justament.de, 26.6.2023: Das Beste seit Honeymoon
Lana Del Rey auf “Did You know that there’s a tunnel under Ocean Blvd”
Thomas Claer
Blickt man auf die zahlreichen Veröffentlichungen der amerikanischen Musikerin und Stil-Ikone Lana Del Rey seit ihrem gefeierten Debüt “Born to Die” (2012) zurück, das allerdings genau genommen gar nicht ihr Debüt, sondern bereits ihr zweites Studio-Album war, doch weil es das erste, ihr Frühwerk “Lana Del Ray a.k.a. Lizzy Grant” (2010), bis heute nicht mal als gepressten Tonträger gibt, kann man es schwerlich für voll nehmen… Blickt man also auf Lana Del Reys Alben der letzten zwölf Jahre zurück, dann fällt auf, dass dem fulminanten, aber doch recht inhomogenen “Born to Die” ihre beiden vermutlich stärksten Platten folgten, auf denen sie ihren sehr besonderen Stil nicht nur gefunden, sondern zugleich auch schon perfektioniert hat: Ultraviolence (2014) und Honeymoon (2015). Danach wurde sie schwächer, namentlich auf “Lust for Life” (2017), auf dem sie u.a. mit mehreren prominenten Rappern kooperierte, was sich als nicht sehr vorteilhaft für sie erwiesen hat. Die drei folgenden Alben “Norman Fucking Rockwell” (2019), “Chemtrails over the Country Club” und “Blue Banisters” (beide 2021) waren dann wiederum gelungener und auf jeweils eigene Weise interessant, wenn auch längst nicht so überragend wie ihre Werke von 2012 bis 2015.
Und nun präsentiert uns Lana Del Rey also ihr mittlerweile – je nach Zählweise – achtes oder neuntes Album mit dem ebenso mysteriösen wie sperrigen Titel “Did You know that there’s a tunnel under Ocean Blvd”. Es enthält nicht weniger als 16 Songs, was normalerweise ein Problem wäre, aber hier gar nicht besonders schadet, da es in all dieser Fülle kaum Schwachpunkte gibt. Ja, “Did You know”, das ganz anders ist als seine Vorgänger, abwechslungsreich und überraschend vielschichtig, lässt sich durchaus als großer Wurf ansehen. Auch wenn diesmal eine Rekordzahl an Gastmusikern mitgewirkt hat, haben die vielen Köche keinesfalls den Brei verdorben. Es fällt sogar schwer, einen bestimmten Track herauszuheben. Am besten, man hört komplett alles durch, und das gleich mehrfach. Wer mag, kann sich mit Hilfe des sehr umfangreichen Wikipedia-Eintrags auch noch mit den inhaltlichen Aspekten der CD auseinandersetzen. Doch auch, wer dies ausspart, wird auf seine Kosten kommen. Kurzum, Lana Del Rey hat ihrem Gesamtkunstwerk ein überzeugendes Kapitel hinzugefügt. Das Urteil lautet: gut (13 Punkte).
Lana Del Rey
Did You know that there’s a tunnel under Ocean Blvd
Urban (Universal Music) 2023
ASIN: B0BP4R3GMB
justament.de, 24.1.2022: Durchbruch einer Diva
Scheiben vor Gericht Spezial: Vor zehn Jahren erschien „Born to Die“ von Lana del Rey
Thomas Claer
Irgendwie dunkel und melancholisch, morbide und mysteriös. So wirkte vor genau zehn Jahren, Ende Januar 2012, die Musik von „Born to Die“, dem zweiten Album der damals erst 26-jährigen Lana del Rey, auf die Zuhörer, das der wundersamen Amerikanerin ihren ganz großen kommerziellen Durchbruch bescherte. Doch ist diese viel beachtete Platte seinerzeit auch äußerst umstritten gewesen: Die hat doch aufgespritzte Lippen, ist nicht womöglich alles bloß Fake an ihr?, fragten misstrauisch ihre Kritiker. Und dann standen ihr auch noch bei jedem Song diverse Co-Autoren zur Seite. Hatte sie denn überhaupt etwas von diesen Liedern selbst komponiert? Ebenso vorgehalten wurde ihr schließlich das unüberhörbare qualitative Gefälle zwischen den einzelnen Tracks auf dem Album.
Vielleicht wird ein schärferer Blick auf „Born to Die“ ja erst mit dem gebührenden zeitlichen Abstand möglich. Denn obschon einige Füllstücke, ein paar wirklich billige Disko-Nummern, den guten Gesamteindruck etwas trüben, ist doch das meiste auf dieser Platte überaus grandios. Hier hat Lana del Rey ihren ganz eigenen Stil ausgebildet, mit starken Bezügen auf die Sechziger, den sie in den darauffolgenden Jahren auf mittlerweile sechs weiteren Veröffentlichungen immer mehr perfektioniert hat. Dabei ist ihre Stimme keineswegs überragend, und ihre Songs reichen auch nicht durchgängig an die stilistisch verwandten Mazzy Star und Hope Sandoval heran. Und dennoch, sie sind schon verdammt gut, wobei die medialen Selbstinszenierungen, die Lana del Reys sehr spezifischen Ruhm vor allem begründet haben, sich zumindest nicht unmittelbar störend auswirken… Neben der Hit-Single „Video Games“, “Summertime Sadness” und dem Titelstück „Born to Die“ ist besonders „Blue Jeans“ hervorzuheben, ein ganz unglaublicher Song! So steht es also ganz außer Frage, dass sich Lana del Rey auf „Born to Die“ ihren Glamour-Girl-Status redlich verdient hat.
Das Urteil lautet: gut (13 Punkte).
Lana del Rey
Born to Die
Universal Music 2012
ASIN: B0064IPOSE

