt sparsame Menschen geben, doch dass hierzulande diese Tugend über Jahrhunderte und sogar über alle Systemgrenzen hinweg mit solch einer Inbrunst öffentlich propagiert wurde (wie viele der gezeigten Ausstellungsstücke beweisen, insbesondere die Plakate), das macht den Deutschen so leicht keiner nach. Ob in den feudalen Kleinstaaten, im Kaiserreich oder der Demokratie, ob bei den Nazis oder den Kommunisten: Immer gab es das Bestreben, die Bürger respektive Untertanen zur Bildung monetärer Rücklagen zu animieren – und dies zwar aus jeweils unterschiedlichen Anlässen, aber doch zumeist aus ähnlichen Gründen. Steckt die Sparsamkeit also womöglich in der deutschen kulturellen DNA? Sind wir gleichsam historisch belastet, wenn man uns international immer nachdrücklicher unsere notorisch positive Leistungsbilanz und unsere herzlosen Spar-Diktate gegenüber den überschuldeten Südländern vorhält?
Selbst im modernen Kapitalismus, in dem es doch eigentlich um die Förderung des Konsums zur Ankurbelung der Binnennachfrage gehen sollte, stand und steht hierzulande das Sparen hoch im Kurs. Oder gibt es hier womöglich gar keinen Widerspruch, weil das Sparen zu den kapitalistischen Grundtugenden gehört? Niemand anders als Karl Marx hat dies genau so gesehen. Seine zu Recht effektvoll positionierten Zitate gehören zu den Highlights der Ausstellung. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: „Der Schatzbildner opfert daher dem Goldfetisch seine Fleischeslust. Er macht Ernst mit dem Evangelium der Entsagung. … Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Geiz bilden daher seine Kardinaltugenden, viel verkaufen, wenig kaufen, die Summe seiner politischen Oekonomie.“ Beinahe jeder hat schon vom „Fetischcharakter der Ware“ im Kapitalismus gehört, aber der Fetischcharakter des Sparens – der wurde wohl bislang selbst von Marxisten unterschätzt. Begreift man den Fetisch als Ersatzbefriedigung für etwas anderes, in der Regel Sexuelles, dann liegt hier womöglich sogar eine der geheimen Antriebskräfte des deutschen „Exportwunders“ und unserer Haushaltssolidität verborgen. Seine Fleischeslust dem Goldfetisch opfern? Hierzu passen im Übrigen auch Erkenntnisse der modernen Hirnforschung, wonach dieselben Gehirnregionen sowohl bei sexueller Aktivität als auch bei der Geldvermehrung aktiviert werden. Nur mit dem Unterschied, dass letztere auch noch in fortgeschrittenem Alter funktioniert… Fazit: Die 8 Euro Eintrittsgeld für diese Ausstellung sind ein lohnendes Investment.
Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend
23. März verlängert bis 4. November 2018
Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Zusammenarbeit mit der Berliner Sparkasse
Eintritt: 8 Euro
www.justament.de, 9.7.2018: Summer of ’88
Recht historisch Spezial: Vor 30 Jahren erlebte Justament-Autor Thomas Claer eine Art Initiation in Berlin
Berlin kannte ich schon aus meiner Kindheit in den Siebzigern von gelegentlichen Besuchen bei dort lebenden Freunden meiner Eltern. Selbstverständlich war für uns nur der Ost-Teil der Stadt erreichbar. Dass es hinter dieser Beton-Mauer auch ein West-Berlin gab, das noch viel interessanter, bunter und aufregender sein musste als die ihrerseits auch schon sehr besondere DDR-Hauptstadt, ist mir wohl erst Jahre später bewusst geworden. Als Kind bedeutete Berlin für mich nur leckere Vanille-Milch in Tüten, die sonst nirgendwo in der DDR zu kriegen war, Fahrten in der S-Bahn und den gelben U-Bahn-Zügen, die seltsamerweise gar nicht unter, sondern weit über der Erde fuhren, ausgedehnte Einkäufe in der Schönhauser Allee und auf dem Alexanderplatz sowie umfangreiche Reparaturarbeiten, die mein handwerklich geschickter Vater in der Plattenbauwohnung unserer Freunde in Buch regelmäßig ausführte. Erst im Sommer 1988, im Alter von 16 Jahren, sollte ich den Osten Berlins auch noch von ganz anderen Seiten kennenlernen. Zu verdanken hatte ich dies vor allem Christel, einer guten Freundin meiner Mutter. Christel war Professorin für Biochemie an der Universität Greifswald, schon damals grauhaarig und alleinstehend und sehr wählerisch in jeder Hinsicht. Immer wenn sie etwas sagte, war sie erkennbar darum bemüht, für alles und jedes ganz unbedingt die beste und treffendste Formulierung zu finden, die sie dann mit einer überwältigen Rhetorik regelrecht zelebrierte. Sie bewohnte allein ein riesiges Haus in der Nähe der Stadt, das auf mich wie ein Palast wirkte. Schon die Architektur des Gebäudes (das wohl ein namhafter Architekt für sie konzipiert hatte) verriet einen ausgefallenen Geschmack. Die mehr als zehn großzügigen Räume waren jeweils in anderen Stilen eingerichtet. In ihnen befanden sich nur wenige Möbel, die aber dafür mal gediegen und antik, mal fein und modern waren. Darüber hinaus gab es dort dekorativ ausgestellte Krüge und Vasen, Skulpturen und Teppiche, Steine und Muscheln. Es sah großartig aus, und ich bewunderte Christels Anwesen entsprechend. Meine Mutter hingegen lästerte nach den Besuchen bei Christel, wie sie es gerne tat, dass sich ein solches Haus doch niemals sauber und in Ordnung halten lasse. Und sie habe in der Tat auch Staubflocken hinter einer Figur entdeckt. Tja, darauf konzentrierte sich meine Mutter. (Wenn sie wüsste, dass ich heute immer noch gerne mit kaputten Hosen und ungeputzten Schuhen auf die Straße gehe, würde sie sich im Grabe umdrehen.)
