Wie Juristen bei „Lobbying“ und „Public Affairs“ mitmischen
Thomas Claer
Es ist eine ethische und rechtliche Grauzone, die für so manchen Betrachter etwas Anrüchiges und Zwielichtiges hat: die gezielte Beeinflussung politischer Entscheidungsträger durch Interessenvertreter der Wirtschaft mittels persönlicher Kontakte, erstmals beobachtet vor langer Zeit im Vorraum des englischen Parlaments (der „Lobby“), so lernt es heute jeder Schüler. Und natürlich ist dergleichen auch heute noch Gang und Gebe und wird ganz überwiegend misstrauisch beäugt. Doch muss nicht jede Form von Lobbyismus die Vorstufe von Korruption sein, gehört er doch als legitime Interessenvertretung über entsprechende Verbände ebenso zum politischen Betrieb wie das kollektive und individuelle Einwirken von Gewerkschaften oder Umweltverbänden auf die Politik. Längst ist das Phänomen hinlänglich wissenschaftlich erforscht und kategorisiert, womit es auch einen Teil seiner dubiosen Aura verloren hat. Kenner sprechen heute allgemein von Public Affairs (PA) als dem Wissen der Experten, effektiv und effizient auf Autoritäten/Behörden und „Stakeholder“ (interessierte Kreise) Einfluss zu nehmen. Das Lobbying stellt hierbei eine Teilmenge von PA dar.
PA-Vordenker Machiavelli
Nach Prof. Rinus van Schendelen von der Erasmus-Universität Rotterdam, der seit Jahren auf diesem Gebiet forscht, sind die Hauptbestandteile des PA „die Ambition zu gewinnen, das Studieren der Arena und die Umsicht des Handelns“. Die Verkörperung dieser drei Qualitäten sieht er in Niccolò Machiavelli, dem Berater des Herrschers von Firenze im frühen 16. Jahrhundert, der jedoch von englischen Moralisten des 18. Jahrhunderts als teuflischer „alter Nick“ dämonisiert wurde. Dabei ging es Machiavelli, der heute vor allem auf seine rücksichts- und skrupellose Machtpolitik reduziert wird, letztlich darum, dass ein legitimer Zweck mitunter auch illegitime und unmoralische Mittel heiligen kann.
Brüssel als Hochburg des Lobbyismus
Als eine der Städte mit der größten Lobbyistendichte gilt selbstverständlich Brüssel, denn hier potenzieren sich die wirtschaftlichen Interessen der 27 Mitgliedsstaaten geradezu. Hinzu kommt aber auch der Umstand, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments wegen ihrer vergleichsweise bescheidenen wissenschaftlichen Unterstützung, wie es heißt, gerne das Detailwissen der Lobbyisten in Anspruch nehmen. Da besteht natürlich das Risiko, dass übermittelte Informationen unvollständig oder parteiisch selektiert sind. Doch das wird immerhin dadurch etwas gemindert, dass die EU-Organe meist eine Vielzahl von Lobbyisten unterschiedlicher Interessengruppen anhören. So verwundert es nicht, dass in Brüssel zahlreiche Lobbying-Firmen, aber auch viele internationale Großkanzleien – meist mit Hilfe von Ex-Politikern und spezialisierten Anwälten in ihren Reihen – bestimmte Unternehmen an bestimmte Märkte heranführen oder diesen Unternehmen in den politischen Gremien Gehör verschaffen. Darüber hinaus wirken Juristen auch vielfach in Interessenverbänden am ganz alltäglichen Lobbyismus mit.
Derzeit wird auf EU-Ebene über eine stärkere Regulierung der Lobby-Arbeit diskutiert. Ein zunächst freiwilliges Register von Lobbyisten, in dem Firmen ihre Lobby-Arbeit offen legen, gibt es bereits seit 2008. Doch scheiterten bislang alle Versuche der verpflichtenden Einführung eines Lobbyregisters am Widerstand der EU-Kommission.
Literatur: Rinus van Schendelen, Der bessere Lobbyist. Erfolgreiches Public Affairs Management im EU-Labyrinth, Lexxion Verlag Berlin 2012