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Justament Dez. 2007: Nicht nur für Geldsäcke

Wie sich unsereins auf den Finanzmärkten verhalten sollte

Thomas Claer

Geldanlage auf den Finanzmärkten – das ist, so denkt man, etwas für Profis oder allenfalls noch für Kleinanleger. Und was sich Kleinanleger nennt, das sind in den Augen des gemeinhin nahezu mittellosen jungen Juristen schon fast Geldsäcke. Erst irgendwann später wird das große Geld kommen, jedenfalls für einige von uns. So sieht es aus. Aber es geht auch anders. Zum Beispiel so: Erst einmal jeden Monat hundert Euro – oder auch mehr – beiseite legen. Das ist oft schon dadurch zu schaffen, dass man nur noch beim Discounter einkauft, sich Bücher auf dem Flohmarkt und CDs bei Ebay beschafft, Restaurants und Cafes zu Tabuzonen erklärt und den Urlaub auf dem Campingplatz verbringt. Wenn man das auch noch seiner Freundin vermitteln kann, ist die größte Hürde schon genommen. Ein paar Jahre sollte man es aber schon durchhalten. Natürlich wird das Geld inzwischen auf hochverzinsten Tages- oder Festgeldkonten geparkt, was auch noch ein wenig abwirft. Und am Ende dieser ersten Phase steht ein Grundkapital von einigen tausend Euro. Mindestens. Nun wird es interessant. Was also weiter mit der Kohle tun?

Private Equity Fonds und Hedgefonds zu heiß
Vor allem sollte man wissen, was man um Himmels willen nicht tun sollte: Alles auf eine Karte setzen! Das macht – ähnlich wie das desaströs kapitalvernichtende Lottospielen – zwar gelegentlich jemanden reich, zumeist aber viele arm. Auch kommen bestimmte Anlageformen schon aus strukturellen Gründen nicht in Betracht: Private Equity Fonds, neuerdings kann man sich da manchmal schon ab 2000 Euro beteiligen, sind so risikobehaftet, dass ihr Anteil zehn Prozent der Anlagesumme niemals überschreiten sollte. Noch viel heißer sind Hedgefonds oder gar Derivate wie Hebel-Zertifikate. Wer sich aber auch nicht mit Lebensversicherungen, Bausparverträgen und Bundesschatzbriefen abspeisen lassen will, deren Verzinsung nur geringfügig über der Inflationsrate liegt, der wird am Ende auf die gute alte Aktie kommen. Nun kann man natürlich, um das Risiko zu streuen, in einen Aktienfonds investieren, doch bekanntlich erreichen zwei Drittel dieser Fonds regelmäßig nicht einmal die Wertentwicklung des Vergleichsindexes. Das spricht für ein simples und kostengünstigeres Investment in Indexzertifikate. Kann man machen, wobei man durch den Spread zwischen Ein- und Verkaufspreis und die Bankgebühren letztlich doch wieder unter der Index-Performance liegt, aber nur ein wenig. Mehr als das Sparbuch bringt es im langjährigen Durchschnitt allemal. Doch lautet ein latent chauvinistischer Börsen-Spruch, dass Indexzertifikate etwa so sexy sind, wie seine eigene Schwester zu küssen. Das heißt, und da ist was dran: Es macht keinen Spaß. Wer sich ein paar Einzelwerte ins Depot legt, bekommt nach Jahren wahrscheinlich Ähnliches heraus, investiert aber viel mehr Kraft und Zeit und Nerven – und genau hierin liegt der Reiz. Denn es bleibt immer die Hoffnung, dass man doch besser abschneiden könnte als der Markt. Es kann aber auch schlechter laufen.