Christel jedenfalls war es, die mir im Sommer 1988, als ich gerade die zehnjährige DDR-Schule abgeschlossen und wegen unseres laufenden Ausreiseantrags (mein Vater war schon im Westen) kein Abitur machen durfte und mich notgedrungen für eine Kellnerlehre beim FDGB-Feriendienst angemeldet hatte, einen Vorschlag zur Gestaltung meiner Ferien machte: „Komm doch mit mir für eine Woche nach Berlin. Dort besuche ich zwei Freundinnen. Da kann ich dir die Stadt ein bisschen zeigen.“ Das klang für mich gut, und ich willigte gleich ein. Auch meine Mutter war wohl froh, dass mir auf diese Weise etwas Kultur vermittelt werden sollte. Christel hielt große Stücke von mir, seit ich mir von ihr immer wieder Bücher aus dem Westen, die für uns im Osten schwer erhältlich waren, ausgeliehen und diese regelrecht verschlungen hatte: Hoimar von Ditfurth, Gerd von Haßler, Erich von Dänicken, Konrad Lorenz… Sie mochte mich wohl auch irgendwie. Von ihr ließ ich mir auch gerne Vorträge über irgendwelche kulturellen Themen halten, die mich, wären mir meine Eltern damit gekommen, nicht die Bohne interessiert hätten. Zunächst aber verbot sie mir in jenem Sommer 1988, sie weiter „Tante Christel“ zu nennen, wie ich es bisher getan hatte. Alle Freunde meiner Eltern waren für mich damals Onkel und Tanten, so war das üblich in der DDR. Aber Christel, die schon mehrere Westreisen hinter sich hatte und überhaupt sehr westlich orientiert war, wollte auf keinen Fall „Tante“ genannt werden, was ich dann auch nicht mehr tat. Christel schimpfte eigentlich ständig auf den Osten und vergötterte den Westen. „Wir leben hier im Dreck!“, sagte sie manchmal. Und: „Im Westen sind die Menschen viel besser angezogen.“ Für alles, was mit Staat und Partei zu tun hatte, hatte sie nur Verachtung übrig. Offenbar hatte sie ihre Professur allein aufgrund fachlicher Kompetenz erlangt. Auch bei anderen Freunden meiner Eltern, fast allesamt Ärzte, stellte ich häufig eine sehr staatskritische Haltung fest. Doch es gab einen signifikanten Unterschied zwischen denen, die Kinder hatten und somit vom Staat erpressbar waren – diese waren oftmals sogar in der Partei, obwohl sie privat ganz anders redeten – und den Kinderlosen, die wie Christel kaum ein Blatt vor den Mund nahmen. Diese Gruppe traute sich das wohl auch, weil sie sich fachlich-beruflich für den Staat für unverzichtbar hielt. Doch offen rebelliert hat auch von ihnen niemand, soweit ich weiß. Hätte ich an ihrer Stelle aber wohl auch nicht unbedingt getan…
In Berlin fuhr Christel mit mir als erstes auf den Alexanderplatz, wo wir die Abendstimmung beobachteten. Ich sah viele junge Leute mit Skateboards, andere waren sehr szenig gekleidet, so punk- und gruftiemäßig. Für mich als Provinzling war bereits dieser Anblick sehr erregend. Wir fuhren weiter zur Wohnung von J. und U., Christels Freundinnen, bei denen wir uns einquartierten. Dass zwei Frauen zusammen in einer Lichtenberger Plattenbauwohnung lebten, fand ich schon bemerkenswert, so etwas hatte ich bisher noch nicht erlebt. Meine Eltern kannten solche Leute nicht. U. war Zahnärztin; was J. von Beruf war, habe ich vergessen. Sie waren beide etliche Jahre jünger als Christel, vielleicht Mitte oder Ende vierzig. Sie zeigten lebhaftes Interesse an mir, verwickelten mich oftmals in ausufernde Gespräche und Diskussionen. Dabei sahen sie mich immer wieder aufmerksam von allen Seiten an und lächelten sich dabei gegenseitig zu. Mir gefiel auch die Einrichtung ihrer Wohnung. In ihrer Küche duftete es nach mir unbekannten Gewürzen. In der Nacht teilte ich mir mit Christel das Gästezimmer. Sie hatte mich vorgewarnt, aber ihr Schnarchen war dann doch ziemlich laut.
In den folgenden Tagen klapperte Christel mit mir die Museen ab: Pergamonaltar und so weiter. Auch in verschiedenen Gemäldegalerien waren wir. Und weil Christel alles so gut erklärte, blieb sogar das eine oder andere bei mir hängen. Zum Beispiel erläuterte sie mir, warum sie die Aktmalerei ganz besonders schätzte. Überhaupt der menschliche Körper…. Die Spuren der Zeit im Gesicht und auch überall sonst, die Vergänglichkeit… Ich hörte schweigend zu und traute mich nicht zu sagen, dass ich ebenfalls die Darstellung weiblicher Akte außerordentlich schätzte. Sie meinte dann, in meinem Alter könne man das in seiner Tiefe wohl noch nicht begreifen… Später standen wir vor dem abgesperrten Brandenburger Tor und sahen im Westen die Ruine des Reichtags. Christel raunte mir zu, bloß nichts Falsches zu sagen, hier werde alles abgehört. In einer Buchhandlung kaufte ich mir eine Ausgabe der „Rechtsphilosophischen Schriften“ von Immanuel Kant. Ich hätte nie geglaubt, dass so etwas frei in der DDR verkauft werden würde, aber in Berlin war es zu haben. Einzelne Passagen darin über die Despotie lasen sich wie eine wirklichkeitsgetreue Beschreibung der Verhältnisse in unserem Land. Aus dieser Ausgabe habe ich dann mehr als zehn Jahre später in meiner Doktorarbeit ausführlich zitiert.
