Tag Archives: Kim Deal

justament.de, 10.3.2025: Frau schlägt Männer

Neues von den Pixies und von Kim Deal

Thomas Claer

Was ist übrig geblieben von den Pixies, jener legendären Indie-Combo, die in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern mit anarchischem Gitarren-Rock für so viel Furore gesorgt und seitdem Generationen von Musikern und Musikbegeisterten mehr als nachhaltig geprägt hat? Die Antwort lautet: Es gibt sie ja noch, oder genauer gesagt: nach ihrer zwischenzeitlichen Trennung schon seit 21 Jahren wieder. Doch was ganz entscheidend ist: Vor nunmehr 13 Jahren hat Bassistin und Co-Sängerin Kim Deal der Band endgültig den Rücken gekehrt. Und seitdem werkeln also die restlichen 75 Prozent der Pixies, das heißt Sänger und Gitarrist Black Francis, Gitarrist Joey Santiago und Schlagzeuger David Lovering ohne sie vor sich hin. Die Ersatz-Bassistin für Kim Deal ist mittlerweile auch schon wieder ausgestiegen und wurde durch eine junge Blondine ersetzt. Und nun haben also die Pixies ihr inzwischen neuntes Album vorgelegt – und zeitgleich Ex-Bassistin Kim Deal ihr erstes Solo-Album. Welch eine delikate Konstellation!

Um eines gleich vorweg zu sagen: An die Frühphase der Pixies reichen natürlich beide Veröffentlichungen nicht ansatzweise heran. Wer die Pixies noch nicht kennt, greife also lieber zuerst zu ihren vier ersten epochalen Platten von Surfer Rosa (der Lieblingsplatte Kurt Cobains) bis Trompe le Monde. Aber für alle anderen Sympathisanten und Fans hält das neue Material so einiges bereit. Doch gibt es – man muss es in aller Deutlichkeit sagen – einen klaren Punktsieger. Und das sind nicht die verbliebenen Pixies, sondern es ist ihr früheres Bandmitglied. “The Night the Zombies Came”, die neue Pixies-Platte, wirkt insgesamt ziemlich lahm und uninspiriert. Immerhin ab dem dritten oder vierten Hören gehen einige der Stücke (die allesamt Black Francis geschrieben hat) langsam ins Ohr. Einen wirklich begeisternden Song sucht man aber leider vergeblich. Das schnelle und harte “Oyster Beds” ist noch ganz passabel und einige weitere Lieder auch – doch insgesamt ist das natürlich viel zu wenig für solch grandiose Musiker.

Da macht es Kim Deal aber diesmal weitaus besser. Auf ihrem Solo-Erstling “Nobody Loves You More” zieht die 63-Jährige, die neben ihrer Pixies-Vergangenheit auch auf eine bewegte Zeit in den Frauenbands “The Breeders” und “The Amps” zurückblicken kann, beinahe alle Register und liefert ein äußerst vielschichtiges Werk ab, das offenbar eine Menge von “So etwas wollte ich schon immer mal machen, bin aber bisher leider nie dazu gekommen”-Titeln enthält. Es geht los mit einem für sie ganz ungewöhnlichen fast schon bombastischen Song im Stil amerikanischer Filmmusik der Sechzigerjahre. Später mischt sie auch noch knarzige Elektropop-Nummern und sogar den zarten Anflug eines Rapsongs unter ihre Gitarren-Pop-Nummern im bewährten Breeders-Style. Kurzum, vom frischen Sound auf Kim Deals Solo-Debüt können sich ihre Ex-Kollegen von den Pixies ruhig mal eine Scheibe abschneiden. Das Urteil lautet somit: befriedigend (9 Punkte) für die Pixies und voll befiedigend (12 Punkte) für Kim Deal.