Depot Marke Eigenbau 
Wer nun also nach reiflicher Überlegung sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt und sich selbst ein Depot zusammenstellt, muss wissen: Eine echte Diversifizierung gibt es erst bei mindestens fünf Einzelwerten. Ideal sind zwanzig, dann liegt der Anteil jeder Position an der Gesamtsumme bei gerade fünf Prozent. Doch die dazu nötige Liquidität will erst einmal verdient sein. Andere Stimmen raten hingegen von zu großer Diversifizierung ab, denn – wieder so ein Chauvi-Spruch – man(n) könne sich auch nicht um mehr als fünf Frauen gleichzeitig kümmern. (Doch das ist alles Imponier-Gehabe der männlichen Börsianer. Untersuchungen zeigen, dass Frauen die signifikant besseren Anleger sind.)
Und welche Werte gehören nun in ein gutes Depot? Vor allem sollte da niemand auf seinen Bankberater hören (sondern dann schon lieber selbst in eine Bankaktie investieren) und auch nicht auf gute Tipps von Bekannten. Ständig bieten Tageszeitungen allgemeine Einführungen in das nötige Börsen-Know how. Und alle wesentlichen Informationen gibt es frei verfügbar im Internet, zum Beispiel auf den unten angeführten Seiten. Entscheidend ist zum einen die Mischung: Man decke viele verschiedene Branchen ab, die der eigene gesunde Menschenverstand als aussichtsreich ansieht und die nicht zuviel miteinander zu tun haben sollten. Müssen es auch viele verschiedene Länder sein, wie immer wieder gesagt wird? Nicht unbedingt, denn durch die zunehmende globale Verflechtung sind auch einheimische Unternehmen auf verschiedensten Märkten präsent und das mit geringerem Risiko. Und man versteht auch wirklich alle Unternehmensmeldungen. Zum anderen sollten es Top-Unternehmen sein, mit kontinuierlicher Gewinnentwicklung und zuverlässiger Informationspolitik, die zudem gerade eine günstige Bewertung aufweisen (also z.B. niedriges KGV und hohe Dividendenrendite). Wer hier Kompromisse macht, wird es oft bitter bereuen.

Erkenne dich selbst!
Letztlich muss jede und jeder selbst herausfinden, welcher Anlegertyp sie oder er ist: offensiv oder defensiv, Zocker oder kühler Rechner. Wichtiger als alle Sachkenntnis (sofern man sich keinen Schrott ins Depot legt) ist die Geduld, denn die Börsianer wissen: Hin und her macht Taschen leer. Wem plötzlich nach einigen Monaten einfällt, dass er das Geld eigentlich doch für etwas anderes braucht, ist an der Börse fehl am Platze. Und keiner sollte sich jemals dazu hinreißen lassen, vor anderen mit seinen Gewinnen zu prahlen, auch nicht nach dem dritten Bier. Das rächt sich immer, wissen die abergläubischen Spekulanten.

Informationen:
http://www.finanznachrichten.de
www. wallstreet-online.de
www. boerse.de
http://www.insiderdaten.de

Justament Okt. 2005: Sorgen in der Zeit

Ein drängendes Thema: private Altersvorsorge für junge Juristen

Thomas Claer

Einst, in fernen Zeiten, glaubte man noch den treuherzigen Worten eines kleinwüchsigen Arbeitsministers, die Renten seien sicher. Heute müssen die Beitragszahler der staatlichen Rentenversicherung befürchten, eines Tages nicht einmal mehr das zurückzuerhalten, was sie nach langen Jahren in die Kasse eingezahlt haben werden. Schuld ist die Demographie. Kinder kriegen die Leute, anders als der erste deutsche Bundeskanzler glaubte, eben nicht immer. Zur Vermeidung eines in Bälde zu befürchtenden Kollabierens des Rentensystems wird daher von Experten ein Mix aus der Anhebung des Renteneintrittsalters, einer Erhöhung der Beitragssätze sowie vor allem dem weiteren Ausbau der privaten Altersvorsorge favorisiert. Das alles würde natürlich schrittweise und über Jahre hin in zahllosen Stufen geschehen, ohne dass ein Ende abzusehen wäre. Früher oder später, so ist anzunehmen, wird auch die Politik ihren Bürgern die ebenso unpopulären wie unausweichlichen Maßnahmen, auf die es letztlich hinauslaufen wird, nicht mehr verheimlichen können.