Auf meinen besonderen Wunsch hin erklärte sich Christel schließlich sogar bereit, mit mir am letzten Tag unseres Berlin-Aufenthalts noch ein Fußball-Spiel zu besuchen: Der BFC Dynamo spielte gegen den Halleschen FC Chemie. Es war wohl der erste Stadion-Besuch ihres Lebens. Und da es der erste Spieltag der neuen Saison war, wurde im Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg, nur wenige Meter entfernt von der Staatsgrenze zum Wedding, vor dem Anpfiff nach einer langweilig-hölzernen Propagandarede irgendeines Funktionärs die DDR-Nationalhymne gespielt. Alle Zuschauer erhoben sich von den Plätzen. Christel zischte mir mit abfällig verzerrtem Gesicht zu, dass wir auch aufstehen müssten. Doch die Fans aus Halle machten nicht mit. Vorher hatten sie noch gestanden und gesungen, nun bei der Nationalhymne setzten sie sich demonstrativ hin. Später stimmten sie sogar noch Hohn- und Spottgesänge gegen die Nationalhymne an. Und während des Spiels riefen sie, sobald es einen Freistoß gab und sich die Abwehrmauer positionierte, in wunderbarer Doppeldeutigkeit immer wieder: „Die Mauer muss weg!“ Mir gefiel das sehr, was die sich trauten, und auch Christel, die sehr genau die bunten Fahnen und Gesänge der Fans beobachtete, schien Gefallen daran zu finden. Da wir auch noch ein abwechslungsreiches Spiel erlebten, das 2:2 endete, gingen wir frohgemut aus dem Stadion.
Damals, vor dreißig Jahren, hätte ich nie gedacht, dass ich später einmal in Berlin leben und schon überhaupt nicht, was ich dieser Stadt eines Tages alles zu verdanken haben würde. Doch diese Woche im Sommer 1988 war schon ein kleiner Vorgeschmack auf all das, was noch kommen sollte. Christel ist vor ein paar Jahren gestorben, noch vor meinen Eltern. Verheiratete leben länger. Sie wurde unter einem Baum auf der Insel Rügen bestattet. Spirituell-esoterisches Naturbegräbnis. So hatte sie es sich ausgesucht.
www.justament.de, 28.5.2018: Schmutzige alte Liebe
Recht historisch Spezial: Justament-Autor Thomas Claer über seine wilden Nullerjahre im Berliner Wedding vor der Gentrifizierung
Es war Sommer 2002. Wir standen gewissermaßen vor dem Nichts. Meine Promotion hatte ich abgegeben und wartete nur noch auf die mündliche Prüfung, die dann schließlich erst acht Monate später endlich stattfinden sollte. Das Stipendium, das ich durch glückliche Umstände nach dem Referendariat zur Fertigstellung meiner Dissertation bekommen hatte, war ausgelaufen. Meine Frau war auch gerade mit ihrem Studium fertiggeworden. Nichts hielt uns mehr in Bielefeld, der vielleicht nicht in jeder Hinsicht schönen, aber zum Studieren doch sehr praktischen Stadt am Teutoburger Wald, wo wir uns sieben Jahre zuvor kennengelernt hatten. Während ich hinsichtlich unseres weiteren Lebensweges noch sehr unentschlossen war und mir angesichts meiner schwachen Examensnoten große Sorgen über unsere Zukunft machte, wusste meine Frau bereits genau, was sie wollte: Weg aus Bielefeld! In eine möglichst große Stadt ziehen!! Und, wenn es irgendwie geht, nach Berlin!!! Dort waren wir bereits 1996 auf einem von unserer Uni organisierten Ausflug gewesen. Die Stadt hatte uns sofort gepackt. Und dann hatte ich auch noch alle diese Bücher gelesen, die in Berlin spielten und ein abenteuerliches Leben an der Spree versprachen: „Paarungen“ von Peter Schneider, „Sommerhaus, später“ von Judith Herrmann und „Herr Lehmann“ von Sven Regener. Dennoch konnte ich mir lange Zeit nicht vorstellen, wirklich dort zu leben. Beinahe alle rieten uns ab. „Da gibt es doch keine Jobs“, meinten meine Kommilitonen. „Ihr werdet dort untergehen!“, warnten meine Verwandten. Meine Eltern fanden schon die Idee unmöglich. „Man geht dorthin, wo man Arbeit findet. Und man kann auch sehr gut in kleineren Orten leben“, belehrte uns meine Mutter. Und doch hörten wir damals von so einigen, die nach Berlin zogen. Das waren aber alles keine Juristen, sondern Geistes- und Sozialwissenschaftler und ein Architekt. Ich hatte fünfzig und später über hundert Bewerbungen geschrieben, überall hin. Ich bekam nur eine einzige Einladung zu einem Bewerbungsgespräch für ein Praktikum in einem winzig kleinen Verlag – aber der war in Berlin! Und ich wurde prompt genommen, für ein halbes Jahr, das später noch einmal um weitere sechs Monate verlängert wurde.
Mehr hatten wir nicht in Aussicht, als wir im Sommer 2002 nach Berlin aufbrachen. Es war klar, dass die kümmerliche Praktikantenentlohnung für uns niemals zum Leben ausreichen würde. Und meine Frau hatte mit ihrem Literatur-Abschluss ebenso schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt wie ich. Aber es gab ja noch meine Eltern, die uns jeden Monat mit ein paar hundert Euro bezuschussten, uns aber gleichzeitig mit dem ständigen Vorwurf im Nacken saßen, doch nun aber wirklich bald einmal für uns selbst zu sorgen, schließlich waren wir schon über dreißig. In welchen Berliner Stadtbezirk sollten wir also unter diesen Voraussetzungen ziehen? Natürlich dorthin, wo die Mieten am billigsten und dennoch die Wege zur Praktikumsstelle kurz waren. So landeten wir also im sprichwörtlich roten Wedding, dem damaligen Problembezirk, wo wir einen regelrechten Kulturschock erlebten.