Pixies
The Night the Zombies Came
BMG Rights 2024
UPC/EAN: 4099964051322

Kim Deal
Nobody Loves You More
4AD 2024
UPC/EAN: 0191400073326

www.justament.de, 30.4.2018: Heiße Feger rosten nicht

Nach zehn Jahren wieder ein Album von den Breeders: „All Nerve“

Thomas Claer

Genau so wünscht man sich ein neues Album von den Breeders, erst das fünfte übrigens in fast 30 Jahren Bandgeschichte: Es geht gleich richtig hart und schnell zur Sache. 11 Songs auf gerade einmal 33:50 min sprechen für sich. Und warum auch nicht? Was sollte Lead-Sängerin und Bassistin Kim Deal, mittlerweile 56 Jahre alt, und ihre zu zwei Dritteln weiblichen Mitstreiter daran hindern, es genauso feurig krachen zu lassen wie seinerzeit in den späten Achtzigern, als dieses Nebenprojekt der damals noch weitgehend solitären Pixies das Licht der Musikwelt erblickte. Bei den wiedervereinigten Pixies hat Kim Deal vor fünf Jahren ihren Hut genommen. Die ewigen Differenzen mit Black Francis… Und nun hat sie mit ihrer Schwester Kelley Deal, ihrer Schwester im Geiste Josephine Wiggs sowie dem Drummer Jim MacPherson (was im übrigen exakt der Besetzung ihrer Platte „Last Splash“ von 1993 entspricht) mal eben ein neues Werk eingespielt. Man durfte also gespannt sein, zumal die beiden letzten Breeders-Alben, Mountain Battles (2008) und Title TK (2002) ziemlich überragend waren.
Nun, ganz so grandios wie die besagten schon lange zurückliegenden Vorgänger ist „All Nerve“ nicht. Aber doch voller Höhepunkte wie den Opener „Nervous Mary“, „Metagoth“ oder „Archangel’s Thunderbird“. „Wait in the Car“ klingt sehr nach der Last Splash-Platte, der Titelsong „All Nerve“ erinnert wiederum ans „Title Tk-Album. Stilistisch hat sich bei den Breeders in all den Jahren eigentlich gar nichts geändert. Und das ist auch gut so. Das Urteil lautet: voll befriedigend (11 Punkte).

Breeders
All Nerve
4AD 2018
Ca. € 17,-
ASIN: B07876PWNW

www.justament.de, 12.5.2014: Rückkehr der Giganten

Nach 23 Jahren wieder ein Album von den Pixies

Thomas Claer

Cover PixiesMan glaubt es kaum, aber nach einer Pause von fast einem Vierteljahrhundert haben die Bostoner Lärm-Virtuosen doch noch ihr sechstes Studio-Album aufgenommen – kein geringes Risiko für eine Band von solchem Format und mit solcher Reputation: Kenner zählen die Pixies zu den einflussreichsten Musikgruppen aller Zeiten.
Ein Jahrzehnt nach ihrer gefeierten Wiedervereinigung (die sich allerdings auf häufige Konzertauftritte beschränkt hat) haben sie es nun also gewagt – und wären um ein Haar gescheitert. Während der Aufnahmen kehrte Bassistin und Co-Leadsängerin Kim Deal, deren erbitterte Richtungskämpfe mit Band-Boss Black Francis schon seinerzeit das Ende ihrer ersten Schaffensperiode (1986-1993) eingeleitet hatten, abermals der Band den Rücken – und diesmal wohl für immer. Doch die verbliebenen drei (männlichen) Bandmitglieder, Gitarrist Joey Santiago, Drummer David Lovering und der besagte Black Francis, zogen die Sache eben allein durch. Das Ergebnis ist durchaus respektabel. Sehr wild und hardrockig und wie in alten Zeiten klingt der Opener „What Goes Boom“, der einen auf der Stelle in Entzücken versetzt. Da fühlt man sich doch gleich um mindestens 20 Jahre verjüngt! Nur leider geht es dann nicht mehr ganz so weiter. Die trotz mancher stimmlichen und instrumentalen Temperamentsausbrüche vergleichsweile ruhige Gangart der darauffolgenden Lieder der Platte lässt ahnen, dass die menschliche Körperchemie mit um die fünfzig wohl doch anders als mit Mitte zwanzig funktioniert. Einige der Songs wären auf einem der unzählbaren Frank-Black-Alben (für Nichteingeweihte: so heißt das weniger ambitionierte Solo-Projekt von Black Francis) vielleicht doch besser aufgehoben. Und doch gibt es ein paar Perlen auf dem Album, die für den einen oder anderen Hänger zwischendurch mehr als entschädigen. Zuallererst ist hier „Bagboy“ zu nennen, das einzige Stück, auf dem die abtrünnige Kim Deal noch stimmlich vertreten ist. (Um so schmerzlicher vermisst man sie in den anderen Liedern.) Zweifellos ist „Bagboy“ der stärkste Song der ganzen CD: Glaubt man anfangs noch, sich versehentlich in einen Rapsong verirrt zu haben, so explodiert bald darauf der Über-Refrain – ungeheuer poppig, ohne banal zu sein. Genau dafür haben wir die Pixies immer geliebt! Auch „Magdalena 318“ und „Snakes“ sind ziemlich toll. Besonders gelungen ist ferner – wie auch schon damals in den 80ern – die aufwendige Cover-Gestaltung. Insgesamt also eine Platte, die völlig in Ordnung geht. Das Urteil lautet: voll befriedigend (12 Punkte).

