Habe zufällig entdeckt, dass ein gewisser John Silver auf der Seite wertpapier-forum.de neben vielen anderen Börsenbüchern auch mein im Jahr 2012 erschienenes kleines Werk rezensiert hat.
Hier seine Rezension im Wortlaut:
Auf Seite 4 des Buchs erfährt man ein paar Details über den Autor. Thomas Claer freier Journalist, Privatlehrer und Rechtsanwalt. „Als Kapital-Anleger ist er Autodidakt und seit über 12 Jahren ein ständiger Beobachter der Märkte.“ (S. 4).
Einleitung: Wozu dieses Buch?
Ziel ist es, den Leuten das Thema Aktie näher zu bringen. Leider sind im Vorwort ein paar merkwürdige Beispiele die für die Börse sprechen sollen. So spricht Claer über den Nikkei, dessen Höchststände bis 2012 noch lange nicht wieder erreicht wurden (jetzt aktuell in etwa schon) und des Weiteren schreibt Claer, dass man die Börse am ehesten noch mit dem Roulettespiel vergleichen kann (S. 11). Irgendwie finde ich das für einen Neuanleger nicht gerade ermutigend.
In der Einleitung erläutert Claer aber auch den Aufbau des Buchs. Er orientiert sich an den „vier Gs“ von Kostolany: Geld, Gedanken, Geduld und Glück (S. 15).
Kapitel 1: Geld
Claer empfiehlt allen zu sparen, um an der Börse anzulegen, außer Hartz4-Empfängern, denn für die würde es sich nicht lohnen, da sie ab einem gewissen Grad ihren Hartz4-Anspruch verlieren würden (S. 19-20). Toller Tipp. Etwas ähnliches schreibt er auch auf Seite 31. Wäre es nicht der bessere Tipp, sich aus der staatlichen Abhängigkeit zu befreien und dann an der Börse zu investieren?
Der nächste Tipp ist es, nie 100% anzulegen, „weil ja immer die Möglichkeit besteht, dass sich durch unvorhergesehene Ereignisse plötzlich ungeahnte Möglichkeiten ergeben…“ (S. 21). Mal ehrlich, wie oft kamen diese „ungeahnten Möglichkeiten“ und wie oft kamen sie nicht und wieviel Zinsen und andere Erträge hat man während dieser Wartezeit verschenkt? Und wenn die Möglichkeiten wirklich so ungeahnt sind, warum verkauft man dann nicht einfach etwas anderes dafür?
„Ganz besonders lohnt sich eine hohe Liquiditäts-Quote in schweren, dramatischen Krisen.“ (S. 22). Diese Krisen treten, grob gesagt, aber nur alle 10 oder 20 Jahre auf und gerade dann stellt sich die Frage, wann man kauft. Denn wenn man etwas zu früh oder etwas zu spät kauft, kann man die ganze Performance der Krise auch nicht mitnehmen.
Grundsätzlich empfiehlt Claer keine Beträge aus dem Depot für den Konsum zu entnehmen, weil das auf die lange Sicht Rendite kostet (S. 27) und auch das Spekulieren auf Kredit ist für den Privatanleger tabu (S. 30).
Schön ist der von Claer genannte „Dreisatz“ als „wundersamer Effekt … beim Vermögensaufbau“: Lebensmittel vom Discounter, Bücher vom Flohmarkt, CDs von Ebay (S. 30).
Kapitel 2: Gedanken
„Dieses Kapitel ist das längste des Buches…“ (S. 33) und das meiner Meinung nach zurecht, ist doch das Nachdenken das wichtigste für einen Anleger.
Als eine Gefahr für den Investor macht Claer die wahre Flut an Nachrichten aus, die sich heute auf den Anleger ergießt (S. 35). Ich denke aber, dass Claer hier zum falschen Schluss kommt, denn er meint, leichter hat es derjenige, welcher Aktien aus der 2. und 3. Reihe hat, weil dort die Informationen überschaubar seien. Ich vermute, dass Claer eher weniger in Small-Caps investiert, sonst würde er wissen, dass dies gerade ein wesentlicher Nachteil denn ein Vorteil für den Investor von Small-Caps ist (S. 35).
Die Frage „Investment oder Spekulation?“ (S. 36) löst Claer, indem er eine Zwei-Depot-Lösung empfiehlt, eines für Investments und eines für spekulative Käufe. Diese sollten strikt getrennt werden, auch um den Erfolg jeweils besser zu sehen. Das halte ich für vernünftig, damit der Anleger selber sieht, mit welcher Strategie er welches Risiko und welchen Ertrag generiert (S. 39).
Konkret zur Aktie Facebook gab Claer 2012 den Tipp, „Finger weg“, weil die Bewertung seiner Meinung nach zu hoch sei (S. 47). Heute weiss man, wie sehr er falsch lag. Dagegen empfiehlt Claer das ganze Buch hindurch die Aktie der Maschinenfabrik Berthold Hermle AG (Auch wenn Claer das ganze Buch über von „Bertram Hermle“ spricht, denke ich doch, dass er die Berthold Hermle AG meint). Diese hat sich zwar ordentlich entwickelt, liegt aber Meilen hinter Facebook zurück.
