Herfried Münkler erzählt die Geschichte der symmetrischen und asymmetrischen Kriege
Thomas Claer
Organisierte bewaffnete Konflikte haben die Menschheit durch alle Epochen ihrer Historie begleitet und nur ausgeprägte Optimisten können sich vorstellen, dass dies einmal anders sein könnte. Daher täten wir alle – einschlägig erfahrene Senioren, Migranten und Weltenbummler ausgenommen – gut daran, uns von Zeit zu Zeit den seltenen Glücksfall bewusst zu machen, von all dem bislang verschont worden zu sein. Herfried Münkler, Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität und als Jahrgang 1951 ebenfalls mit einer Friedens-Biographie ausgestattet, zählt zu den großen Autoritäten der Kriegsforschung und versteht es meisterhaft, seinen Lesern die Augen für die bemerkenswerten Akzentverschiebungen in der Geschichte des Krieges zu öffnen. Zupass kommt seinen Schriften dabei die Gabe der plastischen, treffsicheren Formulierung, die aufs Vorteilhafteste mit der analytischen Schärfe des Gedankenflusses korrespondiert. Der hier zu besprechende Aufsatz beschreibt zunächst die (in erster Linie europäische) Entwicklung zum faktischen Kriegsmonopol des Staates, aus dem schließlich auch der völkerrechtlich kodifizierte klassische Krieg hervorging. Haupttriebfeder waren die über Jahrhunderte stetig steigenden Kosten der Kriegsführung. Ausgiebig werden Clausewitz und Machiavelli zitiert. Den Gipfel dieser Entwicklung stellten die Materialschlachten des Ersten und Zweiten Weltkriegs dar. Als etwas völlig Neues bewertet Münkler nun den Terror, wie er sich in New York, London oder Madrid manifestiert hat, denn erstmals werde hier das Territorialitätsprinzip als bislang entscheidendes Merkmal des Krieges aufgegeben. Anders als bei den Vorläufern dieses Terrors, die ihren Ursprung im Russland des 19. Jahrhunderts hatten, aber gänzlich andere Ziele, Strategien und Methoden aufwiesen, habe es sich bei 11/9 & Co. um originäre Kriegsakte gehandelt. In diesem Punkt befindet sich der Verfasser in begrifflicher Übereinstimmung mit der Doktrin des amerikanischen Präsidenten, dessen Konzeption er ansonsten aber für wenig überzeugend hält. Der jüngste Kriegs-Terrorismus sei heute die wahrscheinlich wichtigste Erosionskraft der internationalen Ordnung und als Asymmetrisierung von Gewalt auch bestens auf unser Medienzeitalter zugeschnitten. Er entfalte seine beste Wirkung in urbanen Ballungsräumen mit großer medialer Dichte und stelle insofern eine parasitäre Nutzung der modernen Welt dar, gegen die er sich letztlich wende. Seine effiziente Bekämpfung sei nur mit einem Mix polizeilicher und sozialer, politischer, aber auch militärischer Mittel möglich. Für entscheidend hält Münkler die mentale Gelassenheit der Bevölkerung in der Reaktion auf solche Anschläge. In den Augen der Bombenleger sei hingegen die größte Schwäche der westlichen Gesellschaften ihre “post-heroische” Grunddisposition, die wenig ausgeprägte Neigung zum konsequenten Handeln.
Die den Text begleitenden Zeichnungen des Zeichners Martial (sic!) Leiter sind schön anzusehen, aber ihr Bedeutungsgehalt erschließt sich dem Rezensenten meist weder auf den ersten noch auf den zweiten oder dritten Blick. Doch das muss nicht viel heißen, Lichtenberg hat das Passende dazu gesagt. Im Übrigen ist es natürlich immer erwähnenswert, wenn es irgendwo auf der Welt etwas umsonst gibt. Die Schweizer Vontobel-Stiftung bietet allen Interessierten eine 22 Hefte umfassende Schriftenreihe für lau, in welcher sie “aktuelle und grundlegende Themen aufgreift”. Also zugreifen, liebe Leserinnen und Leser, denn da spart man am meisten!
Herfried Münkler
Vom Krieg zum Terror. Das Ende des klassischen Krieges
Schriftenreihe Vontobel-Stiftung 2006
94 S.
Kostenlos zu beziehen unter http://www.vontobel-stiftung.ch