Trend zur privaten Absicherung
Bereits seit Jahren erheben sich dementsprechend in den Wirtschafts- und Kulturteilen der Qualitätspresse die Kassandrastimmen, dass alle, die im Alter nicht hoffnungslos verarmen wollten, gut daran täten, jetzt den Gürtel enger zu schnallen und sich bitteschön privat abzusichern. Tatsächlich wird das, was wir heute Alter nennen – den Fortschritten der Medizin sei es gedankt – bald schon ein ansehnlich langer Lebensabschnitt sein: Wer heute 35 ist, hat einschlägigen Projektionen zufolge eine durchschnittliche Lebenserwartung von 91 Jahren. Kein Weg wird daher für die meisten an einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge vorbeiführen. Für junge Juristen folgt daraus zweierlei: Zum einen können sich aus diesem Trend interessante berufliche Tätigkeitsfelder ergeben: Wem es liegt, seine Klientel von den Vorzügen von Lebensversicherungen, Fondsparplänen und dergleichen zu überzeugen, der kann z. B. auf Provisionsbasis bei einem Finanzdienstleister einsteigen. Manche Kollegen sollen schon jetzt davon leben können. Zum anderen macht sich der junge Jurist aber auch Gedanken über die Absicherung der eigenen Zukunft.

Als Anwalt auf der sicheren Seite?
Noch bis vor kurzem galt als bombensicherer Geheimtipp zur sicheren Rente die Zulassung als Rechtsanwalt. Raus aus der staatlichen Rentenversicherung, rein ins Rechtsanwaltsversorgungswerk – und die Zukunft schien in trockenen Tüchern: Die alten Anwälte, hieß es, seien oft bis ins hohe Alter im Geschäft und nähmen das Versorgungswerk daher nicht in Anspruch, genug junge Kollegen strömten nach und zahlten ein. Ergo: volle Kassen und sichere Altersbezüge. Inzwischen hat sich aber Skepsis breitgemacht. Diskutiert wird nämlich eine jährliche Nachweispflicht aller Rechtsanwälte hinsichtlich ihrer beruflichen Weiterbildung. Die dadurch drohende Kostenlawine, die die Vorteile bei der Altersvorsorge rasch konterkarieren würde, lässt bereits viele “Nebenheranwälte” erzittern. Darüber hinaus ist für die Zukunft eine strikte Zulassungsbeschränkung für junge Anwälte im Gespräch. Das aber würde bedeuten: Wenn die quantitativ riesige Gruppe der in den letzten zwanzig Jahren neu zugelassenen Anwälte ins Rentenalter kommt, aus ihr dann nur die wenigsten ihre berufliche Tätigkeit im Alter fortsetzen und die Lebenserwartung weiter steigt, steht diesen Leistungsbeziehern eine zahlenmäßig recht beschränkte Gruppe an Beitragszahlern gegenüber. Die Überschüsse im Anwaltsversorgungswerk wären schnell verbraucht und die sichere Rente nur noch eine Fata Morgana.

Renditen rar gesät
Es hilft also alles nichts. Auch die jungen Juristen müssen, sofern sie sich nicht auf die Hartz IV-Schiene begeben wollen (dort lohnt sich alles Sparen nur noch begrenzt) Geld beiseite legen und attraktive Renditen suchen, auf dass sich das Kapital munter vermehre – so wenig es anfangs auch sein mag. Wohlan denn, beim Finanzberater des Vertrauens warten “Finanzprodukte” für jeden Anlegertyp, die nur eines gemeinsam haben: ihre äußerst magere Rendite knapp über der Inflationsrate. Der jährliche Garantiezins für Lebensversicherungen, der zuletzt Anfang 2004 auf 2,75 % gesenkt worden war, soll wegen niedriger Erträge auf dem Anleihenmarkt ab 2007 noch einmal auf 2,25 oder gar 2,00 % reduziert werden (SZ vom 16.9.05, S.34). Die Sparpläne der Banken sind meist noch jämmerlicher. Und die so genannten Mischfonds aus Sparzinsen, Renten, Immobilienanteilen und/oder Aktien, auf deren Auswahl der Kunde keinen Einfluss hat, kombinieren einen nach Abzug der Fondmanagementgebühren bestenfalls bescheidenen Gewinn mit dem zum Teil beachtlichen Risiko, gar keinen solchen zu erzielen. Wer hingegen ein Fondprodukt erwirbt, bei dem er am Ende garantiert seinen Einsatz zurückerhält, begibt sich bei der Rendite rasch wieder auf Sparbuchniveau. Wirklich geholfen ist mit all dem nur den Vermittlern, die damit ihre Provision verdienen. Doch genau diese Anlageformen sind es, die mit einem heute noch moderaten, bald aber schon ganz ansehnlichen jährlichen staatlichen Zuschuss (“Riester-Rente”) gefördert werden. Das freut die Finanzbranche und dämpft ein wenig den Verdruss der Vorsorgewilligen.

