Carla Bruni überzeugt auch auf “No Promises”
Thomas Claer
Gegen Carla Bruni spricht einfach alles: Großindustriellentochter, früheres Partygirl an den Stränden der Cote d’ Azur, langbeiniges Supermodel, von dem schon 1996 ein Kaufvideo über seine angeblich rein privaten Seiten in der Serie “Die schönsten Frauen der Welt” erschienen ist – in einer Reihe mit den Damen Schiffer, Campbell und Co. Und nicht zuletzt kursieren von ihr vermutlich Hunderte äußerst freizügiger Fotos im Internet… All das würde hier nicht die Bohne interessieren, hätte sie nicht 2002 eine CD namens Quelqu’un M’a Dit veröffentlicht, auf der sie in kargen Arrangements, selbst akustische Gitarre spielend und nur von drei bis vier zurückhaltend agierenden Instrumentalisten begleitet, selbstverfasste französische Chansons vortrug. Und das so hinreißend stilsicher, so überwältigend schön, wie man es selten gehört hat. Es ist schon verrückt: Was fast alle anderen Musiker im ganzen Leben nicht zustande bringen, gelingt ausgerechnet einem Supermodel beim ersten Versuch. (Andererseits sei hier beiläufig daran erinnert, dass auch eine gewisse Nico als Fotomodell angefangen hatte, bevor sie 1966 entscheidend zu jener legendären Platte mit dem Bananencover beitrug, die heute nicht nur in unserer Redaktion als Maßstab für alles andere gilt.)
Nun also Carla Brunis Zweitling. Auf Englisch singt sie ihre Vertonungen teils jahrhundertealter Gedichte und bewegt sich dabei stilistisch eher in Contry-, Blues- und dezenten Rock-, denn in Chansongefilden. Das ist natürlich riskant, denn mit ihren Chansons war sie auf der sicheren Seite. Doch das Experiment gelingt. Ihre warme Stimme und ihr subtiles Gitarrenspiel machen das Album durchgängig hörenswert. Kann man ihr vorwerfen, die Klasse des Vorgängers nicht erreicht zu haben? Wohl kaum, denn dafür ist “No Promises” zu überzeugend und dazu noch bemerkenswert homogen. Es sind natürlich auch nur gut 34 Minuten auf der CD. Aber Frau Bruni weiß eben, was sie sich und ihrem Ruf als Musikerin schuldig ist und trifft eine strenge Qualitätsauswahl, statt die Fans mit überflüssigem Füllmaterial abzuspeisen. Und aus dem gleichen Grunde macht der Rezensent an dieser Stelle ebenfalls einen Punkt. Das Urteil lautet: vollbefriedigend (11 Punkte).
Carla Bruni
No Promises
Naive/ Ministry O (edel) 2006, CD, 34:47 Minuten
ca. EUR 15,00
ASIN: B000KG4AYG