Jahresende 2023: Ahnenforschung Claer, Teil 15

Während ich vor einem Jahr, zum Jahreswechsel 2022/23, meinen letzten Forschungsbericht finalisierte, erreichten mich noch weitere interessante News von unserem eifrig forschenden Verwandten Andreas Z., die ich damals aber nicht mehr mit aufnehmen konnte. Nun stehen sie im Mittelpunkt des diesjährigen Berichts. Hinzu kommt noch ein gleichfalls spektakulärer Fund von Andreas Z., der mich Mitte des Jahres erreichte. Allerdings bin ich in den zurückliegenden Monaten aus verschiedenen Gründen leider zu gar nichts mehr gekommen, sodass es diesmal nolens volens nur zu einem schmalen Bericht gereicht hat. Dennoch sind die neuen Funde so bedeutsam und im anderen Falle zugleich auch ernüchternd, dass sie unseren Forschungen in mancher Hinsicht eine neue Richtung geben könnten…

1. Die Claers in Bieberswalde – doppelt rätselhaft

Zunächst einmal gilt es, an das Kapitel “Die Claers in Bieberswalde” aus dem letzten Bericht anzuknüpfen. Nachdem ich vor mehr als einem Jahr über Google den Eintrag aus einem Jahrbuch über die Versetzung des Försters Clair aus der Försterei Lebkoyen/Drusken nach Bieberswalde im Jahr 1855 gefunden hatte, war mir gleich wieder eingefallen, dass Tante Lorelies auf ihrer Ostpreußenreise vor 20 Jahren auf dem Friedhof in Bieberswalde bei Liebemühl eine Tafel mit der Aufschrift „Ruhestätte der Familie Claer“ gefunden hatte. Ich schlussfolgerte daraus also, dass mein Urururgroßvater, der Förster Friedrich Clair (1799-18??) mitsamt seiner Frau Justine (1803-18??), meiner Urururgroßmutter, und seinem mutmaßlich jüngsten Sohn, meinem Ururgroßvater Franz Claer (1841-1906), und womöglich auch noch weiteren Nachkommen 1855 von Drusken nach Bieberswalde bei Liebemühl gezogen war. Doch nun steht genau dies wieder infrage.

Zum einen konnte ich bei meiner Durchsicht der Bieberswalder/Liebemühlener Standesamts-Urkunden seit 1872 keinen einzigen Namensträger entdecken, so wie auch Tante Lorelies bei ihren Recherchen in den Kirchenbüchern aus der Zeit zuvor erfolglos geblieben war. Zum anderen überraschte uns Andreas Z. mit einem Fund aus einem anderen, aber ebenfalls in Ostpreußen, nämlich bei Tapiau, gelegenen Bieberswalde. Dort heißt es im Kirchenbuch von 1867 (entziffert von Tante Lorelies):

“Materialwaren Gründer Herr Joh. Friedrich Wilhelm Schwermer, Wittwer seit 6 Monaten 1 Kind – Schxxx v. Gericht liegt vor – 36 Jahre – mit Jungfer Ludovica Wilhelmine Claer, jüngste T. des königl. Förster xxx Clair im Forsthaus Bieberswalde bei Tapiau (in Klammern u.U. ein Ort mit G ) 28 J. alt – Trauung in Tapiau xxx Aufb. nicht (das “nicht” ist wieder ausgestrichen) bezahlt.” (Also soll wahrscheinlich heißen: Aufgebot bezahlt.) Am Rand ist der Eintrag mit einer Klammer versehen: “entheften Proclamation xxx auf Tapiau”
(Ich habe Stunden mit dieser Eintragung verbracht. Das war die konfuseste Eintragung, die ich bisher hatte. Vor allem, dass ich nicht rausbekam, was dem Gericht vorliegt, ist seltsam. Und dass zwischen Förster und Clair was klein Geschriebenes steht, aber kein Vorname.)

Dieser Eintrag erklärt nun zwar einiges, wirft dafür aber auch viele neue Fragen auf und macht die Faktenlage am Ende nur noch rätselhafter. Es spricht nun alles dafür, dass die Versetzung des Försters Clair im Jahr 1855 von Drusken aus nicht nach Bieberswalde bei Liebemühl, sondern nach Bieberswalde bei Tapiau erfolgt ist. Letzteres liegt auch viel dichter an seiner vorherigen Wirkungsstätte Drusken, allerdings weit entfernt von der Gegend um Neidenburg, in die es meinen Ururgroßvater Franz Claer später verschlagen sollte. Aber was hat es dann mit dem Familiengrab Claer im anderen Bieberswalde bei Liebemühl auf sich?? Und wie ist mein Ururgroßvater Franz Claer schließlich von Bieberswalde bei Tapiau in die Gegend des anderen Bieberswalde bei Liebemühl gekommen? Vielleicht ja, wie ich bereits ursprünglich vermutet hatte, im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Postschaffner.