Wer nicht wagt …
Auf deutlich höhere Erträge kann im Zeitalter historisch niedriger Zinsen nur hoffen, wer den Mut aufbringt (und den Kraft- und Zeitaufwand nicht scheut), ein zumindest scheinbar höheres Risiko einzugehen und sich getreu dem Motto Immanuel Kants seines eigenen Verstandes zu bedienen. Die Weltwirtschaft wächst kontinuierlich und mit ihr die international aufgestellten heimischen Unternehmen längst nicht nur der ersten Reihe. Untersuchungen unabhängiger Institute zeigen, dass Aktien in den vergangenen Jahrzehnten, ja Jahrhunderten jährliche Zuwachsraten von durchschnittlich über 10 %  erzielten, was keine andere Anlageform erreicht hat. Zwar muss dies nicht bis in alle Ewigkeit gelten, doch verspricht der Prozess der fortschreitenden Globalisierung genug Wachstum und Unternehmensgewinne, um auch in absehbarer Zeit die Kurse beflügeln zu können. Und ein Crash, der Schrecken jedes Anlegers, wie er alle paar Jahrzehnte einmal eintreten und im Extremfall zu Totalverlusten führen kann (häufig nach Phasen heftiger Übertreibungen), liegt gerade erst einige Jahre hinter uns. Kurzfristig birgt das ständige Auf und Ab für den Anleger also immense Risiken. Über längere Zeit betrachtet, zumal bei einem Anlagehorizont von 20 Jahren oder länger, überwiegen die Chancen die Risiken beträchtlich. Auch lässt sich – wenn es die Not gebietet – ein Einzelwert aus einem Aktien-Depot leichter zu Bargeld machen als sich ein Ausstieg aus komplizierten Sparplänen oder Lebensversicherungen bewerkstelligen ließe, ganz zu schweigen von der Veräußerung einer kreditfinanzierten Immobilie.

Aber Vorsicht!
Unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass ein Aktienportfolio zur soliden Altersvorsorge und nicht zur unseriösen Zockerei wird, ist allerdings eine konsequente Streuung der Risiken durch die stetige Diversifizierung der Bestände. Als Einstieg eignen sich beispielsweise Indexzertifikate, die einem bestimmten Börsenindex nachgebildet sind, jedoch den Nachteil haben, dass dem Anleger die jährlichen Gewinnausschüttungen der gelisteten Unternehmen, d. h. die mitunter recht attraktiven Dividenden, durch die Lappen gehen. Mit den meisten der aktiv gemanagten Aktienfonds, für die regelmäßig hohe Gebühren fällig werden, können die deutlich kostengünstigeren Indexpapiere in der “Performance”, also der Wertentwicklung, allerdings ohne weiteres mithalten.
Schließlich sollte jeder, der seine Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen will, noch bestimmte charakterliche Voraussetzungen mitbringen; zumindest aber sollte er bereit sein, sich diese mit der Zeit anzueignen. Ein notorischer Spielertyp, der zum “Alles oder nichts” tendiert, wird nur selten den langen Atem mitbringen, den es braucht, um an der Börse nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften. Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, mit welchem Körperteil dort das meiste Geld verdient wird. Was in Amerika oder England, wo die Mehrheit der Bevölkerung an den Kapitalmärkten investiert ist, als selbstverständlich gilt, muss im Shareholder-Entwicklungsland Deutschland erst noch gelernt werden: Mit äußerster Vorsicht und strenger Disziplin bei der Auswahl der Werte und dazu der nötigen Geduld lässt es sich – auch für junge Juristen – auf dem glatten Börsenparkett recht gut aushalten und sogar ganz ordentlich vorsorgen. Darüber hinaus haben Investments an der Börse noch einen interessanten Nebenaspekt: Sie sind der Bildung förderlich, denn der Anleger muss, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können, über alle Belange der Weltwirtschaft und -politik nebst ihren kulturellen Hintergründen stets gut unterrichtet, d. h. im Bilde sein.