Schon früher hatten uns Bekannte, die Berlin besucht hatten, darüber berichtet, dass es dort so „schmutzig“ sei. Ich konnte mir zunächst nichts darunter vorstellen. Wie kann eine Stadt schmutzig sein?, fragte ich mich. Da muss es doch eine Stadtreinigung geben wie woanders auch, dachte ich in meiner naiven Ahnungslosigkeit. Niemals hätte ich geglaubt, dass gar nicht so wenige Menschen dort gewohnheitsmäßig ihren Müll nicht in den Abfalleimer, sondern aus dem Fenster auf die Straße werfen würden. Noch weniger vorstellbar war für mich, dass Leute einfach mal so ins Treppenhaus pinkeln könnten. Und sich überall in den Straßen und Treppenhäusern wild entsorgter Sperrmüll stapelte. Und dass man auf den Gehwegen ständig in Hundekacke trat, auch das war für uns zunächst gewöhnungsbedürftig. In anderen Orten sind Menschen auf der Straße, um sich von hier nach dort zu bewegen. In Berlin-Wedding dagegen hingen damals sehr viele Menschen offenbar einfach nur so auf der Straße rum, ohne einer irgendwie zielgerichteten Tätigkeit nachzugehen. Na gut, manche von ihnen dealten wohl mit Drogen. Und noch viel unangenehmer konnte es werden, wenn man es mit einer der Jugendbanden zu tun bekam, die hier ihr Unwesen trieben. Dennoch fühlten wir uns nicht besonders unsicher. Wer sich um die anderen nicht kümmerte, dem passierte auch in aller Regel nichts. Es war nur alles am Anfang reichlich ungewohnt.
Schon am ersten Tag nach dem Einzug in unsere neue Wohnung, eine schöne Altbauwohnung aus den 1920er Jahren mit Holzdielenboden und hohen Decken, wollte mir vor dem nahe gelegenen Gesundbrunnen-Center jemand auf offener Straße Munition für Schusswaffen verkaufen. Auf dem Weg zwischen dem Bahnhof Gesundbrunnen und unserer Wohnung kamen wir in der Jülicher Straße an einer Art riesiger Mondlandschaft vorbei, oder sollte man lieber Trümmerwüste dazu sagen? Gewaltige unförmige Betonblöcke ragten aus der Erde, aus denen schwarze und metallene Drähte hervortraten. Zwischen ihnen taten sich tiefe Abgründe auf. Gesichert war diese gewaltige Bauruine durch einen ständig defekten Bauzaun, der nicht verhindern konnte, dass dort fortwährend Müll abgeladen wurde. Am Rande dieser vermüllten Betonlandschaft standen die kümmerlichen Reste einer alten Villa, die wohl einstmals sehr prächtig gewesen sein musste. Im Internet recherchierte ich, dass hier in den Neunzigerjahren während der Nachwende-Euphorie ein großes Sportzentrum errichtet werden sollte, aber der Investor bereits nach den ersten Bauetappen Pleite ging. Seitdem blieb die Bauruine sich selbst überlassen, da ein neuer Investor wohl zunächst für die Beseitigung der Hinterlassenschaften des Vorgängers hätte sorgen müssen, wozu aber niemand bereit war. Die alte verfallene Villa war die frühere Geschäftsstelle des Fußballclubs Hertha BSC gewesen, der gegenüber an der Behmstraße bis in die Siebzigerjahre noch sein altes Stadion am Gesundbrunnen hatte, bevor dieses neu errichteten Hochhäusern weichen musste. Der regelmäßige Anblick der Betonwüste, dieses Schandflecks unserer Wohngegend, hatte eine besonders deprimierende Wirkung auf uns, stand er doch symbolisch für die Hoffnungslosigkeit, dass es mit den problembeladenen Berliner Innenstadtbezirken jemals wieder etwas werden würde.
Manchmal kam ich mit einem alten Mann ins Gespräch, der ein paar Aufgänge weiter in unserem Haus immer aus seiner Erdgeschosswohnung aus dem Fenster auf die Straße blickte. Als ich eines Morgens mit meiner Tasche zu meiner Praktikumsstelle aufbrach, fragte er mich, wohin ich denn ginge. Als ich antwortete „Zur Arbeit“, kommentierte er das mit den Worten: “Arbeiten?! Du bist verrückt!“ Wir hatten schon gemerkt, dass ein großer Teil der Bewohner unserer Gegend, wenn nicht sogar die Mehrheit, von staatlichen Transferleistungen lebte.
Durch unseren Wohnsitz im Wedding waren wir in bestimmten Kreisen von Anfang an unten durch. Eine Freundin meiner Frau, die schon einige Zeit in Berlin (allerdings im vornehmen Wilmersdorf) gelebt und uns beim Umzug geholfen hatte, erklärte uns im Anschluss daran, dass sie diese unmögliche Gegend nur ganz ausnahmsweise und nur dieses eine Mal für uns betreten habe und dies ganz bestimmt nie wieder tun werde. Unsere Einladung zur Einweihungsparty schlug sie aus diesem Grunde aus. Wenn ich irgendjemandem erzählte, dass wir im Wedding wohnen, dann erntete ich mitleidige Blicke. Manche murmelten ein „Oh je“. Eine Kollegin aus dem Verlag, die aus Baden-Württemberg stammte, erzählte in der Mittags-Runde, sie sei mal im Gesundbrunnen-Center gewesen. Dort sei es aber „ganz, ganz schlimm“ gewesen, eine „ganz furchtbare Ecke von Berlin“ sei das. Wahrscheinlich meinte sie die vielen ärmlich gekleideten, zumeist südländisch aussehenden Menschen und die vielen Frauen mit Kopftüchern.
