Nach der Annexion Kuwaits durch den Irak begannen die Alliierten unter Führung der USA einen Befreiungskrieg. Doch was geschah, als China Tibet annektierte?
Nach Massendemonstrationen, brennenden Kerzen und Mahnwachen gegen den Krieg fand Saddams Völkermord an den Kurden bei der deutschen Friedensbewegung offenbar wenig Beachtung. Auch hier wurde mit zweierlei Maß gemessen.
Schwere Geschütze fuhr der in den Kriegstagen unsere Schule besuchende Alfred Grosser gegen den Pazifismus generell auf, nicht nur gegen den antiamerikanischen von Teilen der deutschen Friedensbewegung. Doch die historischen Vergleiche hinken. Nicht willens, auf den Einwand der möglicherweise apokalyptischen Auswirkungen eines in heutiger Zeit geführten Krieges ernsthaft einzugehen, flüchtete sich Grosser in das Ausspielen seines immensen Geschichtswissens und in mehr oder weniger unsaubere rhetorische Taschenspielertricks. Der vergleichsweise moderate geschichtliche Bildungsstand von Schülerschaft und Lehrkörper erlaubte es dem Politologen, die Zuhörer durch seinen Redefluß derartig zu verzaubern, daß diesen erst gegen Ende der Veranstaltung Ziel, Strategie und Taktik des Vortragenden deutlich wurden. So machte sich bei manchem eine verständliche Wut breit, zumal die wenigen kritischen Fragesteller vom professionell agierenden Insider eiskalt ausgekontert wurden. Selten wurde die Macht der Sprache offensichtlicher.
Doch irgendwann muß auch Professor Grosser Farbe bekennen. Der demokratische Interventionismus ist auch in der Außenpolitik ein Gebot der Vernunft und durch abgedroschene Imperialismusphrasen nicht zu entkräften. Nur inwieweit können wir ihn uns in der Zukunft noch leisten, wenn uns unser und das Leben unserer Kinder lieb ist?
Thomas Claer, 12f
Beitrag zur Schulchronik 1990/91 des Kippenberg-Gymnasiums Bremen, Bezug nehmend auf den Vortrag des deutsch-französischen Politologen Alfred Grosser in der Schule im Januar 1991