Pixies
Indie Cindy
Pixies Music 2014-05-10
ASIN: B00J4SP83S

Justament Okt. 2009: Melancholisch und ungezogen

Mit “Mountain Battles” setzen die Breeders ein Lebenszeichen, das gefallen kann

Thomas Claer

Cover BreedersSo weit ist es schon gekommen: Vor einem Jahr haben die Breeders ein neues Album herausgebracht, und ich hab’s erst jetzt gemerkt. Doch ist ein Jahr gar nicht so viel Zeit – gemessen an den ausgedehnten Schaffenszyklen dieser Band. Tatsächlich ist “Mountain Battles” erst ihre vierte Platte in zwanzig Jahren.

Angefangen hat es mit den Breeders 1989 als Kim Deal, Bassistin und Co-Sängerin der legendären Pixies (1986-1992) – der womöglich besten Band aller Zeiten – sich mit Tanya Donelly (Throwing Muses) und Josephine Wiggs zu einem explizit feministischen Nebenprojekt zusammenfand. 1991 erschien ihr Debütalbum “Pod”, verglichen mit den Nachfolgern ein ungeschliffenes Juwel, ein furioses Gitarrenrockalbum. Insbesondere ist das Stück “Opened” ein Gigant von einem Song in bester Pixies-Manier. Mit den Pixies allerdings ging es nach einem vollständigen Zerwürfnis zwischen Lead-Sänger Black Francis (a.k.a. Frank Black) und Kim Deal bald zu Ende. Black erklärte damals u.a., die Zickigkeit seiner Bassistin nicht mehr ertragen zu können. So wurden die Breeders für Kim Deal zum Hauptprojekt: 1993 gelang ihnen – bereits ohne die ausgeschiedene Tanya Donelly – mit ihrem zweiten Album “Last splash” und der Single “Cannonball” ein weltweiter Erfolg, obgleich die viel zu poppig geratenen Songs Fans und Kritiker keineswegs durchweg überzeugen konnten. Es folgte nach langer Pause mit Kim Deals Präsenz in mehreren anderen Projekten erst 2002 das wunderbar reife, begnadete, in jeder Hinsicht großartige “Title TK”.
Zu dieser Zeit bewies Kim Deal ihr unvermindertes Temperament mit dem unvergesslichen Statement in der 3Sat-Kulturzeit: “Hey, Mann, wenn der Gitarrist eine Pussy ist, dann kannst du gleich die ganze Band vergessen!” Es folgte noch eine emphatisch gefeierte Wiedervereinigungs-Tournee der versöhnten Pixies.

Und nun also “Mountain Battle”: Auch mit siebenundvierzig Jahren singt Kim Deal noch wie ein manchmal ungezogenes kleines Mädchen. Rockig, krachend und schmutzig kommen die meisten Stücke daher, aber gerade auch die langsamen Lieder wie das besonders zu rühmende Titelstück “Mountain Battles” entfalten einen unwiderstehlichen Reiz. Mein Gott, wie melancholisch sind Songs wie “Night Of Joy” oder “We’re Gonna Rise”! Und dann noch eine Neuerung: Der Song “Bang On” enthält Ausflüge in die Elektronik, aber so vorsätzlich stümperhaft, so augenzwinkernd dilettantisch, dass man die Breeders schon allein dafür lieben muss. Im vergnüglichen Song “German Studies” schließlich heißt es z.B. mehrmals: “Lass das Licht an!” und “Was machst du bloß?” Ansonsten reicht das musikalische Spektrum von der sehr Pixies-mäßigen Pop-Hymne “Walk It Off” bis zum Countrysong “Here No More”. Für 13 Lieder brauchen sie keine 37 Minuten: Immer kurz und schmerzlos. Das Urteil lautet: voll befriedigend (12 Punkte).

The Breeders
Mountain Battles
4AD/Beggar (Indigo) 2008
Ca. € 17,-
ASIN: B00133FBDY