Dabei hatte das Leben im Wedding auch seine angenehmen Seiten. In der sehr lebendigen Badstraße gab es spottbillige und dabei ausgezeichnete Imbiss-Läden. Wir aßen köstliche türkische Gözleme für einen Euro (mitunter auch ganze Döner Kebabs zu diesem Preis) und große Asia-Pfannen für 2,10 Euro, von denen wir beide satt wurden. Und wenn man ein paar hundert Meter weiter in Richtung Osten lief, war man in einer völlig anderen Welt: im schon damals sehr angesagten Prenzlauer Berg. Immer wieder unternahmen wir ausgedehnte Spaziergänge ins Skandinavische Viertel und in den Mauerpark, zogen durch die Kneipen in der Kastanien-Allee und die Oderberger Straße. Aber auch in unserem unmittelbaren Umfeld im Wedding gab es schon erste Anzeichen eines Wandels. Mehrere Künstler hatten sich unter dem Namen „Kolonie Wedding“ in der Prinzenallee niedergelassen. In einem kleinen Kellerraum-Club namens „Holz & Farbe“, der aber leider nach ein paar Jahren schon wieder verschwunden war, gab es regelmäßig Konzerte mit unbekannten Bands. Wir erlebten dort zum Beispiel einen unglaublichen Auftritt der englischen Band „Florida“. Der Eintrittspreis lag bei zwei Euro. Zwischendurch ging noch jemand mit seinem Hut herum, um weiteres Geld für die Bandmitglieder zu sammeln. Ich kaufte mir eine CD von „Florida“ mit dieser ganz wunderbaren elektronischen Musik. Doch leider kann man sie heute nicht mehr abspielen, noch lässt sich irgendwelche Musik dieser großartigen Band im Internet finden… Ich vertrat damals die Meinung, dass der Wedding eine große Zukunft vor sich habe. Wenn ich das sagte, meinten aber alle anderen, das werde doch schon seit dem Mauerfall herbeigeredet, und es habe sich im Grunde nie etwas geändert. Es sei alles nur noch schlimmer geworden. Mit dem Wedding werde es nie etwas, das war die einhellige Meinung.
Nach ein oder zwei Jahren gab ich es auf, noch weitere Bewerbungen zu schreiben. Ich hatte gemerkt, dass ich auch mit Promotion beruflich nichts Großartiges reißen konnte. Wir waren in Berlin angekommen und entschlossen, hier zu bleiben. Nach und nach hatten wir uns als kleine Freiberufler vielfältige berufliche Standbeine organisiert. Eine feste Anstellung strebten wir ausdrücklich nicht mehr an. Drei Jahre lang bezog ich sogar noch einen sogenannten Existenzgründerzuschuss als freier Journalist. Klar, auch solches Glück gehört dazu. Als dieser Zuschuss Ende 2006 auslief, war es für uns aber eine grundsätzliche strategische Frage, uns Wohneigentum anzuschaffen, um angesichts unseres unsicheren beruflichen Status nicht länger durch monatliche Mietzahlungen belastet zu werden, auch wenn sie relativ noch so günstig waren. Es hätte uns ja auch einmal was passieren können, Unfälle oder Krankheiten. Da musste man natürlich vorsorgen. Die Ich-AG-Zuschüsse der letzten drei Jahre hatten wir komplett auf die hohe Kante gelegt. Unser Aktien-Depot hatte sich nach damaligen Maßstäben sensationell entwickelt und war reif für Gewinnmitnahmen. Und schon während des Studiums hatte ich ja ohnehin immer jede Menge Geld zur Seite gelegt, da ich im Studenten-Wohnheim nur Geringst-Mieten gezahlt und auch sonst fast kein Geld ausgegeben hatte. Als dann noch meine Eltern, die uns trotz aller Bemühungen nicht von unserem Entschluss, langfristig in Berlin zu bleiben, abbringen konnten, zähneknirschend einen Zuschuss zum Kauf einer Eigentumswohnung in Aussicht stellten, gingen wir auf Immobilienjagd. Ich wollte am liebsten im Wedding bleiben. Und das, obwohl alle Experten davon abrieten. In einer Gerichts-Geschäftsstelle kam ich beim Lesen von Zwangsversteigerungs-Gutachten mit einer freien Immobilien-Beraterin ins Gespräch. Anschließend erklärte sie mir, dass nun eigentlich für mich eine Beratungsgebühr von 400 Euro fällig wäre, aber sie würde mal ausnahmsweise davon absehen und gab mir ihre Visitenkarte. Diese Dame um die vierzig hatte ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Auf meine Frage, ob Wedding und insbesondere Gesundbrunnen nicht angesichts der zentralen Lage, der teilweise ansprechenden Bausubstanz und der fantastischen Verkehrsanbindung ganz aussichtsreiche Standorte für Immobilien-Investments wären, zumal dort seinerzeit Spottpreise von zum Teil weit unter 1.000 Euro pro Quadratmeter bezahlt wurden, winkte sie ab. Solche Gegenden, das wisse sie ganz genau, würden niemals besser werden. Sie empfehle solche Lagen, die früher sehr gut waren, inzwischen etwas aus der Mode gekommen seien, aber in der Zukunft bestimmt wieder sehr gut werden würden. Konkret pries sie mir Charlottenburg an, aber das richtig gute, z.B. in der Kantstraße…