Sollte es sich beim Förster Clair von Bieberswalde bei Tapiau, ehemals Förster in Drusken, tatsächlich um meinen Urururgroßvater Friedrich Clair, geboren 1799 in Ludwigswalde, verheiratet 1824 in Corjeiten und lange Jahre wohnhaft in Juditten bei Königsberg, handeln, was ich weiterhin für wahrscheinlich halte, dann wäre seinen zahlreichen uns bereits bekannten Kindern nun also auch noch seine jüngste Tochter Ludovica Wilhelmine hinzuzufügen. Sie war im Jahr 1867 ausweislich des Kirchenbucheintrags 28 Jahre alt, sollte also demnach 1838 oder 1839 geboren sein, d.h. kurz vor meinem Ururgroßvater Franz 1941. Seit 1839 war Friedrich Clair Förster in Drusken, also könnte seine jüngste Tochter Ludovica Wilhelmine bereits dort geboren worden sein oder aber noch zuvor in Juditten. Doch da sie dort im Kirchenbuch, was ich bereits vor vielen Jahren ausgewertet habe, nicht auftaucht, dürfte sie eher schon in Drusken geboren worden sein.
Folgende Kinder von Friedrich und Justine Clair sind uns somit bisher bekannt:

Kinder von Friedrich (1799-18??) und Justine Clair/Claer, geb. Knaebe/Knebel (ca. 1803-18??)
– 1824 Wilhelm Friedrich (23. Oktober) in Corjeiten – verstorben 15.6.1889 in Rahnkalwen/Dittlaken
– 1826 Heinrich Julius (17. Dezember) in Juditten
– 1828 Amalia Dorothea (??. November) in Juditten
– 1830 Albert Eduard (14. November) in Juditten
– 1833 Herrmann August (8. Januar) in Juditten
– 1835 Justina Wilhelmine (??. Februar) in Juditten
– 1837 Auguste Ernestine (11. März) in Juditten
– 1839 Otto Conrad (14. April) in Juditten
– ca. 1839 Ludovica Wilhelmine in Eichenberg/Drusken (?)
– 1841 Franz Claer (27. September) in Eichenberg/Drusken, Kr. Wehlau – verstorben 16.10.1906 in Neidenburg

Als problematisch erscheint nun allerdings, dass im April 1839 noch in Juditten Otto Conrad zur Welt kam, sodass Mutter Justine aus biologisch-mathematischen Gründen eigentlich erst allerfrühestens Anfang 1840 wieder ein Kind hätte bekommen können. Das wäre dann 1867 aber erst höchstens 27 Jahre alt gewesen und nicht, wie es im Kirchenbuch von Bieberswalde bei Tapiau hinsichtlich Ludovica Wilhelmines heißt, bereits 28. Allerdings beruhten die Altersangaben über die Braut im Kirchenbuch vermutlich nur auf den Aussagen der Beteiligten, was gewisse Ungenauigkeiten denkbar erscheinen lässt. Ebenso wäre auch ein geringfügiger Rechenfehler vorstellbar, so dass hier grundsätzlich noch alles ins Bild passt.

Ferner könnte aber auch noch ein Abgleich mit den handschriftlichen Notizen meines Großvaters Gerhard Claer hilfreich sein. Ich zitiere aus einem meiner früheren Berichte:

„An dieser Stelle ist ergänzend auf die handschriftlichen Aufzeichnungen meines Großvaters Gerhard Claer hinzuweisen, wonach im Kirchenregister der ev. Kirche Judithen bei Neidenburg, Jahrgang 1828, Seite 451 Nr. 61 einige Male Clair mit „ai“ erscheint, nämlich: „Heinrich Clair, Förster; Otto C., Gendarm u.s.w., Franz u.s.w. Postbeamter// Geschwister Amelie (?) geb. Clair“. Er geht offenbar von einer Verwandtschaft aus und wertet die dem Französischen näherstehende Schreibweise als Indiz für die ursprünglich französische Herkunft der Familie… Die vollständige Notiz meines Opas Gerhard enthielt außerdem noch den Zusatz: 9 Knaben, 3 Mädchen. Sollte dies die Anzahl der Kinder von Friedrich Claer und Justine Knaebe sein?”