Es ist insgesamt etwas merkwürdig, dass Claer auf den Seiten 47 – 51 konkrete Aktien empfiehlt. Auch wenn er am Anfang des Buchs schreibt, das Buch hat den „Stand 31.12.2011“, muss er doch selber wissen, wie schnell solche Tipps veraltern.
Im Unterkapitel 2.3 stehen auf den Seiten 52 – 61 die gängigsten Kennzahlen im Mittelpunkt. Insbesondere das KGV hat es ihm angetan. Und Waren Buffet. Es vergehen gefühlt keine 3 Seiten, in denen nicht Buffet irgendwo erwähnt werden muss.
Im Folgeunterkapitel 2.4 widmet sich Claer auf den Seiten 62 – 73 der Informationsbeschaffung über Aktien.
Gut gestreut, nie gereut. Und deshalb steht im Unterkapitel 2.5 die Diversifikation im Mittelpunkt. Der Anfang des Unterkapitels mit den Keynes Zitaten hat mir gut gefallen (S. 73). Keynes Meinung ist, im Gegensatz zum heutigen Mainstream, dass man sich lieber sehr sehr wenige Werte kaufen und diese dafür sehr sehr gut kennen sollte.
Überrascht hat mich der Tipp von Claer zu Einzelwerten. Hier empfiehlt er europäische anstatt US- oder Japan-Werten (S. 80 – 81). Das ist durchaus ungewöhnlich.
Merkwürdig fand ich auch die Ausführungen von Claer zu langen Zyklen mit Hinweisen auf die ersten bzw. zweiten Dekaden eines Jahrhunderts (S. 91- 93). Als ob eine Aktie weiß, welches Jahr wir gerade schreiben und als ob dies eine Bedeutung für eine Aktie hätte.
Die Seiten 91 – 97 befassen sich mit der Charttechnik. „Unter Value-Anhängern sorgen die Chartanalysen mancher Experten oft für Heiterkeit … wenn ihre Anhänger [der Charttechnik] auch mitunter erstaunliche Erfolge vorweisen können.“ (S. 97 – 98).
Claer ist der Meinung, dass die Börse manisch-depressiv ist und immer zu Übertreibungen in beide Richtungen neigt (S. 100). Claer zitiert dazu Prof. Max Otte: „Die Finanzmärkte sind irrational, ineffizient und prozyklisch, also von einem ins andere Extrem fallend.“ (S. 100).
Die Pro und Contra zum Setzen von Stop-Loss-Marken führt Claer sehr schön aus (S. 104 – 107). Fakt ist, dass es gute Gründe und gute Gründe dagegen gibt. Die meisten Autoren legen sich meistens auf eine Seite fest und negieren die andere Seite. Das ist hier, positiv, nicht der Fall.
Gut gefallen hat mir auch das Zitat von Kostolany das Claer auf S. 109 anführt: „Wenn die Börsenspekulation leicht wäre, gäbe es keine Bergarbeiter, Holzfäller und andere Schwerarbeiter. Jeder wäre Spekulant.“
Kapitel 3: Geduld
Warum Geduld an der Börse wichtig sein könnte, kann sich vermute ich so mancher denken. Warum aber Claer zusätzlich noch „Diskretion“ (S. 122 – 123) als Tugend anführt, gemeint ist die Diskretion über die eigenen Börsengeschäfte Dritten gegenüber, kann ich nicht so richtig nachvollziehen. Gerade die gemeinsame Analyse von Börsenerfolgen und insbesondere von -misserfolgen, bringt einen doch weiter und bringt Erkenntnisgewinn? Warum man mit der alleinigen Analyse erfolgreicher sein soll, kann ich nicht verstehen.
Kapitel 4: Glück
Nach ein paar Worten zur Wichtigkeit von Glück im Börsengeschehen, schließt das Buch mit einem Ausblick und Schluss.
Fazit:
Ein nettes durchschnittliches Buch zur Börse, bei dem ich aber das Gefühl hatte, dass es mehr von einem Hobbybörsianer und Theorie-Börsianer, als von einem Vollblut-Spekulanten geschrieben wurde.
Claer, Thomas, „Auf eigene Faust – Aktiensparen für Kleinanleger“, BoD – Books on Demand, Norderstedt, 2012, 132 Seiten
Anmerkung: Ich danke dem Rezensienten für seine interessante Besprechung und beschränke mich auf die Feststellung, dass sowohl mein Buch als auch seine Rezension zahlreiche Irrtümer enthalten. Aber das ist nicht weiter tragisch, denn wie sagte Kostolany: “Ich habe zu 49 Prozent falsch gelegen und zu 51 Prozent richtig. Die zwei Prozent Unterschied waren mein Erfolg.”