Immerhin mit dem zweiten Teil ihrer Analyse sollte sie Recht behalten. Was allerdings kein so großes Kunststück war, da seitdem ausnahmslos alle Lagen von Berlin steil im Wert gestiegen sind. Ich muss zugeben, dass ich schon seit unserer Ankunft in Berlin die Immobilienseiten sondiert und ungläubig feststellt hatte, dass wir mit unseren damaligen kleinen Ersparnissen gar nicht mehr weit entfernt von den Kaufpreisen für eine 3-Zimmer-Eigentumswohnung im Wedding waren. Manchmal wurden 70 qm-Wohnungen schon für 40.000 Euro angeboten. Das waren dann aber auch die schlimmsten Ecken vom Wedding, in denen Gewalt und Kriminalität herrschten. Leider wollte meine Frau keine Wohnung im Wedding kaufen. Sie war es leid, sich jahrelang solche Sprüche über ihre Wohnadresse anhören zu müssen. Auch Neukölln, das ich alternativ ins Spiel brachte, lehnte sie aus dem gleichen Grunde ab. Sie wollte am liebsten nach Prenzlauer Berg, aber das dortige Preisniveau kam für uns eigentlich nicht in Frage. Dennoch waren wir an einer Wohnung nahe dem S- und U-Bahnhof Schönhauser Allee in der Dänenstraße dran. Erdgeschoss, 3 Zimmer, 73 qm, ohne Balkon. Sie sollte weniger als die Hälfte der Wohnungen in den oberen Etagen kosten, die ebenfalls zu haben waren. Ich glaube, es waren 79.000 Euro, das Angebot war ohne Maklerprovision. Bei der Besichtigung stieg uns allerdings von überall her ein markanter Schimmelgeruch in die Nase. Und Schimmel in den Wänden kriegt man bekanntlich nicht so leicht weg. Letztlich entschieden wir uns also gegen diese Wohnung und kauften im ärmlichen Charlottenburger Norden eine Wohnung am Schlosspark. Es ist nicht so, dass wir dies jemals bereut hätten, denn die Preise dort haben sich seitdem vervierfacht. Aber manchmal trauere ich dann doch noch dem Wedding hinterher, der immobilientechnisch bis heute meine verhinderte alte Liebe geblieben ist. Hier hätte sogar eine Verfünf- bis Versechsfachung des eingesetzten Kapitals gewunken (und vom nördlichen Neukölln wollen wir gar nicht erst reden). Manchmal muss man einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und was alle anderen einem so raten, muss deshalb noch lange nicht richtig sein.
Neulich unternahmen wir aus Nostalgie und alter Verbundenheit nach längerer Zeit wieder einen Spaziergang durch unsere alte Wohngegend. Wir erkannten sie kaum wieder. Wo sich früher die riesige vermüllte Bauruine befand, stehen jetzt mehrere exklusive Studentenwohnheime. Die einst verfallene frühere Hertha-Villa ist jetzt ein gefragtes Motel. In der Umgebung wimmelt es von trendigen Cafés und Spätkaufs. Auf der Straße sieht man vornehmlich junge Leute, offensichtlich Studenten, und deutlich weniger Frauen mit Kopftüchern. Dringt man aber etwas tiefer in den Wedding ein, ist das Bild gemischt. In der früher schäbigen und vermüllten Prinzenallee befinden sich schicke Restaurants und Künstler-Ateliers. Doch in manchen Nebenstraßen sieht es nicht viel besser aus als früher. In der Koloniestraße etwa stapelt sich der Müll eher noch schlimmer als seinerzeit, und die Menschen auf der Straße wirken unverändert ärmlich und kriminell. Der eigentlich idyllische Spazierweg am Flüsschen Panke ist ebenfalls mit Müllbergen und umgeworfenen Einkaufswagen verunstaltet. Noch immer besteht ein scharfer Kontrast zum inzwischen sehr gepflegt wirkenden Prenzlauer Berg, wo wir den Abend ausklingen ließen.
Dennoch gilt der Wedding mittlerweile längst nicht mehr als schlechte Adresse, sondern zählt zu jenen inzwischen sündhaft teuren Innenstadtlagen, in denen wegen ihrer Problembezirks-Historie noch manchmal ein kleiner Preisnachlass gegenüber den anderen Gebieten drin ist. Fünf Jahre haben wir im roten Wedding gelebt, nicht einmal halb so lange wie bis heute in Charlottenburg, doch diese frühen Jahre in Berlin, in denen wir damals die Weichen gestellt haben für alles, was später noch kommen sollte, werden mir für immer unvergesslich bleiben. (Fotos: TC)
www.justament.de, 16.4.2018: Wie geht es weiter?
Der aktuelle Berliner Wohnmarktreport lässt die entscheidende Frage offen
Thomas Claer
Schon seit fast einem Jahrzehnt geht es aufwärts mit den Berliner Mieten und Immobilienpreisen. Wie ein Märchen aus längst vergangener Zeit wirkt es da, wenn noch manchmal erzählt wird, wie es früher so war in Berlin, damals in den Nullerjahren, als die Stadt noch „arm, aber sexy“ war. In gewissen Kreisen wurde man da streng nach seinem Wohnbezirk beurteilt: Moabit? Voll assi. Wedding? Das ging ja gar nicht. Und erst Neukölln: Oh mein Gott, wie uncool. Da konnte man ja gleich in die bürgerlichen Spießer-Gegenden am Stadtrand ziehen. Oder noch schlimmer: in die Plattenbau-Wüsten in Marzahn oder Hellersdorf. Es gab eigentlich jede Menge unmögliche Gegenden, wo man seinerzeit auf gar keinen Fall wohnen durfte. Neutral waren vielleicht noch Schöneberg oder Charlottenburg. Aber so richtig angesagt, das waren eigentlich nur Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Mitte und Teile von Kreuzberg. Dort pulsierte das Leben. Wenn man heute an jene Zeiten erinnert, in der die Wohnungssuche kein Problem und der Distinktionsgewinn alles war, dann wird man mittlerweile angeguckt, wie früher Opa, wenn er aus den Schützengräben und von der Ostfront erzählte. Wer heute eine bezahlbare 1-Zimmer-Mietwohnung in Marzahn, Spandau oder, sagen wir, Alt-Mariendorf gefunden hat, kann sich mehr als glücklich schätzen – und niemand reißt mehr dumme Sprüche über ihn. Die früheren sozialen Brennpunkte in Wedding und Nord-Neukölln sind längst zu heiß begehrten und sündhaft teuren City-Lagen mutiert. So liest sich denn auch der aktuelle Berliner Wohnmarktreport, der die Entwicklung der Angebotsmieten bis Ende 2017 abbildet, wie ein Stück lokale Wirtschafts- und Sozialgeschichte, besonders wenn man sich die Entwicklung der letzten neun Jahre ansieht (siehe Grafik). So zahlt man heute als Mieter im Norden von Neukölln schon bald das Zweieinhalbfache der Angebotsmieten von 2008, im Wedding beinahe das Doppelte!