Nun wären wir einschließlich Ludovica Wilhelmine aber schon bei vier Mädchen (und nur sechs Jungs), was doch schon eine signifikante Abweichung darstellt…
Was auch noch möglich wäre: Dass Friedrich und Justines zweitältester Sohn Heinrich Julius Clair, geboren 1826 in Juditten und laut meinem Großvater Gerhard – siehe oben – ebenfalls von Beruf Förster, seinem Vater Friedrich irgendwann nach 1839 auf die Försterstelle in Drusken gefolgt ist und dass er es war (und nicht sein Vater Friedrich), der 1855 von Drusken nach Bieberswalde bei Tapiau versetzt wurde. Denn einen Vornamen des Försters Clair enthält weder der Eintrag aus dem Jahrbuch über die Versetzung nach Bieberswalde im Jahr 1955 noch der Eintrag im Kirchenbuch von Bieberswalde bei Tapiau aus dem Jahr 1867.

Sicher auszuschließen ist allein, dass der älteste Sohn Friedrichs und Justines, Wilhelm Friedrich Clair, geboren 1824 in Corjeiten (und ein direkter Vorfahre von Andreas Z.), auch er von Beruf Jäger, von Drusken nach Bieberswalde bei Tapiau versetzt wurde, denn sein Leben an verschiedenen Wirkungsstätten ist mittlerweile hinreichend dokumentiert, siehe meine früheren Berichte.
Doch es könnte nach 1839 ebenso gut auch noch ein Neffe Friedrichs, etwa ein Sohn von Friedrichs jüngerem Bruder, dem Oberförster Johann Wilhelm Clair (geb. 1802 in Ludwigswalde,) eine Anstellung als Jäger in Drusken gefunden haben und 1855 von dort nach Bieberswalde versetzt worden sein. Oder sogar Johann Wilhelm selbst. Kurz gesagt: Es bleibt unübersichtlich und vieles ist möglich.

Bemerkenswert am Bieberswalder Kirchenbucheintrag ist aber schließlich noch die divergierende Namensschreibweise von Vater und Tochter: Ludovica Wilhelmine Claer wird schon mit ae geschrieben, ihr Vater nur eine Zeile darunter aber noch mit ai.

2. Neues von den Claers in Thüringen

Lange Jahre hatten wir keine neuen Erkenntnisse mehr über die Claers in Thüringen und ihre etwaige Verbindung zu unseren ostpreußischen Claers gewinnen können. Nun endlich kommt aber wieder Bewegung in die Sache.

a) Bisheriger Kenntnisstand
Bisher wussten wir nur vom überregional operierenden Erfurter Fuhrunternehmer Christoph Friedrich Claer (1802-1860), der in seiner Jugend bis 1826 zunächst als Chausseewächter in Frienstedt (Vorort von Erfurt) aufgetreten ist. Von 1836 bis 1846 war er Frachtfuhrmann in Erfurt, ab 1849 dann Fuhrherr und Spediteur ebendort. Er war zweimal verheiratet, zuerst mit Sophie Catharina Hof(f)mann, nach deren frühen Tod um 1826 mit Christiane Marie Scherlitz. Seiner ersten Ehe entstammt sein Sohn Friedrich Wilhelm Heinrich Claer, geb. 1825 in Frienstedt.

Gemäß Friedrich Christophs Geburtseintrag aus Siersleben im Südharz vom 16.11.1802 war sein Vater der Feldjäger (und wohl doch nicht Feldscher, wie es zuerst entziffert wurde) Johann Friedrich Klaer, der wiederum als “der jüngste Sohn des hochehrwürdigen Herrn (unleserlich, ev. Jäger oder Förster) Christian Friedrich Klaer aus Wettin/Wollin/Wittin (o.ä., so lasen die Experten es damals)” bezeichnet wurde. Tante Lorelies liest nun als Ortsangabe hier “eindeutig Wittiz. Wahrscheinlich heißt der Ort Wittitz, hat der Schreiber vielleicht nicht gewusst.”

Es soll einmal einen kleinen Ort namens Wittiz bei Kamenz gegeben haben. Ferner gibt es ein Wittitz (Vitice) in Böhmen, gut 40 km östlich von Prag. Die Entfernung von Siersleben nach Kamenz beträgt 234 km, nach Wittitz bei Prag 377 km; die Entfernung von Siersleben nach Ludwigswalde bei Königsberg in Ostpreußen sogar 901 km.

