Justament April 2007: Guter Rat – mal teuer, mal billig

Die neueste Rechtsprechung zu den Anwaltshonoraren

Thomas Claer

Die Schere geht auseinander, wohin man auch blickt. Selbst beim Aldi-Markt, der früheren Hochburg des Egalitarismus, liegen inzwischen Welten zwischen dem billigsten und dem teuersten Wurstaufschnitt: Die spanische Edelsalami kostet mit 1,80 € für 80 g schon das Siebenfache von der einfachsten Mortadella (Öko-Test: gut; 59 Cent für 200 g). Und so ist es überall. Dass die Vorstandsvorsitzenden der Dax-Konzerne vielleicht das annähernd Fünfhundertfache eines ostdeutschen Friseurs verdienen – geschenkt. Da ist nichts anderes zu erwarten, schließlich gibt es hier ja auch gewisse Unterschiede in der Qualifikation. Anders ist es schon bei den Einkommensunterschieden zwischen, sagen wir, Harald Schmidt und den vielen ebenso brillanten Kabarettisten, die es noch nie zu einem Fernsehauftritt gebracht haben. Oder noch augenfälliger: zwischen Stefan Raab und den vielen Büroclowns unserer Republik. Oder zwischen den Redakteuren einer überregionalen Tageszeitung und denen eines Hochschulmagazins. Maßgeblich entscheiden hier Zufall und Zeit über das jeweilige Wohl und Wehe. Ernsthaft empören werden sich darüber nur Leute, die es auch ungerecht finden, dass der Preis einer Ware nicht nur vom Aufwand bei ihrer Herstellung sondern auch von ihrer Absetzbarkeit auf dem Markt bestimmt wird. Und wie es in fast allen anderen Branchen geschieht, so spreizen sich also auch die Anwaltshonorare derzeit besonders munter nach oben und nach unten, jeweils freundlich unterstützt von der aktuellen deutschen Rechtsprechung.

Sonderpreis 20 Euro in Ordnung
Zum einen entschied das OLG Stuttgart (Urteil vom 28.1.2006 – 2 U 134/06), dass die Werbung eines Rechtsanwalts, für den Pauschalbetrag von 20, – Euro inkl. Mehrwertsteuer eine außergerichtliche Rechtsberatung zu erbringen, seit der zum 1.7.2006 erfolgten Änderung des § 34 RVG nicht mehr gegen das Verbot der Unterschreitung gesetzlicher Gebühren fällt. Demnach gilt die Bemessungsvorschrift des § 4 Abs. 2 S. 3 RVG nicht für ein Beratungshonorar, das gem. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG auf Vereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant beruht. Aus der Urteilsbegründung ergibt sich sogar, dass Dumping-Preise von Rechtsanwälten, sofern es sich um reine Beratungsleistungen handelt, überhaupt nicht mehr zu beanstanden sind, weder kostenrechtlich noch wettbewerbsrechtlich. Damit kassierte das OLG das landgerichtliche Verbot entsprechender Dumpingpreis-Werbung durch das LG Ravensburg vom 28.7.2006. In seinen Urteils-Anmerkungen im Anwaltsblatt 3/07, S. 232 f. untersucht RA Udo Henke, Berlin, die Tragweite dieser Entscheidung: Denkbar seien neben Dumping-Preisen von 20 € oder 9,99 € (wie in Freiburg, vgl. dazu LG Freiburg 10 O 72/00) nämlich künftig auch Null-Euro-Angebote oder gar Sonderangebote, bei denen die Mandanten noch Kaffee und Kuchen oder gar einen Barbetrag von 5 € zur anwaltlichen Beratungsleistung ausgehändigt bekommen. Wenn auf ein solches Angebot, so Henke weiter, in einem kleinen Ort vielleicht 100 Rechtsuchende die Kanzlei aufsuchen würden, kostete diese Werbemaßnahme das Büro nur 500 €. Für diesen Betrag könne man noch nicht einmal eine kleine Anzeige in einer lokalen Tageszeitung schalten. Dies mache deutlich, dass solche Angebote weniger als kontinuierliche Preispolitik, sondern als Akquisemaßnahme aufzufassen seien. Kontinuierlich hingegen werden niedrigste Preise für anwaltliche Beratungen bereits seit geraumer Zeit im Internet gezahlt, wo auf Seiten wie frag-einen-anwalt.de die Rechtsuchenden die Honorare festlegen, die sie im äußersten Fall für ihr Anliegen zu bezahlen bereit wären. Meist ist das nicht allzu viel.

Erfolgshonorare bald ein großer Renner?
Zum anderen entschied das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 12. 12. 2006 – 1 BvR 2576/04), dass das gesetzliche Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare Ausnahmetatbestände zulassen müsse. Der Gesetzgeber habe bis zum 30. Juni 2008 eine entsprechende gesetzliche Neuregelung zu treffen. Insbesondere, so der Erste Senat des Gerichts, müsse es künftig möglich sein, auch besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung zu tragen, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Auch Rechtsuchende, die auf Grund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beanspruchen können, könnten vor der Entscheidung stehen, ob es ihnen die eigene wirtschaftliche Lage vernünftigerweise erlaubt, die finanziellen Risiken einzugehen, die angesichts des unsicheren Ausgangs der Angelegenheit mit der Inanspruchnahme qualifizierter rechtlicher Betreuung und Unterstützung verbunden seien. Nicht wenige Betroffene würden das Kostenrisiko auf Grund verständiger Erwägungen scheuen und daher von der Verfolgung ihrer Rechte absehen. Für diese Rechtsuchenden, so die Richter, sei das Bedürfnis anzuerkennen, das geschilderte Risiko durch Vereinbarung einer erfolgsbasierten
Vergütung zumindest teilweise auf den vertretenden Rechtsanwalt zu verlagern. Und was bedeutet das letztlich auch? Der Anwalt wird sich sein erhöhtes Risiko durch eine dementsprechend erhöhte Erfolgsprämie vergüten lassen. Ob in der Entscheidung des BVerfG nun lediglich die völlig undramatische Regelung eines Ausnahmetatbestandes liegt oder sie vielmehr ein Einfalltor zu amerikanischen Verhältnissen ist, das wird die Zukunft zeigen. Das Auseinanderdriften von Hoch- und Niedrigpreisen aber ist, daran wird niemand zweifeln, schlichtweg ein Zug der Zeit.

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