Portisheads bezauberndes Comeback nach zehn Jahren
Thomas Claer
Das Album “Dummy” der Band Portishead markierte 1994 die Geburt einer neuen Musikgattung, des Trip Hop. Hiermit wurde, könnte man sehr subjektiv und zugleich sehr polemisch anmerken, der Beweis erbracht, dass all der Hip Hop, mit dem wir seit zweieinhalb Jahrzehnten überflutet werden, doch zu etwas nützlich ist, nämlich zur formalen Unterstützung dieses geheimnisvoll groovenden und gedankenverloren dahinschwebenden Sounds, der gleichzeitig eine Erdigkeit vermittelt, wie wir sie sonst nur vom Blues kennen. Jedoch der Stern von Portishead, der dreiköpfigen Band aus England mit ihrer einfach überwältigenden Sängerin Beth Gibbons, verglühte schnell. Ein nicht ganz so starkes Studio- und ein von den Londoner Symphonikern auf dem Gipfel ihrer Popularität eingespieltes Livealbum später wurde das revolutionäre Projekt sang und klanglos begraben – und fand Eingang in den Himmel der unsterblichen Popmusik.
Umso größer ist die Überraschung und umso stärker die Freude, nach so langer Zeit die ungeahnte und spektakuläre Wiederauferstehung der Combo aus Bristol feiern zu können. Ein überaus intensives Klangerlebnis ist “Third”, das absolut keinen Vergleich mit dem Frühwerk der Band zu scheuen braucht. Doch wundersamer Weise erinnert hier fast gar nichts mehr an Hip Hop. Die Beats sind stark zurückgenommen, die Songstrukturen aber dennoch so charakteristisch: Das ist Portishead pur! Elektro-avantgardistisch, wie manche Kritikerkollegen meinen, ist die CD nur insofern, als es allem Anschein nach ohnehin nichts völlig Neues mehr unter der Sonne des Popmusik-Himmels geben wird, nur noch die ewige Neukombination des Altbekannten. Und Portishead greifen Ansätze der Elektro-Avantgarden aus den Achtzigern auf, vermeiden aber nicht nur deren damalige Verirrungen, sondern transformieren jene auf so organische Weise ins eigene Klanguniversum, dass es einem den Atem raubt. Zudem präsentieren sie sich auf “Third” sogar noch erstaunlich vielseitig, unternehmen gewagte Ausflüge bis hin zum akustischen Gitarrensong. Jedes Lied bezaubert auf eigene Weise. Doch ist die Grundstimmung des Albums wohl eher noch trauriger, noch düsterer, noch melancholischer, als wir es von ihnen seit jeher kannten. Etwas Besseres als den Suizid findet man zwar nicht gerade überall, auf dieser CD aber ganz gewiss. Das Gesamturteil lautet: gut (15 Punkte).
Portishead
Third
Go! Discs / Mercury 2008
Ca. EUR 17,00
ASIN: B0016455AY