Als wir uns vor etwa einem Jahrzehnt damit beschäftigten, rätselten wir, ob es trotz der großen Entfernung eine Verbindung zu “unseren” Claers in Ostpreußen geben könnte, denn die Übereinstimmungen bei den Vornamen (alle heißen Friedrich mit unterschiedlichen Zusätzen wie Johann, Christian, Christoph oder Heinrich) und den Berufen (alle sind Förster/Jäger außer dem Fuhrunternehmer) sind schon sehr auffällig. Insbesondere gab es ja in Ludwigswalde neben “unserem” Friedrich Wilhelm Clair (laut Mundia-Datenbank-Eintrag 1770-1813, Vater des im 1.Kapitel behandelten (Christian) Friedrich Clair (1799-18??)) auch dessen mutmaßlichen Bruder, den Unterförster Johann Friedrich Clair. Und dieser ist namensidentisch und berufsgleich mit dem Vater des Fuhrunternehmers, dem Feldjäger Johann Friedrich Klaer, der 1802 in Siersleben geheiratet hat. Laut dem damals zitierten Experten war die örtliche Mobilität der Förster damals einerseits sehr hoch, andererseits hielt er die Entfernung von Ostpreußen nach Thüringen für doch zu groß, um darauf zu spekulieren.

Neben den genannten Claers in Erfurt hatten wir damals noch den Google-Suchtreffer eines Försters namens Clair im thüringischen Krakendorf im Jahr 1816:

Als solcher war er aufgeführt im “Großherzoglich-Sachsen-Weimar-Eisenachischen Hof- und Staatshandbuch. Darinzustehen war schon eine große Ehre, zumal in diesem Buch auch kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe als Minister dieses Großherzogtums Erwähnung findet. Doch konnten wir für diesen Förster von Krakendorf, das gut 30 km südöstlich von Erfurt liegt, bisher noch keine Verbindung zu den Claers aus Erfurt finden. Die Betonung liegt auf bisher…

b) Neue Funde
Nun hat Andreas Z. in alten Kirchenbüchern aus Erfurt gleich vier Volltreffer gelandet (Entzifferung jeweils von Tante Lorelies):

1849: Friedrich August Clar (hier wird schräg über l und a das e raufgetupft. Daraus ist später dann sicher Clär entstannden, ich habe auch erst ä gelesen) vormals Unterförster in Königl.Peuß. Dienst, Fleischgasse Nr.1452 Ehemann. Wagenwärter, 72, hinterließ mehrere maj. Kinder, wie auch seine Ehefrau, Freitag 9. März, Nachmittag 4.. Altersschwäche

1843: Wilhelmine Charlotte Rosalie Clar (e drauf) Freitag, den 10.März, abends halb 12 Uhr, ehelich, Vater Herr Friedrich Christoph Claer, Bürger und Frachtfuhrmann, Mutter Frau Christiane Marie, geb. Scholtz (Schultz, Schulitz?) Fleischgasse Nr.1452 Dom October den 19ten März, Taufzeugin Jungfrau Wilhelmine Charlotte Rosalie Franz, Steuerbeamtin zu Nordhausen, Tochter

1858: Claer, Friederike, Sophie, geb. Hoffmann nachgelassen, Witwe des Chaussee-Aufsehers Friedrich August Claer, Schmidtstädterstr. No 509, 69, 2 majorenne Kinder, 15. Februar, 2 1/2 3 Uhr früh, Schlagfluß, vom Leichenbestatter von Rhein gemeldet 17. Februar , daselbst No 433 A

1854: Cramer, gen. Krämer, Johann Georg, Bürger und Gärtner…? zu Unter…?? 6 Eltern: Johann Andreas Cramer zu Grüningen, Frau Martha geb. Köhler. Alter des Bräutigams 55/4 Wittwer. Braut: Claer, Jungfrau, Dorothea Friederike, ev. , Am Anger. Eltern der Braut : Friedrich August Claer, gen.. Ortsbürger und Förster zu Krakendorf im Eisen… und Frau Anna …Elisabeth, geb. Hoffmann. Alter der Braut : 34, ledig, Aufgebot in der Lohfüßer Kirche

