Justament Okt. 2007: Sie kann auch anders

Die Französin Keren Ann mit ihrer fünften CD

Thomas Claer

Cover Keren AnnZu den wirklich großen Acts zählt Keren Ann bei uns noch nicht. Daher ist es wohl angebracht, darauf hinzuweisen, dass es sich hier um eine Französin mit niederländischem Pass, Tochter eines russischstämmigen Israeli und einer Niederländerin mit indonesischen Wurzeln, handelt. Seit ihrem ersten Soloalbum “La biographie de Luka Philipsen” (2000) erfreut sich eine stetig wachsende Fangemeinde an stilistisch zwischen sanftem psychedelischen Rock, Blues und Chanson variierenden Songs, die Keren Ann mit einer seltsam eigenen Zurückhaltung vorträgt. Es wäre nicht verfehlt, von dahingehauchtem Schüchternheits-Rock zu sprechen. Einen sehr schönen Single-Hit landete sie 2003 (“Not going anywhere”), der mit den für sie charakteristischen Worten beginnt: “This is why I always whisper”. Drei Platten besang sie auf Französisch, nun die zweite auf Englisch. Und diese ist recht heterogen geraten, mit phantastisch elegischen Songs wie “In your back”, dem schon sehr an die wunderbaren MAZZY STAR erinnernden “It’s a lie”, einem Bluesrock (“It ain’t no crime”), der auch von P.J. Harvey sein könnte, und dem um Haaresbreite an der Folkhymne vorbeischrammenden “Lay your head down”. Doch auch die exakt drei eher missratenen Stücke am Ende der CD (vor allem das schon ziemlich verblasene “Liberty”) können den guten Gesamteindruck kaum trüben.
Wer aber das Glück hatte, die auf ihren Alben so zerbrechlich anmutende Chanteuse live zu erleben, und der Rezensent hatte es am 16.9. im Berliner Columbia-Club, bekam auch eine andere Seite der 33-Jährigen zu sehen: Anfangs wie erwartet schüchtern, den Blick stets gesenkt, trat sie vor das Publikum, um dann aber schon bald mit kräftiger Stimme zu überraschen. Nur mit einem auffällig schlecht frisierten, aber exzellent spielenden Gitarristen (der auch mit dem E-Bass umzugehen verstand) und einem sehr dezenten Schlagzeuger agierend, gab Keren Ann vielen ihrer Lieder so eine entschieden andere Note als in den Studio-Versionen. Etliche Songs gewannen dadurch sogar deutlich. Doch möge jeder selbst entscheiden, welche Keren Ann ihm lieber ist. Das Publikum im leider nur gut zur Hälfte gefüllten Columbia-Club war jedenfalls aus dem Häuschen. Das Urteil lautet: vollbefriedigend (11 Punkte).

Keren Ann
Keren Ann
Delabel/EMI Music France 2007, CD, 43:30 Minuten
ca. EUR 15,00
ASIN: B000KZRO1I

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