Die juristische Metaphorik der Band Element of Crime
Thomas Claer
Seit ihren Anfängen lebt die populäre Musik – nicht selten recht einträglich – im und vom Spannungsfeld zwischen Subversion und Affirmation. Doch nie gab es ein so breites Publikum für Bands und Musiker, die sich und ihre “Street Credibility” so explizit über eine dem Anspruch nach unbedingt authentische, Ghetto bewährte Outlaw-Position definierten, wie im heutigen, längst massenkompatiblen “Gangsta Rap”: Weltstars wie 50 Cent oder Eminem predigen in ihren Songs seit Jahren einen mehr oder weniger machistischen und nur auf Selbstjustiz vertrauenden Lebensstil. Die in Deutschland ziemlich angesagten Jungs vom Label “Aggro Berlin” rekrutieren sich zu wesentlichen Teilen aus ehemaligen Knastbrüdern. Und bezeichnenderweise veröffentlichte US-Rapperin Lil Kim ihr aktuelles Album kürzlich gleich direkt aus dem Gefängnis, wo sie gerade eine Haftstrafe wegen Meineids absitzt.
Auch die Berliner Combo Element of Crime, die heuer ihr zwanzigjähriges Bandjubiläum begeht, könnte man aufgrund ihres einschlägigen Namens leicht für einen frühen Vorläufer dieser grobschlächtigen Richtung halten. Doch weit gefehlt! Die Kriminalität dieser vier Herren erschöpft sich glücklicherweise allein in jenen unerhört explosiven – im besten Orwellschen Sinne – Gedankenverbrechen, welche der Sänger und Texter der Band, der inzwischen auch als Romanautor (“Herr Lehmann”, “Neue Vahr Süd”) zu hinreichender Beachtung gelangte Sven Regener, regelmäßig zu seiner viel gerühmten und fein nuancierten Großstadtlyrik verarbeitet. Zum besonderen Markenzeichen avancierten dabei über die Jahre – nomen est omen – die metaphorischen Ausflüge in die Welt des Rechts: Besondere Aufmerksamkeit verdienen hier, neben diversen um erschlichene Krankenscheine, missbrauchte Vorschlaghämmer und entwendete Aschenbecher kreisenden Sammelsurien besungener Bagatellkriminalität, die Stücke “Der Mann vom Gericht” von der LP “The Ballad of Jimmy and Johnny” (1989) und “Sperr mich ein” vom Album “Weißes Papier” (1993). Im erstgenannten Song begehrt ein unglücklich Liebender unkonventionelle Hilfe vom Gerichtsvollzieher und droht der Treulosen mit einem: “Erst was borgen/ Und dann zahlst du nicht/ Der Mann vom Gericht/ Wird’s dir schon besorgen.” Im anderen Lied werden der Angebeteten vom lyrischen Ich zunächst die Rollen als ermittelnder Polizeibeamter und Strafverteidiger in Personalunion angetragen: “Durchsuchen musst du gründlich, überall/ Der Fall ist schwerer als du denkst/ Erklär mir meine Rechte!/ Sperr mich ein!/ Ich will von dir verhaftet sein!”. Daran schließt sich die einem umfassenden Geständnis gleichkommende Selbstbezichtigung an: “Meine Sitten sind verlottert/ Mein Weltbild ist verdreht/ Und schmutzig meine Phantasie/ Bin schuldig groben Unfugs, der Völlerei/ Und gut zu Tieren war ich nie.” Und am Ende kann der einsichtige Täter seinen Strafantritt kaum noch erwarten: “Gib mir meine Strafe/ Hart hab ich es gern/ Ich halte still/ Was immer auch passiert/ In Freiheit bin ich garstig/ Gefangen will ich sein/ Kleingemacht und gut verschnürt.”
Da sich das ganze auch gesungen recht gut anhört, erfreut sich die Rockkapelle einer bis in diese Tage kontinuierlich wachsenden Fangemeinde – wenn auch gemessen an den ganz großen Acts der Branche auf vergleichsweise moderatem Umsatzniveau. In ihren aktuellen Veröffentlichungen, der LP “Mittelpunkt der Welt” und der EP “Straßenbahn des Todes”, präsentieren sich die Elements einmal mehr in musikalischer und textlicher Höchstform.
Element of Crime
Straßenbahn des Todes (Maxi-CD)
Universal Music 2006
16 min 15 s
ca. EUR 6,99
0602498768945