Nein, die alten Zeiten, die doch eigentlich noch gar nicht so lange her sind, werden wohl nicht mehr wieder zurückkommen. Wer heut kein Haus hat, um es mit Rilke zu sagen, kauft sich keines mehr, jedenfalls nicht in Berlin, wo die Kaufpreise für bezugsfreie Immobilien in den letzten Jahren noch weitaus stärker explodiert sind als die Mieten. Oder sollte man es vielleicht doch noch wagen? Das fragen sich zumindest alle, die bisher noch nicht zum Zuge gekommen sind, und die sich nun überlegen, ob sie lieber schnell zugreifen, bevor es noch teurer wird, oder nicht doch besser noch das Platzen der aktuellen Blase abwarten sollten. Fragt man die Experten, so geben sie hierauf Antworten, wie sie entgegengesetzter kaum sein könnten: Das Meinungsspektrum reicht von „bis zu 35 Prozent Überbewertung“ bis zu „noch reichlich Luft nach oben“. So bleibt am Ende nur die Erkenntnis: Hinterher ist man klüger. Aber erst dann.
Wohnkosten in Berliner Bezirken (Angebotskaltmiete pro qm) gem. Wohnmarktreport 2017 (2008) nach Alt-Bezirken
1. Mitte (Alt) 14,43 (9,54) +51,3% alternativ/repräsentativ
2. Prenzlauer Berg 11,84 (7,32) +61,7% alternativ/neubürgerlich
3. Friedrichshain 11,83 (6,60) +79,2% alternativ/lebendig
4. Kreuzberg 11,73 (6,37) +68,6% alternativ/lebendig
5. Wilmersdorf 11,50 (8,06) +42,7% großbürgerlich/bürgerlich
6. Tiergarten 11,39 (6,33) +79,9% gemischt/lebendig
7. Charlottenburg 11,03 (7,24) +52,3% großbürgerlich/lebendig
8. Schöneberg 10,85 (7,24) +49,9% bürgerlich/lebendig
9. Zehlendorf 10,60 (7,94) +33,5% großbürgerlich/bürgerlich
10. Wedding 10,05 (5,26) +91,1% proletarisch/neualternativ
11. Neukölln 9,92 (5,23) +89,7% neualternativ/proletarisch
12. Pankow 9,48 (6,28) +51,0% bürgerlich/lebendig
13. Steglitz 9,48 (6,45) +47,0% bürgerlich/kleinbürgerlich
14. Treptow 9,39 (5,53) +69,8% proletarisch/lebendig
15. Lichtenberg 9,33 (5,50) +56,5% proletarisch/kleinbürgerl.
16. Weißensee 8,96 (5,50) +62,9% bürgerlich
17. Köpenick 8,77 (6,14) +42,8% bürgerlich/proletarisch
18. Tempelhof 8,71 (5,82) +49,7% kleinbürgerlich/bürgerlich
19. Reinickendorf 8,47 (5,76) +47,0% kleinbürgerlich/bürgerlich
20. Hohenschönhausen 8,46 (5,96) +41,9% proletarisch/gemischt
21. Spandau 7,96 (5,43) +46,6% kleinbürgerlich/lebendig
22. Hellersdorf 7,70 (5,30) +35,9% proletarisch/gemischt
23. Marzahn 7,22 (4,85) +48,9% proletarisch/gemischt
Top 30 der Postleitzahlbezirke nach Höhe der Angebotskaltmiete pro qm 2017 (2008)
1. 10115 Chausseestraße (Mitte) 15,00 (8,40) +78,6%
2. 10117 Unter den Linden (Mitte) 14,98 (12,60) +18,9%
3. 10785 Potsdamer Platz / Lützowstr. (Tiergarten) 14,50 (7,80) +85,9%
4. 10179 Jannowitzbrücke (Mitte) 14,18 (7,40) +91,6%
5. 10119 Rosenthaler Platz (Mitte) 14,00 (9,00) +55,6%
6. 10178 Hackescher Markt/ Alexanderplatz (Mitte) 14,00 (10,30) +35,9%
7. 10623 Savignyplatz (Charlottenburg) 12,95 (9,00) +43,9%
8. 10963 Kreuzberg-West / Möckernbrücke (Kreuzberg) 12,94 (6,70) +93,1%
9. 10777 Viktoria-Luise-Platz (Schöneberg) 12,87 (7,60) +69,3%
10. 14193 Grunewald (Wilmersdorf) 12,71 (10,60) +19,9%
11. 10435 Kollwitzplatz (Prenzlauer Berg) 12,67 (8,60 ) +47,3%
12. 10405 Prenzlauer Allee (Prenzlauer Berg) 12,51 (7,80) +60,4%
13. 10707 Olivaer Platz / Kurfürstendamm (Wilmersdorf) 12,50 (8,40) +48,8%
14. 10719 Ludwigkirchplatz/ Kurfürstendamm (Wilmersdorf) 12,50 (9,70) +28,8 %
