Justament April 2005: Der Kampf um Mandate

Wie Rechtsanwälte werben dürfen und was im Wettbewerb verboten ist: Die Anpreisung fachlicher Spezialkenntnisse wird künftig strenger überprüft

Thomas Claer

Ein Rechtsanwalt, glaubte man früher, sei eigentlich jemand, der keine Werbung nötig habe. Er unterscheide sich, so befand das Bundesverfassungsgericht noch Anfang der 90er Jahre, als Organ der Rechtspflege dadurch vom Gewerbetreibenden, dass er sich nicht maßgeblich vom “Streben nach Gewinn”, sondern von der “Verwirklichung des Rechts für seinen Mandanten” leiten lasse. Bis vor knapp zwanzig Jahren galt es einer herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung als mit dem anwaltlichen Berufsbild unvereinbar, “wie ein Gewerbetreibender” um die Gunst der Mandanten zu buhlen. Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, wie entspannt es damals zwischen den Kollegen zugegangen sein muss, als sich noch nicht 125.000 Anwälte auf dem Markt drängten, sondern kaum die Hälfte.

Werbungs-Wende 1987
Bis zum 14. Juli 1987 war den Advokaten das Werben um Mandate weitgehend untersagt. Die Generalklausel des § 43 BRAO wurde durch Richtlinien der Bundesrechtanwaltskammer konkretisiert, deren umfassende Werbeverbote das Bundesverfassungsgericht als “wesentliche Erkenntnisquelle” dafür ansah, “was im Einzelgfall nach der Auffassung angesehener und erfahrener Standesgenossen der Meinung aller anständig und gerecht denkenden Anwälte und der Würde des Standes entspricht.”
Wie eine Bombe schlugen dann die Beschlüsse des höchsten deutschen Gerichts ein, das unter völliger Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung die Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts für verfassungswidrig erklärte und dadurch eine schrittweise Liberalisierung des anwaltlichen Werberechts einleitete. Erstmals schaffte der mit dem Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte vom 2. September 1994 eingefügte § 43 b BRAO – hinzu traten die konkretisierenden §§ 6-10 BORA – einen gesetzlichen Rahmen für die anwaltliche Werbung. Diese ist dem Anwalt danach nur noch dann verboten, wenn sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt nicht sachlich unterrichtet oder auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.
Was das im einzelnen bedeuteten kann, hatten die Gerichte seitdem häufig zu entscheiden und entzweit die Gelehrten (siehe Kasten). Gleichsam freie Fahrt gab das Bundesverfassungsgericht den werbenden Anwälten schließlich im Jahr 2000, indem es den Grundsatz proklamierte, entscheidend für die Beurteilung des Werbeverhaltens sei “der Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise, nicht die möglicherweise besonders strenge Auffassung des jeweiligen Berufsstandes”.

Abschied vom Tätigkeits- und Interessenschwerpunkt
Seit einigen Jahren räumt § 7 BORA den Rechtsanwälten ein dreifach abgestuftes Werberecht mit der fachlichen Spezialisierung ein. Neben der Fachanwaltschaft darf bis heute noch mit Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten geworben werden. Für ersteres ist es erforderlich, auf dem genannten Gebiet seit mindestens zwei Jahren nach der Zulassung in erheblichem Umfang tätig gewesen zu sein. Für letzteres genügt, wie schon der Name verrät, ein vages Interesse daran, in dieser Materie einmal tätig sein zu wollen. Doch damit soll es nun ein Ende haben.
Die Satzungsversammlung der Rechtsanwälte hat auf ihrer Sitzung am 21. Februar 2005 diese Regelungen dahingehend neu gestaltet, dass derjenige, der unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der Berufstätigkeit nennen will, entsprechende fachliche Kenntnisse nachweisen muss. Benennungen von Teilbereichen der Berufstätigkeit dürfen nicht (mehr) mit Fachanwaltschaften verwechselbar oder sonst irreführend sein. Wer Teilbereiche der Berufstätigkeit benennt, ist künftig zur Fortbildung auf diesem Gebiet verpflichtet und muss der Rechtsanwaltskammer gegenüber auf deren Verlangen die Fortbildung auch nachweisen können. Wer qualifizierte Zusätze (z. B. “Spezialist”) verwendet, muss zudem auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Die Neuregelung kann erst nach Prüfung durch das Bundesjustizministerium in Kraft treten, was bislang noch nicht geschehen ist.

 

Rechtsprechung und Literatur zur anwaltlichen Werbung in Einzelfällen (Auswahl):

Erlaubt:

– Hinweise auf spezielle Rechtskenntnisse

– Slogans: “Ihre Rechtsfragen sind unsere Aufgabe”; “ALL YOU NEED IS L@W

– Rundschreiben an nach bestimmten Kriterien ausgesuchte Personen

– Hinweise auf besondere Lebenserfahrungen, wenn für Berufsausübung relevant

Nicht erlaubt:

– Ansprechen auf Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen oder von Beteiligten eines Unfallgeschehens

– reißerische Filmszenen, massive Soundunterstützung, erotische Darstellungen

– Präsentation einer Werbung auf einem Karnevalumzugswagen

– Selbstanpreisungen wie: “Die Nr. 1 in …”; “Wir erbringen Spitzenleistungen”

Strittig:
– Radiospot, der mit Crashgeräuschen eingeleitet wird, für Anwalt in Verkehrssachen
– Slogan: “Alles was Recht ist”

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