Phillip Boa enttäuscht auf “Faking To Blend In”
Thomas Claer
Das Leben ist zu kurz um mittelmäßige Musik zu hören. Man muss es so deutlich sagen, auch wenn es hier keinen geringeren als Phillip Boa trifft, den Godfather des deutschen Indie-Rock, dessen Einfluss auf die hiesige Musikszene seit den mittleren 80ern gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Dabei ist zwar kaum etwas völlig daneben auf “Faking To Blend In”, der mittlerweile 16. Platte des sich mental zuverlässig zwischen Depression und Größenwahn bewegenden Pop-Exzentrikers. Doch richtig Gutes ist diesmal eben leider auch Mangelware. Es ist schon bezeichnend, dass das stärkste Stück des Albums, ein musikalisches Kleinod namens “Emma”, einen so eindeutig als Oma- und Einzelhandelstanten-Namen (oder allenfalls noch als englische Literaturgestalt anno 1816) konnotierten Titel trägt. Außer Emma kann nur noch der Titelsong “Faking To Blend In” überzeugen.
Nun beobachtet man allerdings bereits seit mindestens 13 Jahren, dass die regelmäßigen Veröffentlichungen des Meisters nicht mehr mit seinem fulminanten Frühwerk mithalten können, vereinzelte Song-Highlights einmal ausgenommen. Auch haben sich Verkaufszahlen und Anhängerschar seitdem spürbar reduziert. Seinerzeit, in den 80ern, waren die ersten Platten des Voodooclub mit poppigen Melodien, schroffen Gitarren und afrikanisch anmutenden Rhythmen wie eine Bombe in der Indieszene eingeschlagen. Der charakteristische Wechselgesang zwischen Boa und Leadsängerin Pia Lund und ein unerhörter kompositorischer Ideenreichtum sorgten für grandiose Alben, fantastische Songs und unvergessliche Konzerte. Letztere immerhin haben bis heute überdauert – um nicht zu sagen: Die Boa-Konzerte sind dank exzellenter Musiker und pointierter Arrangements in kleineren Hallen vielleicht besser als je zuvor, wovon sich der Rezensent zuletzt 2005 im Berliner franzz club überzeugen konnte und wovon sich auch jeder auf Youtube ein Bild machen kann. Der geneigte Leser versuche es etwa mit “Annie Flies The Love Bomber”, “Fine Art In Silver” oder “Diana”. Und ja, es wird auf den Konzerten tatsächlich noch Pogo getanzt!
Allein die Neukompositionen sind vergleichsweise fade und einfallslos. Wo früher einmal jedes Lied ein Kracher war, braucht es heute schon mehrere Alben, um auch nur auf eine Handvoll passabler Songs zu kommen. So ist das eben. Das Urteil lautet daher: ausreichend (6 Punkte).
Phillip Boa & The Voodooclub
Faking To Blend In
Motor music 2007, CD, 50:22 Minuten
ca. EUR 15,00
ASIN: B000S9VRRS