c) Einordnung dieser Funde:
Nun wissen wir also, dass der vormalige Förster von Krakendorf, Friedrich August Claer, geboren um 1776 und verstorben 72-jährig an Altersschwäche am 09.03.1849 in Erfurt, dort in der Fleischgasse Nr.1452 gewohnt hat. (Übrigens beste Innenstadtlage in der Erfurter Altstadt.) Genau diese Wohnadresse hatte aber auch der Fuhrunternehmer Christoph Friedrich Claer mit seiner Familie im Jahr 1843. Da Friedrich August, Jahrgang 1776, wie wir wissen, nicht der Vater von Christoph Friedrich, Jahrgang 1802, war, fragt sich, in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie gestanden haben könnten. Am naheliegendsten wäre wohl die Vermutung, dass Friedrich August der Onkel von Christoph Friedrich war, mithin der Bruder von Christoph Friedrichs Vater Johann Friedrich (Geburtseintrag von Siersleben, siehe oben). Wären sie noch entferntere Verwandte gewesen, hätten sie vielleicht nicht unbedingt im selben Haus gewohnt…

Fleischgasse 14 in Erfurt heute

Noch dazu war Friedrich August Claer, wie es in seinem Todeseintrag heißt, bis zuletzt noch als Wagenwärter tätig (vielleicht sogar in Christoph Friedrichs Firma, was ja naheliegend gewesen wäre) und zuvor offenbar auch noch als Chaussee-Aufseher, wie es im Todes-Eintrag seiner Witwe erwähnt wird. Als „Chaussee-Wächter“ in Frienstedt hat übrigens auch sein mutmaßlicher Neffe Christoph Friedrich Claer angefangen. Das war vermutlich von seinem Großvater mütterlicherseits vermittelt, der aus dieser Branche kam, hatten wir früher mal rausgefunden.
Interessant ist ferner der Umstand, dass Friedrich August Claer, der Förster von Krakendorf, als “Unterförster in Königl. Preuß. Dienst” bezeichnet wird. Tatsächlich waren die Stadt Erfurt und Umgebung seit 1802 preußisch geworden, allerdings die Gemeinde Krakendorf offenbar schon nicht mehr, denn sonst hätte es ja nicht den besagten Eintrag im Jahrbuch des Großherzogtums Sachsen-Weimar gegeben.

Könnte es nicht sein, dass der preußische Staat ab 1802 loyale Beamte aus seinen bisherigen Provinzen in die neu erworbenen Gebiete beordert hat? So könnten doch Friedrich August (Jahrgang 1776) und sein jüngerer Bruder Johann Friedrich (der jüngste Sohn seines Vaters laut oben angeführtem Sierslebener Geburtseintrag) aus diesem Grund von Ostpreußen nach Thüringen bzw. in die Mansfelder Grafschaft (zu der Siersleben gehörte) gekommen sein, während ihr älterer Bruder, nämlich “unser” Friedrich Wilhelm (Jahrgang 1770) in Ludwigswalde und später woanders in Ostpreußen verblieben ist.

Aus den Einträgen in den Erfurter Kirchenbüchern ergeben sich darüber hinaus noch weitere spannende Erkenntnisse: Anscheinend war Fuhrunternehmer Christoph Friedrich Claer in fortgeschrittenem Alter sogar noch ein drittes Mal verheiratet, nämlich mit Christiane Marie, geb. Scholtz (Schultz, Schulitz?). Mit ihr hat er 1843, also mit immerhin schon 41 Jahren, noch die Tochter Wilhelmine Charlotte Rosalie bekommen. (Er war ja als erfolgreicher “Ökonom”, wie es in einem Eintrag heißt, den wir schon früher einmal gefunden hatten, zweifellos eine gute Partie.)
Ferner erfahren wir, dass der oben erwähnte Friedrich August Claer, der frühere Förster von Krakendorf, mit Friederike Sophie, geb. Hoffmann, verheiratet war, die erst 1858, also zehn Jahre nach seinem Tod, 69-jährig verstorben ist. Sie war folglich Jahrgang 1888 oder 1889, also 12 oder 13 Jahre jünger als ihr Mann. Außerdem hat sie zu dieser Zeit nicht mehr in der Fleischgasse gewohnt, sondern in der Schmidtstädterstr. No 509, 69. Vielleicht hat ja der Platz in Christoph Friedrichs Haus nicht mehr für seine Tante gereicht, oder sie hat es von sich aus vorgezogen, woanders zu wohnen. Jedenfalls hat sie bei ihrem Tod laut Eintrag zwei erwachsene Töchter hinterlassen. Eine davon, nämlich Dorothea Friederike, hat 1854 im Alter von 34 Jahren erstmals geheiratet, und zwar einen 55-jährigen Witwer, Bürger und Gärtner. Damit war Dorothea Friederike übrigens nur fünf Jahre älter als der 1825 geborene Sohn Friedrich Wilhelm Heinrich ihres mutmaßlichen Cousins Christoph Friedrich.

