Justament Dez. 2009: Teenagertraum mit Schönheitsfehlern

Recht cineastisch, Teil 4: “Der Vorleser” nach Bernhard Schlink

Thomas Claer

27 DRUM HERUM TC Recht cineastisch der vorleser fotoDavon träumen wahrscheinlich viele männliche Teenager: von einer Frau über dreißig in die Geheimnisse der erotischen Liebe eingeführt zu werden. Was “real” eher selten vorkommen dürfte (und gem. § 182 Abs. 3 Nr. 1 StGB auch heute noch formal unter Strafe steht), in der Literatur ist es tausendfach beschrieben: wie in Joseph Roths Radetzkymarsch, in Hermann Hesses Demian oder Marcel Reich-Ranickis “Mein Leben” – so auch im “Vorleser” von Bernhard “Grundrechte” Schlink. Nun sollen über den Roman aus dem Jahr 1996 an dieser Stelle nicht viele Worte verloren werden. Dies wird demnächst der Kollege Jean-Claude Alexandre Ho in seiner Kolumne “Recht literarisch” besorgen. Nur dass sich die von den Fünfzigern bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Westdeutschland und Westberlin spielende Geschichte vortrefflich zur Verfilmung eignet, ist festzuhalten.
Das dachten sich auch die Macher dieses Films, die aus dem Weltbestseller-Roman flugs auch noch einen Blockbuster zu fabrizieren gedachten. Und das stellt sich dann so dar: Die Handlung in bester Hollywood-Manier ziemlich platt gewalzt, die (ganz überwiegend deutschen) Darsteller alle sehr prominent und exzellent – mit Superstar Kate Winslet (dem früheren Titanic-Girl) in der Hauptrolle der Hanna Schmitz. Hervorzuheben ist zunächst die schauspielerische Leistung des jungen David Kross (wir kennen ihn aus Detlev Bucks grandiosem Berlin-Actionfilm “Knallhart” von 2006), der den 15-jährigen Schüler Michael Berg sehr natürlich und glaubwürdig verkörpert. Wie aus dem schüchternen und vorsichtigen Jungen später der skrupulöse und nachdenkliche Jurist wird – das zeigt der Film ganz ausgezeichnet. Aber die weibliche Hauptrolle…  Es ist schon klar, dass sich ein so aufwendig produzierter und kostenintensiver Film nur rechnet, wenn dank einer weltweit bekannten Hauptdarstellerin die Menschen auch weltweit zahlreich in die Kinos strömen. Doch werden es zumindest viele deutsche Betrachter als störend empfinden, dass die frühere KZ-Aufseherin in ihren Bewegungen, in ihrer Gestik und Mimik so wenig deutsch erscheint, wie sie es ja schließlich auch ist. So professionell und passabel die Britin Kate Winslet auch spielen mag (man verlieh ihr sogar einen OSCAR für die beste Hauptrolle), als deutsche Nazi-Frau überzeugt sie einfach nicht, und es ist ein Schwachpunkt des Films.

Angenommen, nur einmal angenommen, es wäre mehr um die Kunst und weniger um das Geld gegangen, dann hätten wir viel lieber Nina Hoss oder Johanna Wokalek in der Rolle der Hanna Schmitz gesehen. So bleibt die Verfilmung alles in allem doch etwas hinter den Erwartungen zurück. Dank zahlreicher Nacktszenen kommen aber immerhin die Freunde des erotischen Kinos auf ihre Kosten, vorausgesetzt sie fahren auf Kate Winslet ab.

Der Vorleser (“The Reader”)
USA, Deutschland 2008
124 Minuten
Rgeie: Stephen Daldry
Drehbuch: David Hare
FSK: 12
Darsteller: Kate Winslet, David Kross, Ralph Fiennes, Bruno Ganz, Hannah Herzsprung, Karoline Herfurth, Volker Bruch, Susanne Lothar u.v.a.

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