15. 10245 Ostkreuz / Boxhagener Platz (Friedrichshain) 12,48 (6,80) +83,5%
16. 14195 Dahlem (Zehlendorf) 12,40 (9,40) +31,9%
17. 10437 Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg) 12,25 (7,70) +59,1%
18. 12055 Richardplatz (Neukölln) 12,22 (5,00) +144,4%
19. 10627 Westliche Kantstr./ Bismarckstr. (Charlottenburg) 12,04 (6,60) +82,4%
20. 10629 Sybelstraße/ Kurfürstendamm (Charlottenburg) 12,03 (9,00) +33,7%
21. 10711 Halensee (Wilmersdorf) 12,02 (7,70) +56,1%
22.10967 Graefestraße (Kreuzberg) 12,00 (6,30) +90,5%
23. 10247 Samariterstraße (Friedrichshain) 12,00 (6,40) +87,5%
24. 10961 Gneisenaustraße (Kreuzberg) 12,00 (6,80) +76,5%
25. 14057 Lietzensee (Charlottenburg) 12,00 (7,60) +57,9%
26. 10439 Arnimplatz (Prenzlauer Berg) 11,99 (6,50) +84,5%
27. 10787 Bahnhof Zoo/ Kurfürstenstraße (Tiergarten) 11,94 (8,30) +43,9%
28. 12045 Sonnenallee Nord (Neukölln) 11,88 (5,20) +128,5%
29. 10789 Tauentzienstr. / Kurfürstendamm (Wilmersdorf) 11,88 (9,10) +30,5%
30. 10625 Karl-August-Platz / Wilmersdorfer Str. (Charlottenburg) 11,81 (7,50) +57,5%
Gebiete mit dem stärksten Anstieg der Angebotskaltmieten im Neunjahreszeitraum
1. 12055 Richardplatz (Neukölln) 12,22 (5,00) +144,4%
2. 12053 Rollbergstraße (Neukölln) 11,64 (4,90) +137,6%
3. 12049 Hermannstraße West /Reuterkiez (Neukölln) 11,70 (5,10) +129,4%
4. 12045 Sonnenallee Nord (Neukölln) 11,88 (5,20) +128,5%
5. 12051 Hermannstraße Süd (Neukölln) 11,22 (5,00) +124,4%
6. 12043 Rathaus Neukölln (Neukölln) 11,10 (5,00) +122,0%
7. 12059 Weigandufer (Neukölln) 10,92 (5,00) +118,4%
8. 13355 Humboldthain/ Brunnenviertel (Wedding) 10,92 (5,00) +118,4%
9. 12047 Maybachufer („Kreuzkölln“) (Neukölln) 11,72 (5,50) +113,1%
10. 13347 Nauener Platz (Wedding) 10,50 (5,10) +105,9%
11. 10553 Beusselstraße (Moabit/Tiergarten) 10,21 (5,10) +100,2%
12. 13359 Soldiner Straße (Wedding) 9,41 (4,70) +100,2%
13. 13351 Rehberge (Wedding) 10,00 (5,00) +100,0%
14. 13351 Rehberge (Wedding) 10,00 (5,00) +100,0%
15. 10551 Birkenstraße (Moabit/Tiergarten) 10,75 (5,40) +99,1%
16. 13357 Gesundbrunnen (Wedding) 10,03 (5,10) +96,7%
17. 10963 Kreuzberg-West / Möckernbrücke (Kreuzberg) 12,94 (6,70) +93,1%
18. 10179 Jannowitzbrücke (Mitte) 14,18 (7,40) +91,6%
19. 10967 Graefestraße (Kreuzberg) 12,00 (6,30) +90,5%
20. 12439 Niederschöneweide (Treptow) 9,70 (5,10) +90,2%
21. 12526 Bohnsdorf (Treptow) 10,00 (5,30) +88,7%
22. 10999 Görlitzer Park (Kreuzberg) 11,69 (6,20) +88,5 %
23. 10247 Samariterstraße (Friedrichshain) 12,00 (6,40) +87,5%
24. 10559 Stephanstraße (Moabit/Tiergarten) 9,91 (5,30) +87,0%
25. 12347 Britz-West (Neukölln) 8,53 (5,10) +86,9%
26. 10827 Crellestraße/Kleistpark (Schöneberg) 11,00 (5,90) +86,4%
27. 10315 Friedrichsfelde-Nord (Lichtenberg) 9,50 (5,10) +86,3%
28. 10785 Potsdamer Platz/ Lützowstr. (Tiergarten) 14,50 (7,80) +85,9%
29. 10555 Alt-Moabit-West (Tiergarten) 10,96 (5,90) +85,8%
30. 10439 Arnimplatz (Prenzlauer Berg) 11,99 (6,50) +84,5%
31. 12057 Sonnenallee Süd/ Grenzallee (Neukölln) 9,22 (5,00) +84,4%
32. 10367 Am Stadtpark (Frankfurter Allee/Lichtenberg) 9,92 (5,40) +83,7%
33. 10245 Ostkreuz Boxhagener Platz (Friedrichshain) 12,48 (6,80) +83,5%
34. 10969 Prinzenstraße (Kreuzberg) 11,00 (6,00) +83,3%
35. 10997 Wrangelstraße / Paul-Lincke-Ufer (Kreuzberg) 11,50 (6,30) +82,5%
Quelle: Wohnmarktreport Berlin (Berlin Hyp & CBRE) / eigene Berechnungen