Doch noch einmal zurück zu den Förstern Friedrich Wilhelm Clair (geb. 1770), Friedrich August Clair (geb. 1776) und Johann Friedrich Clair (geb. nach 1776). Sollte meine gewagte Theorie – siehe oben – stimmen, wären sie Brüder gewesen und stammten alle drei aus Ostpreußen. Von Johann Friedrich wissen wir aus dem Geburtseintrag in Siersleben, dass er der “jüngste Sohn des hochehrwürdigen Herrn (unleserlich, ev. Jäger oder Förster) Christian Friedrich Klaer aus vermutlich Wittiz oder Wittitz war. Zwar gibt es kein Wittiz oder Wittitz in Ostpreußen, doch könnte Vater Christian Friedrich Klaer dorthin (wo auch immer es sich befindet) natürlich auch erst später versetzt worden sein, womöglich ja ebenfalls wegen der preußischen Gebietszuwächse und des Bedarfs an loyalen preußischen Beamten…

Nun trägt auch mein im ersten Kapitel ausführlich gewürdigter Urururgroßvater Friedrich Clair, geboren 1799 in Ludwigswalde als Sohn des Unterförsters Friedrich Wilhelm Clair, den ersten Vornamen Christian. Denkbar wäre es folglich, dass “unser” Christian Friedrich Clair nach seinem mutmaßlichen Großvater, dem “hochehrwürdige Christian Friedrich Klaer”, benannt worden ist, zumal der Zusatz „Filius“ zu seinem Namen in seinem Geburtseintrag 1799 ja auch nahelegt, dass es neben ihm noch einen älteren Christian Friedrich Clair gegeben hat.

Dass bei einem Namenseintrag im Kirchenbuch das Adjektiv “hochehrwürdig” dem Namen vorangestellt wird, wie es im Kirchenbuch von Siersleben bei besagtem Christian Friedrich Klair aus Wittiz oder Wittitz geschehen ist, gilt – wie es uns vor einem Jahrzehnt auch von Experten bestätigt wurde – als sehr ungewöhnlich. Dieser Christian Friedrich muss sich also durch irgendetwas Besonders hervorgetan haben. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass alle seine Söhne ebenfalls Friedrich heißen (was wohl sein Rufname gewesen sein dürfte). Der ältere Christian Friedrich könnte zwischen 1740 und 1750 geboren worden sein und die spätere „Marke“ Förster Friedrich Clair etabliert haben. Vielleicht gibt es sogar eine Verbindung zu Friedrich dem Großen, der 1740-1786 preußischer König war. Und der erste Name Christian verweist möglicherweise auf „Christian Clerc, der nach Preußen gehet“, der 1719 in Stolp auf dem Weg nach Ostpreußen registriert wurde, mutmaßlich unterwegs zu seinen Verwandten David, Jakob und Abraham Clerc/Clair in der Schweizer Kolonie in Gumbinnen (seit 1712), wo ja noch 1734 Elisabeth Clair, die Tochter des Jacob Clair, geheiratet hat. Kurzum, der ältere Christian Friedrich könnte zur zweiten oder dritten Einwanderergeneration der aus St. Imier stammenden ostpreußischen Clairs gehört haben.

Natürlich sind meine Ausführungen der letzten drei Absätze weitgehend spekulativer Natur, wenn auch, wie ich zumindest hoffe, nicht völlig aus der Luft gegriffen…

3. Ausblick

So viel also für dieses Jahr. Ob wir in der besonders schwierigen Frage des Lückenschlusses zwischen den Clairs in der Schweizer Kolonie in Gumbinnen ab 1712 und “unseren” Förstern in Ludwigswalde bei Königsberg im späten 18. Jahrhundert jemals entscheidend weiterkommen werden, steht nach wie vor in den Sternen. Doch gibt es darüber hinaus und drum herum gewiss auch weiterhin so viele spannende und immer wieder überraschende Entdeckungen zu machen, dass unser Forschungseifer auch in Zukunft nicht erlahmen sollte…

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