Tag Archives: Cover-Versionen

justament.de, 18.11.2024: Entmutigung

Cover-Versionen von Wolf-Biermann-Songs auf “Re:Imagined – Lieder für jetzt!”

Thomas Claer

Zum 88. Geburtstag des scharfzüngigen Liedermachers und einstigen DDR-Dissidenten Wolf Biermann haben sich allerhand junge (aber auch einige nur vergleichsweise junge) Künstler zusammengetan, um seine alten Stücke neu zu interpretieren. Super, denkt man! Spitzenidee! Auch wenn man als ebenfalls schon ziemlich alter Rezensenten-Sack natürlich nur die wenigsten vom hier versammelten Interpreten-Nachwuchs kennt. Aber womöglich lässt sich ja sogar noch die eine oder andere Entdeckung machen… Tja, und dann hört man also rein in diese Platte, hört weiter und weiter – und wendet sich schließlich ab mit Grausen. Was Künstler wie Maxim, Alligatoah, Bonaparte, Torch und wie sie alle heißen da abliefern, das passt einfach hinten und vorne nicht zusammen. Die grandiosen alten Biermann-Lieder, die in ihren Originalversionen nur mit Gitarrenbegleitung und in all ihrer textlichen und stimmlichen Wucht vor allem dadurch funktionieren, dass sie regelmäßig haarscharf am Überpathetischen vorbeischrammen, kippen nun als seltsame Hybrid-Nummern mit Beats und Elektronik reihenweise um ins Abgeschmackte und Kitschige. Es geht einfach nicht zusammen. Ausnahmen bilden bezeichnenderweise die vereinzelt mitwirkenden Vertreter der Ü50- (Ina Müller), Ü60- (Katharina Franck) und Ü70-Fraktion (Wolfgang Niedecken), die schlichtweg ein ganz anderes Gefühl für die alten Songs mitbringen als all diese unbedarften Jungspunde.

In aktuellen Interviews hat Wolf Biermann dann auch immer wieder nur gesagt, wie sehr er sich darüber freue, dass die jungen Leute seine Lieder neu interpretierten. Über die Qualität der Ergebnisse hat er – offenbar aus gutem Grunde – geschwiegen. Dennoch ist es natürlich sehr zu begrüßen, dass die alten Biermann-Songs auf diesem Wege neue Aufmerksamkeit bekommen. Bleibt nur zu hoffen, dass dabei auch die um Längen besseren Originale wieder in den Blick geraten.

Wolf Biermann
Re:Imagined – Lieder für jetzt!
‎Clouds Hill (Warner) 2024
ASIN: B0DD937RZ3

Justament März 2011: Elementare Adaptionen

Element Of Crime präsentieren “Fremde Federn”

Thomas Claer

22 SCHEIBEN TC EOC CoverNun haben sie es also doch noch getan. Schon vor fast zehn Jahren, gleich nach dem Romantik-Album, wurde die Idee im Forum auf der EOC-Homepage lebhaft diskutiert, mal eine B-Seiten-Compilation rauszubringen. Und jetzt wird unsere Geduld also belohnt. Auf “Fremde Federn” finden sich nicht weniger als 20 von Element Of Crime gespielte, aber von anderen mehr oder weniger prominenten Musikern geschriebene Songs, die es bislang nur auf – zum Teil längst vergriffenen – Singles oder auf irgendwelchen Samplern oder Soundtracks gab. Und allein für das vortreffliche Wortspiel des Album-Titels hätten sie eigentlich schon alle Punkte in dieser Rubrik verdient. Doch wie so oft im Leben, wenn sich ein großer Wunsch erfüllt, stellt sich zwangsläufig auch eine gewisse Enttäuschung ein. Die Rockversion des “Liedes von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens” aus der Dreigroschenoper etwa klingt ohne das laute Geknister auf der Satellite Town-Single, die ich vor langen Jahren einmal erstanden habe, seltsam unvollständig, irgendwie längst nicht mehr so toll. Beim “Ruf aus der Gruft”, dieses Stück befand sich nur auf der dazugehörigen Maxi-Single, die ich zu meinem Leidwesen bis heute nirgendwo auftreiben konnte, handelt es sich gar nur um eine zweiminütige und ziemlich maue Instrumental-Version.
Aber genug gemeckert. Alles in allem ist diese Zusammenstellung dann nämlich doch der erwartete Hochgenuss. Welche andere Band verstünde es schon, Stücke so unterschiedlichen Temperaments und aus in so diametraler Opposition zueinander stehenden kulturellen Milieus mit solch spielerischer Leichtigkeit ins eigene Klanguniversum zu transformieren? Besonders überzeugt ihre Interpretation betagter deutscher Schlager, die deren mitunter erstaunlicher textlicher Raffinesse auf überraschende Weise neue Geltung verschafft. So lautet die Definition von “Heimat” im gleichnamigen, ehedem von Freddy Quinn gesungenen, Song: “Wo ich die Liebste fand/ da ist mein Heimatland”. Na, wenn das so ist, wird man am Ende sogar noch gerne heimattreu. Besondere Höhepunkte sind ferner “Leider nur ein Vakuum” (von Udo Lindenberg), “Zwei Gitarren” und “Akkordeon” (jeweils von Alexandra), “You only tell me you love me, when you’re drunk” (von den Pet Shop Boys), “Blaumeise Yvonne (von Andreas Dorau), “Le Vent Nous Portera” (von Noir Desir) und “She brings the rain” (von Can). Das Gesamturteil lautet: gut (14 Punkte).

Element Of Crime
Fremde Federn
Vertigo Be (Universal) 2010
Ca. € 17,-
ASIN: B00425DMO0